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Nr. 7
Gegründet 1827
Dienstag, den 1V. Januar 1928
Fernsprecher Nr. 2S
102. Jahrgang
Re Lage der älteren Angestellten
Line Denkschrift des Reichsarbeitsministeriums
Dem Reichstag ist vom Reichsarbeitsministerium ans Grund einer Reichstagsentschließung eine Denkschrift über die Lage der Ateren Angestellten zugegangen.
Rach einer Aufzählung der bisherigen Maßnahmen des Reichs wird darin die Möglichkeit erweiterter Maßnahmen behandelt, wie die Meldepflicht, die Bef ch ästig u ng s v e r pflich t ung und die Schaffung eines Abkehrgelds für entlassene Angestellte. Eine durchgehende Sonderstellung der älteren Angestellten, so führt die Denkschrift aus, liege nur hinsichtlich der Dauer der Erwerbslosigkeit vor. Eine un» günstigere Lage hinsichtlich des Umfangs der Erwerbslosigkeit sei zwar bei den jüngeren Angestellten, aber nicht bei den älteren Arbeitern gegeben. Ob unter diesen Umständen erweiterte Sondermaßnahmen zugunsten der älteren Angestellten gerechtfertigt sind, werde der Reichstag zu entscheiden haben. Der Zweck der Denkschrift sei, die Vor- und Nachteile der verschiedenen Maßnahmen einander gegenüberzustellen und so den gesetzgebenden Körperschaften das Material für ihre Entscheidungen zu liefern. Das Problem der älteren Angestellten könne nicht von heute aus morgen gelöst werden. Eine Milderung des Notstandes hätten zweifellos die bisherigen Maßnahmen der Reichsregierung gebracht, die Umschulungsmaßnahmen, der Kündigungsschutz, die Ausdehnung der Erwerbslosenfürsorge und der Arbeitslosenversicherung, die Beschäftigung bei Notstandsarbeiten usw. Mit neuen Zwangsmaßnahmen einzugreifen, würde erst gerechtfertigt sein, wenn alle übrigen Mittel versagen. Hierzu gehören vor allem berufspolitische Maßnahmen, unter denen der Ausbau der Angestelltenoermittlung durch die neue Reichsanstalt an erster Stelle steht. Zugunsten der älteren Kräfte werde sich auch die Tatsache auswirken, daß der Nachwuchs in den Angestelltenberufen erheblich geringer geworden sei. Die Denkschrift erwähnt auch die Bemühungen der Verbände der Angestellten, die auf dem Gebiet der Altersversorgung und in anderen Fragen zu praktischen Ergebnissen geführt haben, und erklärt, daß alle diese Maßnahmen die Gefahren vermieden, die mit neuen gesetzlichen Sonderbestimmungen notwendig verbunden seien. Die Reichsregierung sei bemüht, die bestehenden Einrichtungen in jeder Hinsicht weiter auszubauen. Sie sei auch bereit, alle Möglichkeiten der Hilfe für die älteren Angestellten eingehend zu prüfen.
Städtische Werbung für die Getränkesteuer
Der Deutsche Städtetag hat zum Zweck der Erhöhung der städtischen Einnahmen durch die Getränkesteuer beschlossen, eine großangelegte Werbung für diese Steuer zu veranstalten. Dafür sollen gewonnen werden Frauenvereine, Jugendausschüsse, Aerzte- und Rote-Kreuz-Ver- Äne, Krankenkassen, Trinkerfürsorgestellen, Lehrer- und Lehrerinnen-Bereine, Jugend- und Wohlfcrhrtsverbände, Arbeiter-Wohlfahrtsorganisationen, alkoholgegnerische Vereine, städtische Wohlfahrts- und Finanzdezernenten, einsliutz- niche Persönlichkeiten. Ein Arbeitsausschuß soll folgende Aufgaben übernehmen: Fühlung und Zusammenarbeit mit der örtlichen Presse, Vorbereitung und Abhalten öffentlicher Versammlungen, Berichte über solche an die ärztlichen Zeitungen und an die Abgeordneten des Wahl- Mises,^ Mitteilungen über Erfahrungen und Erfolg bei der Durchführung der Arbeit an die Spitzenverbände und den Städtetag. Redner, Entwürfe zu Entschließungen, Rednermappen und sonstiger literarischer Stoff werden zur Verfügung gestellt.
