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Nr 114 Segrünclet 1827 Mittwoch, den 18. Mai 1927 Zernsprecher Nr L» 101. Jahrgang
Tagesspiegel
Reichspräsident v. Hindenburg wird auf Einladung der Provinz Schleswig-Holstein vom 29. Mai bis 1. Juni eine Reise durch die Rordmark unternehmen und am 29. Mai in Hamburg einlresfen, wo aus dem Großborsteler Rennplatz ein Rennen um den Großen Preis von Hamburg und den Borslcler Pokal abgehalten wird. Daraus wird sich der Reichspräsident nach Siel begeben und in der Rocht zum 31. Mai an Bord des Linienschiffs „Schlesien" nach Murrwick reisen, wo die Marineschule besichtigt wird. Dann erfolgt ein Besuch in Flensburg. Am 1. Iuni wird der Reichspräsident der Eröffnung des Damms von Klanxbuell nach der Insel Sylt beiwohnen und mit dem ersten fahrplanmäßigen Eisenbahnzug über den Damm fahren. Die Inselbewohner werden einen geschichtlichen Festzug veranstalten.
Ein Antrag der Ralhausverwattung in München. Mittel für die Reubeschaffung von Flaggen zu genehmigen und aus dem Rakhausturm neben den Landes- und Stadislaggen auch die Reichssarven Sa-wurzrotgold und die asten Reichssarven Schwarzwcißrot zu hissen, führte im Münchener Stadiral zu einer erregten Aussprache. Mit wechselnden Mehr- heilen wurde schließlich die Beslaggung in den allen wie in oen neuen Reichssarben abgelehnt.
Bei dem Staalsbankekt im Bnckinghampalast in London anläßlich des Aranzosenbesuchs feierten König Georg und Staatspräsident Doumergue in Trinksprüchen die unverbrüchliche englisch-französische Freundschaft. Ehamberiain und Briand hatten Besprechungen.
Die Arbeiterpartei ist Meder ins Unterhaus zurückgekehrk.
Rach einer Meldung aus Belgrad soll in Griechenland wieder einmal eine Revolution ausgebrochen sein. Im Piräus bei Athen werde zwischen Monarchisten und Re- gierungsiruppen gekämpft. Auf der Insel Samos herrsche Aufruhr.
Deutschland und der
Mandatsausschuh
Deutschland hat nach MättermeDungen in London an. gefragt, wie England sich zu einem etwaigen Anspruch Deutschlands auf die Mitgliedschaft im Mandats- aus schuß des Völkerbunds stellen würde? Der bekannt« Mandatsartikel (22) ordnet in seinem letzten Absatz folgendes an: „Ein ständiger Ausschuß wird beauftragt, dieJahresberichtederMandatareent gegen» zunehmen und zu prüfen und dem Rat über alle die Ausführung der Mandate betreffenden Fragen sein Gutachten zu erstatten." — Dieser ständige Mandats ausschuß besteht aus 9 vom Völkerbunds« ar ernannten Mitgliede-rn, von denen mindestens 5 nicht Staatsangehörige von Mandatsmächten sein müssen, eines eine Frau sein soll. Er hat seinen Sitz in Genf und tritt seit 1914 zweimal jährlich zusammen. De» Vorsitz hat seit seiner Begründung Marquis Reodoli (Italien) inne. Er nimmt die je bis zum 1. September z« erstattenden Berichte der Mandatsmächte entgegen. Diese werden unter Teilnahme eines Vertreters der Mandatsmacht geprüft. Der Ausschuß verfaßt einen Bericht an den Rat. D-rselbe erörert zunächst gewisse allgemeine Fragen und befaßt sich dann mit den einzelnen Mandatsländern. Die Mandatsmächte können ihrerseits Erläuterungen beifügen oder sie nachfolgend beantworten. Der Rat läßt sich von einem feiner Mitglieder Bericht erstatten und nimmt in einer Entschließung Stellung. Dann erstattet er seinerseits Bericht der Völkerbundsversammlung, die in einer Entschließung grundsätzliche Wünsche zum Ausdruck bringen oder gewisse Richtlinien aufstellen kann.
