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S 9 Jubilate
M 10 Antonius D 11 Mamertus M 12 Pankraz D 13 Servaz F 14 Bonifatius S 15 Sophie
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ILLUSTRIERTES WOCHENBLATT
Nr. 19/6. JAHR / 9. MAI 1954
fltuttet
Wir sind bei Dir und fassen Dein letztes Wesen nie. — Werke, die nie verblassen,
Dir unterliegen sie.
Besingen Dich die Dichter,
Singt doch kein Lied Dich aus, Leih’n Formen nur, Gesichter — Du gehst verkannt heraus.
So viele Bildner schlagen Begeistert Dich in Stein. — Du bist’s. — Aber sie tragen Nicht Deine Liebe ein.
ks. Denn alle Rätsel münden
J Deine Seele ein.
'SxQo/ Nur Staunen, nicht Ergründen, Bleibt uns und Stillesein.
Wie sollten sie es können
Mit eines Menschen Hand? Die Meißel würden brennen, Der Marmor hielt 1 nicht stand.
Vielleicht, in späten Jahren,
Wenn Du dann nicht mehr bist, Werden wir ganz erfahren,
Was eine Mutter ist.
EGON BIEBLE
Vcrgeßt die Mütter nicht!
/ Von Hans Bahrs
Es liegt im Wesen der Mütter, daß sie ihre Arbeit selbstverständlich und bescheiden in der Stille tun. Solange die Mutter die gute Mitte unseres Hauses ist, spüren wir ihr Werk kaum, weil es sich uns anbietet wie das tägliche Brot, das wir auch nicht immer bedenken, wenn wir es essen. So ist es gewiß eine schöne Sitte, einmal im Jahre besonders der Mutter zu gedenken und ihr zu zeigen, wie sehr wir alle um ihre Liebe und Sorge wissen. Aber ist das tatsächlich genug? Ist das wirklich, alles, was wir der Mutter an Dank für all ihre nimmermüde Arbeit und Mühe geben können? Das Leben rauscht dahin. Ein altes Wort weiß zu sagen, daß es köstlich gewesen ist, wenn Mühe und Arbeit darin ihr rechtes Maß fanden. Und plötzlich ist die Mutter alt geworden. Man hatte es vorher nie so recht bemerkt, weil man mit sich selbst übergenug zu tun hatte. Ja, auch die Kraft der Mutter geht einmal zu Ende. Aber auch sie wünscht sich einen ruhigen Lebensabend. Es gibt wohl nur wenig Kinder, die' ihn ihr nicht von ganzem Herzen gönnen.
Wieviele aber mühen sich wirklich ehrlich darum, nun die Liebe und Sorge der Mutter zu vergelten? Gewiß, dies ist nicht immer so einfach, denn ein paar schöne Worte — und seien sie auch in diesem Augenblick der Selbstbesinnung aus dem Herzen heraus gesprochen — tun es allein noch nicht. Jetzt ist die Zeit gekommen, da die Kinder mit der gleichen schlichten Selbstverständlichkeit für die Mutter sorgen sollen, wie sie es viele Jahre für ihre Kinder tat. Das ist für die Kinder zumeist schwer, oft sogar sehr schwer. Es braucht nicht gerade immer so zu sein wie bei der alten Waschfrau, die ich einmal, als ich spürte, wie sauer ihr die Arbeit wurde, fragte: „Ja, haben Sie denn keine Kinder?“ „Doch, drei Kinder!“ lächelte sie. „Und die dulden, daß sich ihre alte Mutter immer noch so ab- rackert?“ „Die haben selbst Sorgen!“ Ich forschte nach und fand, daß die erwachsenen Kinder wohl gemein
sam für einen ruhigen Lebensabend der Mutter hätten sorgen können. Später erzählte mir die fleißige Frau, daß die Kinder über eine Rente für sie gesprochen hätten. Ganze fünf Mark hatten sie für die Mutter übrig! Ja, dieselben schämten sich nicht, die alte Frau auch noch zum Zeugen dafür anzurufen, daß sie wirklich nicht mehr für sie tun könnten. Nun, die alte Mutter hat dann weiter gewaschen, denn sie wollte das Bettelgeld ihrer Kinder nicht, die böse miteinander feilschten, um der Mutter keine echte und stillschweigende Hilfe mit freundlichen Gedanken zu gewähren. Denn darauf kommt es doch an, daß die Mutter das, was die Kinder ihr geben, frohen und dankbaren Herzens empfangen kann.
