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Naaoider TaadlattDer <8e,eüschaf1er"

Dienstag, 21. Juni 1 S 2 ?

Zur Bekundung dieser Gemeinschaft bat der'Präsident um zahlreiche Beteiligung an der diesjährigen Tagung des Gustao-Adolf-Vereins in Graz in Steiermark. Von Bischos Poelchau-Riga und vom Konsistorium der evangelischen Kirche Litauens wurden herzlich gehaltene Begrüßungstelegramme verlesen. Aus Danzig ist ein Schreiben an das Präsidium des Kirchentages eingelaufen, in dem der Senat mitteilt, daß er den Kirchentag am Schluß seiner diesjährigen Tagung in der Freien Stadt Danzig begrüßen werde.

Sparkassenaufwertung mindestens 12)4 v. h.

Berlin. 20. Juni. Im Unterausschuß des Rechlsaus- schusses des Reichstages erklärte der R e i ch s m i n i st e r d e r I u st i z ch e r g t zur Frage der Sparkassenaufwertung: In Verhandlungen mit den Ländern haben diese sich durchweg bereit erklärt, die gesamte Teilungsmasse der Sparkassen zugunsten der Spargläubiger zu verwenden. Auf dies« Weise ist gewährleistet, daß die Spargläubiger, soweit entsprechende Masse vorhanden ist, eine Aufwer­tungsquote über 12)4 o. ch. erhalten. Die Länder sind ferner in der übergroßen Mehrzahl bereit, dafür Sorge zu tragen, daß jede Sparkasse den Mindestsatz von 12)4 v. ch. aus eigener Kraft oder durch Heranziehung der Garantien aufbringt. Nur einzelne Länder haben geglaubt, sich Vor­behalten zu müssen, e- - ^ ->" Sparkchien zw-cks

Erhöhung des Aufwertungssatzes aus 12)4 v. ch. einen Teil der Ueberschuhbeträg« auf 12)4 v. ch., die bei anderen Kassen sich ergeben, zuzuwenden. In den übrigen Ländern wird der Ueberschußbetrag über 12)4 v. ch-, der bei den einzelnen Sparkassen sich ergibt, nicht zur Auffüllung des Aufwer­tungssatzes aus 12)4 v. ch. bei leistungsschwachen Sparkassen, sondern zur Erhöhung des Ncrmalsatzes von 12)4 v. ch. und zugunsten der Spargläubiger verwendet.

Tagung des Vereins Deutscher Zeilungsoerieger

Dresden. 20. Juni. Die diesjährige Tagung des Ver­eins Deutscher Zeitungsverleger (Herausgeber der Deut­schen Tageszeitungen) wurde mit einem Festakt im großen Saale des Bereinshauses in der Zinzendorfstraße eröffnet. Nachdem die Sächsische Staatskapelle unter Leitung des Generalmusikdirektors Fritz Busch das Meistersinger-Vorspiel zu Gehör gebracht hatte, nahm der Vorsitzende des Vereins Deutscher Zeitungsverleger, Kommerzienrat Dr. Krumb­haar - Liegnitz das Wort zur Eröffnungsansprache.

Deutschland und die Mandatskommission

London. 20. Juni. Ein französischer Berichterstatter des Daily Telegraph" meldet aus Genf: Es wird nicht daran gezweiselt, daß das deutsche Ersuchen um einen Sitz in der Mandatskommission imSeptember erfüllt werden wird, da Chamberlain am Donnerstag in einer nichtöffent­lichen Sitzung des Rates erklärte, er hoffe, die Mandats­kommission werde die Zulassung des deutschen Delegierten billigen. Da bekannt war, daß die britischen Dominien gegen eine solche Maßnahme waren, herrschte Ueberraschung über die Plötzlichkeit dieses Schrittes.

