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Nr 38 Segrüncket r««7 Mittwoch, den 15. Februar 1S28 Kernsprecher Nr L!i 102. Jahrgang
Tagesspiegel
Der Wohnungsausschuß des Reichstags hat in einer Sitzung vorgeschlagen» daß sich die Reichsregierung zur Förderung der Zwischenkredite für den Kleinwohnungsbau mit einem Betrag bis zu 10 Millionen an einer Kapitalerhöhung der Deutschen Vau- und Bodenbank AG. in Berlin beteilige. Am Gesamtkapikal der Bank soll das Reich mit mindestens 51 v. H. beteiligt sein. Das Reichsarbeiksmini- sterium soll Bürgschaft für Baudarlehen bis zum Betrag von 200 Millionen übernehmen können.
Die französischen Bergwerksdirektoren haben mit den angekündigken Massenentlassungen von Arbeitern im Saargebiet auf den Gruben Velken und Hostenbach begonnen. Letztere wird vielleicht ganz slillgelegk.
Italien beschwer! sich über schlechte Behandlung
Besonders über Frankreich. Po in care ließ auf Korsika, genau wie im Elsaß, Haussuchungen und Verhaftungen vornehmen, auch die Presse kontrollieren, weil unter der italienisch sprechenden Bevölkerung eine italien- fveurMiche Bewegung sich bemerkbar machte. Ebenso ist es in Italien mit Unwillen bemerkt worden, daß auf der Panamerikanischen Konferenz in Havanna dem Vorschlag der Vereinigten Staaten zugestimmt wurde: Auswanderer in der Neuen Welt hätten ihre Verbindung Mit ihrem Vaterlande zu lösen. Man weiß in Rom genau, daß diese Bemerkung sich vor allem gegen die Italiener richtet, und zwar gegen ihre Forderung nach Schutz der „Jtalienität" der Auswanderer.
Ueberall sieht das faszistische Italien Zurücksetzung und Mißachtung. So stehen die Italiener in Syrien und Marokko unter dem Mandat und Protektorat Frankreichs, in Palästina und Aegypten unter dem Mandat Englands und der englisch-ägyptischen Souveränität. In Kleinasien erleiden sie täglich die Unterdrückung des Systems Kemals. In Algerien seien die 150 000 Italiener entnationalisiert worden. In Tunis leben 100 000 Italiener und nur halb so viel Franzosen. Trotzdem müssen sie jeden Augenblick gewärtigen, daß sie französtsiert werden — und dock, 'iege dieses Tunis vor den Augen Siziliens! In Tanger wolle man Italien, eine Hauptmacht im Mittelmeer, aus der internationalen Verwaltung ausschließen.
Und wie steht es mit der Mittelmeerfrage? Mer Fünftel des Verkehrs Italiens vollziehe sich üü-r das Mittelmeer. Und doch befinden sich dessen beiüe Tore in fremden Händen. Die ganze afrikanische und asiatische Küste des Mittelmeers von Tanger bis an dir 3 'ündung des Nils werde von andern Mächten beherrscht. Nur den Streifen Libyens, der größtenteils eine Küstenstrecke vl ne Hafeneinfahrt sei, habe man gnädigst den Italienern überlassen. „Von Toulon bis Korfu, von Korfu bis Spalata und Se- benico wird unsere Halbinsel von einer gewaltigen Krone fremder Flottenstützpunkte umlagert" (Coppola). Dazu suche noch Frankreich Italiens Einfluß auf dem ihm nächstgelsge- nen Balkan auf Schritt und Tritt zu hintertrelben. Man danke nur an das französisch-jugoslawische Bündnis!
