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Ar. 271
Gegründet 1827
Samstag, den 19. November 1927
Fernsprecher Nr. SS
191. Jahrgang
Derwaltungsreform
Die Besoldungsreform hat endlich den Entschluß zum handeln auf einem Gebiet zur Reife gebracht, über das seit S Jahren nur ebenso viel wie fruchtlos geredet wurde: dem Gebiet einer durchgreifenden Verwaltungsreform. Reichsfinanzminister Köhler hat bei der Begründung der Besoldungsvorlage im Reichstag eine Verwaltungsreform im Reich in aller Form angekündigt. Einen starken Antrieb zur ernsthaften Inangriffnahme dieser Aufgabe gibt zweifellos auch die Denkschrift des Dawesagenten. So allgemein sich aber die Ueberzeugung Bahn bricht, daß wir in dieser Frage endlich zum praktischen handeln kommen müssen, so ungeklärt und grundverschieden sind noch die Meinungen über Art und Ziel.
Nicht zum Ziele führen kann eine Reform, die die Frage nur von oben her anfassen wollte. Hier mögen sich für Doppelarbeit, unnötige Reibungen und praktischen Leerlauf in unserer Verwaltung die sinnfälligsten Beispiele bieten; eine wirklich durchgreifende Reform ist aber nur möglich, wenn sie gleichzeitig von unten her angepackt, und wenn in den unteren Instanzen des Staats und der Gemeinden eine wirksame Entlastung von Aufgaben eintritt, auf der sich eine Vereinfachung des persönlichen Apparats für die Dauer aufbauen kann. Selbstverständlich muß zugleich jede neue Belastung mit unnötigen Aufgaben, geschweige denn unnötigem bürokratischem Apparat, unbedingt vermieden werden.
Weil die Schwierigkeiten einer wirksamen Verwaltungsreform ohnehin groß sind, darf sie nicht unnötig mit politischen Streitfragen belastet werden. Gute Kenner der Verwaltung bezweifeln, daß sich durch Konstruktionen, wie die Einschmelzung Preußens als „Reichsland" wirklich namhafte Verwaltungsersparnisse erzielen lassen würden, sie fürchten sogar das Gegenteil. Noch ernster sind die
neueste NachkWen
Vortrag beim Reichspräsidenten Berlin. 18. Nov. Der Reichspräsident hat heute vormittag den Vortrag des Reichssinanzministers Dr. Köhler entgegengenommen.
Der Reichskanzler wieder in Berlin Berlin. 18. Nov. Der Reichskanzler ist heute, von München kommend, wieder in Berlin eingetroffen. Abends hält er eine Ansprache im Verein der Berliner Presse.
Dr. Stresemann traf gestern in Berlin ein und nahm sofort die Besprechungen mit dem polnischen Sonderbeauftragten Jackowski über den Handelsvertrag auf. Die Verhandlungen sollen bis jetzt zufriedenstellend" verlaufen sein. ,
Eröffnung des Reichsarbeitsgerichks Berlin, 18. Nov. Reichsjustizminster Hergt und Reichsarbeitsminister Dr. Brauns sind nach Leipzig zur Eröffnung des Reichsarbeitsgerichks am Samstag abgereist.
Der Reichskanzler über Einheitsstaat und Eigenstaat München. 18. Nov. In Bayern hat es einen sehr guten Eindruck gemacht, daß Reichskanzler Dr. Marx bei seinem Besuch im Landtag erklärte, solange in Bayern der feste Wille zum Eigenstaat vorhanden sei, wäre es politisch falsch, irgendwie zu versuchen, andere Zustände herbeizuführen. Er habe darauf gedrungen, daß in die Erklärung der jetzigen Reichsregierung vor dem Reichstag der Satz ausgenommen wurde, die staatliche Selbständigkeit der Länder dürfe nicht auf dem Umweg über finanzielle Maßnahmen untergraben werden.
