CALWER ZEITUNG
HEIMATBLATT EUR STADT UND LAND
Verlagsort Calw
FREITAG, 25. JUNI 1954
AMTSBLATT FÜR DEN KREIS CALW
Gegründet 1826 / Nr. 144
EVG-Rettung wird versucht
Initiative der drei Beneiux-Staaten / Adenauer: „Willst Du oder willst Du nicht?“
Von unserer Bonner Redaktion
BONN. Die Außenminister Belgiens, der Niederlande und Luxemburgs haben die Außenminister der Bundesrepublik, Frankreichs und Italiens Offiziell zu einer Konferenz nach Brüssel eingeladen. Die Bundesregierung hat diese Einladung bereits angenommen. Die Konferenz, auf der die nächsten Schritte für die Verwirklichung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft besprochen werden, soll schon in der kommenden Woche stattfinden. Als voraussichtliches Datum wird der 30. Juni genannt.
Bundeskanzler Dr. Adenauer erklärte, er begrüße das Zustandekommen dieser Konferenz, bei der es nicht um Alternativlösungen gehe, sondern um den EVG-Vertrag und dabei um die Frage: „Willst du oder willst du nicht?“. In Regierungskreisen wurde am Donnerstag betont, zusammen mit der Erklärung des französischen Ministerpräsidenten, daß er noch vor den Sommerferien des Parlaments die Entscheidung über den EVG-Vertrag herbeiführen wolle, sei die Initiative der Beneiux-Staaten ein Ausdruck der allgemeinen Überzeugung, daß «ine positive baldige Entscheidung über den EVG-Vertrag notwendig und möglich sei.
Wie wir erfahren, haben sich die Regierungen der Beneiux-Staaten bei Ihrer Initiative nicht auf den Artikel 132 des EVG-Vertrages bezogen — nach dem die Staaten, die ihre Ratifikationsurkunden hinterlegt haben, »Ich im Falle des Ausbleibens der Ent- »cheidungen der anderen Unterzeich-
Bei der Vorstellung seines Kabinetts hat der französische Ministerpräsident Mendes-France in der Nationalver- »ammlung einen klaren Abstimmungserfolg errungen.
Die Tendenz zur Schaffung einer einzigen unabhängigen Partei in der französischen Nationalversammlung wurde durch den Zusammenschluß von 198 Abgeordneten und Senatoren gestärkt, die den drei Gruppen der Unabhängigen, der unabhängigen Bauern sowie der exgaullistischen ARS entstammen.
nerstaaten über die zu treffenden Maßnahmen verständigen sollen —, sondern sie haben ihre Einladung unabhängig von den Bestimmungen des Artikels 132 formuliert. Diese Tatsache wird in Kreisen der diplomatischen Missionen der einladenden Regierungen als ein Ausdruck des Willens bezeichnet, auf der Brüsseler
Konferenz alle Fragen der Zusammenarbeit der sechs Unterzeichnerstaaten des EVG-Vertrages zu erörtern.
Ohne Mendes-France
PARIS. Der französische Ministerpräsident und Außenminister Mendts-France wird an der Ministerkonferenz der Länder der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft, die in der kommenden Woche in Brüssel stattfinden soll, nicht teilnehmen. Das französische Außenministerium teilte am Donnerstagabend mit, daß Mendes-France seine ganze Arbeitskraft der Lösung des indochinesischen Problems widmen müsse.
Auch Dulles spricht von Souveränität
Falls EVG nicht durchkommt / „Ganz der Ansicht des Kanzlers”
WASHINGTON. Der amerikanische Außenminister Dulles hat erklärt, wenn der Europäische Verteidigungsvertrag nicht bald ratifiziert werde, könne es notwendig werden, zu erwägen, wie der Bundesrepublik die Souveränität gewährt werden könne.
Die Äußerung wurde vom Außenministerium nach einer Unterredung des Chefs der deutschen diplomatischen Mission, Botschafter Kreke- ler, mit Dulles veröffentlicht. Kre- keler wies Dulles nach »Mitteilung eines amerikanischen Sprechers auf die Rede hin, die der Bundeskanzler in Düsseldorf gehalten hatte. Adenauer hatte darin erklärt, daß das deutsche Volk nicht unbegrenzt auf die Rückgabe seiner Souveränität warten könne.