Alle diese Verhältnisse seien um so unerträglicher, als Italien heute auch ein „Volk ohne Raum" sei. Seine im Jahre 1881 28 Millionen Einwohner zählende Bevölkerung sei im Jahr 1925 auf 42 Millionen gestiegen. Sie sei also größer als die Einwohnerzahl Frankreichs, verfüge aber über einen Bodenbesitz, der sich auf die Hälfte französischen beschränke und außerdem noch arm an Rohstoffen und Lebensmitteln sei. Auch die italienischen Kolonien, die vielleicht 20mal geringer seien als das französische Kolonialreich und lOOmal geringer als das englische, stien arm an Rohstoffen, und bieten wenig Besiedlungsmög- tichkeiten. Sollen etwa die Italiener, deren es draußen sowieso schon 10 Millionen gibt, auswandern und andern Völkern dienen? Das sei für Italien entwürdigend.
Was sagen wire Deutsche dazu? Wan wird den italienischen Klagen die Berechtigung nicht absprechen können. Aber billigerweise fragt man sich: Wie macht es das saszistische Italien mit dem Deutschtum? Nach der Volkszählung vom Dezember vorigen Jahrs sind m Südtirol 205 000 Deutsche gegenüber 47000 Jta° uenern. Und dennoch veröffentlicht die „Alpenzeitung" vom o. Februar Vorschläge, welche Manaresi, der Vorsitzende »es Frontkämpferbundes, zur rascheren Jtalienisierung Süd- .^^chocht- Hiernach sollen alle Lehrer aus der österreichischen Zeit entlassen, alle Geistlichen sollen italie- nchher Herkunft, Kultur und Sprache sein und die Kinder tteiben"! deutschsprechenden Familien gefangen
ist nun schlimmer? Mussolini oder Poincare. „Was dn nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu!"
Kme Aussichten auf Wag des Schulgesetzeuimrss
Die Koalitionskrise
Berlin» 14. Febr. Es wird versichert, daß Reichskanzler Dr. Marx und die übrigen verantwortlichen Minister der Zenkrumsparkei bereit seien, das Schulgesetz im Sinn der Mahnung des Aeichspräsidenken nicht vorerst zurückzustellen, um die noch unerledigten wichtigen Aufgaben der Gesetzgebung zu lösen, daß die Minister aber auf den Widerstand des Abgeordneten v- Guerard stoßen. Die gestrige Besprechung der Vertreter der Koalitionsfrakkionen hatte kein anderes Ergebnis als das, daß die Zenkrumssrol;kion bereit ist, den Reichshaushaltplan und seinen Nachtrag (Nothilfe für die Landwirtschaft) vor der Rcichsiagsausiösung zu erledigen. Diese Arbeit könne in vier Wochen beendet sein, Ende März könne dann der Reichstag aufgelöst werden und die Neuwahl etwa auf 13. Mai festgesetzt werden.
Morgen Mittwoch sollen noch einmal Besprechungen stattfinden, doch besteht keine Aussicht auf Verständigung mehr, so daß mit dem endgültigen Scheitern des Schulgesetzentwurfs zu rechnen ist.
Für das Reichsschulgesetz
Berlin. 14. Februar. 28 große evangelische Verbände sowie der Reichselternbund richten einen Ausruf an das deutsche Volk, für das Recht der evangelischen Schule und für das Elternrecht weiter zu kämpfen und von den Reichstagsabgeordneten zu fordern, daß sie die Verhandlungen sortsetzen. Die Verbände verlangen ein Reichsschulgesetz.
Gefahren der Arbeitslosenversicherung Berlin, 14. Februar. Die Regierungsparteien haben im Reichstag folgende große Anfrage eingebracht: Die Durchführung des neuen Gestzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung hat auf dem platten Lande Folgen gezeitigt, die den ländlichen Arbeitsmarkt höchst ungünstig beeinflussen. Arbeitskräfte, die früher alljährlich in der Landwirtschaft und vor allem in der Forstwirtschaft den Winter über gearbeitet haben, entziehen sich jetzt auf Grund des Wegfalls der Bedürftigkeitsprüfung und wegen der höheren Versicherungsleistungen derartigen Arbeiten. Außerdem birgt der jetzige Zustand die Gefahr in sich, daß auch die bodenständigen Arbeitskräfte veranlaßt werden, einer ständigen und damit geringer bezahlten Arbeit aus dem Wege zu gehen und durch Uebernahme von verhältnismäßig hoch entlohnter Saisonarbeit in eine möglichst hohe Unterstützungsklasse zu kommen, um dann möglichst großen Vorteil von der Arbeitslosenversicherung zu ziehen. Sind diese Mißstände und Gefahren der Reichsregierung bekannt? Welche Maßnahmen gedenkt sie im Einvernehmen mit der Reichsanstalt für Arbeitslosenversicherung zu treffen, um die den Arbeitswillen lähmenden Mißstände zu beseitigen und um die Arbeitsbeschaffung als wichttgste Maßnahme in der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit wieder in den Vordergrund zu rücken?
