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Nagolder Tagblatt „Der Gesellschafter"
Scheidung seiner Ehe endigten, schien der Angeklagte zu dieser Verfehlung gekommen zu sein. Zuletzt mußte er sogar den Offenbarunaseid oblegen. Anstatt sich mit seinen Gläubigern zu verständigen und die Summe in Raten abzuzahlen hüllte er sich in eisiges Schweigen und antwortet- nicht einmal auf eine Anfrage der Anwaltskammer. Da» Gericht erkannte wegen Unterschlagung in Tateinheit mit Untreue anstelle einer an sich verwirkten Gefängnisstrafe von 1 Monar auf eine Geldstrafe von 1000 Mark.
Stuttgart. 26. April. Dom Kompetenzgerichtshof. Das Staaksministerium hat den Oberlandesgerichksral Pfeiffer zum ordentlichen richterlichen Mitglied und den Oberlandesgerichksral Härle zum stellv. richterlichen Mitglied des Kompetenzgerichtshofs je auf die Dauer ihres Hauptamts ernannt.
Don den kakh. Lehrerbildungsanstalten. Der Staatspräsident hat die Stelle des Dorskands und ersten wissenschaft- Ichen Hauptlehrers an der kalb. Lehrerbildungsanstalt in vaulgau dem Skudienrat a. a. St. Brechen macher in Roktweil mit der Amtsbezeichnung eines Studiendirektors- n besonders wichtiger Stellung und eine tzaupklehrstelle nik vorwiegend mathemakbischem Lehrauftrag an der kath. Lehrerbildungsanstalt in Gmünd dem Studienrat a. g. St. Dr. Löffler in Saulgau übertragen.
Mehrstetten OA. Münsingen, 26. April. Ein Lehrer in die Fremdenlegion Verschleppt. Mitte Februar ist der von hier gebürtige Unterlehrer Karl Neutter von seinem Dienstort Oelbronn bei Maulbronn spurlos verschwunden, als er sich in Bruchsal ein Motorrad kaufen wollte. Damals tauchte sofort die Vermutung auf, datz er in die Fremdenlegion verschleppt sein könnte. Dieser Tage erhielten nun seine Eltern die erste Nachricht von ihrem Sohn, und zwar aus Ain El Hadjar in Algier. Er befindet sich also, wie er schreibt, ohne seine Schuld in der Fremdenlegion, spricht seinen Eltern Trost und Kraft zu, schweigt aber über die näheren Umstände seiner Verschleppung.
Oedenwaldstetten OA. Münsingen, 26. April Tod infolge eines Nadelstichs. In schweres Leid wurde die Familie Rauscher von Ludwigshof versetzt. Die älteste Tochter Anna stach sich letzte Woche an einer Nadel. Die scheinbar unbedeutende Verletzung verschlimmerte sich im Lauf des Sonntags derart durch Hinzutreten von Wundstarrkrampf, daß eine Ueberführung nach Reutlingen notwendig wurde. Dort ist nun die Bedauernswerte gestorben. Vorgestern ist auch noch der Sohn Wilhelm infolge Durchgehens der Pferde verunglückt. Beim Versuch, die Pferde aufzuhalten, schlug er mit dem Kopf gegen die Sämaschine und zog sich hiebei eine nicht unbedeutende Verletzung zu.
Alm, 26. April. K i n d s m o r d- Am Dienstag wurde in Wiblingen die 20iährige A. E. wegen Kindsmordsverdacht verhaftet. Die Verhaftete gestand denn auch, daß sie vor ftinf Wochen nachts einem Kinde das Leben gegeben und daß sie es in der folgenden Nacht erstickt und im Keller ihres elterlichen Hauses begraben hat, ohne daß die Eltern sine Ahnung davon batten. Die Kindsleiche wurde an de« angegebenen Ort gefunden.
