Stile 2 — Nr. 1S4
Ragolder Lagbtatl ,^)er Geseüschaster"
I u st i z p a l a st konnte jetzt gesäubert werden, aber es war zu spät; das mächtige Barock-Gebäude ist vollständig ausgebrannt. Auch das Schriftleitungsgebüude der christlich-sozialen Zeitung „Reichspost" soll ausgebrannt, die Häuser der großdeutschen „Wiener Neuesten Nachrichten" und der „Deutschösterreichischen Tageszeitung" durch Feuer schwer beschädigt sein.
Abends 7 Uhr marschierte vor dem Parlamentsgebäude ei« Bataillon Infanterie, dessen Eingreifen von Dr. Seitz verboten worden war, mit Maschinengewehren auf. Bis zum Abend gelang es der Polizei, 'die Hauptmassen der Aufrührer in die Vorstädte zurückzudrängen. Die Erbitterung war auf beiden Seiten sehr groß. Nach einer Prager Meldung war die Haltung des Republikanischen Schutzbunds zweifelhaft; einzelne Abteilungen sollen hinter dem Rücken der Polizei manövriert und sie an ihrer Tätigkeit gehindert haben. Bis jetzt wird die Zahl derToten auf 70 bis 80, die derBer - mundeten auf 200 angegeben.
Nachmittags wurde ein mehrstündiger Minist ? r r a t abgehalten; der Ministerrat erklärte sich „in Permanenz" d. h. er gilt als vorläufig dauernd einberufen. In der Sitzung erstattete Polizeipräsident Schober Bericht. A schließend fand eine Aussprache zwischen Bundeskanzler Dr. Seipel und den soz. Abg. Bürgermeister Dr. Seitz und Bauer statt. Der sozialdemokratische Klub hielt eine Beratung im Parlamentsgebäude unter Zuziehung der Gewerkschaftsvertreter; auch der Vorstand der Sozialdemokratischen Partei erklärte sich in Permanenz. Er hat, wie verlautet, den Generalstreik beschlossen und den Bundeskanzler Seipel zum Rücktritt aufgefordert und den Rücktritt des Polizeipräsidenten verlangt, weil er entgegen dem Schießverbot des Bürgermeisters Seitz schließlich doch habe schießen lassen. (Der Polizeipräsident von Wien untersteht zurzeit dem Bürgermeister, da Seitz zugleich Landeshauptmann des Bundesstaats Wien ist.) Am Generalstreik beteiligten sich sofort die Straßenbahner und die Angestellten des Post- und T e l e g r a p he n d i e n st e s. Auch der Eisenbahnbetrieb ist nach einer Münchner Meldung stillgelegt.
In den übrigen Bundesländern Oesterreichs war es bis Freitag abend ruhig. Die Verbindung mit Wien ist aber nunmehr vollständig unterbrochen. Am Samstag früh wurde in den Bundesländern die Ausrufung des Generalstreiks bekannt. Der Landeshaupkinann von Tirol, Dr. Stumpf, der sich im Urlaub in Wien aufhielt und am Freitag nachmittag nach Innsbruck zurückoe- kehrt war, erklärte, die Landesregierung werde alle Machtmittel anwenden, um 'den Aufruhr, der für Tirol wegen des Eingreifens Italiens sehr verderblich werden könnte, fernzuhalten. Es sei überhaupt nicht anzunehmen. Laß die übrigen Bundesländer Folge leisten würden, wenn n> Wien die sozialistische Republik ausgerufen würde. Indessen wurde auch in Tirol auf Betreiben der Ge- w«rkschaften der Eisenbahnverkehr eingestellt. Militär, Gendarmerie und Polizei sind in Bereitschaft. Dis Führer der Tiroler Heimatwehr sind zu einer Besprechung einberufen. Der Führer des Republikanischen Schutzbunds wurde von der Landesrso erung aufgefordert, aus d>e Bundesmitglieder beruhigend einzuwirken.
Di« österreichische Gesandtschaft in Berlin erhielt die amtliche Bestätigung, daß der Generalstreik ausgerufen und jeder Verkehr eingestellt fei. Der Skeik dürfte jedoch nur 24 Stunden dauern. Von den Zeitungen ist nur die sozialdemokratische „Arbeiterzeitung" als „Mitteilungsblatt der Sozialdemokratie Deutsch-Oesterreichs" erschienen. Di« Zahl der Toten dürfte in den Berichten übertrieben sein. Starke Arbeitertrupps ziehen durch die Straßen, doch scheint es zu keinen weiteren ernsten Zusammenstößen mehr gekommen zu sein.
