Sette 3 — Nr. 148
Nagolder Tagblatt „Der Gesellschafter"
Doauerstag, 23. Jaul 1927
und Staatswaldungen in den Distrikten Gschwein, Kerben- han Abt. 5 und Kronenwirts Mahd. Die Menge des Baumschadens dürfte in den Staatswaldungen etwa 1060 Festmeter und in den Gemeindewaldungen etwa 350 Festmeter betragen.
Tübingen. 22. Juni. Von der Universität. Am zv. d. M. wird auf Vermittlung des Hochschulrings Deutscher Art der frühere Reichskanzler Dr. Luther im Museum sprechen.
Pfrondorf OA. Tübingen, 22. Juni. Brand. Hier ist die Scheuer des Landwirts Jakob Frank, die bereits Heu von der neuen Ernte enthielt, abgebrannt.
Vildbad. 22. Juni. Rosen fest. Am kommenden Samstag, den 25. Juni, findet in den Räumen des Kurhauses das diesjährige Rosenfest mit Ball statt.
Ulm, 22. Juni. Keine Stadt- und Münsterbeleuchtung. Die für 6. August vom Verein für Fremdenverkehr geplante Beleuchtung muß ausfallen, weil che Damm- und Wegebauarbeiten am rechten Ufer eingestellt sind und bei dem jetzigen Zustand die Aufstellung von Zuschauern daselbst unmöglich ist. Eine Verschiebung auf September ist in Aussicht genommen.
Wegen Brandstiftung wurde die Witwe Kreszentia Huber von Rottenacker OA. Ehingen zu 3 Jahren Zuchthaus und 3 Jahren Ehrverlust verurteilt.
Urach, 22. Juni. Wasserversorgung. Nachdem in den Gemeinden Glems und Neuhausen Hauswasserleitungen zurzeit eingerichtet werden, ist im Bezirk Urach nur noch die Nachbargemeinde Riederich nicht im Besitze einer Wasserleitung. Neuerdings hat sich nun auch diese Gemeinde zur Erstellung einer Wasserleitung mit einem Kostenaufwand von rund 100 000 -K entschlossen. Der Hochbehälter ist schon im Bau bearissen.
Telknang, 22. Juni. Maikäfervertilgung. In der Stadt Tetknang sind in der diesmaligen Maikäferflug- zeik zusammen 2641 Liter Maikäfer abgeliefert worden and zwar 1599 Liter pflichtgemäß und 1042 Liter freiwillig. Gegen das letzte Flugjahr 1924 bedeutet dies eine sehr erhebliche Abnahme, denn damals wurden 7074 Liter Maikäfer (2211 Liter Pflichtmenge und 4863 Liter freiwillig) abgeliefert.
Von der bayrischen Grenze. 22. Juni. Mit Roß und Wagen in die Donau. Ein schwerer Unfall ereignete sich aus der Donau bei Bertoldsheim. Ein Bierfuhrwerk sollte auf der Fähre über den Strom geletzt werden. Die Pstrde wurden unruhig, stürzten in das Wasser und rissen den Wagen mit der Ladung in die Fluten. Der Knecht konnte sich retten, während die Pferde ertranken und samt dem Fuhrwerk von den Wellen fortgerissen wurden. — S ch w e r e r U n s a l l. Am sogenannten Spitalberg bei Otto br; reu stürzte der auf der Heimfahrt befindliche 'Geschäftsreuende Anton Zänker aus Memmingen von seinem Fahrrad. Dabei erlitt er eine schwere Gehirnverletzung, an der er nachts starb.
Aus StadtuudLand
Nagold. 23. Juni 1927.
E alte Kuah vergißt, daß se au e Kalb xwea ist.
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Menftuachrichteu
Ihre 2. Dienstprüfung haben bestanden und sind zur ständigen Anstellung an evang. Volksschulen für befähigt erklärt worden: Dittus Gottlob von Wart OA. Nagold, Essig Hermann von Nagold, Huber Ernst von Oberbrändi OA. Freudenstadt, Klenk Gotthilf von Grömbach OA. Freudenstadt, Möhrle Friedrich von Tonbach OA. Freudenstadt, Schönthaler Ernst von Feldrennach OA. Neuenbürg, Schüler Jakob von Dietersweiler OA. Freudenstadt.
