wiintfuis
S 16 Cantate M 17 Torpetus D 18 Erich M 19 Karoline D 20 Athanasius F 21 Konstantin S 22 Helene, Rita
ILLUSTRIERTES WOCHENBLATT
Am Bodensee
Das weiße Segel schwebt in blauen Weiten, rings auf der Fläche liegt der Sonne Glanz: wie fühlst du wonnesam, wie voll und ganz die Ruhe der Natur sich um dich breiten.
In schnellem Flug die flinken Möwen gleiten, die Mücken ballen sich zu Spiel und Tanz, aufstrebt zum Licht der Berge Silberkranz, erhaben unberührt vom Drang der Zeiten.
Und see-entlang die grünen Uferzeilen, der hohe Wald, das Korn, das Obst, der Wein das Fischerdorf schenkt köstliches Verweilen
In Burgen, Städten, Klöstern lebt die Sage, auch auf die Inseln fällt ihr Zauberschein — und Wellen spielen wie am ersten Tage.
OTTO WEINER
Verzauberter Tag
Von Friedl Eidens
Ministerialrat Weiß saß an einem Gartentisch der Klosterwirtschaft, im Schatten der Bäume, und kostete das längst vergessene Gefühl, die Schule zu schwänzen. Er war entschlossen gewesen, die Dienstreise, die ihn nach mehr als zwanzig Jahren in die Stadt seiner Kindheit führte, keinesfalls mit der Auffrischung von Erinnerungen zu verbinden. Er war gegen Erinnerungen. Aber statt in den Morgenstunden dieses seltsamen Tages die geplante Heimfahrt anzutreten, hatte er einem unsinnigen Einfall nachgegeben: er tauchte, für eine Stunde nur, die er sich zugestanden hatte, in dem Gewirr der alten Gassen unter und geriet dabei unversehens aus dem Zirkel seines geordneten Daseins auf die verwu- cherte Fährte der Jugend.
Es half nichts, daß er sich an das Steuer seines Wagens flüchtete und die Stadt verließ, die Verzauberung des Tages war stärker: er bog von der Hauptstraße ab und fuhr, ehe er recht wußte, wie ihm geschah, der Klosterschule zu, die zwischen Fluß und Felsen eingezwängt lag.
Die Pforte des Klosters war ge-
Blüten am See - Schnee aut den Bergen
schlossen, und plötzlich fühlte er jene Beklemmung wieder, die ihn stets überkommen hatte, wenn er nach den Ferien in das Haus zurück mußte. Er sah sich da stehen, einen mageren Buben, das Köfferchen in der Hand. Du hast dich verändert, mein Lieber, dachte er, etwas mehr Leibesfülle und die liebgewordene Bürde des Amtes — was war aus der Freiheit geworden, die er damals so leidenschaftlich ersehnt hatte? Er ging zur Pforte und zog die Glocke. Ich bin verrückt, dachte er.
Nach einer kleinen diplomatischen Verhandlung durfte er, für zwei Stunden, einen Jungen mitnehmen, der nicht in Ferien hatte fahren können, da er keine Eltern mehr besaß. Sie waren beide verlegen, als sie nun zusammen draußen am Tisch saßen, sie wußten nicht, was sie miteinander reden sollten.
„Liest du gern", fragte er. Der Junge nickte. „Was liest du denn?“ „Den Schatz im Silbersee.“
Der Ministerialrat lächelte. Auf einmal hatten sie ein Thema, sie
Aller Anfang ist schwer
/ Von Jo Hanns Rösler
Theo hieb mit der Faust auf den Tisch, daß sein Uberfallhemd mit den bunten Papageien in allen Nähten krachte. „Ihr könnt reden, was ihr wollt!“ rief er, „ich glaube an Hypnose. Ich habe die unmöglichsten Experimente erlebt, ich habe mit eigenen Augen normale Menschen die unsinnigsten Befehle ausführen gesehen, edle Frauen aßen Senf wie Schlagsahne, Rechtslehrer verrechne- ten sich im kleinen Einmaleins und Männer mit Vollbärten schnitten sich ihren prächtigen Bart in einer Minute ab, nachdem sie ihn zehn Jahre lang hatten wachsen und pflegen lassen. Nein, der Erfolg der Hypnose ist nicht abzuleugnen. Ich selbst habe mich damit beschäftigt, ich habe Bücher darüber studiert, ich bin zu einem berühmten Professor der Willenslehre in die Schule gegangen und heute bin ich so weit, daß ich selbst zu hypnotisieren vermag.“ Die Freunde ringsum lachten ungläubig.
