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Nr 172 Segrünäet 1827 Mittwoch, den 27. Juli 1827 Fernsprecher Nr LS 181. IahrgaNH

Die Tübinger Jubelfeier

Tagesspiegel

Im österreichischen Nationalrat fand die Aussprache über die Wiener Revolte statt.

Die Reichsregierung wird auf das letzte belgische Memorandum keine schriftliche Antwort mehr erteilen.

DerIntransig." führt aus, Frankreich müsse an der Alleinschuld Deutschlands am Kriege festhalten, um damit das Recht der Sanktionen zu haben.

Sie preußische Regierung hat das Rücktrittsgefuch Hör- sings genehmigt.

Das englische Oberhaus hat die Gewerkschaslsvorlage an­genommen. Das Ankerhaus wird die daran vorgenommenen Aenderungen am Donnerstag prüfen.

Die Lehren der deutschen Bilanz 1926

Das Statistische Reichsamt hat kürzlich in einer Ver­öffentlichung über die Zahlun gsbilanz der drei Länder Deutschland, England und Vereinigte Staa­ten beherzigenswerte Fingerzeige gegeben, wohin die Dinge führen müssen, wenn die deutsche Zahlungsbilanz weiter die Entwicklung nimmt, die sie in den letzten Jahren aufzeigte.

Die Bilanz des deutschen Warenhandels mit dem Aus­land schloß im Jahr 1926 auf der Ausfuhr- wie der Einsuhr­seite ziemlich gleichmäßig mit rund zehn Milliarden Reichs­mark ab. Die deutsche Handelsbilanz war also praktisch ausgeglichen. Das war aber nur ein besonderer Glücks­zufall, die Auswirkung des langwierigen englischen Kohlen st reiks von 1926. Während wir im Jahr 1925 Ms einer Steinkohleneinsuhr von 143 und einer Ausfuhr von 276 Millionen Reichsmark einen Ausfuhr-Ueberschuß an Steinkohlen von 133 Millionen Mark erzielten, brachte uns das Jahr 1926 bei 60 Millionen Einfuhr und nicht weniger als 620 Millionen Ausfuhr den außergewöhnlichen Ausfuhr-Ueberschuß von 560 Millionen Mark. Da der Kohlenstreik nicht nur die englische Kohlenausfuhr lähmte, sondern auch anderen Industrien Großbritanniens erhebliche Schwierigkeiten schuf, so profitierte unser Außenhandel auch noch auf sonstigen Gebieten von dieser Lage.

Natürlich war vorauszusehen, daß der englische Streik nicht ewig dauern werde. Schon m den ersten fünf Monaten 1927 stand im Warenhandel der Einfuhr von 5,5 Milliarden eine Ausfuhr von nur 4 Milliarden Reichsmark gegenüber. Unser Ausfuhrüberschuß an Steinkohlen ging von 49 Mill. Mark im Dezember 1926 Schritt für Schritt aus 32 Millionen im Mai 1927 zurück.

Da unsere Ausfuhr heute wesentlich kleiner ist als unsere Einfuhr, so reicht der Ausfuhrerlös nicht aus, um die Ein­fuhr zu bezahlen. Den Fehlbetrag, der bei unserer Rechnung verbleibt, müssen wir in anderer Weise decken. Für reiche Länder hält das nicht schwer. Amerika hat aus ÜLv Kapitalien, die es im Ausland unterbrachte, so enorme Zins- emnahmen, daß es sich allenfalls weit über seine Ausfuhr hinaus eine üppige Einfuhr gestatten könnte, ohne deshalb ärmer zu werden. Es würde den etwaigen Einfuhrüberschuß bequem aus seinen Zinsen bezahlen. Nicht ganz so günstig aber immerhin noch sehr vorteilhaft ist England darmr, als Bankier, Zwischenhändler und Spediteur der Welt ML gewiß nicht mehr so konkurrenzlos, doch nach wie vor nrN Zins- und Frachteinnahmen und Großhandelsgewiimen so gesegnet, daß es sich in bestimmten Grenzen sebr wohl eine passive Handelsbilanz zu erlauben vermag. Ganz anders steht es mit Deutschland. Wir haben nach der rücksichts­losen Wegnahme des deutschen Privateigentums im Welt­krieg gegenwärtig nur ganz unwesentliche deutsche Kapitaks- anlagen im Ausland, so daß die Zinseinnahmen daraus praktisch gar nicht in Betracht kommen. Unser internationaler Großhandel und unser internationales Frachtgeschäft bauen sich erst allmählich wieder auf, und ihre Gewinne sind zu­nächst nur ein Tropfen auf einen heißen Stein. Damit aber der Schwierigkeiten nicht genug! Wir haben ja nicht bloß den Einfuhrüberschuß unseres Außenhandels zu bezahlen, sondern daneben auch die Milliardenbeträge des Dawesplans und die Zins- und Tilgungs­raten all der Ausländsanleihen, die in den letzten Jahren nach Deutschland hereingeströmt sind. Wo kommt das Geld für all diese Zahlunaszwecke her? In der Haupt­sache erfüllen wir unsere Zahlungsverpflichtungen an das Ausland praktisch heute nur dadurch, daß wir immer sseue Auslandskredite aufnehmen. Wir bombten bse alten Schulden durch frischen Pump. Und die Wissen­schaft hat auch einen wunderschönen Nomen dafür:Geborgt aktive Zahlungsbilanz".