Macht es den Müttern nicht schwer, wenn sie alt werden! Einmal werdet auch Ihr auf das Altenteil müssen, wenn Ihr dem Werk des Tages nicht mehr gewachsen seid. Denkt daran, daß Eure Kinder Euch das entgelten werden, was Ihr an Eurer Mutter tut. Denn Ihr seid das lebendige Beispiel. Sorgt dafür, daß die Müt-
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Die Mutter und ihr Jüngster
ter an ihrem Lebensabend keine Not leiden; sorgt dafür, daß sie nicht der Streit der Kinder, wer den meisten Dank schulde, verstört. Ein wenig mehr tätige Liebe, ein Dank, der Mutter so selbstverständlich dargebracht in Taten, wie ihr ganzes Leben ein lebendiges Opfer und eine
Holzschnitt: Warnecke
einzige Tat für Euch war, das ist nicht eben viel. Aber es läßt die späte Sonne über den Müttern scheinen, die Sonne des Friedens und des Glückes. Den Dank an Euren Müttern abzutragen, reicht Euer Leben nicht. Aber begnügt Euch nicht mit wenigem!
Ein blühender Baum wird gefällt / Von Josef Mühlberger
Während sie den Grund zu dem Neubau aushoben, wurde es Frühling. Der Apfelbaum, der an der einen Stelle des abgesteckten Vierecks stand, erblühte. Das war ein so schöner Anblick zwischen dem aufgegrabenen Wiesenstück, den Geräte- und Baubaracken und den Holz- und Ziegelstapeln, daß säe den Baum schonten, obwohl er ganz nahe an der Stelle stand, wo sie den Acker abtrugen. Während sie es taten, wurde der Baum, der noch jung war, schöner; das erste Blättergrün hob die rosarote Blütenfülle noch deutlicher hervor. Aber er stand jetzt schon wie am Rande eines Abg^jmdes, da die Kellergrube ausgeschachtet worden war. In einer glatten Fläche fiel die Ackerwand unter ihm ab, und er stand darüber und blühte und grünte wie in jedem Jahr, als wäre
Das heilsame Schnäpsle / Von F. Q. Brustgi
Eines Tages kam der Herr Oberamtmann zu einem seiner Schultheißen, nur um auch einmal ein bißchen hereinzugucken und Grüßgott zu sagen. Wie’s überall und allerwegen üblich ist: der dienstliche Besuch endete im Wirtshaus. Es schickte sich gerade gut heut, sagte der Schultheiß; beim Remppen-Beck gebe es ganz frischen Zwiebelplatz. Also gingen sie miteinander hinüber zum Traugott Rempp, Bäcker und Wirt, tranken ein Viertele Roten und ließen sich dazu ein Viertel Zwiebel- Platz schmecken. Gut neiß und fett war er, und drum meinte der Oberamtmann, ein Schnäpsle drauf könnte nicht schaden. Der Remppen-Beck wollte den Herren ein büchen schmie
ren—oder sagen wir: sein Wohlwollen erweisen — und schenkte also gestrichen voll ein. Es war darum nicht zum Verwundern, wenn beim Prö- steln beide den Schnaps ein wenig verschütteten. Es dürfe kein Tröpfchen verlorengehen, dachte jeder, darum fuhr der Oberamtmann mit der schnapsnassen Hand rasch ein paarmal über seinen Glatzkopf; der Schultheiß aber rieb seine schrundigen Hände ein. „Aber, Herr Schultheiß“, sagte da der Oberamtmann, „wie können Sie auch mit dem guten, teuren Schnaps Ihre Hände einreiben!“ — „Ja no, Herr Oberamtmann“, gab der Schultheiß zur Antwort, „e jeder reibt’s halt do na’, wo’s ihm fehlt!“
die Wiese unter ihm noch unbeschädigt
Wenn sie ihr Vesperbrot aßen, traten sie nicht in die Bauhütte, obwohl die Tage rasch heiß wurden. Sie setzten sich unter den Apfelbaum, der Schatten warf, und Blütenblätter fielen auf ihr Brot und in die Krüge, aus denen sie tranken. Das Haus sollte rasch fertig werden, und es wurde bis in den Abend hinein gearbeitet. Dann spürten sie aus den von der Kühle berührten Blüten den Duft nach Rosen und rotem Wein.
