UNSERE KORRESPONDENTEN BERICHTEN

In Finnland wird hart gearbeitet

Flüchtlinge wurden entschädigt / Neues Industrialisierungsprogramm in Angriff genommen

US. HELSINKI. Suomi das Land der tausend Seen liegt abseits der internationalen Touristenrouten; aber eine arbeitsamen Bewohner, seine stil­len fischreichen Gewässer und die un­endlichen Wälder dieses nördlichen Landes., sprechen den Besucher in ei­ner eindrucksvollen Sprache an.

Verglichen mit der Gesamtfläche des Landes, kommen nur 13 Einwohner auf den Quadratkilometer und somit ist Finnland das am spärlichsten besiedelte Land Europas. Diese Tatsache läßt sich in erster Linie auf die außerordentlich schwierigen Lebensbedingungen inNord- flnnland zurückführen, wo vor allem in Lappland auf weite Gebiete nicht in einziger Einwohner kommt.

Im Süden der finnischen Halbinsel leben einige tausend Schweden finni­scher Nationalität Nachfahren der schwedischen Kolonisatoren, die ne­ben eigenen Schulen und Lehrstühlen an Universitäten und Hochschulen weit­gehende Minderheitsrechte haben: so wird im finnischen Parlament sowohl finnisch wie schwedisch gesprochen, in Helsinki oder schwedisch Helsing- fors ist nicht nur das Telefonbuch zweisprachig, sondern in den Geschäf­ten, Ämtern und Büros wickelt sich der Verkehr- sowohl in der einen wis ln der anderen Sprache ab. Einige Zei­tungen und Zeitschriften erscheinen in schwedischer Sprache und die Söhne chwedischsprechender Familien absol­vieren ihre militärische Dienstzeit in besonderen Regimentern.

Im Norden aber leben als Fischer, Jäger und Renntierzüchter etwa 2500 Lappen Nachfahren eines abgesplit­terten aber nun aussterbenden Stam­mes dei arktischen Samojeden.deren Väter einst mit den Renntierherden, die ihnen Nahrung'und Kleidung ga­ben, durch die ganze finnische Halbin- ei zogen. Diese von Gestalt kleinen Nomaden sprechen ihre eigene Sprache, haben in Inari ihre eigene Kirche und besitzen seit dem vergangenen Jahr ogar eine Volksschule.

Das eigentliche Nationalvermögen Finnlands besteht aus den Wäldern, dem grünen Gold, das zu 75 Prozent das Land bedeckt. Auf dem Wasser­wege wird es zu den Sägewerken und

Häfen gebracht, um dann nach allen Ländern, vor oder hinter dem eisernen Vorhang, exportiert werden. Das Land lebt von diesem Export, das beweist ein Blick in die Schaufenster der Kau- pas: neben Anzügen aus England wer­den Kameras aus der DDR verkauft, russisches Gemüse wird als sehr preis­wert empfohlen und in den Straßen parken neben den in Finnland sehr beliebten Volkswagen, Mercuries und Chevrolets, die Pobedas und Zims aus der UdSSR.

sowjetischen Freunde beitreten, der im vergangenen Jahr 5000 Jugendlichen ei­nen Ferienaufenthalt in der UdSSR vermittelte.

Bei einer Bahnfahrt von Helsinki nach Turku passiert man das zwangs­weise an die Sowjetunion verpachtete Porkkalagebiet, das die Züge mit he­rabgelassenen Vorhängen und russi­scher Kraft durchfahren müssen.

In den vergangenen Jahren scheute der finnische Staat weder Mühe noch

Kotka ist einer der bedeutendsten Ausfuhrhäfen Finnlands. Irrt Hintergrund das für den Export gestapelte Holz.

Überhaupt macht sich der östliche Nachbar nicht nur in den wenigen Ki­nos, die ausschließlich Filme aus der Moskauer Ära zeigen, bemerkbar, man kann ebensogut russische Eisenbahner oder Matrosen zum Plauderstündchen ln eine Kavilla einladen. Zur Informa­tion kann man neben dem Amerika­haus auch das sowjetische Kulturzent­rum aufsuchen oder gar dem Club der