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Sonderzüge
Anläßlich des Musikfestes in Altensteig, an dem sich auch, wie aus dem Anzeigenteil zu ersehen ist, der hiesige Musikverein .Concordia" beteiligen wird, sind von der Eisenbahnverwaltung folgende außerfahrplanmäßige Züge genehmigt worden: Na- gow Bhf. ab 6.05, Nagold-Stadt ab 6.14, Rohrdorf ab 6.28, Ebhausen ab 6.36, Berneck ab 6.48, Altensteig an 6.53. Altensteig ab 18.40, Berneck 18.46, Ebhausen 18.59, Rohrdorf 19.07, Nagold-Stadt 19.23, Nagold Bhf. an 19.31. In Anbetracht des voraussichtich sehr großen Andranges zu den
Morgenzügen, wird es gut sein, und dieser Wunsch ist auch schon von Seiten der Eisenbahnverwaltung ausgesprochen worden, die Sonntagskarten bereits am Samstag Abend zu lösen. Es liegt dies nur im Interesse jedes einzelnen, da er sich hierdurch Unannehmlichkeiten ersparen kann.
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Das Barfutzgehen. Kinder, die barfuß gehen dürfen, find zu beneiden, weil sie damit einen außerordentlichen Gesundheitsschutz erwerben. Die Gesundheit des Zentralnerven, systems (Gehirn und Rückenmark) hängt zu einem großen Teil von der Zuleitung der normalen Reize ab. Die Sonnen- strahlen z. B.. die auf der Haut jenes wohlige Gefühl der Wärme erzeugen, das kalte Wasser, dessen belebende Wir- kung beim Baden, bei der Abwaschung besonders nach stärkeren Anstrengungen so deutlich zu spüren ist, üben auf die Hauptnerven einen fühlbaren Reiz aus, der dann weiter nach Gehirn und Rückenmark geleitet wird. Solche Reiz« braucht das Nervensystem, und es kann daher nicht seine normale Kraft bewahren, es muß erkranken, wenn ihm die naturgemäßen Reize nicht zugeleitet werden. Bor allem gibt es für die Kopfnerven kein besseres, ableitendes, beruhigenderes Mittel, als das Barfußgehen. Es geht sich weit leichter barfüßig als beschuht, und man wird nach einem Barfußmarsch trotz geringer Anstrengung einen regeren Appetit verspüren und besser verdauen, als nach einem Marsch mit Schuhen und Strümpfen. Der Fuß ist das in der naturgemäßen Pflege am meisten vernachlässigte Glied am menschlichen Körper und den wohltätigen Einwirkungen von Luft, Licht und Sonne das ganze Jahr, bei vielen sogar das ganze Leben hindurch, sorgfältig entzogen.
Anfallfürsorge für Reichsbsamke. Leim Reichst^ wird ein Gesetzentwurf eingebracht, der die Unfallsürsorge für die Reichsbeamten wesentlich verbessern wird. Die Unfallfürsorge wird künftig jeden Unfall im Dienst erfassen. Weiter ist beabsichtigt, unter grundsätzlichem Festhalten an dem Unfallruhegeld von 66?4 v. H. des ruhegehaltsfähigen Diensteinkommens, insofern nicht nach der Zahl der Dienstjahre bereits eine höhere Pension in Betracht kommt, die Unsall- pension dadurch zu verbessern, daß zu dieser Pension ein Zuschlag von 20 v. H. des Diensteinkommens — im ganzen aber nicht über 80 v. H. hinaus gewährt wird, falls bereits nach den Dienstjahren ein 46 v. H. des Diensteinkommens übersteigender Ruhegehalt verdient ist. Auch das Unfallwitwengeld soll erhöht werden. Es ist beabsichtigt, dem Gesetz hinsichtlich der Festsetzung von Ruhegehalt und Hinter- bliebenenfürsorge rückwirkende Kraft zu geben.
ep. Die evangelische Journalistik als Wissenschaft. Der Direktor des evangelischen Preßverbandes für Deutschland in Berlin-Steglitz Lic. A- Hindere?, unser schwäbischer Landsmann, bekannt als Gründer und erster Geschäftsführer des Evang. Presseverbandes für Württemberg, wurde soeben zum Honorarprofessor in der theologischen Fakultät der Universität Berlin ernannt. Man wird hierin eine erneute Anerkennung der Bedeutung wie der zeitungs- kundlichen Arbeit überhaupt, so auch -er in einer zukunftsreichen Entwicklung begriffenen wissenschaftlichen evangelischen Journalistik erblicken dürfen. Lic. Hinderer hat seit dem Jahre 1925 einen Lehrauftrag für evangelisches Pressewesen an der Universität Berlin.