deutscher Reichstag
Berlin, 14. Februar.
Der Reichstag beriet mit vielen unbeachtlichen und unbeachteten Reden die zweite Lesung des Haushalts des Arbeitsministeriums beim Kapital Sozialversicherung. Der Ausschuß forderte die Vorlegung eines Gesetzentwurfs über Maßnahmen zur Sicherung der Existenz der älteren Arbeiter und Angestellten. Weiter soll die derzeitige Lohnpfändungsgrenze, dem veränderten Geldwert entsprechend, erhöht werden. Weiter hat der Ausschuß beschlossen, 220 000 -Ä für den Erweiterungsbaudes Reichsversicherungsamts in den Haushalt einzusetzen.
Dr. Pfeffer (Deutsche Vop.) wandte sich gegen einseitige Ausnutzung des Schlichtungswesens. Seine Partei sei gewiß nicht gegen den Arbeitsvertrag, der Kollektivvertrag und die Tarife dürften aber nicht in die Rechte des Arbeitgebers eingreifen. Die Verbindlichkeitserklärungen richteten sich meist gegen die Arbeitgeber. Die Einführung des Antragsrechts der Gewerkschaften bei den Betriebsrätewahlen, wie sie der Ausschuß beschlossen habe, lehttk der Redner ab.
Reichsarbeitsminister Dr. Brauns: Der Frage des mitteldeutschen Metallarbeiter st reiks habe das Vorgehen der Metallindustchriellen für außergrdentlich bedenklich.
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Im Ausschuß für Kriegshinterbliebenensürsorge bean- antragte Abg. Buchwitz (Soz.), daß auch Fahnenflüchtige und deren Angehörige Reichsunterskützung »erhallen sollen.
Neueste Nachrichten
Bürgermeister Adelung zum hessischen Staatspräsidenten > gewählt
Darmstadt, 14. Februar. In der heutigen Landtagssitzung wurde der Bürgermeister Adelung-Mainz mit 42 Stimmen bei 19 Enthaltungen zum hessischen Staatspräsidenten gewählt. Gegen die Wahl stimmten die 5 Kommunisten; 2 Stimmen waren zersplittert.
Lebenslängliches Zuchthaus für die Verurteilten des Mlmsprozesses
Berlin» 14. Febr. Wie der Amtliche preußische Pressedienst mitteilt, sind durch Beschluß des preußischen Staatsministeriums vom 13. Februar d. I. die wegen Ermordung des Kaufmanns Wilms (der sogenannte Femeprozeß) rechtskräftig erkannten Todesstrafen für die Verurteilten Oberleutnant Fuhrmann, Feldwebel Klapproth und Oberleutnant Schulz in lebenslängliches Zuchthaus, für den Verurteilten Umhofer in eine Zuchthausstrafe von 15 Jahren ^umgewandelt worden.
