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Nr. 26S

Gegründet 1827

Donnerstag, den 1V. November 1927

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101. Jahrgang

Einheitsstaat oder Bundesstaat?

Berlin, 9. Nov. Auf der Schlußsitzung der Führertagung des Reichslandbunds legte Professor Haller- Tübinaen in einem Bortrag überLehren aus der deut­sche!» Vergangenheit, insbesondere der Bismarck,zeit, für den künftigen Ausbau des Reichs" ein Bekenntnis zu dem deut­schen E i n he i ts staa t ab. Bismarcks Verfassung sei, auch in der Auffassung Bismarcks selbst, nur eine Uebergangs- lösung gewesen. In der Aussprache traten Reichstags­abgeordneter Dr. Everling und Professor Spahn die­len Darlegungen entgegen und betonten ihren Willen zum bundesstaatlich gegliederten Deutschen Reich. Prof. Haller erklärte in seinem Schlußwort, daß es sich bei der Ver- waltungs- und Versassungsreform nicht nur um Ersparnisse und Vereinfachungen handle, sondern um den deutschen Menschen, der bisher nur in kleinen Staaten aelebt

yaoe uns aus diesem Grund den weiten Blick für die Welt­geschichte vermissen lasse.

Bayern gegen den Einheitsstaat

München, 9. November. Der preußische Kultusminister Becker hatte kürzlich für den Einheitsstaat gesprochen. Da­gegen nimmt die Bayerische Volkspartei-Korrespondenz äußerst scharf Stellung. Die Rede sei für das außerpreu­ßische Deutschland ein Schlag ins Gesicht gewesen. Der preu­ßische Minister würde sich sehr täuschen, wenn er glaubte, Bayern werbe bei seinem preußischen Einheitsstaat schon mitmachen. Er könnte Enttäuschungen erleben. Man möge in Berlin auch die warnenden Stimmen aus Württem­berg und Baden nicht unterschätzen.Wir wollen keine Gespenster an die Wand malen, aber es gibt eine Einheit deutscher Gefühle vom Rhein bis nach Wien."

Der Geist des Versailler Vertrags

London, 9. Nov. DiePreußische Polizei.zeitung" hatte behauptet, 3000 Mitglieder der Schutzpolizei seien vor Er­reichung der Altersgrenze entlassen und angeblich mit 30 Millionen Mark entschädigt worden. Außerdem seien für die Polizei für 4 Millionen Mark Kraftwagen beschafft worden, die den Bedarf weit überschritten hätten, und wei­tere Summen unnötig verbraucht worden für den polizei­lichen Nachrichtendienst. Waffenlager usw. Der Berliner Berichterstatter der LondonerMorning Post" benützt diese unbewiesenen Behauptungen, um die Verbündeten aufzu- sordern, derunbekümmerten Verschwendungssucht der deut­schen Regierung aus Kosten der Verbündeten" ein Ende zu machen und unter Hinweis auf den Geist dos Vertrags von Versailles darauf zu bestehen, daß die deutsche Polizei nicht in eine militärische Streitmacht verwandelt werde. Wenn die Warnungen des Dawesagenten nichts fruchten, so müsse Deutschland klargemacht werden, daß es Sanktionen zu erwarten habe.

Eigenkumsriickgabe und Dawesplan Washington, 9. Nov. Politische Kreise weisen darauf hin, daß das Herannahen der Höchstzahlunaen des Dawesplans eine baldige Erledigung der R ü ck g a.b e des deutschen Eigentums um so dringender geboten erscheinen lasse, als die Eigentumsrückgabe die Befestigung und Neuausgabe von Anleihen erleichtere. Es wird gemeldet, Bascom 6 chlemp, der frühere Sekretär des Präsidenten Coolidge, werde während der nächsten Kttigreßtagung die Interessen der deutschen EntschädigungsbereHkigten wahrnehmen.