Die österreichisch-bayerische Grenze ist von österreichischen Bundestruppen besetzt. Ein von Passau nach Linz fahrender Donaudampfer wurde in Engelhardtszell angehalten und durfte nicht weiterfahren. Der Eisenbahnverkehr Garmisch- Partenkirchen nach Innsbruck ist nur bis Reutte möglich. Die Zugspitzbergbahn ist noch im Betrieb.
Die ausländischen Gesandten in Wien haben mit Dr. Seipel die Lage besprochen.
Befriedigung in Moskau
Riga, 17. Juli. Aus Moskau wird gemeldet, der Bolschewismus sei über die Borgänge in Wien sehr befriedigt. Ae Kommunistische Internationale (Komintern) habe einen
Ausruf zur Unterstützung des Kampfs gegen die bürgerlichen Klassen in Wien erlassen. Der Vollzugsausschuß werde Geldmittel zur Verfügung stellen.
Neuestes vom Tage
Die Reichseinnahmea im Juni Berlin, 16. Juli. Wie üblich, so weist auch das Gesamtergebnis der Reichseinnahmen für den Monat Juni 1927, des dritten Ouaital-Monats, gegenüber dem Vormonat einen Rückgang auf. Insgesamt sind nämlich nur 553,9 Mill. gegenüber 622,8 Mill. im Vormonat vereinnahmt worden. Im einzelnen brachte die Einkommensteuer 167,6, gegen 176,5 Mill. im Mai 1927, die Körperschaftssteuer 7,7 Mill. gegen
11.9, die Vermögenssteuer 19.7 gegen 75,3, die Erbschaftssteuer 5,1 gegen 6,3, die Umsatzsteuer 22,5 gegen 32,7, die Kapitalvei kehrssteuer 19,5 gegen 19, die Kraftfahrzeugsteuer 18,9 gegen 14,1, die Wechselsteuer 3,7 gegen 3,7 und die Beförderungssteuer 28,9 gegen 27,6. Das Ergebnis an
Zöllen stellt sich auf 104,2 gegen 97,4. Die Tabaksteuer erbrachte 58,7 gegen 61,5 Mill., die Zuckersteuer 23,9 gegen
23.9, die Biersteuer 26,5 gegen 28,5. Die Einnahmen aus dem Spiritus-Monopol betrugen 21,9 gegen 23,3 Mill. -K.
Sonderbeihilfen für die Rentner Berlin, 16. Juli. Halbamtlich wird mitgeteilt: Der Reichstag hat im Haushalt des Reichsarbeitsministeriums für 1927 für die Kleinrentnerfürsorge einen Betrag von 25 Millionen Reichsmark zur Verfügung gestellt. Durch das bedauerliche, zum Teil allerdings auf Anregung von Rentneroertretungen selbst zurückzuführende Verhalten einer größeren Anzahl von Bezirksfürsorgeverbänden sind die Kleinrentner bisher nicht in den Genuß dieser Beihilfen gekommen. Um eine weitere Verzögerung zu vermeiden, haben das Reichsarbeitsministerium und das Reichsinnenministerium jetzt über dieVerwendungder Mittel neue Bestimmungen getroffen. Danach erhalten Kleinrentner, die bereits am 1. April 1922 in Fürsorge standen, eine einmalige Unterstützung i6 Höhe der für den Monat Juli 1927 geltenden Kleinrentnerunterstützung, mindestens jedoch für alleinstehende 30 RM., für Ebepaare Zg RM., für zuschlagsberechtigte Kinder je 10 RM.
Das Vermögen der nichlfaszisiischen Parteien Mailand. 17. Juli. Iltalienische Zeitungen melden, daß das Vermögen der 1926 zwangsweise aufgelösten nicht- faszistischen Parteien nicht, wie ursprünglich angeordnet, den gemeinnützigen Gesellschaften überwiesen, sondern unmittelbar in Staatsbesitz übergeleitet wird.
