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Nr. 102 Gegründet 1827 Mittwoch, den 2. Mai 1828 Fernsprecher Nr 29 102. )ahrgang

Tagerspiegel

Das japanisch? Abgeordnetenhaus ist nach Ablauf der dreitägigen Vertagung durch die Regierung wieder zusam- mengekreken, aber nach drei Minuten von neuem vertagt worden.

Auf die Note Kelloggs, in der die Frage gestellt wurde, ob Deutschland geneigt sei, mit den Vereinigten Staaten einen Vertrag auf der Grundlage des bekannten Vorschlags (unbedingter Verzicht auf den Krieg) abzuschließcn oder ob bestimmte Aenüerungen gemacht werden wollen hat die Reich-sregierung folgende Antwort erteilt:

Die deutsche Reichsregierung hat die Frage mit der Sorgfalt geprüft, die der außerordentlichen Bedeutung der Angelegenheit entspricht. Sie konnte in diese Prüfung auch den Vertragsentwurf einbeziehen, der inzwischen von der französischen Regierung aufgestellt und den beteiligten Mächten übermittelt worden ist.

Die deutsche Regierung begrüßt die Eröffnung von Ver­handlungen über den Abschluß eines internationalen Ver­trages zur Aechtung des Kriegs auf das wärmste. Die bei­den großen Gedanken entsprechen vollkommen den Grund­sätzen der deutschen Politik. Deutschland hat kein höheres Interesse, clls die Möglichkeit kriegerischer Konflikte aus- geschaltel und im Leben der Völker eine Entwicklung ge­sichert zu sehen, die den friedlichen Ausgleich aller Gegen­sätze zwischen Len Staaten gewährleistet. Der Abschluß eines Vertrags, wie ihn die Regierung der Vereinigten Staaten jetzt im Auge hat, würde die Völker der Er­reichung dieses Ziels sicherlich um ein weiteres Stück näher bringen.

Da das Bedürfnis der Völker nach Sicherung des Frie­dens seit Beendigung des Weltkriegs bereits zu anderen internationalen Abmachungen geführt hat, ergibt sich für dis daran beteiligten Staaten die Notwendigkeit, sich klar darüber zu werden, in welchem Derhälnis der setzt geplante Vertrag zu diesen schon in Kraft befindlichen internationa­len Abmachungen stehen würde.

Was Deutschland anlangt, so kommen als internationale Abmachungen, die sich mit dein Inhalt des neuen Vertrags berühren könnten, die Völkerbundssatzung und der Rhein- Vertrag von Locarno in Betracht. Die Achtung der Ver­pflichtungen aus der Välkerbundssatzung und dem Rhein­vertrag muß nach Ansicht der deutschen Regierung unver­rückbar feststehen. Die deutsche Regierung ist aber der Ueberzeugung, daß diese Verpflichtungen nichts enthalten, was mit den Verpflichtungen, die der Vertragsentwurf der Vereinigten Staaken vorsieht, irgendwie in Widerstreit ge­raten könnte. Im Gegenteil glaubt sie. daß die bindende Aehpsiichung, den Krieg nicht als ein Werkzeug nationaler Politik zu benutzen, nur geeignet sein würde, den Grund­gedanken der Völkerbundssahüng und des Rhein-Vertrags zu verstärken.

Die deutsche Regierung gebt davon aus, daß ein Ver­trag nach dem Muster d--r Regierung der Vereinigten Staaten dos souveräne Recht eines jeden Staates zur Selbstverteidigung nicht in Zweifel stellen würde. Es ver­steht sich von selbst, daß, wenn ein Staat den Vertrag bricht, die anderen Vertragsteilnehmer diesem Staate gegenüber ihre Handelsfreiheit wiedergewinnen. Der von der Verletzung des Vertrags betroffene Staat ist deshalb nicht gehindert, sich seinerseits gegen den Ariedensbrecher zur Wehr zu setzen. In einem Vertrag dieser Art den Aalt ieiner Verletzung ausdrücklich vorznsehen, erscheint der dculsckzen Regierung nicht notwendig.