Tagung des Schwäbischen Sängerbunds
Hast. 24. April. Letzten Sonntag hielt hier der Schwäbische Sängerbund im Festsaal des Neubaus seine Mitgliederversammlung ab. zu der etwa 300 Vereine rund 600 Tagungsteilnehmer entsandt hatten. Am Samstag ging ein Begrüßungswbend des Musikvereins Hall voraus. In der Mi tgli ederve rsammkung erstattete Bundespräsident Jäkle den Bericht über das Geschäftsjahr 1927. Der Mitgliederstand beträgt jetzt in 25 Gauen mit 1086 Vereinen 49132 Sänger und 89147 beitragende Mitglieder, somit insgesamt 138 279 Mitglieder. 6 Vereine konnten im vergangenen Jahr ihr lOOjähriges Bestehen feiern. In den inneren Ausschuß wurden zu seiner Erweiterung neu gewählt Prokurist Karl Motz-Stuttgart und Fabrikdirektor Dr. Willi H o h n e r - Trossingen. Auch Bundeschormeister Nagel-Eßlingen gehört dem engeren Ausschuß kimftig an. Als Ort der Mitgliederversammlung im Jahr 1929 wurde Böblingen gewählt. Prokurist Karl Motz berichtete über die Vorbereitungen zum Besuch des Deutschen Sängerfestes in Wien. Es sind 9 Sonderzüge vorgesehen. Rund 8000 württembergische Sänger werden nach Wien fahren. Für dos Fest selbst sind 112 000 deutsche Sänger angemeldet.
Zweite Beratung des
Württembergischer Landtag
Stuttgart» 26. April.
Zum letzten Tagungsabschnikt trat gestern nachmittag der Landtag wieder zusammen, um zunächst den SkaakShaus- haltplan für 1928 zu erledigen. Abg. Dr. Wider begründete die Anträge des Finanzausschußes bekr. Neuordnung der Gewerbeschulen usw. Die Ausschußanlräge wurden angenommen. Der 7. Nachlragsplan für 1926/27 und der Gesetzentwurf über eine vierte Aenderung des Körperschaftsbesol- dungsgesetzes würden mit den Anträgen des Ausschusses in allen drei Lesungen angenommen.
Bei der nun folgenden ersten und zweiten Beratung eines Nachtrags zum Skaakshaushallgesetz für 1928 ergriff Finanz- minister Dr. Dehlinger das Work: Der Plan 1928 zeigt eine Gesamkrohausgabe von 273 Millionen und eine Gesamtroheinnahme von 264,9 Mill. Don den Ausgaben entfallen rund 153,9 Mill. gleich 56,3 Prozent auf den Personalbedarf und 119,1 Mill. gleich 43,7 Proz. auf den sachlichen Bedarf. In den Einnahmen sind u. a. 143.6 Mill. Mk. Steuern und 76,4 Mill. Mk. Derwaltungseinnahmen vorgesehen. Die Ausgabensteigerung ist seit 1924 auf 104 Mill. Mk. angewachsen, wovon als Mehraufwand für das Personal 58 und als Mehraufwand an sachlichen Ausgaben 46 Mill. vorgesehen sind. Diesem Mehr der Ausgaben haben alle Parteien Zugestimmt und sie als notwendig anerkannt, ebenso der Besoldungserhöhung, weil wir ganz einfach gezwungen waren, uns dem Borgehen des Reichs anzuschließen. Die Steuereinnahmen sind seit 1924 von 90 auf 143 Mill., also um rund 53,5 Mill. gestiegen, die Verwaltunaseinnahmen um rund 21 Mill. Den Abmangel von rund 8 Mill. auszu- gleichen, ist leider nicht gelungen, aber es ist anzunehmen, daß er durch erhöhte Zugänge beglichen werden kann. Im übrigen steht Württemberg wie die übrigen Länder des Reichs auf dem Standpunkt, daß es Pflicht des Reichs ist, spätestens bei dem fürs nächste Jahr in Aussicht gestellten Finanzausgleich Länder instandzusetzen, den ihnen erwachsenden Kosten gerecht zu werden. Württemberg harrt noch Immer der Entschädigung durch das Reich für die Abtretung von Post und Eisenbahn. Was den Personalbestand bekrisst, so ist dieser seit 1914 um 1262 Köpfe vermehrt worden. Die Behauptung, daß die gegenwärtige Schullastenregelnng die Gemeinden schwer benachteilige, ist nicht richtig. Heute verteilt sich die Steuerlast so, daß von dem Staat und den Gemeinden je die HAfie der Bezüge gedeckt wird. Wenn die Gesamtheit der Echullaften heufs mehr als früher von den
Aus Stadt und Land
Nagold, 27. April 1928 Wer Zahnweh hat, hält jeden, dessen Zähne gesund find, für glücklich. Der an Armut Leidende begeht denselben Irrtum dem Reichen gegenüber.
Bernhard Shaw.
