Seite 2 Nr. 104

Nagolder TagblattDer Gesellschafter"

Freitag. 4. Mai 1928

Prämiierung bäuerlicher Mrkschaftsbelricbe. Zur An- ngung eines sachgemäßen Fortschritts auf den verschiedenen Gebieten des landw. Betriebs führt die Württ. Landwirt- schaftskammer auch im Jahr 1928 eine Prämiierung vor­zugsweise bäuerlicher Wirtschaftsbetriebe durch. Die Prämi­ierung findet in diesem Jahr im Neckar- und Donaukreis statt. Bei der Zuerkennung von Preisen kommen solche bäuerlichen Wirtschaften in Betracht, deren Betrieb mit Be­rücksichtigung aller einschlägigen Verhältnisse den nachhaltig­sten Reinertrag anstrebt, und der daher für die ähnlichen Verhältnisse der Umgebung als Muster dienen kann. Die Bewerber müssen in der Lage sein, die Ergebnisse des Be­triebs durch eine ordentliche Buchführung nachzuweisen. Bei der Prämiierung werden in erster Linie die als Beispiels­wirtschaften eingerichteten und überwachten Betriebe berück­sichtigt werden. Anmeldungen sind bis spätestens 15. Juni bei der Württ. Landwirtschaftskammer einzureichen.

Tagung. Am 28. und 29. April fand in Stuttgart eine Dertretertagung der Württ. Vereinigung der Reichsbahn­inspektoren und Amtmänner statt.

Verein für ärztliche Mission. Im Herzog Christoph fand am Dienstag unter den, Vorsitz von San.-Rat Dr. ner die zahlreich besuchte 30. Jahresversammlung des Bere n« für ärztliche Mission statt an der u. a. Missionsinspektor Huppenbauer- Basel und Prälat v. SchmittHen­ne r - Karlsruhe !eilnahmen. Der neue Geschäftsführer, Missionar Spaich, berichtete von der umfangreichen Vor­trags- und Werbetätigkeit des Vereins im ganzen Land. Außer der Anschaffung von wichtigen Arbeitsmitteln konn­ten noch 16 000 Mark an die Missionsgesellschaft in Basel abgeführt werden, wobei freilich für das vergangene Jahr immer noch ein Unkostenfehlbetrag von 92 000 Mark übrig bleibt. Von 25 deutschen Missionsärzten stehen 8 im Dienst der Basler Mission. Nach einer Mitteilung von Prof. Dr. Olpp, der Erfreuliches über das Tübinger Deutsche Institut für ärztliche Mission und das Tropengenesungsheim berichten konnte, wurden nach dem Krieg 20 Missionsärzte neu aus­gesandt. Im Sommersemester studieren im Deutschen In­stitut 17 Missionsmediziner. Anschließend hielt Pfarrer I. Kämmerer ein Referat über das ThemaDie Mit­arbeit des Pfarrers in der ärztlichen Mission".

ep. Der Landesverband der Evang. Arbeiter, und Ar brikerinnenvererne hält seine diesjährige Tagung an Pfing sten zu Reutlingen. Dieselbe wird eröffnet durch eine Volksabend am Samstag vor Pfingsten und schließt mit de Mitgliederversammlung am Pfingstmontag. Der Förde rung der Bewegung -dienen 2 Vorträge des Landessekretär Mangold und der Landessekretärin, Frl. Sapper über die Bildungsaufgaben der Vereine.

Ti« Dachkammermarder. Ein richtiger Tunichtgut ist de 20jahrige Willi Treiber von Stuttgart, der sich frül jchon der Zucht des Elternhauses entzogen hat, um ein un gebundenes Leben in Freiheit führen zu können. Die Mit ies für ein üppiges Leben verschaffte er sich durch zahlreich Umbrüche, besonders m Dachkammern und Dachwohnungen Das Schöffengericht benahm ihm seine Freiheit auf 1 Iah, S Monate, dre er im Gefängnis abzusitzen hat.

Geschäflsjubiläum. Die Firma Gustav Lachenmayer. Spezialgeschäft für Haus und Küche in Skutkgark, Rokebühl- ftraße 7, kann in diesem Monat auf ein lOOjähriges Be­stehen zurückblicken. Das Geschäft wurde 1828 als Eisen­warenhandlung von Gustav Lachenmayer ln der Poststraße 17 gegründet. In den Siebziaer Jahren wurde es nach der Rotebühlstraße verlegt und seit 1903 befindet sich die Firma im Besitz von Robert und Paul Frank.

