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Nr. 18 Gegründet 1827 Donnerstag, den IS. Januar 1S28 Fernsprecher Nr 2 « 102. Jahrgang
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W-emerk mi» seiae ZerjtörW hach Weimar
Ablehnung des Einheitsstaates
LM md Länder
Vortrag des würtlembergischen Staatspräsidenten BazM
auf der Länderkonferenz in Berlin am 18. Januar
II.
Die fundamentalen Grundsätze der Bismarckischen Verfassung
Bismarck stand vor der Aufgabe, die auch die Aufgabe der Gegenwart ist, die kraftvolle Leitung der Reichsangelegenheiten mit der Teilnahme sämtlicher Einzelslaalen an der Regierung des Reichs zu verbinden und die notwendige Einheit des deutschen Volks zu sichern, ohne die Selbständigkeit der Einzelstaaten zu vernichten.
In der Bismarckschen Verfassung sind sechs fundamentale politische Grundlagen erkennbar.
1. Wie ein wirklicher Baumeister hat er das Reich von nuten aufgeixmt, aus den deutschen Staaten, die die stärksten realen Mächte innerhalb Deutschlands zur Zeit der Reichs- aründung waren. Die Vernachlässigung dieser Mächte hat im Jahr 1848 und 1849 die Bestrebungen der Frankfurter Paulskirche zum Scheitern gebracht und hat in der Gegenwart schon schwere Schäden heroorgerufen.
2. Die völlige gleiche Behandlung Preußens mit den übrigen deutschen Staaten war im Gegensatz zu dem in der nordamerikanischen Union und der Schweiz durchgeführten Grundsatz unmöglich, nicht nur wegen der verschiedenen historischen Entwicklung und den anderen politischen Aufgaben Deutschlands, sondern auch wegen der überragenden Größe des preußischen Staats, der rund zwei Drittel des deutschen Volks umfaßt. Eine Loslösung der Reichsregierung von der preußischen Regierung hätte deshalb unvermeidliche schwere Konflikte und beständige Reibungen im Gefolge gehabt. Diese Gefahren vermied Bismarck durch die organische Verbindung des Kaisertums mit dem preußischen Königtum.
3. Die Preußen so gewährte Hegemoniestellung erzeugte jedoch die Gefahr, daß die anderen deutschen Staaten zu preußischen Vasallenstaaten herabgedrückt wurden. Das Gegengewicht gegen Preußen schuf Bismarck im Bundesrat, den er zum Träger der Souveränität machte und in dem er der preußischen Regierung nur so wenig Stimmen im Verhältnis zur Gesamtzahl gab, daß die anderen Länder durch Abstimmungen nicht vergewaltigt werden konnten. Unter den 58 Stimmen hatte Preußen nur 17. Auf der anderen Seite war Preußen dagegen gesichert, daß die Verfassung gegen seinen Willen abgeänderl werden konnte, da nach Art. 78 der alten Verfassung Verfassungsänderungen als abgelehnt galten, wenn sie im Bundesrat 14 Stimmen gegen sich hatten.
Der Bundesrat war eine besonders glückliche Schöpfung auch insofern, als er die notwendigen Beziehungen zwischen Gesetzgebung und Verwaltung herstellte, die dem Reichstag fehlen. Die Männer, die im Vundesrat saßen, kannten die Verwaltung auch iu ihren Einzelheiten, was man von den Abgeordneten des Reichstags im allgemeinen nicht sagen kann.
4. Bei kollegialer Organisation des Trägers der Staatsgewalt entsteht leicht der Nachteil, daß eine kraftvolle, schnelle und einheitliche Leitung derjenigen Gebiete des öffentlichen Lebens unmöglich ist, die eine solche unbedingt erfordern, nämlich der auswärtigen Politik und des Wehr- wekens. Die Bismarcksche Verfassung vermied diese Gefahren, indem sie die Leitung dieser Gebiete nicht dem Bundesrat. sondern dem Kaiser gab, dem sichtbaren Repräsentanten der Einheit des deutschen Volks.