Zur Verfemung des Angriffskriegs Washington, 9. Nov. In der letzten Zeit war von ver­schiedenen Seiten versucht worden, die Regierung der Ver­einigten Staaten zu bewegen, denjenigen Staaten beizu­treten, die den Angriffskrieg als verbrecherisch bezeichnen: die Vereinigten Staaten sollten dem Angreifer jede finanzielle und industrielle Hilse versagen. In den

Kreisen der Regierung und besonders von Präsident Coo- 'idge wird jedoch erklärt, die Vereinigten Staaten können sich nicht binden. Es sei schwer, zu bestimmen, was "inAngriffskrieg" sei. Es könnten Fälle eintreten, in denen die Recksts und Interessen amerikanischer Bürger ver­letzt würden, so daß die Vereinigten Staaten eln- greisen müssen. Die Politik, die den Angriffskrieg schlechtweg verdamme, sei noch zu verschwommen. Senator Borah soll dagegen für den Beitritt Amerikas sein.

Der Dawesplan möglich Schwierigkeiten des Tnm-Her Neuyork, 9. Nov. Der Vorsitzende der National City Bank in Neuyork, Charles H. Mitchell, der von ein^ längeren Studienreise zurückgekehrt ist, schreibt: Das Deutschland von 1927 macht einen ganz anderen, gesünde­ren Eindruck als noch vor zwei und drei Jahren, oder vollends in den ersten Jahren nach dem Krieg. Das deutsche Volk wird wahrscheinlich die Dawesleistungen ausbringen, aber der Transfer wirv große Schwierigkeiten machen. Muter Transfer versteht man bekanntlich die Barauszahlung der Dawesverpflichtungen in fremden Geldwerten. Devisen, die durch deutsche Warenausfuhr oder durch Ankauf durch die Reichsbank an den Auslandbörsen beschafft werden müssen.)

Aeberwachung der Finanzgebarung der Städie Berlin, 9. Nov. In nächster Zeit soll, nach einer Blätter­meldung ein Beamter des Reichssparkommissars beauftragt werden, die Gestaltung der Gemeindesinanzen zu über­wachen. Die Aufgaben dieses Beamten werden bei den Gemeinden dieselben sein wie diejenigen des Reichs­sparkommissars in Bezug auf die Finanzen des Reiches. Man verspricht sich von dieser Regelung eine Einschränkung solcher Ausgaben, die nicht immer für unbedingt notwendig gehalten werden, wie z. B. die Bereitstellung größerer Mittel für Ausstellungen usw

Der Reichskanzler und der Außenminister werden am 14. November zum Besuch der österreichischen Regierung in Wien eintrefsen und in der deutschen Gesandtschaft Woh­nung nehmen. Am 16. November wird der Reichskanzler nach München regen und dort einen Tag verbringen. Dr. Skressmann kehrt am 17. November von Wien nach Berlin zurück.

In der Pfalz ist man sehr erfreut, daß die Pfalz mik dem Landesarbeilsamt München verbunden bleibt. Die Aemker Württemberg, Baden und Hohenzollern werden bekanntlich zusammengelegk mik dem Amtssitz in Skutkgart.

In London sind das Ober- und Ankerhaus am 8. No­vember wieder zusammengetrelen.

Englisches und amerikanisches Kapital

Der Standamm am Tana-See

Den Weltkrieg hat das Großkapital gewonnen. Mit wel­chen Mitteln und auf welchen Wegen dieser Sieg, von dem sich die Massen der Völker wohl überhaupt keine Vorstel­lung machen, errungen wurde, kann außer Betracht blei­ben. Tatsache ist, daß seit dem Vertrag von Versailles und seinen Schlußstücken, dem Dawes- und Locarno-Bertrag, die reine Kapitalmacht führend und maßgebend in der Weltposttik geworden ist. .