Die Gefahren dieses Systems sind offenkundig. Vor allem Aten sie bei den kurzfristigen Auslandskrediten hervor. Wenn uns das Ausland langfristige Anleihen für fest­bestimmte produktive Zwecke gewährt, so haben wir an sich wchts dagegen; wir wissen, daß das Geld in unseren Be­trieben zu unserem Vorteil arbeitet: rechtzeitig genug können wir uns auf die Rückzahlung einrichten. Ganz anders aber !» ^ den kurzfristigen Auslandsgeldern. Ihre Verwendung ist unkontrollierbar. Nur teilweise werden sie produktiv benutzt: in recht ansehnlichen Posten flössen sie jedoch, gerade in den letzten Monaten vor dem großen kffektenkrach, dem B.örsen spiel als Betriebskredit zu, "bd in ziemlich weitem Ausmaß dienen sie, auch heute noch, Mr Bezahlung einer Einfuhr von mehr oder weniger entbehrlichen Verbrauchsgütern, -mit bedenklicher noch als der vielfach zweifelhafte volks-

Der Fackelzug

Tübingen, 26. Juli. Den Abschluß des ersten Festtags des Universitätsjubiläums bildete der Fackelzug der Studentenschaft. Dazu hatte die Feuerwerkskörper­fabrik Wilh. Fischer AG. in Cleebronn einige tausend Fackeln sowie ein großartiges Feuerwerk gestiftet. Der riesige Zug nahm in der Nauklerstraße Aufstellung. Unter Vorantritt einer Musikkapelle zogen die Studenten, nach Verbindungen geordnet, um 9 Uhr am Universitätsgebäude, wo die Ehrengäste und die Professorenschast Aufstellung ge­nommen hatten, vorbei, zum Rathausplatz, der Neckarhalde entlang und durch die Platanenallee zur Festwiese hinter dem Uhlandsbad, wo nach gemeinsamem Gesang die Fackeln zusammengeworfen wurden. Tausende und abertausende Menschen erfreuten sich an dem wundervollen Schauspiel.

Besichtigungen

Auch dem heutigen zweiten Festtag des Universitätsjubi- läums war ein prachtvckles Wetter beschieden. Die Vor- mittagszüge brachten neue Menschenmassen, vor allem aus der Umgebung, nach Tübingen. Der Vormittag war aus- gesüllt durch eine Reihe von Sonder Veranstaltungen und Führungen, die teilweise nebeneinander herliefen, so daß sich die Festgäste mehr verteilten. Bon 9 Uhr ab waren die verschiedenen Universitätsinstitute zur Besichtigung freigege­ben. Die Besuche galten zunächst dem Studentenheim, der Universitätsbibliothek, dem Historischen Institut, verschiedenen weiteren Instituten der naturwissenschaftlichen und der medi­zinischen Fakultät, der neuen Kinderklinik, der Augenklinik und dem Institut für ärztliche Mission.

Um 9.30 Uhr fanden sich die Musikfreunde zu Hinein M u - sikalischen Morgenkonzert im großen Saal des Universitäts-Musikinstitutes zusammen. Die Leitung hatte Universitätsmusikdirektor Dr. Hasse. Besonderem Interesse begegneten die reitsportlichen Veranstaltungen mit Musik im Universitätsinstitut unter Leitung des Univer­sitäts-Stallmeisters, Major a. D. Ernst Fritz.

wirtschaftliche Effekt jener Auslandsgeldei ist die U n - gewißheit ihrer Rückzahlungstermine. Wie ein Damokles-Schwert schwebt über unserem Geldmärkte jederzeit die fatale Möglichkeit unerwarteten stärkeren Ab­rufs der Auslandski edite. Was wir heute in mühsamer Arbeit wirtschaftlich aufbauen, kann dadurch täglich ams neue gestört werden.