In liebereinstimmung mit der Regierung der Vereinig­ten Staaten und mit der französischen Regierung ist auch die deutsche Regierung der Auffassung, daß das letzte Ziel vre Allgemeinheit des neuen Vertrags sein muß. Diese All- Kvmeiuhefl herbeizuführen, dürfte der Entwurf der Ver­ewigten Staaten einen praktischen Weg eröffnen. Wenn Ae zunächst äks Unterzeichnungsmächte in Aussicht gensm- nenen Staaten den Vertrag abgeschlossen haben, kann er- ?^kt werden, daß die anderen Staaten von 'dem ihnen yne Einschränkung und Bedingung gewährten Rechte des ^Atritts alsbald Gebrauch machen.

deutsche Regierung kann demnach die Erklärung «geben, daß sie bereit ist, einen Vertrag nach dem Vor- W«g der Regierung der Vereinigten Staaten gkmstbfl-- M diesem Zweck in die erforderlichen Verhand- beteiligten Regierungen einzutreten. Mit b, Klärung verbindet jedoch die deutsche Regierung *""**"Ee Erwartung, daß das Zustandekommen eines Kmx i von solcher Tragweite nicht verfehlen wird, als- temen Einfluß aus die Gestaltung der internationalen -ettend zu machen. So müßte diese neue Ge- des Friedens den Bemühungen ^"N^hrung her allgemeinen Abröstung einen Anstoß geben. Außerdem aber müßte der Der- bnf. "ls notwendiges Gegenstück den Aus-

G«>ensz^ fördern, vorhandene un) entstehende

Au-Nag^b Volkerinterefsen auf friedliche Weise zum

Stresemann zu Mussolinis Kritik

':r, 1. Mai. In einer Wahlversammlung in der Messe­halle Ham Aeichsminisier Dr. S t r e s e m a n n auf die herbe Kritik zu sprechen, die Mussolini in der Unterredung mit dem Mitarbeiter des BerlinerTag" an der amtlichen Politik geübt hatte. Dr. Stresemann führe aus, er könne kaum glauben, daß der Bericht in allen Einzelheiten genau den Worten Mussolinis entspreche. Es sei z. B- unrichtig, daß «die schwächliche deutsche G e f ü h l s p o l i t i k" ihren Blick nur auf.die 200 000 Südiroler richte, während es der Millionen Deukscher, die unter Fremdherrschaft gekommen sind, nicht gedenke. Man könnte auch an Italien die Frage richten, ob es Realpolitik sei, wenn das in den letzten Zähren unzweifelhaft emporsteigende Volk von 40 Millionen Italienern es nicht ermöglichen wolle, jenen 200 000 Deut­schen die Sicherheit ihrer Sprache und Kultur zu gewähr­leisten. Mussolini soll ferner versichert haben, dieEntente würdegarkeinenAnstoßdarannehmen, wenn Deutschland eine nationale Regierung be­käme. Cr (Stresemann) habe die gegenwärtige Regierung sür eine nationale gehalten und er verstehe daher diese Be­merkung nicht.

Zu dem Verbot des Rokkämpferbunds be­merkte Dr. Stresemann, wenn einer Organisation nachgewie­

sen sei, daß sie ihre Bestrebungen gegen den Bestand der Reichs richte, so müssen die erforderlichen Maßnahmen geg«» sie durchgeführk werden.

Aegypten gibt nach

London, 1. Mai. Reuter meldet aus Koiro: Man glaubt zu wißen, daß Premierminister Nahas Pascha iw Senat beantragen wird, die Beratung des Gesetzes über die öffent­lichen Versammlungen aus die Novembersession zu vertagen, damit in der Zwischenzeit eine bessere Grundlage für die Verständigung mit Großbritannien gefunden werden könne.

Einnahme Tsinanfus durch die chinesischen Südtruppe«

Tschifu, 1. M-ui. Nach einer hier eingetroffenen Mel­dung ist Tsinanju, die Hauptstadt von Schantung, in die Hände der Südtruppen gefallen. Die telegraphischen Ver­bindungen mit der Sradt sind unterbrochen.

Der japanische Minister des Aeußern gibt bekannt, die ckinesischcn Nationalisten hätten eingewilligt, daß die in Tsingtau gelandeten japanischen Truppen sich ungehindert nach Tsinanju begeben.