Um die Vorherrschaft zu behaupten, trachtet die Kapital­macht in erster Linie danach, die unentbehrlichen Rohstoffe in die Hand zu bekommen, daher das Rinaen um Eisen und Kohle, Kupfer und Erdöl, Gummi und "Baumwolle, das heute den Inhalt der Weltpolitik zur guten Hälfte bestimmt. Die Hauptstadt des Weltkapitalis­mus war bis zum Krieg London gewesen; schon bald nach Kriegsschluß stellte sich heraus, daß es in Zukunft Neu­york sein würde. Und eine der wichtigsten Fragen war nun: Wie die führende Kapitalmacht der Vorkriegszeit und die führende Kapitalmacht der Nachkriegszeit sich zueinander stellen würden. Würden sie miteinander oder gegeneinander gehen? Würde Amerika, wie es sich von England hatte in de Krieg hineingängeln lassen, sich auch ferner der eng­lischen Führung anvertrauen, oder würde es aus der Um­schichtung der Kapitalmenge die Folgerungen ziehen?

Heute kann kein Zweifel mehr daran sein, daß Amerika nicht daran Lenkt, sich der englischen Führung unterzuord­nen. Es ist nur ein Ausdruck des Willens zur Weltvormacht, wenn Amerika sich, fest entschlossen zeigt, England den Platz der ersten Seemacht gutwillig nicht mehr zuzugestehen. Mit der gleichen Entschlossenheit ist das amerikanische Kapital 'darauf und daran, dem englischen überall da die Derherr- schaft streitg zu machen, wo es sie nach dem Ausgang des Kriegs allein glaubte ausüben zu können. England hätte es nach dem Krieg leicht gehabt, sich den verherrschenden Ein­fluß im niederoebrochenen Mitteleuropa zu sichern.

Das ist dank dem Boxergehirn Lloyd Georges nicht ge­schehen. Und die Folge ist. daß Deutschland ameri­kanische, nicht englische Wirtschaftskolonie ge­worden ist. England glaubte, das Herzland Europas allen­falls entbehren zu können, weil es ja immer noch Polen, die Landbrücke zwischen Weichselmündung und Donamnün- düng, zur Verfügung hatte. Heute ist mich Polen ame­rikanische Finanzkolonie. England brach mit Rußland in der Hoffnung, dabei Amerika hinter sick zu bringen. Amerika aber benutzte die gute Gelegenheit, sich kapitalistisch >n Rußland r:chi festzusetzen. Es sicherte sich die Ausbeute des südrussischen Manganerzes. Es gewann Einfluß aus das kaspische Petroleum, es schob seinen Einst zugleich mii dem verbündeten russischen nack Persien und ins Mossul- gebiet vor. Und das amerikanisch« Kapitol mag schon auch dahinter stehen, wenn Rußland sich neuerdings stark für ägyptische Baumwolle interessiert.

Baumwolle wird in Aegypten gebaut seit den sech- ziger Jahren des vorioen Jahrhunderts, seit der Aufhebung derSklaverei" und dem daraus entstandenen amerikani­schen Bürgerkrieg, der Len Baumwollbau der Südstaaten zeitweise lahmlegt«. Der Anbau der Baumwolle ist gebun­den an eine geregelte Bewässeruna des Landes. Das Wasser liefert der Nil. Nachdem die Engländer die alleinigen Her­ren des Nillands geworden waren weil die Franzosen in den achtziger Jabren so gebanntauf das Vogesrnloch" starrten, wie sie heute auf das linke Rheinuser starren, da war ibre erste Sorge, die Ueberschwemmung des Lan­des mit Nilwaffer durch großartige Stauwerke am oberen Nil zu regeln.

Auch als sie der Welt das Schaustück der ägyptischen Unabhängigkeit" gaben, haben die Engländer nie im ge­ringsten Zweifel daran gelassen, daß üs die Lebensader des Landes, den Nil. in der Hand zu behalten "-denken. Der verstorbene Zaglul Pascha bat den Sudan für Aeannten gefordert nicht ohne Berechtigung, denn mit ägyptischem Blut und Geld ist der Sudan zweimal wenn auch das Zweite Mal unter englischer, unter Kitckzencrs Führung erobert worden. England aber hat Zaaluls Forderung ebenso kühl wie bestimmt abgewiesen. Den Schein der Unab­hängigkeit will es Aegypten gern lassen. Die Verfügung aber darüber, wieviel Nilwasser Aegypten bekommen soll, will es lieber selbst behalten. Und ohne Nilwasser kann Aegyp.

ren in schönster Unabhängigkeit verdursten und ver­hungern.