Aus dem Lande

K. Fellbach. 3. Mai. Berufsjubiläum. Am 5. Mai kann Herr Gottlieb Conradi, Buchdruckereibesitzer und Verleger desFellbacher Tagblatt", sein 50jähriges Berufs­jubiläum feiern. Vor einem halben Jahrhundert trat er als Buchdruckerlehrling in den bekannten Betrieb der Gebrüder Kröner in Stuttgart ein, der im Jahr 1878 die Buchdruckerei und den Verlag Cotta aufkaufte und sich seitdem zu der Weltfirma Union entwickelte. Seit 1890 war Herr Con­radi sodann als Geschäftsführer und Faktor in Kaufbeuren, in der Druckerei- und Verlagsgesellschaft vorm. Dölter AG. in Freiburg und in derFreiburger Zeitung" (als Geschäfts­leiter) tätig. Im Jahr 1911 übernahm er pachtweise den

Enztäler" in Neuenbürg und erwarb sich schließlich am 1. Oktober 1915 Druckerei und Verlag desBoten vom Cappelberg" in Fellbach, welches Blatt er unter dem neuen und den Zeitverhältnissen mehr angepaßten NamenFell­bacher Tagblatt" mit jo viel Geschick, Umsicht und Fleiß lei­tete, daß er heute bei wesentlich erweitertem Leserkreis eine geachtete Stellung in der schwäbischen Presse einnimmt. Die Akzidenzdruckerei nahm gleichzeitig einen bedeutenden Um­fang an. So wurde nach einigen Jahren die Verlegung des Betriebs in ein größeres Anwesen, das Herr Conradi an­kaufte, notwendig. Der lange Weg zu dem Ziel war aber keineswegs immer eben oder dornenlos. Aber die ihm auch im Geschäft treu zur Seite stehende Gattin half ihm, Fehl­schläge und Enttäuschungen mancherlei Art tapfer zu über­winden und mit ungebrochenem Mut, nie ermüdendem Fleiß und äußerster Sparsamkeit, mitunter unter größten Ent­behrungen die ersehnte unabhängige Selbständigkeit zu er­kämpfen. In Würdigung dieser Verdienste haben der Haupt- oorstand des Deutschen Buchdrucker-Vereins e. V. Berlin und der Kreis IV (Südwest) des D.B.V. Stuttgart dem Jubilar ein künstlerisch ausgeführtes Gedenkblatt gewidmet. Im Juli d. I. wird Herr Conradi auch das 40jährige Ehejubliäum begehen können.

Hohenheim, 3. Mai. Erdbeben. Gestern abend wurde von den Instrumenten der Ho-henheimer Erdbebenwarte wieder ein starkes Beben ausgezeichnet, das die Balkanhalb- inset betroffen haben dürfte. Die errechnet« Herdentfernung beträgt 121300 Km. Die ersten Bebenwellen trafen hier um 22 Uhr 58 Minuten 26 Sekunden ein.

Ellwangen, 3. Mai. 50jähriges Jubiläum. Schriftsetzer Franz Taver Wendelbei der Ipf- und Iagst- zeitung konnte auf eine 50jährige Tätigkeit im Beruf und an der hiesigen Tagespresse zurückbltcken. Der Leiter des Betriebs und der Vertreter der Arbeitskollegen feierten den Jubilar als Vorbild treuer, gewissenhafter Pflichterfüllung. Der Deutsche Buchdruckerverein, dessen tragbares Ehrenzei­chen in Gold dem Jubilar bereits verliehen wurde, über­sandte eine Ehrenurkunde, ebenso die Handwerkskammer Ulm. Außerdem traf ein Glückwunschschreiben des Reichs­präsidenten ein.

Bad Mergentheim. 3. Mai. Neues Bad. In den letzten Tagen wurde das neuerrichtete Römisch-Irische Bad seiner Bestimmung übergeben. Dadurch besitzt Bad Mer­gentheim neben den so vorzüglich wirkenden Quellen und seiner anerkannten Diät ein weiteres Mittel, um die jetzt so erwünschte schlanke Linie herzustellen. Der Neubau ist bemerkenswert durch seine Ausführung im Stil der neuen Sachlichkeit. In der inneren Ausstattung ist in glücklicher Weise Zweckmäßigkeit mit Vornehmheit verbunden worden.