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Das Oberhaus zum rumänischen Raub London, 18. Nov. Aach der Zerstückelung Ungarns durch den Friedensverkrag begann die rumänische Regierung aus Grund eines neuen Gesetzes mit der Enteignung von Landgütern in den an Rumänien gefallenen vormaligen ungarischen Gebieten. Sie enteignele auch solche ungarische Besitzer, die ihre Nationalität nicht wechseln, also Ungarn bleiben wollten. Die ungarische Regierung erhob dagegeu
Einspruch, weil diesen .Optanten' der völkerkundliche .Schuh der Minderheiten" zugebilligt werden müsse. Der Streit dauert schon mehrere Jahre und ist wiederholt, jedoch ohne Erfolg, vor den Völkerbund gebracht worden. Im Oberhaus stellte nun Lord Newton an die Regierung eine Anfrage in dieser Angelegenheit und Lord Buckmaster und Lord Carson traten dafür ein, daß der Friedensvertrag gerecht ausgelegt werde, das Recht sei zweifellos auf seiten Ungarns. Äer neuernannte Lord Cushen - dun (früher Mac Neill, Nachfolger Cecils) bedauerte namens der Regierung, daß diese heikle Frage angeschnitten worden sei, und Minister Balfour erklärte, die Frage werde in einigen Wochen untersucht werden; zur Zeit könne die Regierung keine weiteren Mitteilungen machen.
Der Rechtsberater des Ministeriums Briand, der französische Rechtsgelehrte Lapradelle, ist aus dem Amt entlassen worden, weil er den ungarischen Standpunkt für den berechtigten erklärt hatte. — Das läßt tief blicken.
politischen Bedenken gegen einen solchen Schritt, hinsichtlich seiner Durchführung, die ja eine grundlegende Aenderung der Weimarer Verfassung bedeuten würde, und noch mehr hinsichtlich seiner Folgen. Als Nächstliegende Aufgabe wird in der Regel bezeichnet, daß eine klare Abgrenzung der Zuständigkeit von Reich, Ländern und Gemeinden erfolgen müsse. In der Praxis sind leider diese Aufgaben viel zu sehr und viel zu tief ineinander verschachtelt, als daß überall eine völlig klare Trennung möglich wäre. Deutschland ist nicht nur ein Bundesstaat, es hat neben einem bis in das letzte durchgebildeten staatlichen noch einen ganz ähnlich durchgebildeten und dabei zugleich bürokratisch übersteigerten Selbstverwaltungsapparat: der Grund dafür aber liegt nicht nu-r in fehlerhaftem Drang zu einem Uebermaß an Reglementierung und Organisation, sondern doch auch darin, daß das deutsche Volk auf zu engem Raum leben muß, und daß es schon deshalb nicht so einfach verwalten kann wie etwa sein glückliches Gegenstück, die angelsächsischen Länder: das sollte namentlich auch der Dawesagent bedenken.
Unbestreitbar ist, daß die Aufgaben der Landeskultur verfassungsmäßig wie praktisch dem hoheitsbereich der Länder verbleiben. Die Losung darf nicht heißen: Einheitsstaat oder Bundesstaat; vielmehr muß die Lösung auf dem Wege praktischen Zusammenwirkens zwischen Reich, Ländern und Gemeinden gefunden werden. Was der Föderalismus dabei theoretisch verliert, wird er praktisch nicht ausgleichen, sondern auch besser sichern können, wenn man die bei dem jetzigen Zustand vorhandenen Unzuträglichkeiten noch länger fortbestehen und sich naturgemäß mehr und mehr zugunsten des Stärkeren, des Reichs, auswirken ließe.
Sturm im Unterhaus — Macdonakd gegen BaKnvin
London, 18. Nov. Die Arbeiterpartei hat im Unterhaus einen Mißtrauensantrag gegen die Regierung Baldwin eingebracht, well sie dem Niedergang der Kohlenindustrie und der damit zusammenhängenden Arbeitslosigkeit der Bergleute untätig zuschaue. Die Liberale Partei wird den Antrag unterstützen. Erstminister Baldwin, der im Saal anwesend war, lehnte es ab, auf die Rede Macdonalds, der den Antrag begründete, zu antworten. Darauf erhob sich bei der Opposition ein Sturm, wie das Unterhaus noch keinen erlebt hat. Ms Handelsminister Li st er reden wollte, konnte er bei dem Lärm nicht zum Wort kommen. Die Sitzung wurde eine Stunde vertagt, aber darauf konnte auch der Bergwerksminister, der für Baldwin sprechen wollte, nicht durchdringen. Die Abgeordneten der Arbeiterpartei riefen fortwährend „Baldwin soll Rede stehen". Der Erstminister schüttelte verneinend den Kopf und verließ schließlich den Saal. Er bemerkte, er laste sich nicht zum Reden zwingen.
