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Mit den illustrierten Unterhaltungsbeilagen „Feierstunden" und „Unsere Heimat"
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Nr. 124
Gegründet 1827
Dienstag, den 31. Mai 1S27
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101. Jahr
Tagesspiegel
Kleine Ursachen, große Wirkungen
Zementierung französisch-amerikanische» Friedensvertrags
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' Der bayerische Ministerpräsident Heid ist zu Veratangen Aber das Sieuerrahmengeseh in Berlin eingetroffen. Aach Finanzminister Dr. strausneck wird in Berlin erwartet.
In Bayreuth fand die Jahrestagung der höheren Beamten statt. Der Vorsitzende, Reichsminisier a. D. Dr. Scholz» und Obersiudiendirekkor Dr. Hölle beklagten, daß die Beamtenschaft noch immer aus ihre Erlösung aus wirtschaftlicher Bedrängnis warten müssen. Ein Vertreter des Reichs- finanzminiftexiums versicherte, daß die Vesotdungsregekung noch in diesem Jahr kommen werde.
Die nächste Tagung des Reichsverbands der deutschen Presse findet 1928 in Köln a. Rh. statt.
Der rumänische Finanzminister Bepedatu ist in Berlin eingetrossen.
Die Sowjekregierung richtete eine Rote an die englilch« Regierung, in der sie die englischen Anschuldigungen als unwahr bezeichnet.
Das persische Kabinett ist zurückgetreten.
Der Londoner „Daily Telegraph" meidet. Japan habe Tschangtsolin nahe gelegt, eine Wasfenstillstandskonferenz mit Fengjusiang und Tschangkaischek einzuberufen, die Kämpfe einzustellen und sich nach Mulden (Mandschurei) zurückzuziehen.
Die Agentur Indo Pazisique meldet aus Peking die Ernennung Fengjuhsiangs zum Generalissimus der nationalistischen Streikkräfke durch die Nanking-Regierung, die ein neuer Beweis für das Zusammengehen der radikalen und der gemäßigten Richtung sei.
Was will die Internationale Arbeitskonferenz?
Zmn zehnten Mat ist sie beieinander, diesmal in Genf (das erste Mat 1919 i-n Washington). Dort ist das internationale Arbeitsamt, eine ständige Einrichtung, die der Versailler Vertrag (Art. 392 ff.) geschaffen hat. Sie soll mit dem Amt .zusammen diejenigen internationalen Fragen beraten, welche der Vertrag in seinem 8. Teil („Arbeit") im Inte reffe der „sozialen Gerechtigkeit" gelöst oder gefördert haben will.
Zn ihnen gehören u. a. folgende drei Aufgaben: 1. „die Sicherstellung eines Lohns, der angemessene Dv- stinsbedmgungen gewährleistet": 2. „der Schutz der Arbeiter gegen allgemeine Krankheiten": 3. „die Anerkennung des Grundsatzes der Koalitionsfreiheit".
Diese 3 Punkte — nämlich Krankenversicherung, Mindest lohn und Koalitionsfreiheit — stehen denn auch auf der Tagesordnung der für Mittwoch tagenden 10. Internationalen Ärbeitskonferenz. Die wissenschaftlichen Vorarbeiten find, nach Anhörung von 24 (meist europäischen) Regierungen, im Schoß des Arbeitsamts erstellt und von Direktor Albert Thomas in einem Berichte, das ein hervorragendes sozialpolitisches Jahrbuch für internationale Sozialpolitik darstellt, niedergeiegt worden, und zwar erstmals auch in einer deutschen Ausgabe.
Freilich so einfach ist die Beschlußfassung der Konferenz, die nur mit Zweidrittel-Mehrheit entscheiden kann, nicht zu bewerkstelligen. Man stelle sich einmal die soziale Struktur der Länder Liberia, Honduras, Haiti, Venezuela, Albanien ans der einen Seite und England, Deutschland, Frankreich, Belgien auf der andern Seite vor. Wie grundverschieden gelagert find die wirtschaftlichen Verhältnisse in den exotischen >md in den nordischen Staaten, so sehr verschieden, daß es fast unmöglich erscheint, sie auch nur in ganz wenigen Punk len auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen.