Böblingen, 3. Mai. Viele Bewerber. Um die neu iu besetzende Geschäftsleiterstelle der Allg. Ortskrankenkasse Böblingen haben sich 32 Bewerber vom Verwaltungs- und Krankenkassenfach gemeldet.

Rottenburg. 3. Mai. DieKollektenderDiözese Rottenburg. Bei der Kollektenkasse in Rottenburg ka­men bis 31. Dezember 1927 für 12 verschiedene Zwecke zu­sammen 370165,03 RM. ein.

Aenderung des Landlagswohlgesetzes

Der württ. Landtag hat bekanntlich in seiner Sitzung vom 26. April beschlossen, daß auch für die Landkagswahl keine Stimmzettel mehr an die Wähler versandt oder an Parteien abgegeben werden sollen. Der Stimmberechtigie erhält nunmehr den Reichstags- und den Landtagsstimm­zettel nebst den amtlichen Wahlumschlägen erst am Wahl­tag beim Betreten des Abstimmungsraums. Er begibt sich hiemit in den Wahlverschlag, kennzeichnet dort auf jedem der beiden Stimmzettel den Wahlvorschlag, dem er seine Stimme geben will, steckt alsdann im Wahlverschlag jeden Stimmzettel in den zugehörigen Wahlumschlag und übergibt darauf die beiden Wahlumschläge unter Nennung seines Namens dem Abstimmungsvorsteher, der sie sofort unerösf- net in die Stimmurne legt. Die Kennzeichnung der Wahl­vorschläge geschieht am besten in der Art, daß der Wühler auf jedem der beiden Stimmzettel den Wahlvorschlag an- kreuzt, dem er seine Stimme geben will, und zwar setzt er am zweckmäßigsten das Kreuz in d en Kre i s, der sich rechts neben diesem Wahlvorschlag befindet. Bemerkun­gen und Vorbehalte dürfen auf den Stimm­

zetteln nicht gemacht werden, sonst sind diese als ungültig zu behandeln. Dem Wähler wird auch beim Einlegen der Stimmzettel in die Wahlumschläge größte Sorgfalt anempfohlen, damit Verwechslungen vermieden werden: wird ein Landtagsstimmzettel in einen Reichs­tagswahlumschlag gelegt oder ein Reichstagsstimmzettel in einen Landtagswahlumschlag, so ist der Stimmzettel un­gültig.

Das 8. Schuljahr und die Industrie

Stuttgart, 3. April. Von zuständiger Seite wird mit­geteilt:

In den Kämpfen um das 8. Schuljahr ist der Regierung stets oorgeworfen worden, daß die von ihr im Landtag durchgesetzte Hinausschiebung des 8. Schuljahrs in den Ge­meinden, wo dies aus wirtschaftlichen Gründen geboten ist, die Industrie auf das schwerste schädige, da für diese das 8. Schuljahr unbedingt erforderlich sei. Wie unbegründet diese allgemein gehaltene Behauptung ist, ergibt sich aus einem Bericht, den der Stadtvorstand in Schwenningen über die Verwaltung der Stadtgemeinde am 24. April dem Ge­meinderat erstattet hat. In diesem Bericht steht folgender Satz:

Eine weitere Sorge für die Uhrenindustrie bedeutet der Mangel an jüngeren Arbeitskräften, der sich mehr und mehr fühlbar macht. Der Rückgang der Geburtenziffer, die Ein­führung des 8. Schuljahrs trägt in katastrophaler Weise hiezu bei. Es ist deshalb eine weitere Aufgabe, durch deu Ausbau von Zubringerlinien einen Ausgleich zu schaffen, und durch eine großzügige Ansiedlung diesem Umstand zu begegnen."

Es ergibt sich daraus, wie berechtigt es war, daß die Regierung von dem Landtag das Recht erbeten hat, in ge­eigneten Fällen eine Hinausschiebung des 8. Schuljahrs zu­zulassen.

Aus Stadt und Land

Nagold, 4. Mai 1928

Das Klügste ist nicht immer das Beste. Hebel.

Was andere wieder einmal besser wissen'.