„Du, Theo?"
„Jawohl, Ich!“
„Sprich keinen Unsinn!“
„Wollt ihr einen Beweis?“
Die Freunde wollten ihn.
„Wir sitzen hier in einem Kaffeehaus“, begann Theo, „seht ihr dort drüben die reizende junge Dame am Fenstertisch? Neben dem mächtigen Bullen von einem Kerl? Ich kenne die Dame nicht, die Dame kennt mich nicht, wir haben uns noch nie gesehen. Ich werde jetzt die Dame mit der Kraft meines Willens zwingen, aufzusehen, sich zu erheben, an unseren Tisch zu kommen und mir leise über den Kopf zu streicheln.“ „Lächerlich!“
Theo setzte sich in Positur. Er konzentrierte sich. Zuerst ließ er die Luft aus, dann zog er die. Luft wieder ein, ließ sie aus, sog sie ein, er beugte sich nach vom, streckte den Kopf so weit er konnte nach oben, preßte die Hände zu Fäusten und
starrte die fremde Frau an. Er starrte und starrte.
Die Dame am Tisch rührte sich nicht.
Theo konzentrierte sich noch stärker. Er starrte und starrte. „Jetzt! Paßt auf!“
Die Dame am Fenstertisch wurde unruhig. Sie blickte auf, sie blickte weg. Sie errötete, sie erblaßte. Sie rutschte nervös mit dem Stuhl hin und her. Ihr Atem ging kurz.
„Jetzt!“ rief Theo, „jetzt!“
Da geschah es.
Der Herr neben der Dame hatte
sich erhoben. Er schritt auf Theo zu. Er blieb am Tisch stehen und — „Herr!“ schrie er, „jetzt wird es mir aber zu dumm! Zehn Minuten sehe ich mir schon die Geschichte mit an, wie Sie meine Frau anglotzen und ihr schöne Augen drehen! Jetzt wird Schluß gemacht!“ Sprach es und hieb Theo den Hut ein.
Theo sagte eine Weile nichts.
Dann beutelte er sich und lächelte seinen Freunden bescheiden zu. „Ihr seht, jemand ist doch gekommen... und dann, ihr müßt verstehen, viel Übung habe ich darin noch nicht...“
Aufnahme: Lauterwasser
vertieften sich in die Geheimnisse Karl Mays und verstanden sich ausgezeichnet.
„Wir haben noch eine Stunde Zeit“, sagte der Ministerialrat, „wollen wir mit dem Wagen fahren?“
Sie kletterten in den Wagen und fuhren los. „Feine Kiste“, sagte der Junge, „aber ein Sportkabriolett wär noch toller.“
„Freilich — nur für Dienstfahrten ist es kaum das Rechte.“ Warum machte er eigentlich nur Dienstf ahrten? Mit einem offenen Wagen müßte man in die Berge fahren, so einen Jungen mitnehmen; der Ministerialrat kam auf die verwegensten Gedanken.
Verspätet kehrten sie in den Klosterhof zurück. „Soll ich dir rasch noch ein Eis kaufen?“ Hans senkte die Augen. „Danke“, sagte er, „es war so schön genug.“
„Hättest du Lust... mal in den großen Ferien... in die Berge?“
„Fein“, sagte der Junge. Und er lächelte. In diesem Lächeln blühte der Zauber dieses Tages noch einmal auf. „Abgemacht“, sagte der Ministerialrat rasch, um die Freude festzuhalten und schüttelte dem Jungen die Hand.