Aus aller Welt
Verbandskagung der deutschen Tierschuhvereine. Vom 8. bis 11. Juni ds. Js. hielt der Verband der Tierschutzoereine des Deutschen Reiches in Darmstadt seine 18. Versammlung ab. Der Vorsitzende des Verbands, Otto Hartmann- Köln, leitete trotz seiner 85 Jahre die Verhandlungen mil großer Geschicklichkeit und Ausdauer und wurde mit den bisherigen Vorstandsmitgliedern für die nächsten zwei Jahre wiedergewählt. Die Hauptverhandlungen galten einer humanen Schlachtviehtötung. Nach Vorführung der Tötungsarten, besonders auch des Schlachtens nach jüdischem Ritus, im Schlachthof wurde der Antrag angenommen, den Vorstand zu beauftragen, alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um im Deutschen Reich die Betäubung aller Schlachttiere zu erreichen. Die Besprechungen der den Tierschutz betreffenden Paragraphen des neuen Strafgesetzbuchs ergab, daß den Tieren auch diesmal kein genügender Schutz gewährleistet wird. Ueber die Behandlung und Pflege der Zugpferde soll ein Merkblatt herausgegeben werden. Der Vorstand des Württ. Tierschutzoereins, General Freiherr v. Soden, wies auf die wertvolle Arbeit der Reit- und Fahrvereine hin und empfahl die Zusammenarbeit mit denselben. Universitätsprofessor Dr. H. Kraemer von Gießen
Onkel Drascho prüfte noch einmal den Wagen, schaute auch seinen Stoitscho an, der noch ein junger Bursche war, und meinte väterlich: „Stach die Augen aus, daß nichts passiert, daß Ihr gut hinkommt. So, jetzt! Fahrt!" — Stoitscho zog am Halfter und bekreuzigte sich. Dann ging es los.
Jana küßte den Schwiegereltern die Hand und folgte dem Wagen, der von Sen Alten unter Segenswünschen und dreihundert Grüßen an Gevatter Milen hinausgeleitet wurde. Lautlos glitt der Wagen durch die engen Straßen und hielt hinter dem Dorfe. Dort stiegen beide auf und setzten sich ins weiche Heulager. Stoitscho trieb die Ochsen an, und der Wagen fuhr ratternd davon, als erzählte er den Jungen irgend etwas.
Vom Himmel leuchteten tausend Sternchen und sandten Sen Blick hinunter auf die dunkle Erde. Der Vollmond kam hinter Sen Hügeln herauf, lächelte etwas, sah sich einen Augenblick um und wanderte dann ruhig hinter den Sternen her. wie ein junger Schäfer hinter der Herde.
Von dieser Nacht hatten Stoitscho und Jana den ganzen Tag geträumt. Allein im Wagen, auf einsamem Wege, in Dunkel und Stille! Welch größere Seligkeit könnte man sich wünschen?
Stoitscho rief den Ochsen ermunternd zu, schwenkte drohend Sen Ochsenstachel und legte seinen Arm fest um Janas ebenmäßige Gestalt.
.. „Laß, Stoitscho, man sieht uns", sagte Jana scheu und Ichmiegte sich an ihn.
^ sind nicht im Dorfe, wo man uns sieht", antwortete
und begann, ihr junges rosiges Gesicht zu streicheln. - -R- sck> Hab' gar nicht daran gedacht, daß wir auf dem
selde sind", lachte Jana.
„Gevatter Milen ist ein fröhlicher Mann. Er wird uns empfangen wie König und Königin", fing Stoitscho an zu träumen. "
L'" Geschenk er mir wohl zugedacht hat?" „Und die Gevatterin! Kein Auge würde sie vor Unged Zutun die ganze Nacht, wenn sie wüßte, daß wir kommen."
..Morgen m aller Frühe werden wir auf einmal erschei und sie ein wenig aus der Fassung bringen."
die Händ^ ^ 3^ude wird das sein!" klatschte Jana
..Gevatter Milen ist ein gastlicher Mann, was für W wird er auftischen!" sagte Stoitscho aus tiefem Herzen, l'eb" N ' ins Trinken!" schalt ihn I,
^ ."Aana komm mir nicht mit diesen Sachen, sonst Küste ich ymv tot!
»Schau ihn einer an! Das ckiebt Dir ähnlich."
„Eh. wart' ein bißchen und schau! Sieht es mir nicht ähnlich?"
„Nicht doch, ach, Stoitscho, was bist Du für einer, mein Kopftuch hast Du zerdrückt."
„Mach keinen Lärm!"
„Schau ihn einer an, — und ich soll schweigen?"