Es ist nicht leicht, bei diesem Sachverhalt bestimmte Maß­nahmen zu empfehlen. Das Eingreifen des Staats in die Wirtschaft würde keinen Nutzen stiften. Was der Staat tun kann, wäre, eine der Vernunft entsprechende Abände­rung des Dawesplans zu verfechten, außerdem der umsichtige Abschluß von Handelsverträgen.

Im übrigen aber zur wirklichen Besserung unserer Handels- und Zahlungsbilanz und zur Festigung unserer Stellung in der Weltwirtschaft: mehr freiwillige Disziplin des einzelnen! Ein Kohlenstreik in Eng­land oder ein anderer Zwischenfall irgendwo dort draußen nützt uns nur vorübergehend; auf die Dauer Hilst uns allein die von uns selbst bewiesene Tüchtigkeit und Besonnenheit. Mehr Sparsinn, um Auslandsgelder allmählich entbehrlich M machen, mehr Zielbewußtsein in der Ausfuhr, aber auch mehr Selbstbewußtsein in der Einfuhr! Hier kann auch der Konsument etwas fürs Wohlergehen der All­gemeinheit tun- Unser Verbrauch ausländischer Luxuswaren und Tenußmittel wächst gegenwärtig bedenklich an. Aus­ländische Weine, Früchte, Modewaren, Automobile über­schwemmen unseren Markt, um des fremden Namens willen vom Käufer bevorzugt, obwohl deutsches Erzeugnis genau so gut und wohlseil zu haben ist. Deutsche Winzer, deutsche Gärtner, deutsche Fabrikanten leiden schwer unter solcher Gedankenlosigkeit, die dem deutschen Arbeiter das Brot, dem deutschen Geldmarkt nicht unbeträchtliche Zahlungsmittel entzieht und unsere Zukunft törichter­weise mit Schulden belastet. Die Reichsregierung kann kaum etwas dagegen tun. Einfuhrsperren und Zoll­erhöhungen gegen entbehrliche Ausiandsware würden ihre Antwort in Gegenmaßregeln des Auslands finden, die den ohnehin schon engbegrenzten Exportmorkt unserer Produktion noch mehr einengen. Etwas anderes ist aber die Stellungnahme unserer Konsumenten, die niemand zum Verbrauch von Auslandswaren .zwingen kann, wenn sie deutschem Erzeugnis deutschen Weinen, deutschen Früch­ten, deutscher Mode, deutschen Kraftfahrzeugen den Vor­zug geben.

Abwälzung der Schullaften in Württemberg

Von zuständiger Seite wird mitgeteilt:

In letzter Zeit tauchen in der Presse und auf den Rat­häusern wieder die bekannten und schon häufig widerlegten Klagen auf über angeblich ungerechte Behandlung der Ge­meinden durch den Staat bei der Verteilung der Schullasten. Dabei können die Darstellungen teilweise sogar den Anschein erwecken, als hätte der Staat die ganzen Schullasten auf die Gemeinden abgewälzt. Es ist daher Anlaß gegeben, wieder einmal in dieser Beziehung die Wahrheit festzustellen:

Frühschoppen aus Hohen-Tübingen

Um 11 Uhr trafen sich die Ehrengäste, die Dozenten und vor allem die Studenten zu einem allgemeinen Festfrüh­schoppen auf Schloß Hohen-Tübingen. In Scharen zogen die Gäste zum Schloß hinaus, wo sich ein herrlicher Blick auf die Berge der Alb bot. Aus dem Schloß Hof hatten an aufgestellten Tischen die Studenten Platz genommen. In dem neben dem Hof gelegenen festlich hergerichteten Ritter­saal nahmen die Dozenten und die Ehrengäste Platz. An­wesend waren auch Staatspräsident Dr. Bazille und die Minister B o l z, Dr. V e y e r l e und Dr. Dehlinger, fer­ner Reichsminister a. D. Dr. Bell, Herzog Philipp Albrecht von Württemberg, Herzog Wilhelm von Urach, General der Inf. Reinhardt und Kirchen­präsident Dr. v. Merz. Von der Galerie aus sahen die Damen dem frohen Treiben zu. Unter dem schneidigen Kommando des 1. Asta-Vorsitzenden sind. Hipp nahm der Frühschoppen einen prachtvollen Verlaus. Mit besonderer Begeisterung wurde das LiedPreisend mit viel schönen Reden" gesungen. Bei der StropheEberhard der mit dem Barte. Württembergs gesiebter Herr", erhoben sich die Anwesenden spontan von ihren Plätzen. Professor Dr. Uhliq begrüßte die Gäste und die Studenten im Na­men des Rektors. Im Namen der Studentenschaft sprach der 2. Asta-Vorsitzende, sind. Magen au, der mit einem Hoch und dem Reiben eines Salamanders auf Tübingen und seine Bevölkerung schloß. Mit dem Truß- und Kampflied der Studenten,Burschen heraus", war der Frühschoppen gegen 1 Uhr zu Ende. ^