Bei den weiteren Arbeiten hinderte sie der Baum, aber sie scheuten keine Umwege und beschwerlichen Handgriffe, um ihn durch das Tragen von Brettern und Eisenstangen und das Anfahren der Wagen nicht zu beschädigen. Je weiter ihre Arbeit fortschritt, desto weniger sprachen sie, und eines Tages rasteten sie nicht mehr unter dem Baum, sondern in der Holzbaracke. Sie hatten Scheu vor dem Todgeweihten.
Der ausgehobene Grund wurde betoniert, dann wurde die erste Ziegelschicht aufgelegt, und die Mauer wuchs- Nun sprachen sie gar nicht mehr miteinander, wie man schweigt, wenn ein Sterbender im Hause liegt. Schließlich war die Mauer so weit, daß sie nur weitergebaut werden konnte, wenn der Baum entfernt würde. Am Abend drückten sie sich ohne Gruß von der Baustelle, wie Menschen, die ein schlechtes Gewissen haben oder eine böse Tat planen.
Als sie am Morgen kamen, war der Baum gefällt. Er lag von der Mauer weg mit der Krone im Gras. Im Niedersinken waren die letzten
Blütenblätter ausgefallen und lagen wie Tränen auf der Wiese und in dem schon dichten Laub verstreut. Sie taten, als hätten sie gar nicht bemerkt, daß der Baum gefällt worden war, aber während der Arbeit warfen sie immer wieder einen Blick auf ihn. Auf den Zweigen saßen die ersten kleinen, grünen Früchte.
Als sie ihr Vesperbrot aßen, war ihr Schweigen anders als sonst. Einer unter ihnen hatte den Baum noch am Abend nach ihrem Weggehen oder am Morgen vor ihrem Kommen umgesägt. Heimlich und in der Dunkelheit hatte er es getan, wie man mordet. Sie schauten vor sich hin auf den Boden, während sie aßen und tranken. Jeder dachte: einer von uns hat es getan. Welcher ist es? Er saß wie ein unerkannter Mörder unter ihnen.
Allmählich aber wurde es anders: als sei ihnen etwas abgenommen worden, ein Schrecken, der alle Tage "vorher wie ein Schatten über ihnen gelegen, etwas, das unaufhaltbar war und einmal geschehen mußte — nun war es geschehen. Es kam so etwas wie das Gefühl einer guten Kameradschaftlichkeit in sie, einer mochte den andern besser leiden als vorher; denn einer unter ihnen war es, der ihnen erspart hatte, den Baum umzusägen, einer hatte ihnen das ab- genommen und für sie alle getan.
Nach der Rast gingen sie nicht an die Arbeit, sondern traten zu dem Baum. Was sie alle dachten, hatte einer gesagt: „Wir wollen ihn wegtun.“ Als es getan war, meinte ein anderer: „So hat er wenigstens noch zu Ende blühen können.“
Damit war das Schweigen der letzten Tage gebrochen.