Der Markttag
hat trotz schönsten Wetters nicht beste Stimmung hinterlassen, denn die Ladenkassen unserer Geschäftsleute wiesen ein noch geräumiges Vakuum auf. Hier bewahrheitet sich wieder einmal das Wort von der Vauernnot und der Bauer hat kein Geld, ergo die anderen ebenfalls nicht. Wer gestern über den Viehmarkt ging, war nicht nur über den starken Auftrieb erstaunt, sondern auch über die Qualität der Tiere erfreut, dafür aber umso betrübter, wenn er die ungesunde Stille beobachtete, die auf dem Ganzen lastete, lieber all dem stand zweierlei: Geldnot und fällige Steuern! Ursache und Wirkung war unverkennbar. Der Budenmarkt war für einen Frühjahrsmarkt gut beschickt, d. h. von Seiten der Besitzer; die Besucher und Käufer bildeten schon gegen Mittag lichte Reihen. Die billigen Jaköble haben natürlich nicht gefehlt, lediglich der eine, wo . . . na, die Marktbesucher wissen's schon. Er hat s scheinbar umgesattelt und verkaufte Peitschen am Viehacker , und beglückte dort in Wort und Ware! Ein Schönheits- institut sorgte für die Auffrischung jugendlicher Schönhei- j ten, beseitigte Mitesser und balsamierte mit Spiritus oder
Freitag, 27. April 1828
Staatshaushaltplans
Gemeinden verspürt wird, so deshalb, weil die Äuswenoungen für die aktiven Lehrer heute zahlenmäßig viel höher sind als früher.
In der Sitzung am Donnerstag wurde der Jnitiativ- gesetzentwurf, nach dem die Stimmzettel den Wählern nicht mehr ins Haus geschickt werden sollen, in allen drei Lesungen angenommen. Gemäß dem Antrag des Finanzausschusses wurde die Schaffung zweier Ministerialratsstellen beim Kultministeriutn genehmigt, und ein Antrag Planck angenommen, daß für sämtliche Strafgefangenen Schlafstellen errichtet werden sollen, soweit die Verhältnisse es irgendwie gestatten. Die Bezüge der Oberamts- ärzte sollen nach einem Antrag Schees erhöht werden. Minister Bolz bemerkt dazu, daß man bei den Oberamtsärzten bewußt dazu übergegangen sei. die Privatpraxis zu beseitigen, während bei den Oberamtstierärzten die Verbindung von Staats- und Privatpraxis zu begrüßen sei. Ein Antrag der Sozialdemokraten auf Streichung der Bestimmung, wonach die evangelische Kirche erwaige Erübrigungen aus den staatlichen Zuschüssen für die evangelische Kirchenleitung für andere kirchliche Zwecke verwenden darf, wird abgelehnt, ebenso ein Antrag Hey mann (S.), die vorgesehenen Zuschußleistungen zum kirchlichen Vesoldungs- aufwand um sieben Zehntel des Ertrages der Landeskirchensteuer im Jahre 1927 zu kürzen. Angenommen wird ein Antrag Planck, die vollbeschäftigten Lehrer innenan den Gewerbeschulen, soweit sie noch durch Stundengeld bezahlt werden, als außerplanmäßige Lehrkräfte einzustellen, sowie ein Zentrumsantrag, die Umwandlung außerplanmäßiger Lehrstellen in planmäßige weiterhin nachdrücklichst zu fördern.
Morgen Freitag sollen möglichst zwei Sitzungen abgehalten werden. Staatspräsident Bazille wird eine E r - klärung über das Verbot des Noten Frontkämpferbunds abgeben. Nötigenfalls joll am Samstag noch eine Sitzung stattfinden. Dann ist Schluß.
Würlkemderg und die Reichsbahn
Auf eine Anfrage teilte der Finanzminister im Landtag mit, daß es sich nach den Erkundigungen der Regierung bestätigt habe, daß die württembergische Eisenbahn von der Deutschen Reichsbahngesellschaft gegenüber der bayerischen in det Zuteilung von Personenkilometern nicht gleichgestellt wird. Das Finanzministerium habe deshalb von der Hauptverwaltung der Deutschen Reichsbahngesellschaft gefordert, daß Württemberg gleich behandelt werde. Die Verhandlungen zwischen der Hauptverwaltung, der Reichsbahndirektion Stuttgart und dem Ministerium schweben noch.