In der nächsten Sitzung verlangte der Arbeiterführer Macdonald, daß im Unterhaus ein Tag zur Aussprache über die Bergbaufrage festgesetzt werde. Baldwin erklärte dagegen, es sei unmöalich, einen Tag freizumachen, da ja die Arbeiterpartei selbst noch verschiedene Gesetzesvorlagen erledigt wissen wolle, bevor am Donnerstag nächster Woche die von der Arbeiterpartei gewünschte Aussprache über Frieden und Abrüstung stattfinde. Mocd-- -ald kündigte an, er werde eine parlamentarische Anklage gegen Baldwin erheben.
Macdonald leidend
London, 18. Nov. Der Gesundsheitszustand Macdonalds sst ch angegriffen, daß es fraglich ist, ob er seine parlamentarischen Aufgaben durchführen kann. Trotzdem will er sich nicht zur Erholung zurückziehen.
Eoolidge über die Aufgaben der Vereinigten Staaken
Philadelphia, 18. Nov. In der Union Leage, einem Klub in Philadelphia, der in der Aufnahme von Mitgliedern sehr strenge Richtlinien beobachtet, sagte Präsident Eoolidge in einer Rede, die Aufgaben der amerikanischen Bürger seien besonders der Ausbau der Kriegsflotte durch Vermehrung der Kreuzer und Tauckboote, Unterstützung privater Schiffahrtsgesellschaften beim Bau schneller Schiffe, die als Wachtdampfer und Hilfskreuzer verwendbar sind, und Förderung der Lustschiffahrt. Die gegenwärtige Wohlfahrt müsse erhalten bleiben, die Schutzzölle dürfen daher nicht abgebaut werden.
Württemberg
Stuttgart, 18. Nov. Dienstjubiläum. Oberrech- nungsrat Horsch beim Standesamt durfte am 17. d. M. auf eine 40jährige Dienstzeit bei der Stadtverwaltung zurückblicken. Die Stadtverwaltung hat dem Jubilar ihren Dank und Glückwunsch durch Ueberreichung einer Ehrenurkunde und eines Geschenks zum Ausdruck gebracht.
Versuchsfiedlung auf dem Kochenhof. Der Gemeinderat nahm, wie verlautet, in nichtöffentlicher Sitzung mit 27 gegen 25 Stimmen einen Antrag an, der die Erbauung einer Siedluna auf dem Kochenhof mit Beteiliguna der
lagesspiegel
Die deutsche Studentenschaft Böhmens klagt öffentlich de» preußischen Kultusminister Becker an, daß er in einer Weise, die jedem Staatsgefühl hohn spreche, die Selbstverwallungs- rechte der Studentenschaft beschneide und die großdeutsche Studentenschaft zu zerschlagen trachte.
Die englische Regierung hat auf den Bau von zwei bereits vorgesehenen Kreuzern vorläufig verzichtet.
In der Blumensteinschen Detrugssache sind zunächst drei französische Senatoren und eia kommunistischer Abgeordneter schwer bloßgestellt.
Infolge der Trockenheit, der Heuschreckenplage, des Krieg» und des Räuberunwefens droht in der chinesischen Provinz Schankung und in dem südlichen Teil von Tschlli eine Hungersnot auszubrechen.
Versicherungsanstalt und der Krankenkasse durch die Stadt bezweckt, wobei die Reichsforschungsstelle einen Zuschuß von 230 000 geben würde. Zu diesem Zweck soll eine Gesellschaft gegründet wecken. Es handelt sich um eine Siedlung von 117 Wohnungen.
Zugsunfall. Die Reichsbahndirektion Stuttgart teilt mit: Am 18. Nov. ist eine Tenderachse der Lokomotive des D-Zugs 108, Stuttgart Hbf. ab 8.36 Uhr, auf der Geis- linger Steige aus bisher nicht geklärter Ursache entgleist. Personen wurden nicht verletzt. Der Sachschaden ist unbedeutend. Der Zug wurde nach Geislingen zurückgezogen und fuhr auf dem falschen Gleis bis Amstetten. Er erhielt 46 Minuten Verspätung.