Das Ende des Feldzugs in Spamsch-Marokko Madrid, 17. Juli. General Sanjurjo hat den spanischen Truppen in Marokko Dank und Anerkennung ausgesprochen für ihre Leistungen während des entscheidenden Abschnitts des Feldzugs, der im Mai vorigen Jahrs begann. Dem Feind wurden 42 000 Gewehre, 130 Geschütze, 240 Maschinengewehre abgenommen. Die Rekruten des Jahrgangs werden noch in diesem Monat in die Heimat entlassen.
Vritifch-abessinischer Zwischenfall London, 16. Juli. Dem diplomatischen Mitarbeiter des „Daily Telegraph" zufolge hat die britische Regierung einen scharfen Einspruch bei der abessinischen Regierung wegen eines im letzten Monat in Abessinien auf eine britische Kamelkarawane verübten Angriffs eingelegt, bei dem 12 britische Somalis getötet wurden.
Württemberg
Stuttgart. 17. Juli.
Rücktritt vom Amt. Der Rechtsrat der Handwerkskammer, Dr. phil. Felix Gerhardt, ist krankheitshalber vom Amt zurückgetreten.
Die Stadt Stuttgart und die Kohlenfcldersrage. In den letzten Tagen waren Vertreter der Stadt Stuttgart im rheinisch-westfälischen Industriegebiet anwesend, um die durch die Städte Frankfurt a. M. und Köln gekauften Kohlenfelder bei Rheinberg zu besichtigen. Die Erkundigungen, die die Herren im Ruhrgebiet einzogen, veranlaßten sie zu
Montag, 18. Juli 1927
der in privatem Kreis geäußerten Erklärung, daß sie der Stadt Stuttgart den Beitritt zu dem Unternehmen nicht empfehlen könnten.
Dreifache Familienhochzeit. Ein seltenes Fest feierte die Familie Julius Schwab zum „Zavelstein"; zugleich mit ihrer Tochter Elise feierten die Eltern die silberne, die Groß- eltern die goldene Hochzeit. Die Einsegnung der drei Jubelpaare fand in der Gedächtniskirche statt.
Aommunistenprozeß. Die Freitagsverhandlung im Kommunistenprozeß war mit der Verlesung schriftlichen Beweismaterials ausgefüllt, namentlich des Urteils im Tscheka- Nroreß. Die Tscheka-Gruppe hatte seinerzeit die Absicht, den Innenminister Bolz zu ermorden.
kommunistische Versammlungen. Die Kommunistisch« Partei veranstaltete gestern abend drei stark besuchte Versammlungen, in denen gegen das zurzeit hier tagende Reichsgericht und die „Klassenjustiz" Stellung genommen wurde.
Dom Tage. Gestern sah man einen riesigen Kraftwagen durch die Straßen Stuttgarts fahren. Es war ein Reklamc- wagen der russischen Zigarettenfarik Bostanjoglo in Hamburg, in dem ein Vertreter der Firma durch Deutschland und die Schweiz fährt, um Kunden zu werben. Der Wagen ist als Büro, Schlafraum und Küche zugleich eingerichtet.
Ludwigsburg, 17. Juli. 7 0. Geburtstag. Der Seniorchef der Weltfirma Heinrich Franck Söhne G. m. b. H., Geheimer Kommerzienrat Dr. Robert Franck, feierte gestern den 70. Geburtstag. Ein schweres Leiden, das ihn längere Zeit ans Lager fesselte, hat er glücklich überwunden, so daß er den 70. Geburtstag in voller Gesundheit begehen konnte.
Vier Arbeiter der Firma Heinrich Franck Söhne G. m. b. H. haben für mehr als 50 Jahre Dienstzeit ein Glückwunsch- und Anerkennungsschreiben des Reichspräsidenten erhalten. Außerdem sind in der Firma 22 Arbeiter bezw. Arbeiterinnen mit mehr als 40 Dienstjahren. Die Firma hat die Jubilar« durch Ehrengeschenke ausgezeichnet.
Seeburg, 16. Juli. Motorradunfall. An der Steige beim Fußweg n.ach Rietherm, in der bekannten gefährlichen Kurve verlor ein auswärtiger Kraftfahrer durch die schmierigen Wegverhältnisse die Herrschaft über sein Fahrzeug und stürzte . Bewußtlos wurde er von zwei des Wegs kommenden Passanten aufgefunden, die seine Ueber- führung ins Krankenhaus nach Urach anordneten.