Die Mandatstommission trat heule vormittag zu ihrer ordentlichen Tagung unter Borsitz des Italieners Theodoli zusammen. Zu Beginn der Sitzung legte der Präsident der Kommission ein Schreiben des Generalsekretärs des Völker­bundes vor. In dem Schreiben wird sodann die Mandats­kommission gebeten, aus ihrer gegenwärtigen Tagung zu der Einräumung eines Sitzes an Deutschland Stellung zu nehmen. Der Antrag des Rates wurde auf die Tagesord­nung der Mandatskommission gesetzt, icherbei betonte jedoch der eGnfer Unioersitätsrektor Rappard, daß die Mitglieder der Mandatskommission nicht Vertreter ihrer Regierungen seien, sondern der Kommission ausschließlich in der Eigen­schaft als Sachverständige angehörten. Nach kurzer Dis­kussion wurde beschlossen, in den weiteren Verhandlungen auch die Frage der Kompetenzen der Kommission zu er­örtern. Hierzu liegt ein Schreiben der englischen Regierung vor, in dem eine genaue Begrenzung der Kom­petenzen der Mandatskommission gefordert wird. Fer­ner wird eine Prüfung der Souveränitätsrechte der Man- chatsmächte in den Mandatsgebieten verlangt.

Line neue Hetzrede Poincares

Paris, 20. Juni. In Luneville wurde gestern ein Kriegerdenkmal in Anwesenheit des Ministerpräsidenten Poincare enthüllt. Die Rede, die Poincare hielt, läßt die Erinnerung an das Jahr 1323, als Sonntag um Sonntag Poincare Reden ähnlichen Inhalts hielt, lebendig werden. Er führte u. a. aus: Frankreich hat spontan dem Besiegten die Hand gereicht, jedoch unter einer Bedingung, daß man nicht versucht, ihm seinen Sieg streitig zu machen. Wer, seitdem der Friede proklamiert wurde, ihn gestört hat, das ist gewiß nicht der schlechte Wille Frankreichs. Frankreich hat niemals außerhalb der Verträge oder über die Verträge hinaus etwas gefordert; es fordert nur die Sicherheit seiner Grenzen und Reparationszahlungen. Poincare fuhr als­dann fort: In Locarno wie in Genf hat Frankreich, glaube ich, ziemlich offenkundige Beweise seines friedlichen Willens gegeben, aber warum hat Deutschland vor zwei Wochen ostentativ nach Lissabon ein Kriegsschiff entsandt, das noch dazu den NamenElsa ß" trägt? Warum lassen andererseits hohe deutsche Finanzautoritäten bereits jetzt durchblicken, daß in 2 Jahren Deutschland eine Revision des Dawesplanes fordern und nicht mehr die vorgesehenen Zah­lungen leisten werde. Sind das wirklich hinsichtlich der beiden Fragen, die Frankreich für vital halten muß, Worte der Klugheit und der Versöhnung? Wenn Deutschland uns offen sagen würde, auf Elsaß-Lothringen, das ich euch 1871 gewaltsam entrissen habe und das einmütig gegen die Annektion protestierte, verzichte ich und werde nicht ver­suchen, es euch durch eine neue Gewaltat, noch durch List» noch auf irgend ein« ander« Weise wieder zu nehmen; wenn Deutschland gleichzeitig endlich, wie die Botschafterkonferenz am 10. Febr. d. I. es gefordert hat, einwilligen würde, seine Polizei zu reorganisieren, die militärischen Verbände aufzu­lösen, die Arsenale und Kasernen zu veräußern, die es in Verletzung des Vertrages behält, und die Niederlegung der verbotenen Festungsanlagen zu beendigen, dann würde es der Welt Friedenspfänder geben, die jode Beunruhigung beseitigen und eine Annäherung erleichtern, die wir bis zu­letzt wünschen.

Diktator Tschangtsolin

Peking. 20. Juni. Die Einsetzung des Marschalls Tschangtsolin als Diktator fand in der Zeremonienhalle statt, in der die früheren Präsidenten eingesetzt wurden. Mar­schall Tsangtsolin legte den Eid ab und hielt eine kurze An­sprache. Später hielt der neue Diktator einen Empfang im Auswärtigen Amt ab, wozu zahlreiche Mitglieder des diplo­matischen Korps in privater Eigenschaft anwesend waren.

Berichtigung. In der Meldung über die Sitzung des Reichskabinetts, in der auch die schwebenden Zolltariffragen behandelt wurden, muß es beim Zuckerzoll richtig heißen: unter erheblicher Herabsetzung der Zucker st euer, anstatt Heraufsetzung.

Deutscher Reichstag

Das Schankstättengesetz im Reichstag

Berlin» 20. Juni.

