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ROMAN VON ALFONS ZECH

(10. Fortsetzung)

Nuscheck unterdrückte den Fluch, der Ihm schon auf der Zunge lag. Für einen Augen­blick war er ratlos. Dann, nach kurzem Ueberlegen, verwandelte sich seine Miene zu einem Ausdruck gekränkter Unschuld, und während draußen immer heftiger gegen die Tür gehämmert wurde, schloß er auf und öffnete sie.

Das hat aber lang gedauert, Herr Nu- scheck! begrüßte ihn Kommissar Eyrich kurz.

Wat denn, wat denn? Schließlich kann ick doch noch schlafen . . . fing Nuscheck lamentierend an.

Doch Eyrich ließ sich auf nichts ein.

Los, ziehen Sie sich an und kommen Sie mit, befahl er energisch.

Wieso, weshalb? Sie haben keen Recht.. .* wollte Nuscheck aufbegehren.

Eyrich blickte ihn nur an, dann sagte er langsam:

Ich rate Ihnen in Ihrem Interesse, daß Sie vernünftig sind. Bei Mordsachen versteht auch die Besatzung keinen Spaß . .

Mord? stieß Nuscheck heraus.

Ruhe . . ., ziehen Sie sich an! unterbrach ihn Eyrich leise, wandte sich an Redmer, der mit einem anderen Beamten hinter ihm stand und gab ihm den Auftrag, das Zimmer gründlich zu durchsuchen.

Zehn Minuten später verließ Eyrich mit Nuscheck das Haus, stieg mit ihm in den Polizeiwagen, brachte den Festgenommenen zum Polizeiamt und hier in sein Büro. Das Ganze erfolgte so schnell, und unauffällig, zumal auch Nuscheck keinen Widerstand lei­stete, daß kein Außenstehender etwas von der Sache bemerkte.

Unterwegs zeigte sich Nuscheck ziemlich bedrückt. Als er hören wollte, weshalb man ihn verhaftet habe, erwiderte Eyrich ruhig:

Das werden Sie nachher erfahren. Außer­dem wissen Sie das selber ganz genau. Oder meinen Sie, wir hätten mit Ihnen den Fal­schen erwischt?"

Worauf Nuscheck schwieg.

Im Kommissar-Büro wartete bereits ein Beamter mit der Schreibmaschine, um das Protokoll aufzunehmen. Eyrich wies ein­ladend auf den vor seinem Schreibtisch stehenden Stuhl und sagte zu Nuscheck: Nehmen Sie Platz!

Er selbst setzte sich an den Tisch, griff nach einem Bleistift und begann sachlich:

Ihre Personalien? Haben Sie einen Aus­weis?

Während Nuscheck widerspruchslos seine Angaben machte, betrachtete Eyrich ein­gehend den ihm von Nuscheck zugereichten Ausweis, aus dem hervorging, daß sein In­haber früherer KZ-Häftling war.

Sie sind älter, als ich gedacht habe. Schon neunundzwanzig, wandte er sich wieder an Nuscheck und fügte hinzu:Wieviele Vor­strafen haben Sie?

Zwei . . . versetzte dieser widerwillig. Ach? Und dann Sicherheitsverwahrung, KZ? Oder kamen Sie wegen der Politik ins KZ? Eyrich blickte dabei sein Gegen­über so interessiert an, daß Nuscheck un­sicher wurde und zugab:

Nee, deswegen nich ..."

Schön! Wenn Sie immer so ehrlich sein werden, kommen wir miteinander ganz gut aus. In welchem KZ waren Sie gewesen? Dachau und Buchenwald. Acht Jahre . . .* Wegen zwei Vorstrafen? Mann, das nehme ich Ihnen nicht ab. Na, raus mit der Sprache, was war das für ein Ding, das Ihnen die Sicherheitsverwahrung eingebracht hat? Raub . .

Aha . . ., das ist eher zu verstehen, brummte Eyrich zufrieden.Wahrscheinlich haben Sie vorher schon einige Sachen ge­macht, die Ihnen angerechnet wurden. Na, lassen wir das. Nun sagen Sie mal, Nuscheck, warum haben Sie Nimitsch umgelegt?

Bei dieser so plötzlich kommenden Frage fuhr Nuscheck jäh zurück, starrte Eyrich mit offenem Mund an, während er sich ver­färbte.