In der Regel pflegte der Mandatsausschuß mit den Mandatsmächten recht schonend und diplomatisch umzugehen.. Er beschränkte sich auf das Formelle und vermied ängstlich, an ihren Maßnahmen Kritik zu üben. Doch haben immerhin die berüchtigten Vorgänge in Syrien ihn zu allerlei Ausstellungen veranlaßt, und er hat Frankreich namentlich daran erinnert, daß die vertragsmäßig zu errichtende Selbstverwaltung noch nicht ins Leben gerufen sei. Frankreich aber hat so gut wie nichts getan, sondern nur in einem Schriftsatz die in Syrien ergriffenen Maßnahmen zu recht- fertigen versucht. Im übrigen hüben die Mandatsmächte sich jede Rüge seitens des Mandatsausschusses entschieden verbeten.
Und so hat sich der Ausschuß — mit Berufung auf den oben wiederholten Wortlaut — auf den Standpunkt gestellt, daß er nicht befugt fei, von sich aus eine Untersuchung etwaiger Miß stände in einem Man-atslandanzn st eilen. Er ist also ganz auf die Berichte der Mandatsmächte angewiesen, die somit in diesem Fall Richter in eigener Sache sind. Allerdings ist den Einwohnern ein Petitionsrecht eingeräumt worden. Aber diese Petitionen müssen durch Vermittlung der Mandatswacht an den Generalsekretär gehen. Petitionen, die auf «iderem Weg an diesen gelangen, werden ,zurückgesandt. Run wollte der Ausschuß das Recht haben, nötigenfalls Personen aus den Mandatsländern persönlich anhören oder vernehmen zu dürfen. Diese Befugnis wurde ihm bestritten.
Aus all dem geht hervor, wie man mit größter Pein- »chkeit den Schern vermeiden wollte, als ob der Mandats- mrsschuß eine Art von Aufsichtsbehörde gegenüber den
Erhöhung der
Berlin, 17. Mai. Trotzdem die Mitteilungen der „Deutschen Zeitung" über eine Aenderung des Dawes- plans zu Deutschlands Ungunsten und die Heranziehung der Reichs post zum Dawestribut wiederholt halbamtlich bestritten worden sind, beharrt das Blatt bei seiner Behauptung und ergänzt sie durch weitere Mitteilungen. Danach sollen Tabak, Zucker, Alkohol und Bier höher besteuert, für Tabak und Zucker sogar das Reichsmonopol eingeführt werden. Die Belastung der Reichspost — und das ist das weitere Neue — soll bei einer Kapitallast von 5 Milliarden Mark nicht 150 Millionen, wie bisher angenommen wurde, sondern 3 00 Millionen Goldmark jährlich für oen Dawestribut betragen. Die bisherige Gesamtbelasttmg der deutschen Volkswirtschaft werde also wesentlich erhöht.
Stcesemanns Antwort auf englisch-französische Verdrehungen
Berlin, 17. Mai. Anläßlich des Besuchs Doumergues und Briands in London schrieb der Londoner „Manchester Guardian", Deutschland erleide weiter die Schmach einer fremden Besetzung. Es sei schwer, dafür auch nur eine juristische Entschuldigung zu finden, ganz abgesehen davon, daß die Besetzung mit dem Abkommen von Locarno im schroffsten Widerspruch stehe. — Daran anknüpfend wird in der halbamtlichen „Diplomatisch-Politischen Korrespondenz" ausgeführt: Diese Feststellung des „Manchester Guardian" widerlegt zugleich die (in anderen englischen und französischen Blättern künstlich zurechrgemachte) Behauptung, das Verhalten des Reichsaußenministers D r. Stieseln a n n werde durch irgendwelche innenpolitische Schwierigkeiten (d. h. durch die Beteiligung der Demschnatianalen an
Daweslasten?
der Reichsregierung) bedingt.' In bezug auf das Rheinland, heißt es in dem offensichtlich aus dem Auswärtigen Amt stammenden Artikel weiter, hat Dr. Stresemann nur ver- langt, was Sachedes ganzen deutschen Volks ist. Es ist also ausgeschlossen, daß in dieser Frage irgend eine parteimäßige Verschiedenheit bestehen könnte, die auf die Handlungen eines deutschen Staatsmanns irgendwelchen Einfluß auszuüben vermöchte. Die Besprechungen zwischen Briand und Chamberlain werden, soweit sie sich überhaupt dieser Frage zuwenden, somit zu :los der Tatsache Rechnungzu tragenhabe u, daß in de» Fragen des Rheinlands das deutsche Bolk in seiner Gesamtheit und nicht etwa diese oder jene Parteiverbindung in den Eröffnungen zu Worte gekommen ist, die « der jüngsten Zeit von Berlin gemacht worden sind.