Im Wagen ertönte Lachen und Kichern, und es begann ein fröhliches, ausgelassenes Ringen.
Hier gab es keinen alten Schwiegervater, Ser hustete, noch eine eifersüchtige Schwiegermutter, die horchte.
Bald verschwand das weiße Kopftuch Janas im Wagen, und sanft senkte sich der lange Ochsenstachel.
Alles wurde still.
Die jungen Ochsen blieben mitten auf dem Wege ruhig und sorglos stehen. Sie trieb kein anspornendes Wort, noch fuhr der lange Ochsenstachel unruhig über ihnen hin und her. So standen sie und dachten... Dann legten sie sich mit dem Joche nieder und kauten gleichmütig und behäbig wieder.
Der blasse Mond lächelte listig am Himmel und flüsterte den ruhelosen Sternchen etwas in seiner Sprache zu. Sie zwinkerten sich zu und schauten lange hinunter auf die Erde, bis der Morgen nahte.
Golden ging die Sonne im Osttm auf, sandte ihre wärmenden Strahlen nach allen Seiten und liebkoste den Wagen, der immer noch unbeweglich mitten auf dem Wege stand. Befriedigt von der Rast, lagen die Ochsen da und kauten wieder. Stoitscho fuhr aus und zupfte Jana.
„Jana, die Sonne steht am Himmel!"
Jana erwachte, blickte sich scheu um und klatschte in die Hände.
Ein herzliches, gemeinsames Gelächter schallte sorglos und ausgelassen über das weite Feld.
Ein seltsamer Stzei-ungsgrund.
Der Polizeikommissar im Grandes-Carriöres-Mertel von Paris erhielt kürzlich den Besuch einer jungen Frau, die ihm erklärte, sich von ihrem Manne scheiden und mit ihren Kindern zu ihrer Mutter nach Rueil zurückkehren zu wollen. Als Anlaß dieses Entschlusses gab sie an, ihr Mann sei vor einiger Zeit aus einer der französischen Kolonien heimgekehrt in Begleitung von 70 kleinen Krokodilen, die er trotz ihrer heftigsten Bedenken im Badezimmer untergebracht habe. Das Entsetzen Daniels in der Löwengrube sei kaum mit dem ihrigen, da» sie Tag und Nacht peinigt, zu vergleichen.
(früher an Ser Landw. Hochschule Hohenheim) sprach über Tierpsychologie und Tierschutz und zeigte, daß erst das Eindringen in das Seelenleben der Tiere volles Verständnis, Mitleid, Liebe und Gerechtigkeit für dieselben wecke und dadurch erst die richtige Grundlage für den Tierschutz schäfte. Zum nächsten Tagungsort wurde Bremen gewählt.
Schwerer An fall in einer chemischen Fabrik. Aus Hannover wird gemeldet: In der chemischen Fabrik Geerling u. Co. hat sich ein schwerer Unfall ereignet. Als ein Klempner mit der Ausbesserung eines Benzoltanks beschäftigt war, wurde er von ausströmenden Gasen überrascht und verlor das Bewußtem. Ein Chemiker, der dem Verunglückten zu Hilfe eilen wollte, brach ebenfalls bewußtlos zusammen. Genau so erging es dem zur Hilfeleistung Herbeierlenden Direktor der Fabrik. Die drei Verunglückten konnten nur noch als Leichen geborgen werden. Em werterer Arbeiter, der den Unglücklichen helfen wollte, blieb nur dadurch vom Tode verschont, daß er schon ohnmächtig wurde, bevor er den Tank erreichte.
Auf der Jagd erschossen. Aus Köslin wird gemeldet: Der Jagdpächter Dr. Blümcke und der Schmiedmeister Tietz befanden sich am Montag abend beim Dorfe Abtshagen auf der Rehbockjagd. Als beide getrennt ein Kornfeld durchpirschten, gab Tietz aus ungefähr 30 Meter Entfernung in der Meinung, einen Rehbock vor sich zu haben, einen Schuß ab, der Dr. Blümcke in die Schläfe traf. Der Verunglückte starb nach einer Stunde.
Diebe rauchen Probe. In der Nacht zum Montag wurde m der Zigarrengroßhandlung der Frau Anna Hermann im ersten Stockwerk der Senefelderstraße 1 in Berlin ein schwerer Einbruch verübt, bei dem den Tätern für 25 000 Mark Tabakwaren aller Art, darunter 50 000 Zigarre n in die Hände fielen. Sie suchten nur die wertvollsten Bestände aus, da sie von jeder Zigarrensorte zunächst Kostproben machten. Der Fußboden war mit angerauchten Zigarren bedeckt.