Im Zimmer war es totenstill. Nur das schwere keuchende Atmen des Gefragten war noch zu hören. Eyrich wartete, ließ aber den vor ihm Sitzenden keine Sekunde aus den Augen. Er sah, wie Nuscheck mit der Zungen­spitze die trockenen Läppen befeuchtete und unter seinem forschenden Blick immer un­sicherer wurde, bis er wild herausstieß:

Ich? Wat denn? Ick soll den Nimitsch um- 3siegt haben? Nee, nie, nie ... ick bin doch nich varrückt? Ick hab nischt damit zu schaffen! Nee, Kommissar, is nich, ick nicht! Warum wollen Sie leugnen, Nuscheck? Hat doch keinen Zweck mehr. Man hat Sie doch am Sonntag gesehen. Außerdem haben wir bereits ein Geständnis . . .

Sie leugnen also?

Schwindel verdammter Schwindel. Sie wollen mich damit nur fangen. Aber so doof ist Waldemar Nuscheck nicht... protestierte er aufgeregt.

Ja! Is nich wahr . . ."

Und der Mord an Alexiew? Mit dem haben Sie auch nichts zu tun gehabt?

Nee! Wat soll das janze Theater. Ick bin keen Mörder!" verteidigte sich Nuscheck wü­tend.

Aber Sie haben Nimitsch gesucht, haben erklärt, daß Sie mit ihm abrechnen wollen, wenn Sie ihn erwischen. Stimmt das oder stimmt das nicht? Eyrichs Stimme wurde unmerklich schärfer.

Det stimmt . . .*

Haben Sie nicht in Meersburg und in der Umgebung davon nach Nimitsch gesucht? Stimmt das oder stimmt das nicht?

Det stimmt . . .

Leugnen Sie, daß Sie ihn gefunden haben?

Ick habe nicht mit ihm jesprochen. Ick hab nur herausjebracht, daß er in dem Aus­landerlager steckt, det war alles."

Und warum haben Sie ihn gesucht?

Weil er mir bei einem Jeschäft herein- jelegt hat . . .

Was war das für ein Geschäft? folgte foiort Eyrichs nächste Frage. Ihm kam es

darauf an, Nuscheck keine Zeit zum Nach­denken zu lassen. Er rechnete mit dem Ueberraschungsmoment, hatte deshalb die Festnahme so früh durchgeführt, da ein Bummler, wie Nuscheck es war, unausge­schlafen und nüchtern, einem ernsthaften Verhör kaum so widerstehen würde, wie er es unter anderen Umständen getan hätte.

Die letzte Frage schien Nuscheck sichtlich unangenehm. Er zögerte mit der Antwort und als .Eyrich ihm hart zusetzte, brummte er mürrisch:

E s drehte sich um Ami-Zigaretten.«

Ach? Nicht um die Beute aus dem Klo­stereinbruch, den ihr euch zusammen gelei­stet habt?

Nuscheck erschrak. Er öffnete schon den Mund zu einer hastigen Entgegnung, hielt sich aber im letzten Augenblick zurück und spielte den Verständnislosen. Schließlich sagte er:

Von einem Einbruch weeß ick nischt. Eyrich überging den Fehlschlag, ohne es sich anmerken zu lassen und fragte:

Sie wußten, daß Sie unter Beobachtung standen?

Det zu merken, war wirklich keene große Kunst . . . versetzte Nuscheck mit trium­phierendem Grinsen.

Deshalb haben Sie es am vergangenen Sonntag so eingerichtet, daß Sie den Beamten abschütteln konnten. Nicht schlecht, -beweist aber, daß Sie irgend etwas vorhatten, wobei Sie unbeobachtet sein wollten. Stimmt doch? Nee! widersprach Nuscheck aggressiv. Er schien sich wieder gefunden zu haben und verteidigte sich mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln.Ick suchte Nimitsch, det is wahr. Und da ick vermutete, daß er in einem Ausländerlager steckte, wollte ick eben allein sein . . .

Um ihn zu bedrohen?

Quatsch, mit dem Zaster sollte er heraus­rücken . . .

Mit der Beute aus dem Klostereinbruch Warven . . .

Ick weeß nicht, wat Sie damit immer wollen. Einbruch? Höre ick zum ersten­mal . . .