5. Es zeugt von einer tiefen Einsicht in die seelische Organisation der germanischen Völker, daß Bismarck die Reichszuständigkeit auf das unbedingt Erforderliche beschrankte und die Zuständigkeiten der Länder im übrigen unberührt ließ. Damit befand er sich in Uebereinftimmung mit dem großen Nationalökonomen Friedrich List.
6. Endlich hielt Bismarck es für notwendig, daß die Krone und der Reichstag Machtsakloren gleichen Rangs seien und bleiben. In seinen „Gedanken und Erinnerungen" wendet er sich gegen den monarchischen Absolutismus; aber »tenso bekämpfte er für Deutschland das parlamentarische ^fürchtet""" Einführung er den Zerfall des Reichs
Im ganzen betrachtet, bildet die Bismarcksche Verfassung ein System von Gewichten und Gegengewichten, indem >?>es Gewicht mit seiner vollen Kraft wirken konnte, ohne die Wirksamkeit der anderen zu vernichten.
III.
Preisgabe der Grundsätze der Bismarckschen Politik in der Weimarer Verfassung
Das von Bismarck erstrebte Gleichgewicht zwischen Krone und Volksvertretung ist vor dem Krieg teilweise zum Nachteil der Volksvertreluug. während des Kriegs dagegen immer mehr zum Nachteil der Regierung verändert worden, so daß man schließlich mit Recht von der Revo- »uaoa von obeu sprechen konnte, hatte man indessen bis
zur Revolution immer noch das wichtige Grundgesetz gesunden politischen Lebens, das Gesetz des langsamen organischen Wachsens und Werdens wenigstens einigermaßen beachtet, so fand das mit der Revolution ein plötzliches Ende.
Die Nationalversammlung in Weimar ist aber nicht nur von den Forderungen dieses Gesetzes unnötig weit abgewichen, sondern sie hat auch das andere wichtige politische Grundgesetz, das der Relativität, mißachtet, nach dem die Richtigkeit und die Wohltat von Einrichtungen abhängig sind von Zeit und Ort, so daß eine Einrichtung zwar sehr wohl zu gewissen Zeiten und in bestimmten Ländern gut und segensreich sein kann, die in anderen Ländern und zu anderen Zeiten nur Schaden stiftet. Die Weimarer Verfassung hat die politischen Grundsätze Bismarcks, namentlich in folgenden Punkten, preisgegeben:
1. Sie hat die neue Verfassung nicht vou unten aufgebaut, auf dem alten Fundament, den Einzelstaaten, offenbar weil sie davon ausging, daß diese ihre Bedeutung durch Wegfall der Monarchien verloren haben, ein Irrtum, der jetzt schon zu schweren Störungen des deutschen Verfassungsgebens geführt hat und weiterhin führen wird, wenn mau sich nicht von ihm lossagt.
Wie die Gemeinden die Grundlagen des Staats, so sind die deutschen Staaten die Grundlagen des Reichs. Deshalb war der Bundesrat der Träger der Souveränität, während der Reichsrat nur ein Schatten ohne Körper ist. Die Mitwirkung der Länder an der Regierung des Reichs ist in unwürdiger Weise herabgedrückt.
2. Nach den Lehren der Jahrhunderte ist für das deutsche Volk ein krislallisationspunkt unentbehrlich. Bismarck machte dazu die Institution des Kaisertums. In der Republik kann das aber nicht der Reichstag, sondern nur der Reichspräsident sein. Die Weimarer Verfassung hat dieses Amt mit so wenig Befugnissen ausgestattet, daß der Reichspräsident nicht die Macht hat, verkehrte Gesetze zu verhindern und die auseinanderstrebenden Kräfte des Volks zur Einheit zusammenzufassen.
3. Durch' Aufhebung der organischen Verbindung von Reichsregierung und preußischer Landesregierung schuf die Weimarer Verfassung einen schädlichen Dualismus zwischen dem Reich und Preußen.
4. Die Verfassung von Weimar schuf auch tm Gegensatz zu allen anderen Ländern kein wirksames Gegengewicht gegen die Allmacht des Reichstags, die aus der doktrinären Auffassung des Begriffs „Volkssouveränität" entsprungen ist. Dieser Fehler im Bau der Verfassung ist der gefährlichste von allen.