In der Nummer 206 desMerkurs" vom Donnerstag, den 3. Mai, lesen wir eine Notiz über die politischen Ver­sammlungen in Nagold und es ist verständlich, daß die Wahlrede des Herrn Hosrat Vick es näher beleuchtet ist. Unverständlich ist aber der Schlußsatz, der be­sagt:Eine kleine Gruppe von Nationalsozialisten suchte die Versammlung zu stören." Die durch die Dis­kussion hervorgerufene etwas scharfe Note geben wir ohne weiteres zu, aber von einer gewollten Störung kann gar nicht die Rede sein und wer eine solche Behauptung aus­spricht, sagt die Unwahrheit und wer Unwahrheiten sagt, der lügt! Mein lieberMerkur", wir können uns mit dem besten Willen nicht denken, daß gerade in ihren Reihen durch Lügen Freunde gewonnen oder Feinde erzogen wer­den, freies Visier und Taten sollen sprechen! Von neuem ist dies wieder ein Zeichen, wie Zeitungen weitab vom Schuß treu und brav das schreiben, was ihre Berichterstat­ter in diesem Fall scheinbar sehr ... zuverlässig! zu­stellen. Ob es nun stimmt oder nicht, das ist ja gleich, die Hauptsache bleibt eben, daß man seineFreundschaft und Aufmerksamkeit" zur Provinzbelegen" kann. Wir wären die letzten, die unverantwortliche Uebergriffe einer Partei in einer Versammlung oder gewollte Störungen nicht aufs schärfste rügen würden, doch wahr muß wahr bleiben. Es überlege sich ein jeder an diesem Beisviel wieder einmal, wer seiner Heimat nützt, die Be­lange und Interessen seiner Bewohner frei jederVor- e i n g e n o m m e n h e i t am besten vertritt, der, der in der Landeshauptstadt in Unkenntnis der ganzen Verhält­nisse die Provinz als ganz angenehme Nebenverdienstquelle betrachtet oder der, der mit der Heimat lebt und stirbt, die Heimatzeitung!

Schwerer Artilleristentag in Arankfurk a. M. In Frank­furt a. M. werden sich vom 2. bis 4. Juni zum erstenmal nach dem Krieg die ehemaligen Angehörigen der nicht mehr bestehenden deutschen Schweren Artillerie zu einer großen

Iie verlorene Krone

von HenrietteoonMeerheimb Roman (Margarete Gräfin von Bünau) dem

Jahre 1866

11. Fortsetzung (Nachdruck verboten)

Wir sind hier ungestört?" fragte er endlich, er merkte aber, daß sie vor Erregung kein Wort Hervorbringen konnte.Unser Zusammensein kann nur sehr kurz sein," fuhr er daher fort.Noch heute nacht fahre ich nach Ber­lin weiter."

Ist die Entscheidung bereits gefallen ?" Ihre Hand zuckte in der seinen. Er zögerte. In dieser schmerzlich­süßen Stunde empfand er selbst es bitter, daß er in der Heißgeliebten die Feindin sehen mußte, mit der er nicht völlig offen reden durfte.

Meine Anwesenheit in Berlin ist dringend nötig," ant­wortet er endlich ausweichend.Will dein Vater mich empfangen? Oder bist du gegen seinen Willen hergekom­men, um mir zu sagen, daß wir trotz seines Widerspruches unauflöslich zusammengehören?"

Sie schlug ihre Augen voll zu ihm auf. Es lag eine so heiße Liebe in ihrem Blick, daß ein Wonneschauer ihn überlief.

Geliebtes Herz!" Er zog ihren Arm durch den seinen und drückte ihn fest an seine Brust.

Du warst mir gewiß böse Botho, daß. ich mich im Winter dem Willen meines Vaters fügte?"

Nein nein! Man hat dich gewiß arg gequält, mich aufzugeben? Aber jetzt stehst du unerschütterlich fest zu mir, Gisela?"

Sie senkte den Kopf.Wenn du wüßtest, wie auf­reibend die beständigen Kämpfe mit meinem Vater find! So viel Unvernunft und Ungerechtigkeit liegt in seinem Wollen."

Um so fester und zielbewußter mußt du selbst sein."

Damals hoffte ich, er würde mit der Zeit nachgiebiger werden"

Und jetzt? Weiß er überhaupt, daß du hierher ge­gangen bist? Will er mich empfangen, um mit mir deine und meine Zukunft zu bereden?" Königsecks Fragen überstürzten sich förmlich.

Er will dich empfangen, wenn du dich in eine Be­dingung fügst."

Welche Bedingung stellt er denn? Sehr bald wird es an uns sein, Bedingungen zu stellen!"

Ach laß, die unselige Politik! Eine solche Aeußerung genügte schon, um alles zu verderben!"

Natürlich werde ich mich in acht nehmen!"