Das fehlende i. Heute lacht man über Druckfehler. Früher war nian aber streng in der Beurteilung solcher Versehen; denn damals hatte man noch den Handsatz, und da durfte einem gelernten Arbeiter derartiges nicht passiere«. Während des siebenjährigen Kriegs erschien in der „Leipziger Zeitung" ein politischer Leitartikel, in dem gegen diie herannahende Armee Friedrichs des Große« „Eilende Reichshülfe" gefordert ward. Dem Setzer passierte dos Versehen, das „i" auszulassen, sodaß man statt dessen „eleicke Reichshülfe" las. Setzer und Drucker mußten für mehrere Jahre ins Zuchthaus wandern. Wollte man heute so verfahren, so gäbe es wohl keine in Freiheit befindlichen Setzer mehr!
Letzte Nachrichten
Gemeinsame außenpolitische Erklärung der Regierungsparteien
Berlin, 23. Juni. Wie die „Tägliche Rundschau" meldet, ist in den interfraktionellen Besprechungen der Regierungsparteien am Mittwoch ein gemeinsames Vorgehen in der außenpolitischen Aussprache des Reichstages vereinbart worden. An die Rede des Reichsaußenminister Dr. Stresemann wird sich eine gemeinsame längere Erklärung anschließen, die die Regierungsparteien abgeben werden und die der Zentrumsabgeordnete Kaas vortragen wird. Wie das Blatt weiter wissen will, ist die Erklärung vom Mittwoch in einer gemeinsamen Besprechung festgelegt worden. Die Erklärung billigt die auswärtige Politik des Reiches. Von den Regierungsparteien wird im Laufe der Debatte nur dann noch das Wort ergriffen werden, wenn es nötig sein sollte, die Angriffe der Oppositionsparteien abzuwehren.
Zum Reichsschulgesetzentwurf Berlin, 23. Juni. Wie die T. U. in Parteikreisen erfährt, ist der Reichsschulgesetzentwurf nunmehr soweit vollendet, daß in allernächster Zeit mit der Vorlage im Reichskabinett zu rechnen ist. Ueber den Inhalt des Entwurfes wird noch strengstes Stillschweigen bewahrt. Was darüber am Dienstag in einem Berliner Blatt gemeldet wurde, bestätigt sich nicht, es mutz vielmehr als unrichtig bezeichnet werden. In Kreisen der Regierungsparteien wird damit gerechnet, daß das Zustandekommen des Gesetzentwurfes nicht durch besondere Schwierigkeiten erschwert werden wird. Nach den stattgefundenen Erwägungen kann jedoch angenommen werden, daß die Regierungsparteien die Vorlage nicht als Initiativantrag anbringen werden, sondern daß den Beratungen die Vorlage der Regierung zugrunde gelegt wird.
Bor der Ueberreichung des ruffische« Memorandums an Polen Warschau, 23. Juni. Die Nachricht von der bevorstehenden Ueberreichung des russischen Memorandums au Polen wegen der anti-bolschewistischen Tätigkett der russischen Emigranten in Polen wird heute bestätigt. Wie weiter gemeldet wird, soll das Memorandum nur rein in- formatorischen Charakter tragen und nicht als 3. Note der Sowjet-Regierung an Polen anzusehen sei.
Bor der Auflösung des polnischen Sejms Warschau, 23. Juni. Von authentischer Seite wird mitgetetlt, daß die Regierung fest entschlossen sei, den Sejm im Zusammenhang mit der Annahme des Selbstauflösungsgesetzes noch in dieser Woche aufzulösen. Gewisse Bedenken hegt allein der Staatspräsident. Man glaubt jedoch, daß er Pilsudski werde nachgeben muffen.
Das «eue rumänische Kabinett Berlin, 23. Juni. Nach einer Morgenblättermeldung aus Bukarest hat die neue Regierung Bratianu gestern mittag den Eid in die Hände des Königs abgelegt. Bratianu selbst hat den Posten des Ministerpräsidenten und das Außenministerium übernommen. Die Regierung beabsichtigt die Neuwahlen um 14 Tage zu verschieben.
Ein Deutscher in Schanghai zu Gefängnis vernrteilt Schanghai, 23. Juni. Von dem hiesigen gemischten Gericht ist der Kaufmann Harrendorf wegen einfachen Betruges in 4 Fällen zu 6V- Jahren Gefängnis verurteilt worden. Eine wettere Anklage wegen Urkundenfälschung wurde fallen gelassen.