Reutlingen, 17. Juli. Blitzschläge. Ein schweres Gewitter ging über unsere Stadt. Einer der Feuerstrahlen nahm seinen Weg am Turm der Marienkirche entlang. Beim Einschlag auf der Kirchturnlspitze beschädigte er die Flügel der den Turm bekrönenden Engelsfigur und schlug einen Teil der darunter sitzenden steinernen Kreuzblume ab. Auf dem Friedhof ist ein Kugelblitz beobachtet worden, der ohne weitere Spuren zu hinterlassen, mit dumpfem Knall zerplatzte.
Tübingen, 17. Juli. 7 5. Geburtstag Adolf Schlatters. Gestern beging der bekannte Altmeister der theologischen Wissenschaft, O. Adolf Schlatter, seinen 7 . Geburtstag. Dis evangelisch-theologische Fachschaft hat gemeinsam mit der Fakultät ihm in der festlich geschmückten Aula der Universität eine stark besuchte, schöne Feier bereitet. — Adolf Schlotter, ein Sproß der St. Galler Familie, die im religiösen Leben des deutschen Sprachgebiets seit mehr als einem Jahrhundert bekannt ist, war theologischer Lehrer in Bern, Greifswald und Berlin, ehe er i. I. 1898 nach Tübingen berufen wurde. Er ist einer der originellsten christlichen Denker und fruchtbarsten theologischen Lehrer der Gegenwart. Seine Forfcherarbeit galt dem Neuen Testament, dem Spätjudentum, der christlichen Dogmatik und Ethik. Weit über die theologischen Kreise hinaus bekannt sind seine schlichten, tiefgründigen Erklärungen zum Neuen Testament.
Tübingen, 17. Juli. Unioersitätswappen. Au ihrem Jubiläum erhält die Universität von der Regierung eine Fahne und ein Wappen. Die erstere ist blaugelb, das letztere ist in vier Felder aufgeteilt, in denen oben links und unten rechts die schwarzen Hirschstangen als Erinnerung an den Gründer der Universität, Graf Eberhard im Bart, rechts oben und links unten die Stadtfahnen auf gelbem Grund sich gegenüberstehen. In der Mitte des Wappens ist ein blauer Herzschild mit zwei gekreuzten Szeptern, den Symbolen der Universität. Das Wappen soll als Gösch auch auf die Fahne kommen.
Das Schwert von Thule.
Roman von Leontine von Winterseld-Plaieu.
Copyright by Greiner k Comp.. Berlin W 30.
(Nachdruck verboten.)
D. Fortsetzung.
Denn Heilwig hatte keine Zeit sich zu wundern. Ihre Seele ist ja nichi hier. Ihre Seele ist droben am Nordmeer in der alten Heimat. Sie sitzt zu Füßen des greisen Ahnen und lauscht seinen Reden. Was sagt er doch? „Worthalten ist nötiger, als Atemholen, Heilwig. Das ist uralter Nordmänner Brauch. Und ob auch das Herz zugrunde geht dabei. Wenn es nur rein bleibt und treu/'
Heilwig preßte mit der einen Hand das Tuch fester um die Schultern. Mit der andern fährt sie sich über die Stirn, zwei, drei Mal- Wie war es doch nur alles gewesen diese Nacht und heute morgen? Ach ja, nun kommt ihr alles wieder in die Erinnerung zurück. Sie hatte die gpnze Nacht gewacht bei der kranken Elisabeth. Und am frühen Morgen, als sie den ersten Schritt der Natsherrin auf der Diele börte, war sie zu ihr gegangen und hatte sie gebeten, sie noch einmal zu sprechen.
,Zhr habt mir damals gesagt, Frau Muhme, oaß Elisabeth ihren Liebsten freien kann, wenn ich Fridolin LLmmerzahl eheliche. Sagt Ihr dasselbe noch lnute?"
Die Ratsherrin hatte sie erstaunt angesehen.
„Freilich, Kind. Das jage ich noch heute. Tenn dann kommt unser Eidam nimmer mit leeren Händen."
Blaß und stolz hatte Heilwig vor ihr gestanden.
„Schwört mir das, Frau Muhme."
Es war fall etwas Herrisches, Hartes in ihrem Ton.
Uno die Ratsherrin hatte es ihr geschworen bei der heftigen Katrinc, ihrer Schutzpatronin.