Kellogg über die französischen Vorbehalte

In der Vereinigung für internationales Recht in Wa­shington hielt Staatssekretär Kellogg eine Rede. Er sagte u. a.: Dasunveräußerliche Recht der Selbstverteidigung", das Frankreich beibebalten will, würde zu denselben Schwie­rigkeiten führen, die bisher aus der Feststellung des Begriffs Angreifer" ergeben baden. Die Völkerbundssatzung und der Loearnouertrag bilden keinen Gegensatz zu einer bedingungslosen Verdammung des Kriegs, sondern eine dop­pelte Sicherung. FrankreichsNeutralitätsverträge" könne er ohne nähere Aufschlüsse über dieselben im Augenblick nicht erörtern. Wenn der amerikanische Vertragsentwurf für die sechs Großmächte annehmbar sei, so werde er es wohl auch für die übrigen Staaten sein. Man sollte nicht zögern oder warten, bis alle Staaten dem Vertrag zugestimmt haben, denn es könnte der Fall eintreten, daß der Vertrag durch einen Staat abgelehnt werde, der für die Bedrohung des Weltfriedens keine Bedeutung habe.

Während die deutsche Antwort in Washing­ton einen sehr günstigen Eindruck machte, ist man in Paris über die deutsche Zustimmung sehr ungehalten. DerTemps" stellt halbamtlich fest, daß zwar grundsätzlich kein unüberbrückba.'-er Gegensatz zwischen der Pariser und der Washingtoner Auffassung bestehe, Kellogg bestreite aber, daß die französischen Vorbehalte in den Vertrag übernom­men werden können.

Vmitemberg

Stuttgart. 1. Mai.

Die Notlage des Bauhandwerks. Die Abgeordneten Rank (Z) und Henne (Dem.) haben folgende Kleine Anfrage ge­stellt: Das württembergische Bauhandwerk hak mik Genug­tuung davon Kenntnis genommen, daß die würkk. Regierung bereit ist, bei der Reichsregierung darauf einzuwirken, daß eine Ergänzung der B.O.B. in der in unserer Anfrage vom 10. April 1928 gewünschten Richtung erfolgt. Die Noklage im würktembergischen Bauhandwerk ist groß. Eine Aende- rung der B.O-B. wird zweifellos noch längere Zeit in An­spruch nehmen, zumal da im Reich die Erfahrungen über die Berechnung angemessener Preise durch eine neutrale Stelle noch nicht vorsiegen, während sich dies in Würkkemberg schon seit einer Reihe von Jahren sowohl für Auftraggeber als Unternehmer im Sinne einer reellen und gesunden Preis­bildung aus dem gesamten Baumarkk gut bewährt hat. Ist das würtk. Skaaksminiflerium bereit, durch Erlaß einer vor­läufigen Ausführungsbestimmung zur B.O.B. für Württemberg eine neutrale Stelle zu schaffen, die nötigenfalls vom Handwerk angerusen werden kann und die festlegk, welche Preise gegebenen Fall als angemessen zu gellen haben?

Suktgart, 1. Mai. Die württembergische Ge­setzeskodifikationaußerordentlich wert­voll für andere deutsche Länder. Von zustän­diger Seite wird mitgeteilt: Der Reichssparkommissar hat am 23. April folgendes Schreiben an den Staatspräsidenten gerichtet:Die mir überlassenen Entwürfe der Landes­ordnung des öffentlichen Rechts, des Ge­setzes über Ausübung der Polizeigewalt und des Landesverwaltungsgesetzes nebst Be­gründung gebe ich mit dem Ausdruck meines ergeben­sten Dankes zurück. Ich habe von Liesen bedeutsamen Vor­arbeiten zu einer Kodifikation des Verwaltungsrcchts, d i e für ähnliche Bestrebungen anderer deut­scher Länder außerordentlich wertvoll sein werden, mit großem Interesse Kenntnis genommen."