Die Träne
/ Von Wendelin L/eberzwerdi
Das Mädchen, das mir im Zugabteil gegenüber saß, hatte ein edles, schönes Gesicht — so recht eine holde Landschaft, in der man mit den Blicken gern spazieren geht.
Während ich mich mit Freund Wolf neben mir unterhielt, mußte ich immer wieder verstohlen die anmutige Reisegefährtin betrachten. Es war da ein besonderer Reiz über ihr Antlitz gebreitet — und plötzlich glaubte ich zu wissen, worin er bestand: eine sanfte Trauer über- schleierte es zart, die in einem erregenden Widerstreit zu der frischen Jugend des Mädchens stand. Ja, jetzt sah ich es auch: ihre Augen waren ein wenig gerötet; sie wischte hie und da mit ihrem Tüchlein darüber. Und da — während sie traumverloren zum Fenster hinausschaute — rann ihr eine Träne die Wange hinunter.
Als sie für ein paar Minuten hinausgegangen war, sagte ich zu Freund Wolf (es war niemand sonst im Abteil): „Hast du gesehen — das Mädchen weinte“.
Wolf grinste. „Keine Spur — sie ist schwer erkältet: kleine Bindehautentzündung!“
Wolfs Robustheit verstimmte mich, aber es war nicht leicht etwas dagegen zu sagen. Wolf ist nämlich zufällig Augenarzt!
Ich versuchte trotzdem zu widersprechen: „Ich glaub’s dir nicht recht; hast du nicht die leise Trauer in ihrem Gesicht bemerkt?“
Wolf lachte dröhnend. „Die ,leise Trauer* gehört zum Krankheitsbild, mein Lieber; man schaut bei Bindehautentzündung immer ein bißchen blöd drein!“
Ich wurde aufsässig. „Aber ob man beim heftigsten Schnupfen nicht nebenbei traurig sein könne! Die Träne dieses Mädchens kam von Herzen, ich bin überzeugt. Sie ist ein junges Ding, wird vielleicht Liebeskummer haben.“
„Alter Fabulierer! Natürlich kann sie auch ein Schmerzchen im Herzchen haben, aber die Chance, daß ihre Träne — du nennst sie bei dir wahrscheinlich poetisch,Zähre* — unmedizinischer Natur sei, ist 1:999!“
Eben kam das Mädchen wieder herein und unterbrach unser Gespräch.
Kurz darauf mußte Wolf umsteigen, ich fuhr weiter. Wir sind uralte Freunde, Wolf und ich, noch von der Jugend her, ich mag ihn gern, und seine nüchterne Sachlichkeit war schon oft ein gutes Gegengewicht wider meine leidenschaftlichere Art. Aber heute hatte er mich geärgert.
„Bindehaut“! rief er mir noch von der Tür her zu und zwinkerte mich lustig an.
Ich habe nachher — es drängte mich einfach — mit der schönen Unbekannten ein Gespräch angeknüpft. Ich mußte wohl eine gute Stunde haben, denn sie schenkte mir Vertrauen; ich erfuhr, daß sie tatsächlich bösen Kummer hatte, und es ging natürlich um Liebe. Übrigens litt sie auch an einer Bindehautreizung, aber darum hatte sie nicht geweint.
Bloß mit ein paar armseligen Worten und mitfühlenden Blicken konnte ich sie trösten, aber sie nahm’s an und dankte mir. Als wir auseinander gingen, waren ihre Augen heller.