Daß der Wegfall der Gemeindegetränkesteuer aus Wein urd Spirituosen ein erhebliches Loch in die Gemeindesäckel Mressen hat, soll nicht geleugnet werden. Unrichtig scheint ^nerhin die Behauptung, die von dem Vorsitzenden ^iulert ubd von seinem Stellvertreter Dr. Elsas aus- Mfwllt wurde, daß der Fortfall der Steuern auf Wein, also der Reichsweinsteuer, dem Weinbau nichts genutzt Die Belebung des Geschäfts nach der Steuer- ossrerung war augenscheinlich. Auf eins aber sei der Städte- die Wiedereinführung einer umsaffenden Gememdegetränkesteuer wird die Steuerhinter- zrehun gsm öglich kei ten vermehren. Wie gedenkt man ^beispielsweise den steigenden Weinbezug Privater unmittelbar aus den Weinbaugebieten zu erfassen? Entweder man richtet dafür einen kostspieligen Kontrolldienst ein oder aber, was das Wahrscheinliche sein wird, man verzichtet wn iwrnherein 'daraus. Dann wird die Steuer aber prak- ftsch zu einer Sonde.rsteue r für das Gaststätten- Im Übrigen kann -er Plan des Deutschen Städte tags Anlaß zu allerlei Ueberlegungen geben. Die Geldmittel scheinen bei ihm nicht knapp zu'fein, denn solche Werbung kostet Geld. Wenn di« Städte dabei von einem echlschen GEHtSHmkt, etwa der Bewahrung der Bevölke- ^8 r»r übermäßigem Alkoholgenuß, ausgehen würden, Setze sich der Aufwand solcher Prvpagandomittel allenfalls «Msertr^n. Aber das ist ja gar nicht der Fall, denn den «tasten ist es doch nur um eine Aufüllune ihrer Steuer, kaffen zu tun, sie find also an einem echShten Alkohot- kvnsum geradezu interessiert.
Die Antwort Briands an Kellogg
Paris, 9. Jan. In seinem Antwortschreiben auf den amerikanischen Gegenvorschlag des Staatssekretärs Kellogg betr. die Aechtung des Angriffskriegs jagt Briand, die französische Regierung sei geneigt, mit der Washingtoner Regierung allen Nationen einen Vertrag gegen den Krieg vorzuschlagen, der schon jetzt van Frankreich und den Vereinigten Staaken zu unterzeichnen wäre und in dem sie sich verpflichten, sich jedem Angriffskrieg zu enthalten and zur Schlichtung etwaiger ZwisÜgkeircn alle friedlichen Mittel anzuwenden. Die übrigen Staaten sollen zum Beitritt aufgefordert werden.
Die Mehrheit der Pariser B ätter g'bi der Unzufriedenheit der Franzosen mit dem amerikanischen Vorschlag deutlicher Ausdruck. Das Versprechen der Enthaltung vom Angriffskrieg sei wertlos, wenn nicht eine gemeinsame Bestrafung des Angreifers vertragsmäßig festgelegt wende, wie es das Genfer Protokoll vorsehe. Der „Soir" sagt sogar, die Vereinigten Staaten können natürlich nicht gut den Angreifer in Acht erklären, denn was sie jetzt in Nikaragua tu», sei nichts anderes als ein gewalttätiger Angriffskrieg. Wenn die Washingtoner Regierung auch behaupte, sie sichre keinen „Krieg" in Nikaragua, so sei eine solche Beschönigung nichts Neues; viele andere Staaten haben sich schon solcher Sprüche bedient, wenn sie auf Len Erwerb von Kolonien oder Schutzgebieten ausgingen. Wenn es deu Herren Eoolidge und Kellogg ernst mit ihrem „Friede«" wäre, so könnten sie es ja den Be
wohnern von Nikaragua überlassen, denjenigen zum Präsidenten ihres Landes zu wWen, den sie wollen.