Schweden löst seineZigeunertrage

Bürokratie verhinderte bisher Seßhaftmachung

G.D. STOCKHOLM. Der schwedische Reichstag hat eine gründliche Unter- »uchung des Lebenswandels und der ozialen Bedingungen der Zigeuner im Lande beschlossen. Ausdrücklicher Zweck dieser Untersuchung ist, die Zi­geuner etwa 700 an der Zahl, d. h. 0,01 Prozent von Schwedens Gesamt­bevölkerung möglichst reibungslos und nützlich in Staat und Gesellschaft inzugliedern. Rein zahlenmäßig ge­sehen ist also SchwedensZigeuner- frage'' ein echtes Problem mit Gänse­füßchen, aber der demokratische Wohl­fahrtsstaat ist sich seiner sozialen Ver­antwortung auch dieser Volksgruppe gegenüber bewußt. Zudem wird darauf hingewiesen, daß die sieben Zigeuner- »tämme bzw. -familien, die in Schwe­den gegenwärtig ihr ambulantes Da­sein fristen, ein physisch starkes Ge­schlecht sind. Im Jahre 1922 betrug ihre Zahl nur etwa 250, und von den 700, die es momentan gibt, sind etwa 40 Pro- ent, ungefähr 300, unter 16 Jahre alt Fs ist also nicht unmöglich, daß Schwe­den in zwanzig Jahren etwa 2000 Zi­geuner beherbergt.

De jure sind Schwedens Zigeuner bereits in die Zivilisation eingeordnet, d. h. sie sind Bürger des Landes. Aber ln der Praxis werden sie doch sowohl von den lokalen Behörden als auch von Arbeitgebern und Stellenvermitt­lern oft noch als Personen zweiter Klasse behandelt haben die Exper­ten der Zigeunerfrage festgestellt. Daß der größte Teil von ihnen weiterhin bi Wohnwagen angesiedelt ist, hat tat­sächlich weniger mit der sprichwörtlich bekannten Neigung der Zigeuner zum freien, ungebundenen und auch un- behausten Leben zu tun als damit, daß Polizei und Bevölkerung mancherorts der Verwirklichung ihres Wunsches nach Seßliaftmachung und dem Mieten von Wohnungen Hindernisse bürokra­tischer Natur und Vorurteile in den Weg legen. In der allgemeinen Volks- Vorstellung sind Zigeuner Gauklerna­turen. arbeitsscheu und ohne Respekt vor Ordnung und Vorschriften, ge­neigt, auf den Rasen zu treten, ob­gleich es verboten ist, ebentypische Bohemiens. Die Reichstagsabgeordne­ten, kirchliche Kreise und Lehrerinnen, die zwecks prakischer Hilfeleistung die Zigeunerfrage in Schweden bereits teilweise studiert haben, sind jedoch anderer Meinung. In den seltenen Fällen, wo Zigeuner regelrechte Ar­beitsanstellungen etwa in Fabriken haben, haben sie sich als durchaus benso arbeitsfreudig erwiesen wie ihre nichtzigeunerischen Kollegen, und ie sind auch bei diesen beliebt Gegen Ihre Moral hat auch die Polizei nichts einzuwenden. die Zigeunerfamilten halten bekanntlich eng zusammen, in den Wohnwagen herrscht Ordnung und Sauberkeit Trunkenheit oder Kapital­verbrechen ist ein seltenes Delikt bei Zigeunern, und gelegentliche Schläge­reien zwischen den verschiedenen Stämmen sind eher pittoresk als wirk­lich aufregend oder ruhestörend. Die Familienmoral ist streng, teilweise matriarchalisch so pflegt die Groß­mutter m der Familie allgemein Re- pektsDerson zu sein, imRat der Al­ten genießt sie selbstverständliche Autorität Künstlerische Veranlagun­gen sind bei Zigeunern nicht selten Der schwedische Staat hofft ledoch. daß bei einer systematischen Hebung de« Bildungsniveaus der Zigeuner

80 Prozent sind immer noch Analpha­beten ihre kulturellen und intellek­tuellen Talente besser als bisher zu­gunsten der Gesellschaft zu ihrem Rechte kommen würden. Seit einigen Jahren haben kirchliche Kreise und in­teressierte Einzelpersonen soziale und pädagogische Betreuungsarbeit zugun­sten der Zigeuner in Schweden gelei­stet. In den Sommermonaten hat man in provisorischen Schullokalen Elemen­tarunterricht für die ältere Generation veranstaltet, um ihr Lesen und Schrei­ben beizubringen.