Blumen zum Muttertag
Von Willi Wegner
Sie war still geworden, die alte Frau Bordiert. Wenn man zweiundachtzig ist, der einzige Sohn sich wieder verheiratet hat und mit der neuen Schwiegertochter nicht gut auszukommen ist, dann ist es schon am besten, in ein Altersheim zu gehen. Nun lebte sie schon über zwei Jahre in dem großen roten Backsteinhaus mit den vielen alten Menschen. Oft dachte sie: Eigentlich bin ich jetzt hier auf der Endstation...
Gewiß, sie hatte ihr gutes Essen, die Pflegerinnen und der Arzt waren freundlich und sie hatte keinen Grund zu klagen. Erwin, ihr Sohn, besuchte sie von Zeit zu Zeit, aber jedesmal dauerte so ein Besuch nur wenige Minuten t— dann sah er nervös auf seine goldene Armbanduhr und bald saß er wieder in seinem großen Wagen und fuhr davon. Dringende Geschäfte ließen ihm nur wenig Zeit für sein Privatleben, für seine alte Mutter_
Elsbeth, ihre einzige Tochter, die sich nach Argentinien verheiratet hatte, schrieb regelmäßig ihre langen Luftpostbriefe. Aber Argentinien war weit, und in absehbarer Zeit war nicht damit zu rechnen, daß sie ihre Mutter in Deutschland besuchen könnte. Die freundliche Pflegerin mußte ihr auch noch diese Briefe vorlesen.
„Wie geht es meiner Mutter?“ erkundigte sich Erwin am Telefon.
„Einen Augenblick, Herr Bordiert“, erwiderte die Krankenschwester, „ich verbinde Sie gleich mit Herrn Dr. Kleinschmidt. Herr Doktor kommt gerade von der Visite.“
„Der Herzanfall Ihrer Frau Mutter ist vorüber, Herr Bordiert, aber sie ist noch sehr schwach. Ich habe Bettruhe verordnet. Der Zustand ist nicht besorgniserregend, aber Sie wissen ja, Herr Bordiert, mit zweiundachtzig ...“, sagte Dr. Klein- Schmidt
„Ja, Herr Doktor, ich muß heute eine längere Geschäftsreise antreten. Ich verlasse midi ganz auf Sie, Herr Doktor, sorgen Sie nur gut für sie...“
Und wirklich, es schien auch so, als wenn die Greisin sich wieder erholen würde. Da — am dritten Tag — kam ein Rückfall. Die Pflegerin konnte Dr. Kleinsdimidt nicht erreichen, und so holte sie den neuen Assistenzarzt.
Gleich führte ihn die Schwester in das Krankenzimmer, in dem die alte Frau, mit vielen Kissen gestützt, im Bett lag. Ihre Augen hatten bereits den fiebrigen, halb überirdischen Glanz — sie schienen schon in eine andere Welt hinüberzusehen. Der fremde Arzt näherte sich dem Bett der Greisin.
„Ich wußte ja, daß du kommen würdest, mein lieber Erwin“, flüsterte die Mutter mit schwacher Stimme — sie hielt den neuen Arzt für ihren Sohn. Der Doktor schwieg, denn er erkannte gleich, daß er hier nicht mehr helfen konnte. Er sagte kein Wort.
„Gib mir deine Hand, Erwin“, lächelte die Greisin matt, „jetzt kann ich beruhigt sterben. Es soll dir auch immer gut gehen, mein Junge.. Ihre Lippen bewegten sich noch immer und formten unhörbare Worte. Dem jungen Arzt war es eigenartig zumute, etwas saß ihm im Halse, er schluckte — seine eigene Mutter war auf der Flucht aus Ostpreußen umgekommen.
Draußen hatte es aufgehört zu regnen, und die Sonne durchbrach die schweren Wolken. Ein paar Sonnenstrahlen fielen auf das Bett der alten Mutter, die nun tot war und dalag mit einem zufriedenen Lächeln auf dem faltenreichen Gesicht...
Am nächsten Tag war Muttertag, und das größte Blumengeschäft am Ort schickte ein großes Arrangement, das Erwin bestellt hatte. Nun schmückte es das kleine Zimmer, wo man die tote Frau Borchert aufgebahrt hatte...