5. Die Weimarer Verfassung dehnte die Zuständigkeit des Reichs weit über das gebotene Bedürfnis hinaus aus.
6 Das Gegengewicht gegen die Hegemonieftellung Preußens, dessen Bevölkerung sowohl bei der Wahl des Reichspräsidenten als des Reichstags etwa zwei Drittel aller Stimmen hat, ist im Gegensatz zur Verfassung Bismarcks insofern verringert, als jetzt fast alle Macht beim Reichstag ist, der zu zwei Drittel aus preußischen Abgeordneten besteht, und als Preußen im Reichsrat jetzt verhältnismäßig weit mehr Stimmen hat als es im Vundesrat hatte.
Maßnahmen zur Gewährleistung sparsamster Finanzwirtschast
Referat des preutz. Finanzminifiers Höpker-Afchaff
Am zweiten Sitzungstog der Länderkonferenz führte der preußische Finanzminister Höpker-Afchoff aus: Die Haushaltgefetze der Regierungen in Deutschland haben eine andere Stellung gegenüber dem Parlament als in England und Frankreich. In Deutschland sei der größte Teil der Staatsausgaben zwangsläufig und auch ohne Bewilligung durch das Parlament möglich. Es bestehe ferner keine Verpflichtung der Regierung, die im Haushaltgesetz vorgesehenen Mittel wirklich auszugeben. In England habe sich dagegen das Unterhaus eine wohltätige Selbstbeschränkung durch seine GeschWsordnnng auferlegt durch die Festlegung, daß Anträge auf Mehrausgaben nur mit Zustimmung der Regierung Angebracht werden können. Eine solche Bestimmung wäre auch im Reich und in den Ländern wünschenswert. Reichstag und Landtage sollen ferner die Einnahmen im Hanshaltplan nicht höher einstellen dürfen, als von der Regierung veranlagt ist. Ferner müsse durch die Geschäftsordnung zum Ausdruck gÄracht werden, daß Anleihegesetzentwürfe nicht als Initiativanträge eingebracht werden dürfen. Die Haushaltsvrdn-ung des Reichs führe die wichtige Vorschrift, daß der Reichsfinannminister im Kabinett ein Einspruchsrecht bei der Aufstellung des Haushaltplans habe, und nur in der zw-iten Abstimmung könne der Reichssinanzminister durch eine Kabinettsmehrheit, der auch der Reichskanzler wngehören muß. überstimmt werden. In dieser Beziehung sei ein« Stärkung der Rechte auch derLandesfinanzminjster wünschenswert. Um ein weiteres Ansteigen des öffentlichen Haushalts zu verhindern, mühte die Bestimmung getroffen werden, daß Erhöhungen gegenüber dem Vorjahr nur
Tagesjpiegel
Line Versammlung von mehr als 2000 schlernng-hot- steinischeu Bauern sandle eine Entschließung «ach Berlin, i» der an das Reich und den preußischen Staat bestimmte Forderungen gestellt werden, um der äußersten Not der Landwirtschaft iu der Provinz abzuhelfen. Die Regiernag wird bis 25. Januar um Antwort ersucht. Erfolge keine oder eine ablehnende Antwort, fo betrachte sich die Landwirtschaft als rechtlos, aber auch als aller Pflichten gegen den Staat < Steuern usw.) ledig. Der Landbund und andere landw. Verbände, sowie die anwesenden Parlamentarier wurden aufgefordert, sich aus keine Vertröstungen «ehr einzulassen.
Der Londoner „Daily Expreß" will wissen, die Leituüg der konservativen Partei in England plane für dieses Jahr parlamentarische Neuwahlen.
mit Zustimmung des Finanzmini fl ers var- genvmmen werden dürfen. Es sei aber davor zu warnen, gegebenenfalls dritte Stellen, wie etwa den Reichspräsidenten oder Len Sparkommiffar einzuschalten. Er sei auch gegen ein Einspruchsrecht des Reichssinanzministe?s gegen, über den Ländern. Die Schranke, die die Beratungsstelle für Länder und Gemeinden sei, dürfe nicht noch weiter erhöht werden.