Dies gilt besonders für die genannten drei Fragen, die m diesen Tagen in Genf erörtert werden sollen. Nehmen wir einmal die Krankenversicherung. Will man eine Zwcmgsverficherung (Deutschland), oder will man die ftpiwilligen Privatversicherungen (Schweden) erhalten? Oder toll eine allgemeine Volksversicherung (Schweiz) geschaffen werden? Oder soll sich der Staat nur mit Zuschüssen an die Berufsorganisationen begnügen? Dabei denke man, daß Staaten, wie Italien, überhaupt noch gor nichts von einer allgemeinen Krankenversicherung wissen.
Aehnlich liegen die Schwierigkeiten bei der Regelung der K o a l i t i o n s f r a g e. Da ist das'neu« englische Gewerkschaftsgesetz, das die Gewerkschaften vollständig unter staatliche Kontrolle stellt. Da das Mussolinische Arbeitsgesetz, das nichtsaszistische Gewerkschaften überhaupt nicht duldet.
Noch unüberwindlicher wären die nationalen Hiuderniste bei Festsetzung eines M i n d e st l o h n s. Glücklicherweise W das auch gar nicht die Absicht der Konferenz Sie will vielmehr nur ein Verfahren zur Festsetzung dieses Mindestlohns vorschlagen. Ueberhaupt wird sich die Konferenz mit -Vorschlägen" zu befassen haben, weniger mit „Abkomme n s v e r t r ö g e n", wie sie neben „Vorschlägen" im Versailler Vertrag vorgesehen sind. Die Entwürfe hab«l nur dann einen Wert, wenn sie nachher auch von de« Meisterungen wirklich bestätigt werden.
42 Staaten (von 54 Mitgliederstaaten) sind in Genf durch 139 Bevollmächtigte und 184 Ersatz- und Fachmänner (W-»
Der Flug L i n!' b e r g y s von Neuyork nach Paris .und der Empfang, der ihm hier zuteil wurde, scheint sich zu einem politischen Ereignis auswachfcn zu wollen. Das Auswärtige Amt in Paris lVriand) gibt folgende Draht- meldung bekannt, die ihm aus Washington — offenbar von dem dortigen franMischen Botschafter — zugegangen ist:
„Wir erfahren aus glaubwürdiger Quelle, daß der Haupt- mann Charles Lindbergh, der Pilo' von 25 Jahren, berufen erscheint, eine historische Rolle spielen, und zwar insofern, als durch ihn die Abmachung über einen da uernden Friede nsvertragzwi scheu Frankreich und den Vereinigten Staaten vollends gefestigt (wörtlich: zementiert) worden ist. Man erwartet, daß der Staatssekretär Kellogg in allernächster Zeit eine Erklärung über die Erneuerung der amerikanisch- französischen Freundschaft machen wird. Diese Versicherung wird in die Form eines Briefs gekleidet sein. In diesem wiich die amerikanische Regierung feststelstn, daß der wunderbare Empfang, der dem amerikanischen Flieger bereitet wurde, als ein Anzeichen der vollen Unterstützung ausgelegt werden kann, die die vor kurzem von dem Minister des Aeußern Briand formulierte Anregung zu einem dauernden Friedensvertrag Müschen den beiden Ländern bei dem französischen Volk rindet."
sammen 323) vertreten. Die deutsche Abordnung zählt 33 Köpfe, darunter die vier stimmführenden Vertreter S! tzler Gries er, Vogel und Hermann Müller. Viel Neues werden sie nicht mit nach Haus bringen. Denn noch marschiert Deutschmrd in der sozialen FSstrwge bei weitem cm d«: Spitze aller Staaten der Wett.