Dulles erwiderte Krekeler nach Angabe des State Department: „Die von Bundeskanzler Adenauer vertretene Ansicht wird völlig von der Regierung der Vereinigten Staaten geteilt. Die Regierung der Vereinig
ten Staaten glaubt, daß gute Aussich-, ten auf eine baldige Beendigung der Ratifizierung des EVG-Vertrages besteht. Wenn sich diese Hoffnungen und Erwartungen jedoch nicht erfüllen sollten, würde es nach Ansicht des amerikanischen Außenministers notwendig werden, die Wiederherstellung der Souveränität der westdeutschen Republik unverzüglich zu erwägen.“
Die einzige Alternative . . -
LONDON. In einer zweiten Rede während der außenpolitischen Debatte im britischen Unterhaus erklärte Außenminister Eden, die einzige anwendbare Alternative zur EVG sei „Deutschland in der NATO“. Mit großem Ernst wandte er sich an Frankreich und sagte: „Ich möchte unseren französischen Freunden mit ihren klaren, logischen Köpfen sagen: Seht Euch die Alternative an, bevor ihr endgültig erklärt, ihr wolltet diese Sache nicht.“
West-Abrüstungsplan gefällt den Sowjets nicht
Moskau verlangt absolutes Atom waffen-Verbot und sträubt sich gegen Kontrolle
LONDON. Die Sowjetunion hat in den ergebnislos abgebrochenen Londoner Abrüstungsbesprechuhgen einen neuen britisch-französischen Plan abgelehnt, der eine stufenweise Verringerung der herkömmlichen Waffen und Streitkräfte und schließlich ein Verbot von Atomwaffen bei gleichzeitiger Überwachung durch ein Kontrollorgan vorsieht. In westlichen diplomatischen Kreisen war dieser Plan als ein wesentlicher Fortschritt in den neunjährigen Abrüstungsbemühungen nach dem Kriege begrüßt ■worden.
Aus dem am Donnerstag veröffentlichten amtlichen Bericht über die Londoner Geheimkonferenz geht hervor, daß die Sowjetunion erneut ein bedingungsloses Verbot aller Atomwaffen forderte. Sie stimmte zwar einer internationalen Kontrolle zu, bestand aber ausdrücklich darauf, daß das Kontrollorgan keine Rechte zur Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Staaten erhalten solle. Diese Haltung hat die westliche Seite in der Auffassung' bestärkt, daß sich die Sowjetunion einer wirksamen Kontrolle von Abrüstungs
Maier greift den Kanzler scharf an
Vorwurf: Geheimdienst und Ehrabschneiderei Von unserer Bonner Redaktion
BONN. Der frühere baden-württembergische Ministerpräsident Reinhold Maier richtete am Donnerstag scharfe Angriffe gegen Bundeskanzler Dr. Adenauer. Er warf dem Bundeskanzler vor, von Agenten des Verfassungsschutzamtes .erstellte und unkontrollierte Meldungen gegen mißliebige Bundestagsabgeordnete zu verwenden.
Der Bundeskanzler, erklärte Maier »uf einer FDP-Versammlung, scheue sich nicht, Meldungen solcher Art in Umlauf zu setzen, selbst wenn die entsprechende Mitteilung vom Ver- fiassungsschutzamt als unbestätigt bezeichnet wird. Als Mitglied des Bundestagsausschusses zum Schutze der Verfassung werde er. Reinhold Maier, gegen diese Praxis Vorgehen. Das Bundeskanzleramt handele nach dem bewußten Grundsatz: „Gib mir ein Wort Deines Feindes und ich will ihn vernichten“.
Bereits Anfang Juni hatte sich Reinhoid Maier in einem Brief an Dr Adenauer gegen die Behauptung gewandt, nach der Maier mit dem
bayerischen Politiker Etzel (von Heinemanns Gesamtdeutscher Volkspartei) Verbindung und die Initiative Pfleiderers hinsichtlich des Ostkontaktes bestimmt haben sollte. Diese Erklärungen seien unwahr, stellte Maier in seinem Schreiben fest. Der Gefahr, daß die Verfassungsschutzämter den Charakter eines Geheimdienstes der Bundesregierung erlangen, arbeite der Bundeskanzler nicht entgegen. Schließlich müsse er dem Bundeskanzler vorwerfen, Unwahrheiten trotz Prüfungsmöglichkeiten ungeprüft weitergetragen zu haben.