Zur Schulden- und EwsichSdigangvsrage
London. 9. Jan. Zu dem im Reuyorker „Journal olf Commerce" veröffentlichten Dorschtag einer Abänderung des Dawesplans und der Regelung der Verbandsschukx?n, der von dem Staatssekretär Mellon bereits als unannehmbar bezeichnet worden ist, meldet der Washingtoner Berichterstatter der Londoner „Times", es sei ausgeschlossen, daß eine Sache von solcher Bedeutung in diesem amerikanische» Wahljahr zur Erörterung gelange. Amerika habe seine Schuldigkeit durch die Mitarbeit am Dawesplan und durch die Regelung der Derbandsschulden bereits getan. Jeder weitere Schritt müsse von Europa ausgehen, und wenn die Aenderung der Entschädigung vollzogen sei — was aber noch viele Jahre dauern könne, dann sei die Zeit gekommen, wo auch die Frage der Verbandsschulden von Amerika erörtert werden könne. Die jetzige Trennung von Dawesplan und Verbandsschulden sei zwar auf die Dauer unhaltbar, aber nicht unhaltbarer als -er Versuch der Entschädigungs- gläubiger, besonders Frankreichs, Deutschland auf unbestimmte Zeiten bestimmte Zahlungen aufzuerlegen. Mich amtlicher Erklärung sei namentlich der Vorschlag Frankreichs für Amerika unannehmbar, daß die französische Schuld cm die Bereinigten Staaten um den Betrag verringert werden solle, um den Deutschland Frankreich gegenüber etwa I im Verzug bleibe.
Wahlrede des Reichsarbeitsministers
Ravensburg, 9. Jan. In einer Zentrumsversammkung Iprach hier Reichsarbeitsminister Dr. Brauns. Er stellte zunächst eine gewisse Wahlmüdigkeit fest, weil nach dem heutigen Wahlsystem mehr die Partei als die Abgeordneten gewählt werden, so daß die Hauptwahlen eigentlich keine Neuwahlen, sondern eine weitere Bestätigung der bisherigen Abgeordneten bedeuten. Das Wahlgesetz müsse abgeändert werden. Im Reichstag werde das sehr schwer sein, da müssen die Wähler selbst eingreifen. Das Volk sei auch über den Ausgang des Krieges, den diktierten Frieden usw. enttäuscht sowie darüber, daß Deutschland nicht geleistet habe, was sich viele von ihm versprachen. Der Abschluß des Dawesplans habe davon überzeugt, daß das nicht das letzte Wort sein könne. Eine Endsumme müsse festgestellt werden. Allerdings denke man sie sich hüben und drüben verschieden. Auch von den inneren Fragen wie Verwaltungsreform, Schulgesetz, Liquidationsschäden hänge Leben und Existenz vieler ab, und daM komme noch in diesem Jahr der Wahlkampf.
Es sei eine Tatsache, daß di« jetzige Lmksopposition Anträge einbringe, die bis aufs Wort hinaus dieselben seien, wie sie früher von der Rechten eingebracht wurden. Solange dos möglich sei, stecken wir politisch noch in den Kinderschuhe«. Unsere Wirtschaft habe sich der Lage angepaßt. Die Erwerbslosenziffer sei auf einige Hunderttausend zurückgegan- gen, trotzdem haben die Arbeitslöhne erhöbt und die Mieten um 20 v. H. gesteigert werden können. Auch die Produktionsleistung sei gestiegen dank der Verbesserung der Einrichtungen, ebenso seien wir mit den Spareinlagen vorwärts gekommen. Auf die sozialen Leistungen Deutschlands könne man stolz sein, sie stehen vorbildlich da. Der Redner erinnerte an die Herabsetzung der Arbeitszeit, das Arbeitsrecht und das Arbeitsgericht, die immer mehr in die Selbstverwaltung deren überführt werden, die daran interessiert sind. Die Verwaltungsreform dürfe nicht in einer Regierung oller in Berlin gipfeln, man wolle aber auch keime neue Mainlinie, sondern den wirklich nationalen Staat.
Württemberg
Stuttgart, 9. Januar.
so Jahre Verlag Gundert. Der weitbekannte Und hochgeachtete Verlag D. Gundert in Stuttgart, mit dem der Calwer Verlagsoerein in Personalverbindung steht — der Gründer des Stuttgarter Verlags ist Vorstand des Calwer Vereins — konnte am 1. Januar auf ein SOjähriges Bestehen zurückblicken. Der heute noch rüstige Inhaber Kommerzienrat D. Gundert gründete den Stuttgarter Verlag am 1. Januar 1878, der eine große Zahl bester Bücher von Anna Schieber, Helene Hübener, Agnes Supper, Helene Schock, Jugendschristen für das christliche Haus, hervorragende theologische Werke usw. herausgegeben hat. Dem verdienten Semorchef der Finna wurden an seinem Ehrentag zahlreiche Glückwünsche namentlich auch aus Fachkreisen dargebracht.