Eyrich formulierte eben die nächste Frage, als der Hausapparat klingelte. Er nahm den Hörer ab und nannte seinen Namen. Am anderen Ende war Redmer, der ihm von dem Ergebnis der Zimmerdurchsuchung berichtete.

Ist gut, bleiben Sie, bis ich Ihnen Nach­richt gebe", beendete Eyrich das Gespräch, legte den Hörer wieder auf, wandte sich an Nuscheck und fragte:

Von was leben Sie hier?

Von meiner Unterstützung . . .*

Und von Ihren Schwarzhandelsgeschäf­ten!

Wat heeßt Schwarzhandel? Ick kann doch det, wat ick bekomme, verkoofen . . .«

Darüber dürfte man geteilter Meinung sein. Es steht jedenfalls fest, daß Sie einen schwunghaften Handel mit Schokolade, Ziga­retten, Strümpfen, Likören und ähnlicher Ware treiben . . .

Und wenn ick det bestreite?

Nützt Ihnen nicht viel. Wir haben Leute, die bei Ihnen selbst gekauft haben.

Na, wenn Sie den jungen Bullen meenen, der mir imJrünen Anker anjequatscht hat . . .

Wir haben genügend andere!

Wenn schon, so schlimm kann et nich werden,

Vielleicht doch, warf Eyrich warnend ein. Sie müßten zum mindesten nachweisen, daß Sie Ihre Waren auf reellem Weg erworben haben. Wie heißt denn der Frankfurter Liefe­rant, der Sie immer besucht?

Kenne keenen aus Frankfurt, behauptete Nuscheck hastig und fügte, ärgerlich ge­worden, hinzu:Ueberhaupt möchte ick nun langsam wissen, wat das Janze hier soll. Ick sitze nun fast 'ne Stunde und Sie quetschen mir aus, warum denn? Wat wollen Sie von mir alles wissen?

Schwarzhandel. scheen, weisen Sie

Ihn mir nach, dann können Sie mir einbuchten, aber vorläufig . . .

Stehen Sie unter dem Verdacht, nicht nur Cyrill Alexiew, sondern auch Bela Nimitsch ermordet zu haben! unterbrach ihn Eyrich mit erhobener Stimme.

Varrückt . . ., stieß Nuscheck wütend hervor.

Ich verbitte mir Ihre Ausdrücke, Mann! fuhr ihn Eyrich an.Ich war bisher anständig zu Ihnen, weil ich hoffe, daß Sie vernünftig sein würden. Ich kann aber auch anders mit Ihnen umgehen. Wenn Ihnen die Vernehmung nicht paßt, beantrage ich einen Haftbefehl gegen Sie. Dann bleiben Sie so lange in Ge­wahrsam, bis Sie selbst um Ihre Vernehmung bitten . . .ob ich aber dann gerade Zeit habe, istne andere Frage!

Det können Sie nich, widersprach Nuscheck aufsässig.

Und ob, wegen Fluchtgefahr! Sie haben seit einigen Tagen Ihre Geschäfte hier auf­gegeben. Außerdem hat man in Ihrem Zimmer zwei gepackte Koffer gefunden . . .

Wenn schon! Det beweist noch jar nischt. Es beweist zum mindesten, daß Sie die Absicht hatten, zu verschwinden, weil Ihnen der Boden hier zu heiß geworden ist. Viel­leicht warteten Sie nur noch auf Ihren Freund Bakin . . .

Das letzte war von Eyrich ein Schuß ins Btaue, der aber saß und sogar so gut, daß es Nuscheck die Sprache verschlug. Seine eben afich so anmaßend« Haltung war wie weg­

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gewischt. Er musterte Eyrich mit einem schnellen, scheuen Blick, der diesem so wenig entging, wie die Tatsache, daß Nuscheck beunruhigt schien.

Eyrich tat, als ob er es nicht sah, öffnete die vor ihm liegende Akte und begann zu lesen. Die Stille im Zimmer setzte Nuscheck noch mehr zu. Er rutschte auf seinem Stuhl herum und sagte plötzlich kleinlaut:

Könnte ick nichne Zigarette bekommen? Mir is so flau im Magen. Ick hab noch nischt jejessen . . .