Ich habe hinterher gedacht: nicht auf die 999 kommt es an, sondern auf die X ,.,
WOLKEN
Kein Flug ist euch zu hoch und keine Ferne zu weit. Tränen der Erde steigen zu euch empor. Blut umhaucht euch vom Feld der Zerstörung. Audi meine eigene Qual beweint ihr oft, und eure Not scheint die ‘meine, wenn ihr von Gewitterstürmen gepeitscht das Land iiberbrauset. Warner seid ihr. Wovor ? Flüchtig ist der Flug der Stunde und nur leicht in den Tag gezeichnet; doch ruhelos ist euer Wandern. Und wenn ich euch so sehe, so dahinziehen durch den Raum, dann weiß ich, daß auch ich ein Ruheloser, ein Suchender und ein Irrender bin. Euch ist die Bahn vorgezeichnet. Und ist mir etwas anderes bestimmt? Einer weiß das Ziel, der es gesetzt und schon vor den Anfang allen Seins gestellt hat.
So wandert denn durch die Zeit in die Zeitlosigkeit — ich u)andre mit — und einmal sind wir am gleichen Ziel. Wann? — Heute, morgen, übermorgen? Jede Minute kann es sein. Niemand weiß es. Ihr nicht; auch ich weiß nicht den letzten Schlag meines Herzens. Aber wir sind einem gleichen Geschehen verhaftet: Was war, wird sein, und was ist, wird wieder im Schoße der Dinge Verwandlung heißen zu höherem Sein. paul Häcker
Qemeinsame Kinder
Von Robert Weber v. Webenau
Josef und Josefine waren nicht mehr die Allerjüngsten, aber sie fanden aneinander Gefallen und liebten sich
Eines Tages kam sogar so etwas wie eine Verlobung zustande und man schenkte sich wegen der Vergangenheit reinen Wein ein.
„Ich war bereits einmal verheiratet!“ gestand Josef.
„Ich auch!“ hauchte Josefine.
„Ich bin geschieden! Natürlich schuldlos geschieden!“ setzte Josef sein Geständnis fort.
„Ich bin Witwe!“ flüsterte Josefine.
Es folgte eine kurze Pause, dann gestand er zögernd:
„Ich habe zwei Kinder aus meiner Ehe! Bist du böse?“
Sie lächelte:
„Warum soll ich böse sein? Ich habe ja auch drei!“
Nun war genügend Wein eingeschenkt worden, das „Glas“ drohte überzugehen, aber es geschah kein Unglück.
„Meine Kinder sind gut erzogen!“ verkündete Josef.
„Die meinen auch!“ erklärte Josefine.
„Sie brauchen nur eine Mutter!“
„Und meine einen Vater!“
Daraufhin wurde die Verlobung durch einen Kuß rechtskräftig und besiegelt.
Die Hochzeit war sehr stimmungsvoll. Die fünf Kinder des Brautpaares trugen einträchtig die Schleppe der Frau Braut, der Bräutigam sah seiner neuen Ehehälfte glücklich in die Augen, die Verwandten waren gerührt und alles war in schönster Ordnung.
Josef und Josefine verlebten glückliche Flitterwochen, ungestört und ungetrübt, denn ihre fünf Sprößlinge waren bei Verwandten auf dem Lande einquartiert.
Doch, siehe da, nach drei Jahren hatte sich der bereits vorhandene Bestand an Kindern um drei weitere Prachtexemplare auf acht erhöht.
Diese drei „Neuerwerbungen“ wuchsen zu lebhaften Rangen heran, die die ohnehin nicht gerade ruhige Kinderstube mit noch größerem Lärm versorgten.
Man sandte daher die Kinder zum Spielen in den Hof hinab, um in der Wohnung Ruhe zu haben. Im Hofe ging es eine Weile ganz ruhig zu, dann begann aber ein wilder Radau. Josef erhob sein schmerzendes Haupt aus den Kissen:
„Was ist denn los? Geh, Joseflne, sei so lieb und schau hinunter, was die Kinder im Hofe treiben!“
Josefine blickte durch das Fenster, dann wandte sie sich an den Gatten:
„Deine Kinder und meine Kinder verhauen unsere KinderJ“