Früher war der klassische Beruf der Zigeuner außer Jahrmarktsgauke­leien und Zirkus der des Kupfer­schmieds. Dieser Beruf nährte durch­aus seinen Mann, ist nun aber ziem­lich ausgestorben, denn an die Stelle des kupfernen Geschirrs ist der nichtrostende Stahl getreten. Nur noch vereinzelt gibt es Liebhaber von Kup­fergeräten. Jahrmarktsbuden kann man auch nicht mehr aufstellen, wann, wie und wo es einem beliebt es gibt allzu viele Polizeivorschriften. Also ernähren sich die Zigeuner ln Schweden nun hauptsächlich vom Kleinhandel mit Schrott, Alteisen u ä. Sie leben nicht schlecht davon es soll sogar Hausbesitzer unter den »chwedischen Zigeunern geben. Einige junge Schönheiten pflegen ihr tänzeri­sches Talent und sind auch bereits im chwedischen Film hervorgetreten. Ro­se-Marie und Rosa Taikon heißen zwei solcherprominenten Zigeunerschön­heiten. Die Zigeunerfamilie Taikon ist altansässig und im ganzen Lande wohlbekannt. Als der Häuptling der Familie, Johan Dimitri Taikon, vor einigen Jahren in Stockholm verstarb, wurde ihm ein fast fürstliches Begräb­nis zuteil. Seine Nachkommen haben Musik im Blut und stehen Künstlern Modell. Einige Ehen von Zigeunern mit Schwedinnen haben sich als dauer­haft erwiesen. Jetzt fordert also die Zivilisation weitere Tribute

Opfer, die sowjetischen Reparations­forderungen zu erfüllen und die kare­lischen Flüchtlinge für ihren verlore­nen Besitz zu entschädigen. Am 9. 9.1952 waren die letzten Zahlungen an die UdSSR erfüllt und bis heute ist Finn­land der einzige europäische Staat, der seine Flüchtlinge des Zweiten .Welt­kriegs vollständig entschädigt hat.

Nun beginnt ein neues gewaltiges Industrialisierungsprogramm. Neue rie­sige Elektrizitätswerke entstehen, die Holzverarbeitungs- und Papierindustrie wird entwickelt, modernst eingerich­tete Krankenhäuser und Schulen wer­den in amerikanischem Tempo erstellt und in den Marktflecken schießen neben den rot-weiß gestrichenen Holzhäusern moderne Hochbauten in die Höhe. Finn­land steht am Anfang einer neuen Ent­wicklungsepoche.

An den drei Universitäten und elf Hochschulen des Landes studieren zur Zeit über 14 000 Studentinnen und Stu­denten, ja 30 Prozent aller finnischen Schüler besuchen die Oberschulen. Und es ist auch keine Seltenheit, wenn man in Familien, die in recht bescheidenen Verhältnissen leben, Bibliotheken mit 300 und mehr Bänden entdeckt.

Suomi das Land der tausend Seen ist voll vitaler Kraft, seine Be­wohner ringen mit dem geizigen Boden um ihr tägliches Brot und sie tim dies mitsisu was soviel bedeutet wie Mut, Kraft Ausdauer und sie lieben ihren ertragsarmen Heimatboden eben­so wie ihr Häuschen mit der Sauna, die stillen klaren Wasser, die unend­lichen Wälder und vor allem ihre nationale Freiheit.

Der Yilästunturi in Lappland ist für die wald- sonders charakteristisch.

und seenreiche Landschaft be- Bilder: Schmeißner

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Der Spanier ist kein Träumer

Er braucht nicht allzuviel zu seinem Glück

PF. MADRID.Schreiben Sie um Himmels willen nichts darüber . . . scherzte mein Freund, der Leiter des Fremden-Werbebüros,sonst kommt kein Tourist mehr nach Spanien . . . Das Institut für Erforschung der öf­fentlichen Meinung hatte nämlich eine Frage an die Spanier gerichtet, die Modehäuser, Friseure usw. interessiert, die indiskrete Frage über das andere Geschlecht. Das Resultat überraschte alle, um besonders denjenigen zu ent­täuschen, jenen großen, schlanken, nor­disch blonden, Wikingertyp, dem an­geblich alle glutäugigen Andalusierin- nen und Kastillanerinnen zufliegen w erden. Nur eine von vier Spanierin­nen nämlich wird für ihn schwärmen, die anderen bleiben im Lande und nähren sich redlich mit dem kleinen oder mittelgroßen, dunkelhaarigen Durchschnittsgalan der Straße. Auch daß dasblonde Gift die caballeros reihenweise dahinschmelzen läßt, ist falsch, denn nur einer von fünf Be­fragten sehnt sich nach einer kühlen Blonden, die anderen vier sind mit den Blut-und-Boden-Schönen durchaus zufrieden Auch lockt nur einen von acht die Fremde, weder die Wolken­kratzer Amerikas noch die Lichter von Pafis oder der elektrische Kom­fort der Schweiz, sie leiden nicht an Fernweh und .auch nicht an Geldweh. Das Leben ist ein Traum, dichtete Cal- deron, aber 70 Prozent der spanischen Weiblichkeit wünscht sich einen Mann mit bescheidenem, ja sehr bescheide­nem Einkommen, dem Geldwert nach umgerechnet etwa die Klasse der 250 bis 350 DM im Monat Nachhausebrin­ger, 20 Prozent wollen 100 DM im Monat darüberhinaus und nur der Rest noch mehr. Reichtum sei dem Glück der Ehe abträglich, meinten die meisten der Befragten, und auch die zukünftigen Ehemänner ziehen 5:1 eine Frau vor, die etwas Hausrat mitbringt, eine bescheidene Ausstattung und kräf­tig anpacken kann, besonders alle Be­rufstätigen. Die Chancen einer Steno­typistin, einer Sekretärin, eines Man­nequins oder eines Filmstars, in Spa­