Beisetzung von General d. Ins. Otto von Hügel. Am Samstag nachm, wurde aus dem Progfriedhos die Asche des am 4. Jan. verstorbenen Generals der Inf. Otto von Hügel mit militärischen Ehren beigesetzt. Die drei Kompagnien des Gren.-Bat. des Jnf.-Regts. 13 und eine Schwadron des Reiter-Regts. 18 gaben ihm das letzte Geleite. Die Urne wurde auf einer Lafette einer Malchinengewehrabteilung von der Kapelle von vier Pferden zum Grcck» gefahren. Biele Offiziere des alten Heers und Abordnungen der Regimentsvereine, der Kommandeur der 5. Reichswehr-Div. Generalleutnant Re in icke u. a. erwiesen dem Verstorbenen die letzte Ehre. Superintendcmt Möriug von Weißenfels hielt die Trauerrede.
Kurzarbeit bei Daimler. Im Daimlerwerk Untertürkheim wird seit 1. Januar infolge ungünstigen Geschäftsganges nur noch an vier Tagen m der Woche gearbeitet. Wieweit auch das Daimlerwerk Sindelfingen von der Einschränkung betroffen wird, steht noch nicht fest.
Vom Tage. In einem Laboratorium der Fischerstrahe explodierte nachmittags ein Destillier-Apparat. Hiebei wurde der 39 I. a. Inhaber des Laboratoriums am Kopf und an den Händen nicht unerheblich verletzt. — In der Neckarstraße stach ein 25 I. a. Seiltänzer seine gleichaltrige Frau, mit der er aus Eifersucht in Streit geraten war, mit einem
Stilettmesser in den Hinterkops. Die Verletzung ist aber nur leichterer Art. — In einem Haus der Hasenbergstraße brach mittags ein 7 I. a. Knabe, der das Treppenhausgeländer herabrutschte und zu Fall kam, den linken Oberschenkel. — In Degerloch verunglückte ein 20 I. a. Buchdrucker dadurch, daß er, als er einem bereits in Fahrt befindlichen Straßenbahnzug nachsprang, ausglitt und zu Boden stürzte. Er zog sich eine erhebliche Verletzung am linken Unterschenkel zu, die seine Verbringung nach dem Marienhospital notwendig machte. — Auf dem Schloßplatz wurde eine 34 I. a. Frau bei Streithändeln von einem 51 I. a. Mann gegen einen in Fahrt befindlichen Straßenbahnzug geworfen. Sie trug hiebei einen Unterschenkelbruch davon >md mußte nach dem Katharinenhospital verbracht werden.
Die Wirtsehefrau Mayer in Cannstatt, die ihrem Mann im Streit zwei tödliche Messerstiche versetzt hatte, ist nach dem Verhör vor dem Polizeipräsidium wieder in Freiheit gesetzt worden, weil sie in Notwehr handelte.
Liue Stuttgarter Gesellschaft durch eine Lawine verunglückt. Am Samstag unternahm eine aus vier Herren und einer Dame aus Stuttgart bestehende Gesellschaft einen Schneeschuhausflug von Schattwald (Tirol, an der bayrischen Grenze bei Tannheim-Hindelang) aus auf den Pfronten. Als sie auf den Bergen die Schneegrenze erreicht hatten und im Begriff waren, die Schneeschuhe anzuschnallen, sauste plötzlich eine mächtige Schneelawine zu Tal und begrub die ganze Gesellschaft. Zwei Herren konnten sich herausarbeiten, und es gelang ihnen, die Dame und einen Herrn schwer verletzt auszugraben. Der andere Teilnehmer, einziger Sohn eines Stuttgarter Hotelbesitzers, lag einen Meter tiefer. Auch er konnte befreit werden, er starb ab« kurz darauf an seinen Verletzungen. Die beiden andern Verletzten wurden ins Krankenhaus nach Hindelang verbracht.
Der tödlich Verunglückte ist der 19jährige Sohn des Restaurateurs Paul Saiber zum Charlottenhof iu Stuttgart. Er war bei der Firma Hahn u. Kolb in der Lehre. Die verunglückte Dame, deren Befinden trotz der Gehirnerschütterung befriedigend ist, ist seine Schufst«.
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An, gl e i ch« , Samsta g wurden dre» Schneeschuhläus» bei der Mm» Hütte von einer Schneelawine überrascht.