Aehnlichem ein, verschiedene Stände demonstrierten den erst nachträglich als Reklamemachination sich herausstellenden Vortrag über „Neuzeitliche Wirtschaftsführung" und schlugen Schnee aus Eiweiß, backten Kuchen, wetzten Messer usw. Dem Silhouettenschneider konnte man ein gewisses Können nicht absprechen. Die Glücksspiele! bzw. Geschicklichkeitsinstitute aller Art sollte man behördlicherseits zum Teufel jagen, denn sie haben keinerlei Daseinsberechtigung, auch wenn sie unter dem Zwang der Aussichl keinen offensichtlichen Schwindel treiben. Die traurigen Bilder der Bettler und Krüppel waren erfreulicherweise dieses Mal nicht so häufig; ob die „Saison" noch nicht gekommen ist oder ob man heute besser für die Leute sorgt, entzieht sich unserer Kenntnis. Einen fliegenden Stand haben nur wenige — wir auch nicht — gesehen, ein Stand mit der Ueberschrift: Finanzamt! Doch, so erzählte man uns, soll sich dieser geliebte Teil unserer deutschen Verwaltung eingehend mit den Steuerfragen der Vudenbefitzer insbesondere z. B. des Nägel-in-Holzbalken-einhauenden- Jnstituts und Vall-zwischen-Bälle-hindurch-jonglierenden Kunsthauses beschäftigt haben. Ganz unsere Meinung, liebes Finanzamt, da saß' nur feste zu, denn dort schadets unserer deutschen Volkswirtschaft nicht.
Kraftpostlinie Nagold — Psalzgrafenweiler
Aus verschiedentliche Anregung hin wurde in den Fahrzeiten dieser Kraftpostlinie eine Aenderung vorgenommen und zwar wird der bisher täglich verkehrende Wagen ab Nagold 10.15 Uhr — an Psalzgrafenweiler 11.15 Uhr, nunmehr nur an Werktagen verkehren. An Sonntagen da-
Die verlorene Krone
von HenriettevonMeerheimb Roman (Margarete Gräfin von Bünau) dE
Jahre 1866
6. Fortsetzung (Nachdruck verboten)
„Ich stelle die höchsten. Ich will den Mann, den ich liebe — keinen anderen!"
Sie sah entzückt aus mit ihren strahlenden Augen und den vor Erregung rosig glühenden Wangen.
„Meine liebe junge Freundin —" Gras Hallermunds Ton wurde väterlich milde. Er unterdrückte klugerweise alle Aeußerungen der Leidenschaft, nachdem das Gespräch diese Wendung genommen hatte — „Ihre Heirat mit Herrn von Königseck ist und bleibt sehr wenig ausfichts- ooll. Ihr Vater verweigert seine Einwilligung mit vollem Recht. Ich will Ihnen meine Karten offen zeigen, trotzdem man in der Liebe, im Kriege, in der Politik und dem Spiel mit verdeckten Karten zu spielen pflegt. Ein Krieg zwischen Preußen und Oesterreich ist unvermeidlich. Wollen Sie als Oesterreicherin — Ihr Vater war lange Jahre Flügeladjutant des Kaisers, Ihr Bruder steht bei der Leibwache Seiner Majestät — in solchem Falle zum Feinde stehen? Wollen Sie Ihren Verlobten in die Lage versetzen, vielleicht Ihren Bruder totschießen zu müssen?"
„Sie ziehen sehr weit abliegende Möglichkeiten heran, Gras Hallermund."
„Keineswegs. In diesem unvermeidlichen Kriege wird Oesterreich, zu dem alle übrigen Bundesfürsten stehen, natürlich siegen. Preußen mutz alsdann seine Armee bedeutend verringern. Auch die schönsten Aussichten find dadurch für Königseck vorbei."
„Der Sieg über Preußen scheint mir nach allem, was ich über die preußische Armee hörte, durchaus nicht so unzweifelhaft zu sein.
„Liebe Gräfin, würde ich König Georg zu einem Bündnis gegen Preußen bewegen, wenn der Ausgang unsicher
> wäre? Glauben Sie, daß ich Hannover der preußischen Rache ausliefern möchte?"
„Sie unterschätzen vielleicht den Gegner."
„Keineswegs — aber ich sehe die preußische Armee auch nicht in der allzu rosigen Beleuchtung einer von einem ihrer Vertreter blind entzückten jungen Dame."
„Dieser Krieg von Deutschen gegen Deutsche wäre schrecklich!" Giselas Stimme bebte. „Da Sie so vielen Einfluß aus König Georg besitzen, Graf Hallermund, raten Sie ihm zur Verständigung mit Preußen. Vielleicht kann er sogar eine Art Vermittlerrolle übernehmen."
„Zwischen Oesterreich und Preußen gibt es keinen friedlichen Ausgleich mehr. Preußen rüstet bereits längst im geheimen."