nien unter die Haube zu kommen, sind erstaunlich gering, denn 95 Prozent al­ler Heiratslustigen möchten eine Frau frischweg vom Elternhaus und wol­len nichts davon wissen, daß die Frau vor und während der Ehe etwas ver­dient. Das junge Mädchen, aber auch ältere Witwen hinwiederum träumen nur im Verhältnis 1:200 von kühnen Helden, Don Juans, Clark Gables, Sportkanonen, oder wenigstens nur so nebenbei, zum Heiraten jedoch wün­schen sie sich etwas Solides, mit Jün­gern des Äskulap weitaus an der Spit­ze, nämlich 15 vom Hundert, ander« akademische Berufe folgen unter fer­ner liefen, wie Rechtsanwälte mit 1,1 Prozent oder Professoren mit 0,6 Pro­zent. Erstaunlich jedoch, daß auch Be­amte mit ihrem Festgehalt und Pen­sionsberechtigung wenig junge Mädchen hinter dem Ofen hervorlocken, ganze 3 Prozent. Besitzer eines Ladens, mög­lichst mittlerer Größe, bringen es auf 13 Prozent, Landwirte (die in Spanien immer noch Bauern heißen) auf 11, Offiziere auf 0,4, Taxi- und Lkw-Fah­rer auf 4, Handwerker auf 12 Prozent Und was werden ihre Schwestern nördlich der Pyrenäen sagen, wenn si« erfahren, daß 93 vom Hundert de» schw achen Geschlechts sich nur wünscht, einen Mann zu bekommen und mög­lichst bald Kinder? Der Idealtyp de» spanischen Mannes, sieht darnach so aus: Nicht sehr stürmisch,formal, wor­unter man in Spanien nicht nur förm­lich, sondern so etwas wie gediegen und ordentlich versteht, einer der mit beiden Füßen fest auf dem Boden steht, kein Genie, sondern ein Han» Dampf in allen Gassen, ein guter Ka­tholik, der in die Messe und zur Beichte und Kommunion geht, einer, der die Familie allem Glanz vorzieht So bleibt von Serenaden, glühende« Blicken hinter Jalousien, alles verzeh­render Leidenschaft und anderen Schlagertexten herzlich wenig übrig. Nicht ohne Grund lautet ein bekann­tes spanisches Sprichwort:Wer nied­rig fliegt, wird niemals hoch herunter­fallen.

Dunkle Wolken über dem Dach der Welt

Indien weicht dem rotchinesischen Druck in Tibet / Übergabe der militärischen Stützpunkte

FH. NEU-DELHI. Während an den Gestaden des Genfer Sees über ost- und südostasiatische Probleme verhan­delt wird, sind, kaum bemerkt von der Weltöffentlichkeit, im Herzen des größ­ten Kontinents die machtpolitischen Gewichte erneut zugunsten des Ost­blocks verschoben worden. Nach vier- monatigen Verhandlungen zwischen In­dien und der Chinesischen Volksrepu­blik ist in Peking ein Abkommen un­terzeichnet worden, in dem sich Indien verpflichtet, seine auf tibetanischem Gebiet nahe der indischen Grenze sta­tionierten Truppen innerhalb von 6 Mo­naten zurückzuziehen und gegen einen angemessenen Betrag alle bisher be­nutzten Post-, Telegrafen- und Tele­fondienste in Südtibet an Rotchina ab­zutreten. Da? Abkommen wurde auf

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Auf der Rhembrucke zwischen Kehl und Slraßbury macht sich durch eine starke Verkehrssteigerung die Aufhebung des Visumzwanges zwischen der Bundesre­publik und Frankreich bemerkbar Wer jetzt mit dem Kraftfahrzeug nach Frankreich will, braucht nur noch seinen Reisepaß und das Tryptik oder Carnet vorzuzeigen. Bild: Glatz

die Dauer von acht Jahren abgeschlos­sen und tritt nach seiner Ratifizierung durch die beiden Regierungen in Kraft.