Der neue Föderalismus
Fmanzminister Höpker-Aschoff stellte ferner drei Tatsachen fest:
1. daß die süddeutschen Staaten den Einheitsstaat ablehnen,
2. daß die norddeutschen Länder die Aufnahme in den preußischen Staatsverband ab lehnen und ein Groß-Preußen nicht wollen und
L. daß dieUmwanülungeinzelnerLänderin Reichsländer undurchführbar ist, weil sie keinen Fortschritt, sondern nur eine Veränderung iu der Spitze bedeuten würde, indem an die Stelle der bisherigen Länderregierungen die Reichsregierung treten, im übrigen aber-alles beim alten bleiben würde.
Der erste Mangel, die Zersplitterung Norddeutsch londs, sei ein Hemmnis für jede vernünftige Derwaltungsreform, aber auch für die Entwicklung der Wirtschaft. Der zweite Hauptmangel liegt im Dualismus de» Reichs und der Länder und im Dualismus insbesondere zwischen Reich und Preußen und damit doppelte Arbeit in Gesetzgebung und Verwaltung im Reich und in Preußen. Mau werde aber dem Reich diese Aufgaben niemals nehmen können. Die Siedlung sei keine Aufgabe der Länder, sondern des ganzen Reichs, ebenso die Behebung der und der Wohnungsbau überhaupt.
So gebe es nur die Wahl: Eniweöer Len bestehenden Zustand hinzunehmen, oder aber entschlossen auf dem Weg weiterzugehen, der beschritten worden ist.
Der Redner verteidigte sodann seinen bereits in einer Schrift veröffentlichten Vorschlag eines „neuen Föde». ralismus". Danach soll ein Reich gebWet werden, da» einerseits aus norddeutschen, anderseits aus süddeutschen Ländern bestehen würde. Wobei beide Teile ein verschiedenes Gefüge hätten. Der juristische Unterschied würde darin liegen, daß die süddeutschen Län- der ihre Machtbefugnisse kraft eigenen Rechts armüben würden und die norddeutschen Länder ihre Machtbefugnisse als abgeleitetes Recht auf Gruud der Gesetzgebung des Reichs ausüben würde«. Ein zweiter Unterschied würde in der Gestaltung der Regierungen liegen: In den süddeutschen Ländern das parlamentarische System, in den nord- deutschen Ländern etwa ein System nach dem Vorbild, das wir jetzt in den preußischen Provinzialverwaltunge« haben, also Provinzialregierungen, die durch die Provinziallandtage auf Zeit gewählt werden.
Ls wurde dann noch der Vorschlag gemacht, die Frage« des Verhältnisses zwischen Reich und Ländern zur Ausarbeitung eines Gutachtens dem Verfassungsausschuß des Reichstags zu übergeben, der befugt sein soll, zu seinen Arbeiten Sachverständige beizuzieheu.
Die Berwaltungsoereinfachung
Der sächsische Innenminister Dr. Apelt wies ans den engen Zusammenhang hin, der zwischen der Bersassungs- imd der Derwaltungsreform bestehe. Die Sparmöglich, keiten dürften allerdings nicht überschätzt werde«. Der Minister ist der Auffassung, daß das ganze Problem nach zwei Richtungen hin durchgearbeitet werden muß: 1. in der Richtung der Vereinfachung und Verbilligung der Verwaltung; 2. durch «ine möglichst weitgehende Rechts- angleichung auf dem Gebiet der Verwaltung innerhalb Deutschlands.
Der bayerische Innenminister Dr. Stütze! erklärte, die Berwattungsresorm in Bayern müsse nach bayerischen Gesichtspunkten und Bedürfnissen durchgefiihrt wenden. Das Kernstück der gesamte» Berwottungsrefokm sei die Bereinigung des Verhältnisses zwischen Reich und Ländern durch Festlegung ihrer Vetatigungsgebiete unter Stärkung des bundesstaatlichen Charakters des Reichs, aber rchne