Eie kun nicht mit. Das Reichsbanner Schwarz-Rok-Gotd, das zu der Gefallenengedenkfeier am Samstag abend eingeladen war, hat ab gelehnt, da es, wie der soz. Abg. Dr. Schumacher erklärte, mit Organisationen wie Stahlhelm usw. nichl Zusammengehen wolle.
Aufgeklärter Raubmord. Der Raubmord, dem a« 17. Oktober d. I. auf der Straße Schorndorf-Asperglen der 58 I. a. Dienstknecht Johannes Frank zum Opfer fiel, ist aufgeklärt. Durch die Nachforschungen des Landeskriminalpolizeiamts wurde als Täter der led. 21 I. alte Knecht Karl Maier von Heidenheiw ermittelt. Er ist festgenommen und geständig.
Zweistöckige Autobusse. Am Donnerstag nachmittag fuhr ein zweistöckiger Omnibus der Mercedes-Benz-Werke durch die Stuttgarter Straßen. Es handelt sich um Versuchsfahrten für den Ueberlandverkehr für Arbeiter.
Vom Tage. Gestern abend stießen auf der Kreuzung Schloßstraße-Weimarstraße ein Lastkraftwagen und ein Straßenbahnzug der Linie 20 zusammen, so daß der Triebwagen der Straßenbahn rechtwinklig gedreht und von dem Lastkraftwagen in den Eingang der Weimarstrahe geschoben wurde. Der Anhängewogcn entgleiste. Das Lastauto ist aus der Weimarstraße von links, ohne Signale zu geben und ohne die Geschwindigkeit gemindert zu haben, über die Schloßstraße gefahren, obwohl der Straßenbahn- zug gerade die Kreuzung passierte Durch Glassplitter mucke ein Fahrgast der Straßenbahn verletzt. Die linke Seite der -orderen Plattform des Straßenbahnwagens ist vollständig eingedrückt.
Aus dem Lande
Eßlingen, 18 . Nov. Erbauung einer Turnhalle. Der Gemeinderat beschloß die Erstellung einer Turnhalle bei der Volksschule in der Pliensauvorstadt. Die Kosten für die Halle sind zu 50 000 Mark berechnet.
Vaihingen a. E.» 18. Nov. A ltertümersamm- lung. Im „Haspelturm", dem ehemaligen Gefängnis des aus Schillers „Verbrecher aus verlorener Ehre" bekannten „Sonnenwirtle von Ebersbach" soll eine Altertümersiunm- lung untergebracht werden.
Vaihingen a. E., 18. Nov. Diebstahl am Postschalter. Am Dienstag kaufte ein Schäfer am hiesigen Postschalter einige Briefmarken und ließ beim Weggehen seinen Geldbeutel mit 35 Inhalt versehentlich am Schalter liegen. Als er am Stadtbahnhof seinen Verlust bemerkte, kehrte er sofort nach dem Postamt zurück; der Geldbeutel war aber inzwischen verschwunden. Als Dieb wurde ein junger Mann am Reichsbahnhof verhaftet, als er sich eine Fahrkarte lösen wollte.
henbach OA. Gmünd, 18. Nov. Der „Rosenstein - doktor" als Jubilar. Sanitätsrat Keller kann auf eine 50jährige Tätiakeit in Heubach zurückblicken. Die Verdienste des Jubilars um das Bekanntwerden des Rosensteins haben ihm den Ehrennamen Rosensteindoktor eingetragen. Am nächsten Sonntag wird im Ochsensaal von der Stadtgemeinde in Verbindung mit der Aerzteschaft eine Feier zu Ehren des Jubilars stattfinden, zu der sich Vertreter der Aerzteschaft, des Schwäbischen Albvereins usw. einfinden
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Tübingen. 18. Nov. Von der Landesunioerfi- t ä t. Zur heutigen ersten Immatrikulation im Winterhalbjahr waren rund 440 Studierende geladen. Die Gesamtzahl der immatrikulierten Studierenden dürfte etwa 2500 betragen.