In der heutigen Reichstagssitzung wird zunächst die Bergleichsordnung zur Abwendung von Konkursen deballe- los in zweiter und dritter Lesung angenommen und dann ein völkischer Antrag betreffend die Iunglehrernok dem Bil­dungsausschuß überwiesen. Das Haus tritt hieraus in die erste Beratung des Entwurfs eines Schankfiäktengesetzes ein, den Reichswirlschastsminjster Dr. Lurtius in längeren Ausführungen begründet, wobei er betont, daß mit dem Entwurf eine Trockenlegung Deutschlands nicht beabsich­tigt sei. Er solle nur einer übermäßigen Vermehrung der Schankstätten Vorbeugen- Abg. Frau Schulz-Westfalen (Soz.) verlangt eine gründliche Verbesserung des Entwurfs, da darin die Forderungen der Gegner des Alkoholmiß­brauchs in keiner Weise verwirklicht seien. Abg. Frau Philipp-Baden (Z.) meint, daß die Vorlage zwar nicht alle Wünsche erfülle, aber wesentliche Fortschritte im

Kampf gegen den Aikohlmißbrauch bringe. Abg. Mol- lath (W.V) erklärt, daß der Entwurf für seine Fraktion unannehmbar sei, da er ein Verschwenden der kleinen und mittleren Betriebe und eine schrankenlose Ausbreitung des Großkapitals im Gastwirtsgewerbe zur Folge hakt. Abg. Frau Arelsee (Komm.) nennt den Entwurf ein Ver­legenheitsprojekt, mit dem das Alkoholproblem nicht zu lösen sei. Abg. Sparrer (Dem.) sagt die Mitarbeit sei­ner Fraktion bei der Bekämpfung des Alkokolmißbrauchs zu und verlangt einheitliche Regelung der Polizeistunde, sowie Wegfall der Anrechnung von Trunkenheit als mil­dernder Umstand in Strafprozessen. Abg. Schirmer- Franken (B.Vp.) äußerte Bedenken gegen einzelne Be­stimmungen des Entwurfs, befürwortet aber im übrigen den Schuh der Jugend und die Bekämpfung des Alkoholmiß­brauchs- Auch Abg. Rippel (D.N) bezeichnet den Ent­wurf als geeignete Grundlage für die Verbesserung des Schankkonzessionswesens und Abg. Bickes (D-Vp.) be­grüßt ihn namens seiner Fraktion. Darauf wird im Hammelsprung mit 159 gegen 118 Stimmen die Ueber- weisung des Entwurfs an den volkswirtschaftlichen Aus­schuß beschlossen und das Haus vertagt sich auf morgen nachmittag 3 Uhr.

Württemberg

Stuttgart» 20. Juni. Weg mit der Bauland- steu er. Am Sonntag vormittag fand im großen Wulle- saal in Stuttgart eine Massenkundgebung gegen die Bauland­steuer unter Führung des chous- und Grundbesitzervereins Stuttgart statt, an der sich annähernd 40 Vereine der Land­wirtschaft, des Garten- und Gemüsebaus beteiligten. Es wurde einstimmig nachstehende Entschließung gefaßt: Die Baulandsteuer ist für die von ihr betroffenen Grundstücks­eigentümer untragbar. Es besteht damit die wirtschaftliche Gefahr einer Steigerung der Preise der notwendigen Er­zeugnisse und der Pachtzinsen. Insoweit es sich um inner­halb der bebauten Stadt liegende freie Gärten und Plätze handelt, sollte die Stadtverwaltung jeden Druck zu deren Bebauung vermeiden; sie fügt sonst unserer Stadt und ihrer Bevölkerung eine nie wieder gutzumachende Schädigung zu. Die Versammlung erwartet vom Gemeinderat baldigste Wiederaufhebung der Baulandsteuer und von Regierung und Landtag Unterstützung in dieser Angelegenheit.

Würkk- Ingenieurverein. Der Würtk. Ingenieurverein veranstaltet eine Feier aus Anlaß seines 50jährigen Be­stehens. Im Mittelpunkt der Feier steht eine Festversamm- lunq in der König-Karl-Halle mit einem Vortrag des früheren Finanzministers Dr. von Pistorius am Sonn­tag, den 26. Juni.

Jubiläum des Landesverbands der Friseurmeister. Aus Anlaß seines 25jährigen Bestehens eröffnete gestern in den Räumen der Liederhalle der Landesverband der Friseur- meisier Württembergs eine gewerbliche Ausstellung. Abends fand ein Festbankett statt.