Uneinigkeit aus der allamerikanischen Koaserenz
Havanna, 14. Februar. In einem Ausschuß der Konferenz verlangte Pueyrredon (Argentinien), daß die allamerikanische Union als solche berechtigt sein solle, die Zollsätze der amerikanischen Staaten nachzuprüfen. Der Vertreter der Vereinigten Staaten, Staatssekretär Hughes, wandte sich sofort gegen den (namentlich gegen die Vereinigten Staaten gerichteten) argentinischen Antrag. Alle Staaten seien gegen den Antrag, da er lebenswichtige
Hoheitsrechte der amerikanischen Staaten antaste. Die Verquickung von Wirtschastssragen mit dem Gedanken der Union müsse die Union zerstören und sie hindern, gute Arbeit zu leisten. Der Vertreter von Uruguay Var ela, schlug vor, daß auf der Konferenz überhaupt keine Verträge unterzeichnet werden, die Entscheidungen sollen vielmehr den verschiedenen Parlamenten überlassen weichen. Die Vereinigten Staaten spielen mit dem allamerikanischen Kongreß ein ähnliches Spiel wie Frankreich mit dem Völkerbund und dor Abrüstung.
Baldwin über Arbeiterfragen London, 14. Februar. Im Unterhaus sagte Erstminister Baldwin zur Arbeitslosensrage: Man darf nicht immer von einer Million Arbeitsloser sprechen, als ob es sich dabei um einen dauernden Zustand handle. Es ist zu hoffen, daß die Hälfte davon in absehbarer Zeit wieder Arbeit bekommt. Wenn man an die 10 Prozent Arbeitsloser denkt, sollte man nicht die 90 Prozent vergessen, die Beschäftigung haben. Es ist eine ermutigende Tatsache, daß nach den Berechnungen des internationalen Arbeitsamts die Arbeitslöhne in Großbritannien nahezu doppelt so hoch sied, w' in Brüssel, Rom, Wien und Paris, und ein Drittel best- - als in Berlin. Baldwin kam dann auf das Washingw. : Abkommen über den achtstündigen Arbeitstag zu sprechen und vertrat erneut die kritische Auffassung, daß ernste Zweifel darüber beständen, ob alle Teilnehmer das Abkommen in dem gleichen Sinne auffaßtcn. Großbritanniens Ziel sei aus ein Abkommen gerichtet, das die Grundsätze des Washingtoner Abkommens aufnehmen, aber die darin enthaltenen Schwierigkeiten vermeiden würde.
Ein Tadelsantraa der Arbeiterpartei zur Dankadresse an den König aus Anlaß der Thronrede wurde mit 293 gegen 137 Stimmen abgelehnt.
Kononenpulver oder Reispuder? Indianapolis» 14. Febr. Marinesekretär Wilbur führte in seiner Rede aus, die Regierung werde mit Telegrammen» Briefen und Entschließungen überschüttet, in denen die Absender ihre Bestürzung über das neunjährige Marineprogramm zum Ausdruck bringen, dessen Ausführung 740 Millionen Dollar kosten würde. Wilbur bedauerte diese Kritik an der Regierung und erklärte, die Frauen geben in den Vereinigten Staate jährlich das Doppelte dieses Betrags für Verschönerungsmittel aus. K a n o n e n p u l v e r sei aber manchmal nützlicher als Reispuder.
Mrliemberi
Stuttgart, 13. Februar. Anfragen im Landtag. Von dem Abg. Ulrichist folgende kleine Anfrage im Landtag eingebracht worden: In der Oeffentlichkeit ist bekannt geworden, daß bei den Heilbronner Gerichten eine Reihe von Wucherprozessen anhängig ist. Von diesen Verfahren hört man nun aber schon seit längerer Zeit nichts mehr. Ist das Staatsministerium bereit, Auskunft darüber zu geben, auf welche Gründe diese Verschleppung von Gerichtsverhandlungen zurückzuführen ist, deren Entscheidung von weiten Kreisen der Bevölkerung mit größter Spannung erwartet wird?
Eine weitere Anfrage lautet: Im Umlauf befindliche Gerüchte besagen, bei Ausführung der Staustufe Ladenburg am Neckarkanal seien grobe Unregelmäßigkeiten vorgekommen. Originalpläne seien vernichtet und der Kostenberechnung falsche Pläne zugrunde gelegt worden mit