Eyrich las ruhig weiter. Erst nach einer geraumen Weile hob er den Kopf und fragte:

Was meinen Sie? Hier rauchen? Neinl Wenn Sie Strafgefangener sind, ist es mit dem Rauchen auch vorbei. Ja, wären Sie vor­her vernünftiger gewesen . . .

Wat heeßt vernünftiger, Kommissar? Wenn ick mit der Sache nischt zu tun hab! Globen Sie mir det doch. Nu, seien Se keen Un­mensch . . .

Bin ich nicht, brummte Eyrich unwillig. Nur lasse ich mich nicht für dumm verkau­fen! Hier ..."

Danke, Herr Kommissar, rief Nuscheck und griff gierig nach der hingereichten Ziga­rette. Er nahm sich Feuer und konnte nicht schnell genug die Zigarette in Brand stecken, um den Rauch in tiefen Zügen eänzuatmen.

Eyrich beobachtete ihn schweigend. Er überlegte, wie er Nuscheck am besten zum Reden brachte. Mürbe war er noch nicht. Auch die Aussicht auf ein paar Wochen Gefängnis wegen Schwarzhandels schreckte' einen so abgebrühten Burschen wie Nuscheck nicht. Wenn es sein muß, nahm er sie eben in Kauf. Anders verhielt es sich bei Mord. Damit wollte keiner etwas zu tun haben, weil jeder genau wußte, welche Strafe darauf stand.

Soweit Eyrich es beurteilen konnte, schien Nuscheck an den beiden Morden nicht direkt beteiligt zu sein. Er vermutete aber, daß er die Täter und wahrscheinlich auch die nähe­ren Umstände kannte.

Eyrich hatte nun so kalkuliert: In jeder Kette gab es schwache Glieder, und Nuscheck war schwach. Trotz der Schnoddrigkeit hielt er ihn für einen nicht sehr widerstandskräf­tigen Typ. Deshalb hatte er ihn festgenom­men, zumal die Gefahr bestand, daß er in Kürze auf Nimmerwiedersehen verschwand. Eine Handhabe hierzu hatte ja sein Schwarz­handel geboten. Nun kam es darauf an, ihn zu-m Reden zu bringen . . .

Wer dieser Fritz Bankin sein mochte? Ein harmloser Freund? Kaum! Ein Nuscheck hatte keine harmlosen Freunde. Dessen Mie­nenspiel und einsetzende Unruhe hatten ihm genügend verraten, daß es mit diesem Mann irgendeine Bewandtnis haben mußte.

Wenn es der Fall war, hatte sich seine Vor­sicht bezahlt gemacht. Schon vor einer Woche hatte er sich die Genehmigung eingeholt, Nu- schecks Post zu überwachen. Als er am Mitt­woch von Meersburg zurückkam, fand er eine für Nuscheck bestimmte Ansichtskarte aus Friedrichshafen auf »einem Schreibtisch vor, die eigentlich nichts Verdächtiges enthielt. Grüße und die Mitteilung, daß leider nur ein Teil erledigt worden sei und deshalb Nach­richten erwartet würden. Unterschrift: Dein Freund Fritz, Absender F. Bankin, Friedrichs­hafen, Werftgasse 17. Zunächst dachte er an einen Schwarzhändler.

Um nichts zu versäumen, hatte er in Fried­richshafen nach diesem Bankin recherchieren lassen. Ergebnis: Es gab dort weder eine Werftgasse, noch einen Fritz Bankin. Und jetzt zeigte sich Nuscheck, als der Name fiel, ziemlich stark beunruhigt. Das gab zu denken. Uebrigens dumm war dieser Bankin nicht. Die Mitteilung auf der Ansichtspostkarte war ganz geschickt gemacht. Wer achtete schon auf eine Karte?

Wieder musterte Eyrich sein Gegenüber mit abschätzendem Blick. Nuscheck war mit seiner Zigarette fast zu Ende. Seiner Miene nach schien er eifrig zu überlegen. Es fragte sich nur, was? Interessant, was Redmer ihm vorher am Telefon mitgeteilt hatte. Dieser hatte in Nuschecks Ofen einen halbverbrann­ten Expreßgut-Abschnitt entdeckt, auf dem noch der StempelTauschzentrale Frankfurt zu entziffern war.