Der am 9. Juni vom Schlichtungsausschuß Stuttgart ge­fällte Schiedsspruch, der mit Wirkung vom 13. Juni an eine Erhöhung der Wockenmindestlöhne von 3 -4l, 4.50 -K und 5 versieht, wurde von der Friseurzwaugsinnung und vom Arbeiknehmerverband angenommen.

Verleihung der Rettungsmedaille. Der Staatspräsident hat dem Gemeinderak und Feuerwehrkommandanten Wil­helm Huber in Neckarrems OA. Waiblingen die Ret­tungsmedaille verliehen.

Ein tapferer Junge. Donnerstag mittag drohte im Neckar ein Junge zu ertrinken. Ein zweiter, der ihn ret­ten wollte, sank auch mit unter. Da sprang der 13 I. a. Albert Kraukker von Cannstatt beherzt in den Neckar, rettete zuerst den Ilnkergesunkenen und brachte ihn ans Ufer. Dann sprang er nochmals hinein und holte auch den zweiten heraus. Er stellte bei beiden Wiederbelebungsversuche an» die von Erfolg waren.

Friedrich Fröliel» der Begründer der Kindergärten.

iZu seinem 75. Todestage am -21. Juni.)

Äon Professor 0r. Gerhard Budde.

Aus den IVO. Todestag Pestalozzis im Februar Vieles Jahres folgt jetzt, am 21. Juni, der 75. Todestag Friedrich Arti­kels. den die Geschichte der Pädagogik mit Recht neben Pesta­lozzi stellt. Mit diesem teilt er die glühende Liebe zu den Kin­dern, mit ihm stellt er als das Ziel der Erziehung die Entfal­tung der Kräfte und Anlagen des Menschen hin, mit ihm er­kennt er die Anschauung als Grundlage der Erkenntnis. Aber er sieht das Kind nicht nur als ein wahrnehmendes, sondern auch als ein darstellendes, schassendes, selbsttätig gestaltendes Wesen an. Und zwar ist auch schon das noch nicht schulpflichtige Kind ein solches Wesen; deshalb mutz auch schon dieses in be­sonderen Anstalten eine seiner Eigenart und seinen Kräften entsprechende Erziehung erhalten, die eine harmonische Ent­wicklung nach allen seinen Lebensbeziehungen gewährleistet. Das ist der Grundgedanke, dem der Kindergarten Fröbels seine Entstehung verdankt.

Friedrich Fröbel wurde zu Oberweißbach im Fürstentum Rudolstadt im Jahre 1782 geboren. Ursprünglich zu einem praktischen Berufe bestimmt, begann er nach einem zweijähri­gen Studium in Jena, sich mit dem Problem der Erziehung zu beschäftigen und sich auch einer Lehrtätigkeit zuzuwenden. Er war als Lehrer an der Musterschule in Frankfurt a. M. tätig, ging, nachdem er mit Pestalozzis Ideen bekannt geworden war. nach Isferten, wo er zwei Jahre lang mit Pestalozzi zusammen- wirkte, nahm im Lützow'schen Korps an den Freiheitskriegen teil, gründete zu Keilhau in Thüringen eine Erziehungsanstalt, wurde 1835 von der Schweizerischen Regierung als Direktor des Waisenhauses nach Burgdorf berufen, wo er die Spiel- und Be- schäftigmigsmittel für die Jugend zusammenzustellen begann, kehrte 1840 nach Deutschland zurück und erössnete in Blanken­burg in Thüringen die erste Kleinkinderschule, der er den Namen Kindergarten" gab, und starb 1852 in Marienthal bei Eisenach.

Als Begründer der Kindergärten ist Friedrich Fröbel in aller Munde. Dieses Werk war aber nur ein Ausschnitt aus einem viel weiteren Streben, dem eine eigentümliche Lebens­anschauung zugrunde lag. Das erkannte man aus Fröbels HauptschriftDie Menschenerziehung", die er 1826 in Keilhau verfaßte.