Tibet im Wandel der Zeiten

Nach dem Sturz der chinesischen Monarchie im Jahre 1911 war Tibet vier Jahrzehnte lang viel enger mit Indien als mit China verbunden. Indi­sche Truppen bewachten gewisse süd­tibetanische Straßen und hielten auf tibetanischem Hoheitsgebiet unange­fochten die Stützpunkte Yatung und Gyantse besetzt. Ferner unterhielt die indische Regierung einen Post-, Tele­fon- und Telegrafenverkehr sowie zwölf Herbergen an den Verbindungsstraßen zwischen der indischen Grenze und den stärker besiedelten Gebieten Südost­tibets. Seit der gewaltsamen Besetzung Tibets durch rotchinesische Truppen im Winter 1950/51 und der Eingliede­rung des Landes in das chinesische Staatsgebiet durch den Vertrag vom 23. Mai 1951 ist das viertausend Meter über dem Meeresspiegel gelegeneDach der Welt" mehr und mehr in den Machtbereich des kommunistischen Ost­blocks geraten.

Die chinesische Invasion in Tibet hat damals für einige Wochen das lebhafte Interesse der ganzen Welt erregt, ist aber schnell wieder in Vergessenheit geraten. Wenn auch die Zeit längst der Vergangenheit angehört, da Sven Hedin auf verbotenen Wegen durch das Hochland zwischen dem Himalaja und dem Kunlun-Gebirge zog, so ist es doch immer noch nicht leicht, sich auch nur ein einigermaßen zutreffendes Bild von den gegenwärtigen Verhältnissen in Tibet zu machen. Seitdem auf den Stufen der Klosterburg Potala in der tibetanischen Hauptstadt Lhasa neben der Leibgarde des Dalai Lama rotchi­nesische Soldaten stehen, hat sich viel geändert

Straßenbau an erster Stel 1 e

Zunächst wurden die wenigen Ver­kehrswege nach Indien und Nepal von den Kommunisten recht stiefmütterlich behandelt. Dafür wurde der Bau von zwei großen strategischen Straßen in Angriff genommen, die nach ihrer Fer­

tigstellung Tibets Hauptstadt Lhasa mit den chinesischen Stammprovinzen un« der Sowjetunion verbinden werden.

Nach zuverlässigen Berichten beträgt die Stärke der chinesischen Streitkräft« in Tibet heute 100 000 Mann, von denen sich ein knappes Fünftel im Raum von Lhasa befindet. Das Hauptkontingent der Truppen soll indessen entlang der etwa 3500 Kilometer langen tibetanisch­indischen Grenze stationiert sein. Ihr« Aufgabe wird jetzt darin bestehen, di» indischen Stützpunkte auf tibetanischem Boden zu übernehmen. Damit muH aber auch zugleich das Straßennetz in der Nähe der indischen Grenze ausge­baut werden, wodurch sich den Rotchi­nesen die Möglichkeit bietet, eine mo­dern ausgerüstete Armee zu den nach Indien führenden Gebirgspässen zu schicken. Wenn es einmal so weit ist, wird ein uralter strategischer Faktor aufgehört haben zu bestehen, des nämlich ein größerer militärischer Ver­band den Himalaja nicht überqueren kann.

Vor den Toren Indiens

Es dürfte für die Regierung in Neu- Delhi bestimmt kein angenehmer Ge­danke sein, jenseits der Berge eine Stra­ße zu wissen, die einmal von rotchine­sischen Soldaten als Einfallstor in des nichtkommunistische Asien benutzt wer­den könnte. Wenn man das steigende Interesse Moskaus an den Sowjetrepu­bliken Kasakstan und Usbekistan beob­achtet, kann man die Gefahr ermessen, die sowohl Indien als auch Pakistan im Falle eines Weltkonfliktes drohen. Die beiden Südstaaten der UdSSR liegen di­rekt nördlich des Kabul- und Kaiber- Passes, der traditionellen Einfallstore nach Indien. Als Moslem-Länder sind Kasakstan und Usbekistan aber zumin­dest heute schon eine geistige Bruck zwischen der kommunistischen Welt und Pakistan.

Aus dem neutralen, politisch passiven Pufferstaat Tibet ist in wenigen Jah r ein aktiver politischer Faktor des Ost­blocks geworden, der eine bedeutsame strategische Anfmarschbasis für rot­chinesische und sowjetische Division«! werden könnte.