Sie bezogen also ihre Schwarzhandels- Waren aus dieser Frankfurter Tauschzen­trale? überfiel er den völlig unvorbereiteten Nuscheck plötzlich.

Wat? murmelte dieser entgeistert.

Nim spielen Sie nicht den Dummen, Mann, fuhr Eyrich ihn an.Daß Sie schwarz­handelten, wissen wir. Von irgend woher müssen Sie aber das Zeugs bezogen haben. Oder haben Sie eingebrochen?

Hatte ick jar nich nötig. Ick konnte über­all koofen. An Anjeboten mangelte et nie ... verteidigte sich Nuscheck ganz empört.

Das kann ich mir allerdings denken. Aber bezogen haben Sie aus Frankfurt!

Nee! Ick hatt mit Frankfurt jar nischt zu schaffen, wiedersprach ihm Nuscheck eigen­sinnig.

Dieses übereifrige Abstreiten weckte Eyrichs Mißtrauen erst recht. Irgend etwas stimmt hier nicht, wenn Nuscheck sich so wehrte.

Wer waren denn Ihre Lieferanten?

Det is Jeschäftsjeheimnis! Ick verpfeife keenen, bin doch keen Achtjroschenjunge, wich Nuscheck hastig aus.

Aha, sehr schön, höhnte Eyrich und fügte mit erhobener Stimme hinzu:Nun will ich Ihnen mal was sagen. Ob Sie es ableugnen oder nicht. Tatsache ist, daß Sie aus Frankfurt

Expreß-Sendungen erhielten. Was drin war,: wissen Sie und ich. Manchmal kam auch Ihr Herr Lieferant selbst, dann brachten Sie ihn sofort in Ihr Zimmer, nachdem Sie die schwere Maschine, die er fuhr, versorgt hatten. Er erschien immer erst nach Einbruch der Dunkelheit, weü er nicht gesehen werden wollte. Er blieb ein paar Stunden und ver­schwand wieder, wenn Sie sich überzeugt hatten, daß draußen die Luft sauber war. Stimmt das oder stimmt das nicht?

Det stimmt nich . . .

Gut, wie Sie wollen, Nuscheck! Aber glauben Sie nicht, daß Sie durch das Leugnen Ihre Lage verbessern. Im Gegenteil, es be­weist nur, daß Sie in Dinge verwickelt sind, die viel schwerwiegender als der ganze Schwarzhandel sind. E|ord, Einbruch und Hehlerei! Nuscheck, ich warne Sie! Ich bot Ihnen eine Chance. Gestehen Sie, seien Sie vernünftig . . . noch haben Sie Zeit!

Ick hab' nischt zu jestehen . . . Erledigt, schnaubte Eyrich böse, um gleich darauf erneut loszulegen:Wo waren Sie Sonntag? Wann haben Sie Ihr Zimmer ver­lassen? Wo sind Sie hin? Was haben Sie ge­trieben? Raus mit der Sprache! Jetzt will ich alles genau von Ihnen erfahren, auf die Minute, und wehe, wenn Sie mich belügen... Das schrille Klingeln des Hauptapparates unterbrach Eyrich. Aergerlich über die Störung griff er nach dem Hörer und nannte seinen Namen.

Was? Tübingen? rief er überrascht. Dann nach kurzem Ueberlegen setzte er hinzu: Umlegen auf Zimmer 12. Ja, ich will selbst sprechen . . .

Er erhob sich behende von seinem Sessel, tauschte mit dem Protokollführer einen schnellen Bilde und lief aus dem Zimmer.

Nebenan arbeiteten die beiden Kriminal­sekretäre Bauer und Irving, die sich für das Kreuzverhör bereithielten. Eyrich verstän­digte sie rasch und wies besonders auf den Sonntag hin. Während die beiden Beamten zu Nuscheck gingen, nahm Eyrich den Hörer ab und meldete sich.

Guten Tag, Herr Kollege ... ja, ich bin es selbst . . . fing er an. Aber schon nach den ersten Worten, die der Tübinger Beamtei sprach, spannte sich Eyrichs Miene. Er hörte mit steigendem Interesse zu.