Der Mensch ist aus der Erde erschienen, um sich seines Wesens klar bewußt zu werden. Er ist ein Teil des Gesamt- ledens. Jedes Einzelwesen ist hervorgegangen aus dem ewig in sich selbst ruhenden Sein; dieses ist Gott. In Gott ist der einzige Grund aller Dinge. Das Ziel der Menschheit ist:Dar­stellung des Ewigen im Zeitlichen, des Bleibenden im und am Vergänglichen, des Himmlischen im Irdischen, des Seins im Leben, des Göttlichen im Menschlichen". Die Erziehung hat nun die Ausgabe, den Menschen dahin zu führen, daß er diese seine Bestimmung erreicht. Diese Ausgabe kann sie nur lösen, wenn sie dafür sorgt, daß der Mensch von seinem ersten Erscheinen an. also schon auf der Stufe der Kindheit, sreitätig und un­gehemmt sein Wesen wirken, die in ihm ruhende Kraft zur Entfaltung bringen kann. Wenn die Entwicklungsmöglichkeit des Menschen der in ihm wirkenden Urkraft entspricht, dann lebt er naturgemäß und glücklich. ..Allseitig« Entwickelung von

innen und außen" war das eigentliche Ziel der Pädagogik Friedrich Fröbels, die durchaus folgerichtig aus seiner gesamten Weltanschauung erwachsen war. Ihre Grundidee lautet: Um­fassende Pflege des kindlichen, überhaupt des menschlichen Tätigkeitstriebes.

Dieses Ersetz ist auch schon bei der frühesten Kindererzie­hung zu beachten. Das Kind hat Beziehungen nach drei Rich­tungen: zur Natur, zur Menschenwelt und zu Gott. Wenn keine von diesen vernachlässigt wird, dann findet im Kinde eine allseitige Lebenseinigung statt. Es ist zu spät, erst mit Beginn des schulpflichtigen Alters auf dies Ziel hinzuarbeiten. Vielmehr muß schon vorher, etwa vom dritten Lebensjahre an, mit einer planmäßigen Pflege der drei Beziehungen begonnen werden. Das kann aber nur in einer besonderen Erziehungs­anstalt geschehen. Dieser galt nunmehr Fröbels ganzes Sinnen und Trachten. An einem Frühlingstage des Jahres 1840 wandelte er mit seinen Freunden von Keilhau nach Blankenburg und rief oben auf der Höhe desSteigers" im Anblick des vor ihnen liegenden sonnigen lieblichen Rinnetals, das sich weit vor ihnen ausdehkite, plötzlich in die Berge hinein:Ich hab's gefunden, Kindergarten soll sein Name sein!"

Einen Kindergarten verwalten, heißt nach Fröbel:Kinder des vorschulpslichtigen Alters nicht nur in Aussicht nehmen, son­dern ihnen auch eine ihrem ganzen Wesen entsprechende Be­tätigung geben, ihren Körper kräftigen, ihre Sinne üben und den erwachenden Geist beschäftigen, sie sinnig mit der Natur und der Menschenwelt bekannt machen, besonders auch Herz und Gemüt richtig leiten und zum Urgrund alles Lebens, zur Einigkeit mit sich, hinsühren." Dazu bedarf es planmäßig ge­ordneter Spiele und Handarbeiten. Solche hat Fröbel zusam­mengestellt. Zu den Spielen gehört: ein Kasten mit sechs ver­schieden gefärbten Bällen, ferner Kugeln, Walze, Würfel, Bau­steine etc.; zu den Handarbeiten: Stäbchenlegen. Verschränken von Spänen, Papierfalten, Flechten und Ausschneiden, Aus­stechen und Malen von Mustern etc.

Vor allem galt es, die gesamte deutsche Frauenwelt für den Gedanken zu gewinnen und für ihren Hohen Beruf zu erziehen, und zwar nicht nur die Mütter, sondern auch alle anderen, die mit der Erziehung kleiner Kinder betraut sind, also ältere Schwestern, Kindermädchen u. a. Allerdings dachte Fröbel in erster Linie an die Mutter. Jede Mutter sollte sich bewußt werden, daßin der gotteigenen Klarheit und Tiefe" desweib­lichen Gemüts als Pflegerin der Kindheit" das ganze Wohl der auskeimenden Menschheit ruht. Zu diesem Zwecke gab er den Müttern ein Familienbuch in die Hand, das seineMutter- und Koselieder" enthielt und das den Ausgangspunkt für eine naturgemäße Erziehung bilden sollte.Wer in das Innerste der Fröbelschen Idee eindringen will, der mutz sich in seine Mutter- und Koselieder" vertiefen. Hier leuchtet ihm der ganze Genius Fröbels entgegen, der unerschöpfliche, reiche Geist dieses seltenen Mannes."