Stuttgart, 1. Mai. Neue Beamten st eilen. Auf Grund des Staatshaushaltplans für 1928 sind im heutigen Staatsanzeiger 9 Bezirksnotarstellen, 34 Obersekretär­stellen, 8 Gerichtsvollzieherstellen, 9 Verwaltungsobersekre­tärstellen bei Justizbehörden, 16 Kanzleiassistentenstellen, 5 Wachtmeisterstellen bei Gerichtsgefängnissen und Straf­anstalten und 8 Hausvcrwalterstellen bei Justizbehörden zur Bewerbung ausgeschrieben. K r a n l h e i l s st a t > st i k. In der 16. Iahreswoche vom 15.21. April wurden in Württemberg folgende Fälle von gemeingefährlichen und sonstigen übertragbaren Krankheiten'amtlich gemeldet: Diph­therie 19 (tödlich 1), Genickstarre 1 (), Kindbettsieber 3 l2), Tuberkulose der Lunge und des Kehlkopfs sowie anderer Organe 10 (44), Milzbrand 1 (). Scharlach 39 (), Para­typhus 2 (), Spinale Kinderlähmung 1 ().

Errichtung selbständiger Gemeindepolizeibehörden. Die Ministerialabteilung für Bezirks- und Körperschaftsverwal­tung hat die Errichtung selbständiger Gemeindepolizeibehör­den in Ludwigsburg und Ebingen zur Besorgung der in der Verwaltung der Stadtgemeinden verbliebenen Zweige der Polizei unter dem NamenGemeindepolizei Ludwigsburg" undGemeindepolizei Ebingen" genehmigt.

Der 100 068. Sparer. Bei der Städt. Sparkasse Stutt­gart entfiel gestern, den 30. April, das 100 000. neueröffnete Sparbuch auf Len Oberrealschüler Alfred Mayer. Sohn des Bankbeamten Karl Mayer. Die Städt. Sparkasse bat dem glücklichen Gewinner der in Aussicht gestellten Prämie ein besonderes Geschenksparbuch mit einer Einlage ron 100 überreichen lassen.

Vom Tage. Montag nachm, stahl in einem Lokal der Hauptstättsrstraße ein Mann einem Betrunkenen Uhr und Geld. aus der Tasche. Drei Frauen bemerkten dies und ver­ständigten die Polizei, die den Taschendieb sofort verhaftete. Als der Bestohlene auf den Vorfall aufmerksam gemacht worden war, wollte er auf den Dieb eindringen. Der Polizei gelang es, den Dieb in Nummer Sicher zu bringen, obwohl sich ein anderer, offenbar sein Komplize, um seine Befreiung bemühte.

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Hohenheim, 1. Mai. Ausbau der Landwirt­schaftlichen Hochschule. Die Landwirtschaftliche Hoch­schule veranstaltete am letzten Samstag anläßlich des Rek­toratswechsels im Schloß in Hohenheim eine akademische Feier, der auch Vertreter des Kultministeriums beiwohnten. Der abgehende Rektor, Professor Dr. Plieninger, gab der Genugtuung darüber Ausdruck), daß durch den Landtag Mittel bereitgestellt wurden, um den Neubau der veralteten Landesanstalt für landwirtschaftliches Gewerbe, den Neu­bau einer chemischen Uebungsstätte und die Erweiterung der LanLesocrsuchsanstalt für landwirtschaftliche Chemie zu ermöglichen. Hohenheim stehe unvermindert auch in diesem Jahr in schwerem Konkurrenzkampf. Zur Ermöglichung der pflichtmäßigen Sportausübung im Winter sei die Erstellung einer heizbaren Sporthalle dringend erwünscht. Ferner wurde der Wunsch nach Erstellung eines neuen mck» .zeit­gemäßen Hörsaals, besonders für Chemie, ausgesprochen. Als wesentliche Vorbedingung für den zahlreichen Besuch der Landwirtschaftlichen Hochschule wurde eine raschere Verbin­dung mit Stuttgart gefordert. Der neue Rektor, Professor Dr. Brigli, wurde sodann feierlich in sein Amt eingeführt, worauf er die Festrede über das ThemaDeutschlands Stel­lung im Weltkampf um die chemischen Weltstoffe" hielt.

Aeuerbach, 1. Mai. EhrendeAuszeickinung. Die Firma C. Fa, Gartenbaubetrieb, erhielt für Gesamt­leistung in Edelpelargonien eigener Züchtung, Hortensien und Flieder, die große goldene Medaille des Landesverbands