Alles war also aufs beste geregelt im Sinn jener Welt­anschauung, wonach die göttliche Vorsehung immer gerade das will, was dem englischen Weltgeschäft am meisten nützt. Da kommt die wunderliche Nachricht: Eine amerikanische Gesellschaft habe von der abeffinischen Regierung die Genehmigung erhalten zum Bau eines Stau­damms am Tana-See, aus dem der Blaue Nil, der er­giebigere der beiden Ouellllüsse des heiligen Stroms, ge­speist wird. In England erklärt man die Nachricht für un­glaublich. Abessinien habe sich England gegenüber vertrag­lich die Hände gebunden so wie ja auch Frankreich, als Italien seine Tangeransprüche anmeldete, erklärte, das könne nicht sein, Italien habe schon vor langen Jahren aller An­sprüche in Marokko fei"rlich entsagt.

Da steht denn nun Auffassung gegen Aufassfung, und die Amerikaner erklären einstweilen seelenruhiq: Sie würden den Stoudamm am Tana-See bauen. Und sie fügen hin­zu: Die Vereinigten Staaten würden wahrscheinlich auch eine Gesandtschaft in Addis Abeba, der Hauptstadt Abes­siniens, errichten. Wie der Meinunqs- und Jnteressenstreit sich einmal lösen wird, darüber sollsman nicht prophezeien. Don Wichtigkeit ist vorerst nur dies: Abessinien ist das ein­zige noch unabhängige Land zwischen Kairo und Kapstadt, und währen- der Weiße Nil, der eine Ouellfluß des Le­bensspenders für Aegypten, ganz in englischen Händen ist, liegt das Ouellgebiet des Blauen Nils ganz auf abeffinischem Boden. Wenn sich also amerikanisches Kapital für Messi- nien und den Blauen Nil zu interessieren beginnt, so er­öffnet sich ein weiteres Kampffel-, worauf die v-ue Kapital« Vormacht der alten die Alleinherrschaft streitig macht- Da es dabei um die Baumwolle geht, ist an der Sache im Grunde nichts zu verwundern.

Und die Sache ist auch für uns von hoher Wichtigkeit, wenn wir auch durch die unfehlbare Weisbeit des Versailler

Totenrichterkollegiums unbesiegt aus Afrika verdrängt wor­den sind. Mag nun Amerika schroff auf seinen neu erwor­benen Rechten bestehen, mag der Streitfall mit einem güt­lichen Vergleich enden e-^ sind unsere Herren, die da streiten. Darüber sollen wir uns um der lieben Eitelkett willen nur nichts vormachen. Dann begreifen wir ahne wei­teres, daß Verlauf und Ausgang dieses Streites unsere ge­naueste Aufmerksamkeit erfordern.

neueste Nachrichten

Vorträge beim Reichspräsidenten Berlin, 9. Nov. Der Herr Reichspräsident empfing heute vormittag den Reichskanzler Dr. Marx und nahm außerdem einen Dortrag des Reichsministers des Innern von Keudell entgegen.

kabinettsfihung ^

Berlin, 9. Nov. Das Reichskabinett besprach heute die Angelegenheit des Notenwechsels mit dem Dawesagenten und den Eindruck, den er im In- und Ausland gemacht hat. Die Besprechungen des Reichsfinanzministers sollen noch in dieser Woche wieder ausgenommen werden.

Zum Schulgesetz

Berlin, 9. Nov. Am 13. November werden in Frank­furt a. M. Vertreter der Deutschen Volkspartei aus solchen Ländern, in denen die Gemeinschaftsschule besteht, zu einer Besprechung des Schulgesetzentwurfs zusammentreten.

Ausweisung eines Bolschewisten aus Aegypten Kairo, 9. Nov. Die ägyptische Regierung hat den Mos­kauer Handelsagenten Schemock, der angeblich Baumwolle austaufen sollt«, wegen kommunistischer Werbung aus­gewiesen. Er trug einen offenbar gefälschten amerikanische» Daß bei sick».