Fröbels Grab auf dem Friedhofe des Dorfes Schweina bei Liebenstein trägt aus Würfel, Kugel und Walze (das waren seine drei wichtigstenSpiejgaben") ein Denkmal, das als In­schrift das Molto des von ihm eine Zeit lang kerausgegebenen Sonntagsblattes" enthält. Es lautet:Kommt, laßt uns unse­ren Kindern leben."

Ein verWgmsMer Verlust.

Humoreske von Karl Theodor Haanen- Solingen.

Der Gelehrte Isidorius Menschcnwitz hatte vor nicht langer Zeit sein sechsbändiges Standardwerk über dieFarbe der Vogelfedern im Altertum und in der Neuzeit" vollendet. Ein kraftvolles internationales Echo drang zu ihm. Selbst die neu­gegründete Universität in Marga sant efzih ernannte ihn zum Korrespondierenden Mitglied. Eine hohe Auszeichnung be­deutete es für ihn, als er von der ornithologischen Gesellschaft in Paris die Aufforderung erhielt, auf dem Weltkongreß der Vogelgelehrten über die Farbe des Spatzes zur Zeit der Völker­wanderung zu sprechen.

Nicht ohne Sorge ließ Thusnelda Menschenwitz ihren etwas weltfremd gewordenen Gatten ins Ausland ziehen. Wiederholt schärfte sie ihm ein, sich doch um Himmelswillen nicht aus dem fahrenden Zug zu lehnen und keine verletzenden Gegenstände aus dem Fenster zu werfen. Er sollte keine Bekanntschaften' anknüpsen, in Paris nur mit Hilfe von Verkehrsschutzleuten die Straßen überqueren und im übrigen auf seine Reisekasfe achten, die er wohlverwahrt, alter Sitte getreu, in einem gelben : Brustbeutel an einer weißen Schnur um den Gelehrtenhals !trug. Auf dem Brustbeutel stand etwas undeutlich und ver- blichen: Landsturmmann Menschenwitz. 2. Armierungsbataillon, 5. Kompagnie.

Der Kongreß war ein wissenschaftliches Ereignis erster Ordnung. Isidorius Menschenwitz' Vortrag begegnete größtem Interest«. Beim Festessen konnte er sogar einem ehemaligen Minister die These entwickeln, daß in einigen tausend Jahren an ganz bestimmten Stellen des Spatzengefieders rote Flecken auftreten würden.

Hoch befriedigt trat er die Heimreise an, auf der ihn das Geschick ereilen sollte, das Geschick, das ihn sorgsam und zu­verlässig durch den Trubel der Weltstadt geleitet hatte. Es war im Speisewagen. Schwankende Kellner hatten ihre Pflicht ge- -tan, man reichte dem Gast die Rechnung. Professor Menschen, iwitz stellte die Leere seiner Brieftasche fest, griff dann aber be- :ruhigt nach seinem Brustbeutel, der noch ansehnliche Teile der Reisekasse enthielt. Er tastete, klopfte, drückte, wurde fahl wie ; seine zerknüllte Papierserviette, stand auf und verschwand,

! kehrte wieder, ohne an gewohnter Stelle den geldbergenden Beutel gefunden zu haben. Er wartete, bis der Schwarm de? Gäste sich verlaufen hatte, beichtete wie ein angsterfüllte;, Schulkind dem Kellner seine Zahlungsunfähigkeit und erlangte .endlich Stundung mittels seiner goldenen Uhrkette und seiner ' Visitenkarte. Der Rest der Fahrt versank in Grübeln nach d(em verlorenen Beutel. So wie er eben noch der Gefiederfarbe der Darbarossaraben nachgegangen war. so beschäftigte er sich Tmw mit seinem merkwürdigen Geschick. -

Frau Thusnelda, fern treues Weib, empfing den Gatte?, am ,Bahnhof und schloß ihn gerührt in ihre mütterlich besorgten Arme.Gut, daß ich Dich wieder habe, daß Dich die Groß­stadt nicht behielt." Da erzählte er ihr von dem Verlorst des ! Brustbeutels, beichtete ferner, daß er nicht einmal seine g-oldene s Uhrkette, die vom Großvater ererbte, wieder mit nach) Hause (bringe. Wiedersehensfreude wich tiefem Mißtrauen.» Zum ' erstenmal in langer Ehe verdunkelten schwere Wolkesn das (sonst so einträchtige Verhältnis. Wenn es nur nicht Paris^ wenn

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