Bom Reichspräsidenten von Hindenburg und Mi­nister Dr. Stresemann sind Glückwünsche eingegangen.

Staatsminister a. D. Dr. v. Köhler ist von der Uni­versität Rostock anläßlich des hiesigen Jubiläums zum Dr. jur. h. c. ernannt worden.

Der Gesamtaufwand an Lehrerbezügen betrug nach dem Stand vom 1. April Steigerung um

1914 (Mark) 1926 (Reichsmark)

25 078 200 42 180 200 68 v. H.

Hievon Anteil des Skaaks

8 246 700 18 793 100 128 v. H

Anteil der Gemeinden

16 831 500 23 387 100 39 v. H.

Zu der angegebenen Staatsleistung mit 18 793100 RM- kommt noch hinzu und am Gemeindeanteil von 23 387 100 Reichsmark gehtnochab ein Betrag von 2 000 000 RM., die der Staat anläßlich der Aenderung der Schullastenver­teilung seit 1925 für Beiträge an bedürftige Ge­meinden zur Besoldung der Lehrkräfte ausgeworfen hak. Auch die Höhe der Ruhegehalts, Sterbenach- gehalts und Pensionen ist erheblich gestiegen, näm­lich auf die genannten Stichtage berechnet allein bei den Volksschulen von rund 2 000 000 Mk. auf rund 5 430 000 Reichsmark: diese Leistungen trägt der Staat allein.

Es muß immer wieder darauf hingewiesen werden, daß bei den Angriffen auf die Regierung in dieser Sache die Steigerung der Lehrerbezüge seit 1924 völlig außer Acht gelassen wird. Davon rührt aber in vielen Ge­meinden die Ausqabeerhöhung her, nicht von der .Abwäl­zung der Schullasten auf die Gemeinden'. Dieser Umstand ist bei einem Vergleich der früheren mit den jetzigen Ge- meindcleisiungen zuerst zu berücksichtigen. Denn mit der Schullastenneuregelung von 1925 hat diese Steigerung nichts zu tun.

Das Urteil im Stuttgarter Kommunisten-Prozeß

Stuttgart, 26. Juli. Nach 28 Vsrhandlungstagen ist gestern der Kommunistenprozeß vor dem Reichsgericht zum Abschluß gelangt. Die Samstag- und die Montagoer­handlungen waren noch ganz mit den Reden der Rechts­anwälte ausgesüllt.

Abends gegen 10 Uhr wurde das Urteil durch den Senatspräsidenten des Reichsgerichtes Niedner verkün­det. Das Verfahren gegen die Angeklagten Lämmle, Ruoff, Frey, Hepperle und Kuhnle wird eingestellt. Verurteilt werden: die Angeklagten Baikhardtzu8 Jahren Zuchthaus und 800 Mark Geldstrafe, Braune zu 2 Jahren 6 Monate Zucht­haus, worauf auf Grund des Urteils der 5. Strafkammer des Landgerichts vom 5. März die verhängten 10 Monate Gefängnis angerechnet werden und die Strafe in 204 Tage Zuchthaus und 250 Mark Geldstrafe zusammengezogen wird, Stegmaier zu 6 Jahren 6 Monate Zuchthaus und 650 Mark Geldstrafe, Groß zu 6 Jahren Zuchthaus und 600 Mark Geldstrafe, Staußzu 3 Jahren Zuchthaus und 300 Mark Geldstrafe, Gockel er zu 13 Jahren Zuchthaus und 1000 Mark Geldstrase und Daniel zu 2 Jahren 6 Monaten Zuchthaus und 300 Mark Geldstrafe. Die Un­tersuchungshaft wird bei allen Angeklagten angerech­net, wobei Baikhardt 1 Jahr, Braune und Stegmaier je