„Und wir?"
„Das kaiserliche Heer ist immer schlagfertig. — Sehen Sie es jetzt ein, daß Sie von dieser törichten Jugendliebe lassen müssen, Gisela? In einen ewigen Zwiespalt brächte Sie diese Heirat!"
„Ja, ich werde auf jeden Fall viel leiden müssen, denn ich stehe aus seiten meines Vaterlandes und kann doch dem Feinde nicht den Untergang wünschen."
„Völligen Untergang ja nicht, aber die heilsame Lehre, sich mit einer bescheidenen Rolle in Zukunft zu begnügen und nicht mehr nach der Vorherrschaft in Deutschland zu streben. — Vorläufig bitte ich, meine Worte als ungesprochen anzusehen. Ich war zu hastig. Die Hoffnung, Ihre Einwilligung noch zu erringen, gebe ich nicht auf. Vergleichen Sier Ihre Stellung als meine Frau, als die Gattin des ersten Ministers im Königreich Hannover, das nach glücklich beendetem Krieg weit glänzender noch wie bisher dastehen wird, mit der kleinen Leutnantsheirat, die für' Sie überhaupt gar nicht in Betracht kommen dürfte."
„Trotzdem bitte ich Sie, jede Hoffnung auf eine Zustimmung meinerseits aufzugeben," entgegnete Gisela gemessen.
„Sie können mir nicht verbieten, noch zu hoffen. Die Zeiten ändern sich, und junger Mädchen Wünsche find nicht unwandelbar."
Gisela ging schweigend neben dem Grafen her.
Werber
Einsames Spazierengehen mit einem abgewiesenen Berber ist aber kein angenehmer Zeitvertreib. Sie be
schleunigte daher ihre Schritte, um so rasch wie möglich ins Schloß zurückzukommen.
Graf Hallermund ließ sich seinen Aerger in keiner Weise merken. Er fuhr fort, Hannovers Einfluß auf die Weltpolitik — das sollte heißen, seinen eigenen Einfluß — weitläufig auseinanderzusetzen und ihr zu erklären, welch großes Gewicht Kaiser Franz auf ein festes Bündnis mit Hannover lege. „Offen herausgesagt, liebe Gräfin, Sachsen vielleicht ausgenommen, können sich die anderen Bun- desfürsten nicht mit uns vergleichen. Der Eifer, die Pflichttreue unseres Königs sind bekannt, während Ludwig II von Bayern nur künstlerischen, keinen kriegerischen Lorbeeren nachjagt. Obgleich sich augenblicklich die Verhältnisse immer mehr zuspitzen und alles einer Entscheidung durch die Waffen zudrängt, sitzt er auf der Roseninsel, spricht über Theaterdekorationen, engagiert Sänger und korrespondiert eiefrig mit dem großen Richard Wagner, König Ludwig ist ein Schwärmer, ein Träumer, ein Phantast, ein König, der in ein Märchenland, aber nicht in die rauhe, nüchterne Wirklichkeit paßt."
Gisela nickte. „Er lebt nur in seinen Phantasie" Wahrscheinlich schufen ihm die auch aus seiner Braut «n Idol, dem sie in Wahrheit gar nicht glich . Als der Schleis zerriß, sah er in ein fremdes Gesicht, von dem er sich täuscht abwandte." ...
„Und doch wäre grade eine nüchterne Natur vielleM für seinen Ueberschwang der richtige Dämpfer gewesen.
„Nein — zu ihm gehört eine Frauenseele, die zart uno tief, begeisterungsfähig wie er selber ist, die mit ihm fliegen kann —" ,
Graf Hallermunds Lippen umzuckte ein leichtes Lachern. Die Bewegung der Erzherzogin Mathilde, sobald der Naim des Königs Ludwig genannt wurde, war seinen MN-? Augen keineswgs entgangen. „Bei ernsterer Ueberlegung muß ich Ihnen beipflichten, Gräfin," stimmte er geschme'
dlg zu. „Wenn die Wunde über die zurückgegangene Ber-
looung vernarbt ist, wird König Ludwig gewiß bald an ein Verbindung denken. Was ich tun kann, um alle Weg zu ebnen, das soll geschehen. Ein wenig Diplomat rst ma am Ende denn doch, und alle Fäden laufen schließlich imm wieder in der großen Zentrale Wien zusammen, weroe dort geschürzt, entwirrt, neu geknotet."
(Fortsetzung folgt)