Und du wirst die von ihm geforderte Bedingung er­füllen?"

Wenn ich kann, Liebling, gewiß. Vorläufig aber weiß ich ja noch gar nicht, was er fordert. Hoffentlich nicht die Aufgabe meines Berufes. Das müßte ich glatt ablehnen."

Nein das nicht." Gisela brachte es nicht fertig, in diesem Augenblick den leidigen Eeldpunkt zu berühren, trotzdem sie sich fest vorgenommen hatte, Königseck von allem zu verständigen.Der Vater sprach ziemlich unklar und verworren," meinte sie befangen.Er ist ja so sprung­haft in seinen Ideen und Entschlüssen. Ich glaube, es handelt sich hauptsächlich um die Herausgabe meines müt­terlichen Vermögens."

Wenn das Geld sicher angelegt ist und er dir die Zinsen zahlt mehr verlangen wir ja gar nicht. Nicht wahr?" meinte Königseck gleichmütig.

Nein," sagte sie leise. Eine seltsame Hoffnungslosig­keit lähmte plötzlich wieder, ihre bisher angeregte Stim­mung. Ihr seid zwei harte Köpfe Botho, du und Papa."

Daß ich heute noch einmal vor deinen Vater hintreten will nach seiner schroffen Abweisung das sieht wirklich nicht nach Hartköpfigkeit aus!"

Solch unglücklicher Moment ist es aber jetzt!" klagte sie.

Gewiß ich sehe das alles vollkommen ein und bitte ja auch um nichts weiter, als um die Erlaubnis, von dir Abschied nehmen und, im Falle ich gesund zurückkomme, noch einmal meine Bitte wiederholen zu dürfen."

Gibt es wirklich keine Hoffnung mehr auf eine fried­liche Lösung in den politischen Wirren, Votho?"

Nein, Liebling keine! Die Würfel find wohl be­

reits gefallen. Aber das sage ich nur zu dir, zu meiner Gisela, nicht zur Tochter des Grasen Waldstein."

Sie ließ die Arme sinken, ihr Gesicht wurde totenblaß. Königseck legte den Arm um ihre Schultern und zog sie dicht zu sich heran. Er hörte den lauten Schlag ihres Herzens neben dem stürmischen Pochen in seiner eigenen Brust.

Sie traten bis dicht an den Rand der Plattform. Die scheidende Sonne überzog die unter ihnen liegende Stadt mit goldigem und rosigem Schein. Wie eine Märchenwelt lag das goldene Prag von ihnen mit all seinen vielen Kreuzen, Kuppeln, Spitzbogentürmen. Die von der Sonne bestrahlten Fenster glühten wie rotes Feuer.

Weine nicht!" bat Königseck, als er die schweren Kra­nen an Giselas Wimpern bemerkte. Augenblicklich stan­den sie ganz allein hier oben Rasch hob er ihr gesenktes Gesicht hoch und küßte ihre weich, zuckenden Lippen.Und nun komm, Liebste, ich bringe dich nach Hause und lasse mich getrost bei deinem Vater anmelden."

Nein nein, bitte, nicht! Das verdürbe alles! Bleibe noch eine halbe Stunde hier. Ich fahre so rasch wie möglich zu Papa und bereite ihn vor. Wenn wir zusammen bei ihm eintreten, bringt ihn das in böse Laune."

Er erfährt es ja doch, daß wir zusammen hier waren,

^^,Ja ja, aber, bitte, bleibe doch lieber hier! Glaube mir, es ist besser."

In ihrer sichtlichen Angst und Erregung tat sie rym leid, obgleich ein offenes Vorgehen mehr seiner Natur ent­sprach. Am liebsten hätte er ohne weiteres, Gisela am Arm, das Palais Waldstein aufgesucht.

Er sah ihrer schlanken Gestalt mit entzückten Blicken nach. Rasch und graziös schritt sie die Stufen hinunter. Das weite weiße Kleid bauschte sich wie eine Wolke um ste her.

Als die Dämmerung anbrach, trat er den Weg nach dem Waldsteinschen Palast an. Jetzt mußte Gisela Vorsprung und Zeit genug gehabt haben, um den grollenden Barer vorzubereiten.

Ich glaube wirklich, gegen eine feuernde Batterie anzu­reiten, ist behaglicher, als diesem alten Brummbar zu nahe zu kommen," dachte er mit halbem Lächeln.

(Fortsetzung folgt)