„Dann geht eilends hinauf in Elisabeths Kammer, Frau Muhme, und kündet es Eurem Kind. Aber nimmer,
bei Gott, weshalb und warum das alles so kam jetzt. Nur - das Eine, daß sie ihn freien darf." !
Da hatte die Muhme sie blinzelnd und fast scheu au- gesehen. .
„So willst du denn meinen Neffen zum Gatten nehmen?"
Und Heilwig hatte an ihr vorübergesehen und tonlos gesagt: „Das will ich."
Dann war sie hinter der Ratsherrin her die Treppe hinaufgestiegen. Und während diese hinemging in die Kammer zu ihrer Tochter, war Heilwig stehen geblieben hinter der Tür und hatte durch den Spalt gesehen. Well sie Elisabeths Antlitz sehen mußte bei den Worten der Muhme.
Wie ein Wachsbild, so hatte Elisabeth im Bett gelegen. Als die Muhme eintrat, war sie erschrocken zusammengefahren. Dann hatte sie sich aufgerichtet in jäher, plötzlicher Erwartung. Denn sie mußte an Heilwigs Worte denken diese Nacht.
Und die Ratsherrin hatte feierlich die Hände gefaltet über dem runden Leib und hatte salbungsvoll gesagt:
„Mein Kind, wir find nun übereingekommen, daß wir dir deinen heißen Wunsch erfüllen und du den Magister Lämmerzahl ehelichen darfst. Und wir hoffen, daß du nun bald wieder frisch und gesund wirst."
Elisabeth hatte nichts gesagt. Aber ein Ausdruck war über ihr Antlitz gegangen, den Heilwig nicht vergessen wird, und ob sie noch so alt würde.
Und Heilwig weiß, da§ nun ihr Schicksal besiegelt ist. Sie hat es selbst so gewollt. Nun braucht auch Beit nicht mehr aus dem Baterhause zu gehen. Denn nun geht ja sie.
Die Ratsherrin ist so freundlich zu ihr wie noch nie.
Den ganzen Tag redet sie von Hochzett. Ja, eine Doppelhochzeit plant sie sogar. Und zwar sehr bald. Tenn worauf soll man noch warten? Geduldig hat Heilwig allem zugehört. Bis sie nicht mehr konnte. Bis sie sich
^ nach Tisch fortgeschlichen hat in dem Sturm und Regen — ! fort — nur fort.
' Die See muß sie sehen, und den Wind fühlen um > ihre brennende Stirn.
Und hier draußen im brüllenden Wettersturm kommt eine große Ruhe über sie. Fast eine Starrheit.
Es hat wohl alles so kommen müssen. Nun will sie auch hart und stark sein, wie die vom Nordland es sind. Nun will sie ihre beiden kühlen Hände um ihr Herz legen, daß niemand mehr hineinsehen darf. Nun will sie mit zusammeugebissenen Lippen den Weg gehen, den sie sich selber gewählt. Und lächeln will sie, damit Elisabeth nichts merkt. Damit wenigstens eine glücklich ist — restlos glücklich.
Jetzt steht sie still am Strande und sieht noch einmal hinaus auf die weite, graue See. Auf die weißen Möwen, die so selig und frei durch den Sturm schießen. O. wer so frei und selig sein könnte wie die Sturmvögel da oben! Sie preß: die Hände an die hämmernden Schläfen. 'Nur nicht denken mehr — o Gott! Nur nicht denken!
Und dann wendet sie sich langsam zurück. Denn es wird dunkel und sie muß heim.
Heim? Es irrt wie ein wehes, verlorenes Lachen um ihre Lippen.
Ihre Heimat ist ja hier draußen beim Meer und Herbststurm. Als sic eben im Boot sitzt und die Ruder nehmen will, taucht aus dem Dunkel der Fremde auf mit dem zerbeulten Helm. Sein Antlitz ist finster.
„Laßt mich mitfahren, Frau, in eurem Kahn. Es ist noch weit bis Rostock."
Heilwig kennt keine Furcht und sagt ruhig:
„So stÄgt ein, ich muß fort jetzt."
Da springt er in das wild schwankende Boot und sie hört wie sein Schwert in der Scheide klirrt bei der iahen Bewegung.
(Fortsetzung folgt.) ^