Neuestes vom Tage
Dr. Wirth med das Zentrum Berlin, 30. Mai. Der Reichsdienst der deutschen Presst stellt sest, daß in dem Schreiben des Reichskanzlers Marx
das er in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der deutsch«» Zentrumspartei an Dr. Wirth gerichtet hat, Dr. Wirth aufgefordert wurde, Aeußerungen inttzuteite« mR» Ha gleichzeitig wissen zu lassen, weiche Sicherungen er, Wirth, gegen die Wiederkehr ähnlicher Vorfälle bieten könne. Soüke Wirth sich dazu nicht in der Lage sehen, so würde er, der Parteivorsitzende Marx, die ihm erforderlich sch«ne»de» Maßnahmen ergreifen. — Dr. Wirth hatte in der Rede u. a. gesagt, die Reichsregierung müsst gestürzt werde«.
Strafe« für Arbeitszeitnbersthrettnng Berlin, 30. Mai. Der preußische ZustizminG« findest « einem Erlaß die Gerichtsbehörden auf, gegen Arbeitgeber, di« schuldhaft Arbeitszeitüberschrertungeu veranstchtt» oder duldeten, schärfer vorzugehen als bisher.
Regierungskrise in Sachsen
Dresden. 30. Mai. Bei der Bildung der gegenwärtige« Regierung in Sachsen, die aus Deutscher Bokkspartei, Wkt- schaftspartei, Aufwertlern, Mtsozialisten und Demokraten bchteht und an sich eine Minderheitsregicrung ist, wurde vereinbart, daß die starke Fraktion der Deutschnotionaten das Kabinett Heldt (altsoz.) unterstütze unter der Bedingung, daß die Deutschnationalen am 1. Juni 1927 in dst Regierung eintreten. Der linke Flügel der Demokraten widersetzt sich aber der Erweiterung nach rechts, wahrend ihr rechter Flügel, zu dem der frühere Mncmzminifter Dr. Dehne und Abg. Prof. Dr. Kästner gehören, mit den Altsozialisten entschlossen find, das gegebene Wort zu holten. Der Landtag hat sich indessen bis 14. Juni vertagt, ohne die Regierungsfrage gelöst zu habe«. Am 2. Juni werden dir Fraktionen .zusammentreten, um die Regierungsbildung vvrzunehmen.
Der Reichsbannettag » Aiüache«
München. 30. Mai. Da Vst öffentliche Feier des Reichsbannertags in München wegen des Ueberfalls der Reichsbannerleute und Kommunisten auf 8 Nationalsozialisten verboten war, wurde die Tagung in geschlossenen Versammlungen abgehalten, in denen Reichstagsabg. Dr. Wirth (Ztr.) und Oberpräsident H ö r s i n g-Magdeburg (Svz.) sprachen. Beide Redner bezeichnet«« das Verbot als eine Schwächlichkeit der bayerischen Regierung. — Während der Versammlung im Gewerkfchaflshaus wurde die dort aufgezogene schwarzrotgoldene Fahne in Brand gesteckt.
Die französischen Fiottenousgaben Paris, 30. Mai. Wie „Figaro" berichtet, sieht der Recsie- rmngsvorschlop für die Kriegsmarine für 1928 Ausgaben « Höhe von 2,55 Milliarden Franken vor. Dies ist die höchste Ausgabe seit Jahren.
Lindbergh hat vor seinem Abslug nach Brüssel mit einem französischen Jagdflugzeug noch einen Flug über Paris uu- -ternommen und dabei Lurch allerlei Fiiegerkuuststücke noch einmal die Begeisterung 'der Pariser entzündet. Er ließ dabei eine französische Fahne abfallen, an die ein Sdxrei- ben angeheftet war mit den Worten: „Tausend Dank ftir den liebenswürdigen Empfang durch die Pariser." Ein französisches Ipgdzeuggeschwader gab ihm das Geleit bis zur belgischen Grenze, wo er von belgischen Fliegern erwartet und nacb Brüssel geleitet wurde. Unterwegs warf Lindbergh nocb über der Stadt Senlis eine französische uick eine amerikanische Flagge ab „zur Erinnerung an den gemeinsamen Kampf der amerikanischen und französische« Truppen im Weltkrieg".