Das Bild des Toten gab ihm einen Schock ..." rief er erregt.Er verwickelte sich in Widersprüche . . . Wie, eine Narbe, eine Schramme an der linken Schläfe? Ich würde Vorschlägen, Sie lassen ihn mit dem nächsten Zug hierher überführen. Es wäre das Beste. Ganz Ihrer Meinung, keine Fesselung, In diesem Fall ist es nicht not­wendig. Das Protokoll schicken Sie mit dem Begleiter. In Ordnung, vielen Dank!

Sehr nachdenklich legte Eyrich den Hörer auf. Für einen Augenblick starrte er wie ab­wesend zum Fenster. Seine zweite Theorie . . . ging es ihm durch den Kopf. Welche die richtige war . . . Komplicenmord oder Eifer­suchtstat?

Er fuhr sich mit der Hand über die Stirn und stand auf. Frankfurt fiel ihm wieder ein. Er ließ sich mit der Polizeifunkstelle ver­binden und gab Auftrag, bei der Polizei­direktion Frankfurt genaue Auskünfte über die dortige Tauschzentrale einzuholen.

Bitte dringend . . .* fügte er abschließend hinzu-

*

Jakob Melchert hatte sich, nachdem er den Zoll hinter sich hatte, mit dem Wagen zum Bahnhof fahren lassen. Jetzt stand er vor dem Portal auf dem Bürgersteig, um auf Sibylle zu warten.

Ei waren aber bereits zwanzig Minuten über der vereinbarten Zeit. Ob sie kam? Ihr Brief hatte ihm einen Schock verursacht, denl er noch nicht überwunden hatte. Er ant­wortete mit einem Telegramm. Es war aber fraglich, ob man dieses als Telegramm bestellt hatte. Und wenn Sibylle nicht kommen wollte?. Wieder diese quälenden, bohrenden Zweifel, die ihn Tag und Nacht verfolgten, die ihm Schlaf und Ruhe raubten und ihn mit einer nervösen Unrast erfüllten, daß er an nichts anderes mehr denken konnte.

Deshalb hatte er sich zu dieser Reise ent­schlossen, zu seiner Rückkehr . . .

Er blickte erneut auf die Armbanduhr, überlegte, ob er im Haus anrüfen sollte. Aber vielleicht wurde die Leitung überwacht. Nein, besser nicht. Sein Blick streifte über die ihm entgegenkommenden Menschen. Die Meers­burger Fähre mußte längst in Staad sein. Die nächste folgte erst in einer halben Stunde . . .

Zögernd nahm er seinen kleinen Handkoffer auf und setzte sich in Richtung Stadtmitte in Bewegung. Sein Weg war zur Polizei. Es fiel ihm schwer, doppelt schwer, nachdem er Sibylle nicht mehr gesprochen hatte. Nun mußte es eben so sein.

12 .

Stefan Redmer langweilte sich. Er saß auf dem einzigen Stuhl in Nuschecks Zimmer und blätterte verdrossen in einer alten illustrier­ten Zeitung. Sein Begleiter, der zweite Beamte, der mit ihm die Zimmerdurchsuchung durch­führte, hatte ihn bereits vor mehr als einer Stunde mit Nuschecks Koffern und dem Expreßgut-Abschnitt verlassen. Nun wartete er darauf, daß man ihn ablöste.

Die Zeit verstrich langsam. Wenn es nach Redmer gegangen wäre, hätte er an Nuschecks Vernehmung teilgenommen. Er war über­zeugt, daß Nuscheck allerhand zu erzählen hatte. Es fragte sich nur, ob er es tat.

Nach einer Weile legte Redmer die Zeitung beiseite, gähnte, sprang plötzlich auf und reckte sich. Dann trat er zum Fenster und warf einen Blick auf die Straße. Da klopfte es an der Tür.

Redmer riefHerein!" und ging zur Tür. Als sie geöffnet wurde, sah er sich überrascht einem Mann gegenüber, der ihn mißtrauisch musterte, ins Zimmer hereinkam und die Tür' hinter sich schloß.

Was machen Sie denn hier? fragte er Redmer schroff.

Ich warte . . .

Der Fremde erwiderte zunächst nichts, ging schweigend an Redmer vorbei zum Fenster und blickte auf die Straße. Dann wandte er sich um und fragte:

Auf was warten Sie? Wollen Sie Ware? Redmer nickte. Er hatte sich wieder gefaßt. Anscheinend hielt ihn der Mann für einen Kollegen Nuschecks.

(Fortsetzung folgte