In Führungskreisen der CDU/CSU wurde zu den Beschuldigungen Maiers erklärt, sie gingen von falschen Voraussetzungen aus. Der Bundeskanzler habe die ihm unterstellten Äußerungen nicht in dem behaupteten Sinne getan. Es sei zu erwarten, daß die Angelegenheit Gegenstand eines Gespräches zwischen FDP und CDU bzw zwischen dem Bundeskanzler und Dr. Dehler oder Dr. Maier sein würde.
maßnahmen auf ihrem Gebiet oder dem anderer Ostblockstaaten entziehen will.
Der Bericht über die Londoner Konferenz enthält keinen Hinweis auf Meinungsverschiedenheiten zwischen den westlichen Teilnehmerstaaten (Großbritannien, USA, Frankreich und Kanada) einerseits und der Sowjetunion auf der anderen Seite, sondern beschränkt sich auf Wiedergabe der von den einzelnen Delegationen gemachten Vorschläge.
Tschu En-lai abgeflogen
GENF. Der chinesische Ministerpräsident und Außenminister Tschu En-lai ist am Donnerstagmorgen von Genf zu seinem mehrtägigen Besuch bei dem indischen Ministerpräsidenten Nehru abgeflogen.
Vor seinem Abflug deutete Tschu an, daß er noch einmal nach Genf zurückkehren werde. Er betonte, die Genfer Konferenz sei noch nicht beendet.
Den WeUmelsterschaftsiitel und den Goldpokal des Internationalen Reiterverbandes holte sich in Madrid der erfolgreiche deutsche Springreiter H. G. Winkler. Winkler wurde nach seinem großen Erfolg von Franco empfangen und beglückwünscht. V. I. n. r.: General Franco, seine Gattin Dona Carmen, Prinzessin Augusta von Bayern, die Gattin des deutschen Botschafters in Spanien, und H. G. Winkler. Bild: Keystone
iinmmimiiii'
Bemerkungen zum Tage
Verkehrte Verkehrspolitik
lh. Der Bundestag wird sich demnächst mit den Regierungsvorlagen für die neuen Verkehrsgesetze befassen, die der Bundesbahn auf Kosten des Lastkraftwagengewerbes auf die Beine helfen sollen. Man kann nur hoffen, daß die Abgeordneten eine andere Auffassung von freier Marktwirtschaft haben als das Bundesverkehrsministerium. Andernfalls würden wir nämlich in einen Dirigismus in der Wirtschaft hineingeraten, der je nach Gutdünken der Ministerialbürokratie mal da und mal dort sich austoben könnte. Es widerspricht jeder Logik, die freie Marktwirtschaft bis zum Umfallen zu exerzieren und zu propagieren und im gleichen Atemzug den freien Wettbewerb zwischen dem staatlichen Bundesbahnbetrieb und dem privaten Kraftverkehrsgewerbe mir nichts dir nichts zu unterbinden. Weil durch den technischen Fortschritt und durch innerbetriebliche Unterlassungssünden der eine Wettbewerber an Krücken geht, soll dem anderen der Kragen herumgedreht werden.
Dieser geplante Angriff auf die freie Wirtschaft wird mit schönen aber geistlosen Redensarten verbrämt: die Lastkraftwagen runinieren die Straßen; sie sind am Anstieg der Verkehrsunfallkurve schuld. Dag eine Argument ist so falsch wie das andere. Die dem Kraftverkehr auferlegten Sonderabgaben sind in diesem Jahr mit 1,6 Milliarden veranschlagt, die Ausgaben für den Straßenbau jedoch nur mit 1,1 Milliarden, obwohl die Straßen auch noch von anderen Verkehrsteilnehmern benützt werden. Wir stehen also nicht vor einer Krise des Straßenverkehrs, sondern vor einer Krise des Straßenbaus, der nicht mit der Zeit Schritt gehalten hat. Und was die Verkehrsunfälle betrifft, mit denen man operiert, so wäre es doch am einfachsten, den Verkehr auf den Straßen zu verbieten. Dann gäbe es auch keine Unfälle mehr! Wo gehobelt wird, da fallen Späne, wo gefahren wird, lassen sich Unfälle nicht vermeiden, gleich gar nicht auf zu schmalen und auf schlechten Straßen. Es scheint, als sei das Bundesverkehrsministerium in der Wahl seiner Mittel, Verkehrspolitik, genauer gesagt, Eisenbahnpolitik zu treiben, nicht sehr wählerisch. Transportver-
Ueberbrückung möglich ?