In Brüssel wurde Lindbergh begeistert empfangen, als er am Samstag nachmittag 3.15 Uhr aus dem Flugplatz Euere landete. Er legte in Brüssel einen Kranz am Denkmal des „Unbekannten Soldaten" nieder, worauf er vom König Albert empfangen wurde, der ihm das Ritterkreuz des Leopoldordens überreichte. Dem Festessen am Wertd wohnten der Thronfolger, die Minister usw. bei. Am Sonntag veranstaltete der badtrat einen feierlichen Empfang.
Russische Späherei in Litauen
Kvw-no, 30. Mai. General Klesczinski wnrde ver haftet, weil er seit September 1925 für Sowfeknßlcmt Späherdienste geleistet hak. Der Moskauer Beanftrogie der in der Wohnung Klesczinskis bei dessen Verhaftung cm getroffen wurde, ist mit seiner Familie nach Moskau ab gereist.
Die britischen Interesse« in Rußland
London. 30. Mai. In der Regierung wird erwöge», welcher Macht di« Wahrnehmung der britischen Inierefser in Rußland nach dem Bruch mit Moskau übertragen wer d«r sollen. Gegen Frankreich und Deutschland besteht dar Bedenken, daß sie politische und wirtschaftliche Wettbewer der seien. Da das britisch-russische Geschäft zum großen Teil über Deutschland geht, fürchtet man, daß den deutscher Wettbewerbern wertvoll« Nachrichten in den Schoß satter könnten. Das Augenmerk richtet sich daher auf Norwegen, das ein „ausgezeichneter Freund Englands" tmd dessen Königin eine Engländerin sei. Außerdem vermstkst es jetzt schon einen großen Teil des Frachtverkehrs zwischen England und Rußland.
England und Aegypten
London, 30. Mdi. Die einmütige Stellungnahme des ägyptischen Parlaments gegen die nach seiner Auffassung unstatthafte amtliche Reise des britischen Ober kam missars (Sirdar) Lloyd nach Oberägypten l>at in London überrascht. Nach der „Daily Mail" find vier Kriegsschiffe von Malta noch Oberägypten abgesandl worden, um dem Ansehen Englands Nachdruck zu verschaffen.
Me Lage in China
London, 30. Mai. Me Bedrohung Pekings durch die von Süden vorrückenden nationalistischen Heere Hot die Gesandten der Vertragsmächte zu dem Beschluß veranlaßt, die Gesandtschaftswachen durch Land- und Marinetruppe« erheblich zu vermehren. Die Eisenbahn Peking—Tientsin (am Golf von Petschlli) soll unter allen Umständen offen gehalten werden.
Tokio, 30. Mai. Die Vorbereitungen für umfangreich« Truppenversendungen nach China wird von einem große« Teil des japanischen Volks scharf getadelt. Der jetzige Ministerpräsident und Außenminister General Tanaka erklärte, die Maßnahme« sollen nur der Vorsicht dienen: sobald in China die Gefahr für die japanischen Untertanen abgewendet sei, werden die Truppen zurückgezogen werde« (Es war oorauszusehen, daß mit dem llebergang der Regierung a« die Sejukaipartei, deren Führer Tanaka ist, di« bisherige Politik der Nichteinmischung China gMnüber, wie sie vvn dem vorigen Ministerpräsidenten WakasnS und seinem Außenminister Schidehara verfolgt worden war. eine Aenderung erfahren werde. Tanaka war znr Zeit des japanischen Vorgehens in Sibirien Kriegsminister gewesen, und Scyirakawa, der vor kurzem ernannte Kriegs minlflvr , hatte die Expedition geleitet. Japan scheint sich wieder England zu nähern, nachdem sein Versuch. « SSd- china den Engländern den Rang abzulaufen, «»svtge des Widerstands der radikalen Südchinefen gescheitert PI
Die amtlichen Kreise Nordchinas sind über das Ängntt- jen Japans ausgebracht. Ae vorläufig« Regier«« von De- king (Tfchangftonn) eryov wm,pruch gegen in« verletz»«« chinesische« Gebiets, die ernste Rückwirkung«« hoben könnte. Ein« Note werde nach Tokio abgehen.
Auch der nationalistische Kommissar i« Schanghai hnt gegen das Eindringen japanischer Truppen in die Pvooing Schantung beim japanischen Generalkonsul Widerspruch »» Hobe«.