WASHINGTON. Alles deutet darauf hin, daß die heute in Washington beginnenden Besprechungen zwischen dem britischen Premierminister Churchill und Präsident Eisen- h o w e r im Zeichen scharfer Meinungsverschiedenheiten in europäischen und asiatischen Fragen stehen werden. Die in der amerikanischen Hauptstadt akkreditierten Diplomaten fragen sich bereits, ob die Besprechungen zu einer Überbrückung dieser Meinungsverschiedenheiten führen können
Churchill und Außenminister Eden reisen nach Washington, um in Gesprächen mit Eisenhower und dem
amerikanischen Außenminister D u 1 - 1 e s ein Übereinkommen über eine gemeinsame Europa- und Asienpolitik zu erzielen.
„EVG-Nein undenkbar“
SOLINGEN. Bundeskanzler Dr Adenauer sagte auf einer CDU- Wahlkundgebung in Solingen, es sei ihm unvorstellbar, daß Frankreich nein zur EVG sagen könne. Mendes- France habe in der Vergangenheit eine sehr zurückhaltende Haltung zum EVG-Vertrag gezeigt. So leicht werde aber keine französische Regierung alle Zusagen und Unterschriften wie einen Kreidestrich auf einer Tafel hinwegwischen können.
bote, wie sie in der Gesetzesvorlage vorgesehen sind, weitere unverantwortliche Belastung durch Steuern und Abgaben, werden die Bundesbahn nicht retten können. Sie werden aber das Kraftverkehrsgewerbe, in dem heute 600 000 Menschen ihr Brot erwerben (520 000 nur bei der Bundesbahn), schwer erschüttern, sie werden auch der deutschen Automobilindustrie schwere Schläge versetzen und sie werden vor allem den Verbraucher noch mehr als bisher belasten. Die Notwendigkeit der Sanierung der Bundesbahn sieht jedermann ein, nicht aber die bis jetzt dafür vorgesehene Methode.
Steuertausch ‘
hf. Der Bundestagsausschuß für F - nanz- und Steuerfragen hat im Laufe seiner bisherigen Beratungen über das Finanzverfassungsgesetz, als Teil der Steuer- und Finanzreform, sich für einen Steuertausch' zwischen Bund und Ländern ausgesprochen. Die Vermögenssteuer, die Erbschaftssteuer, die Kraftfahrzeugsteuer, die Versicherungssteuer und die Wechselsteuer sollen nach den Vorschlägen von den Ländern auf den Bund übergehen. Es handelt sich dabei um Steuern mit einem Gesamtaufkommen von mehr als einer Milliarde, von denen allerdings mehr als 170 Millionen zur Zeit dem Lastenausgleich zufallen. Die Länder sollen nach den Vorstellungen des Finanzausschusses dafür einen um acht Prozent niedrigeren Anteil des Einkommen- und Körperschaftssteueraufkommens an den Bund abführen müssen. In dem entsprechenden Gesetz soll die Regel für die genaue Beachtung dieses Anteils, aber nicht eine konstante Größe eingesetzt werden. Schaffer hatte zwar die Reorganisation in seinen Gesetzesentwürfen nicht vorgeschlagen, aber es scheint ihm nicht unsympathisch zu sein, daß im zuständigen Bundestagsausschuß eine recht beachtliche Mehrheit, zu der auch die SPD zählt, diesen Weg vorgeschlagen hat. Endgültige Entscheidungen sind noch nicht gefallen, aber .das bisherige Beratungsergebnis zeigt, daß im Bundestag nicht nur der Wille für eine Vereinfachung der Finanzverfassung, sondern auch für eine ausreichende Sicherung der Bedürfnisse des Bundes gegeben ist. Sollte sich das Plenum des Bundestages den Vorschlägen des Ausschusses anschließen, so würde eine neue Situation entstehen, in der es die Länder schwer haben dürften, der ersten Reform unserer Finanzverfassung grundsätzlich zu widersprechen. Die Entscheidung wird nach den Sommerferien des Parlaments fallen
He-ter
Bericht des Wetteramte^Stuttgart
Heute heiter, im Laufe des Tages, etwas wolkiger, größtenteils niederschlagsfrei. Mit tagstemperaturen zum Teil um 25 Grad. Schwache Winde wechselnder Richtung, Tiefsttempe- raturen nachts hei 15 Grad. Samstag im ganzen freundlich hei wenig veränderten Temperaturen