^ Preußen und das Reich
Berlin, 17. Mai. Sobald der Reichsfinanzminifter Dr. Köhler aus Hreiburg zurückgekehrt ist, wird laut „Germania" zwischen ihm und dem preußischen Ministerpräsidenten Braun eine Besprechung stattfinden, in der der Streit zwischen Preußen und dem Reich erörtert werden soll.
Die politische Polizei in Kattowitz hielt bei einer Reihe von Deutschen in Antonienhütte Haussuchungen ick. Die Gründe hierfür sind unbekannt. Bei Frau Baumeister Grünig beschlagnahmte die Polizei Aufnahmescheine vom Deutschen Frauenbund und einen größeren Betrag Mitgliederbeiträge dieser Organisation. Beim Büroassistenten Grabowski wurde Material betreffend die deutsche Minderheitsschule beschlagnahmt.
Republikschutzgesetz und
Deutscher Reichstag.
Berlin. 17. Mai
Bei der 3. Beratung des Antrags auf Verlängerung des Republikschutzgesetzes spricht Abg. v. Gräfe (Välk.) gegen die Borlage, die ein verwerfliches Ausnahmegesetz bedeute.
Abg. Graf Westarp (Dnat.): Die Gegnerschaft der Deutsch-rationalen Volkspartei gegen die Ausnahmebestimmungen dieses Gesetzes, insbesondere gegen den 8 23, der dem Kaiser die Rechte oorenthält, die jedem Deutschen zustehen, sei unverändert. Dem jetzt abgeschlossenen Kompromiß habe seine Fraktion nur deshalb zustimmen können, weil eine weitere Prüfung in Aussicht gestellt sei, welche Einzelvorschriften des Gesetzes der Dauergesetzgebung in entsprechender Anpassung einzugliedern oder aufzuheben sein werden, und weil ferner die unveränderte Verlängerung der materiellen Vorschriften auf eine kurze Zeit als angemessene Lösung bezeichnet werde, um diese Prüfung zu ermöglichen.
Abg. Müller-Franken (Soz.) erblickt in dieser Erklärung einen schlecht geschriebenen Entschuldigungszettel.
Die namentliche Schlußabstimmung ergab die Annahme des Gesekes mit 323 gegen 141 Stimmen, womit die erfor-
Jugendschutz angenommen
derliche qualifizierte Mehrheit erreicht war. Es folgte die dritte Beratung des Gesetzes über den Schuh der Jugendlichen bei Lustbarkeiten. Reichsinnenminister von Keudell erklärt, eine Beschwerdestelle bei seinem Ministerium einzurichten, sei technisch unmöglich. Man müsse bis zur Errichtung des Reichsverwaliungsgerichls warten. Die notwendige Einheitlichkeit werde durch die Ausführungsbcstimmuu- gen gewahrt, über die mit den Ländern verhandelt werden soll. "Die Regierung habe ihre Bedenken gegen die Mitwirkung von Kindern bei Filmaufnahmen fallen lassen.
In der Einzelberatung wurde ein Antrag der Regierungsparteien angenommen, wonach von jeder Maßnahme auf Grund des Gesetzes dem zuständigen Jugendamt Kenntnis zu geben ist. Aus Antrag der gleichen Parteien wurde ein neuer ß 2 a eingefügt, wonach gegen eine auf Grund des 8 1 ergangene Anordnung und gegen die einen Antrag des Jugendamts ablehnende Verfügung eine Beschwerde zulässig ist. ferner ein neuer ß 6 2 , wonach jede festgestellte llebertretung dem Jugendamt zu melden ist. Durch Annahme von Anträgen Dr. Runkels (D.Vp.) wurde das Lichtspielweseu ganz aus dem Gesetz herausgenommen. Alle übrigen Anträge der Linken wurden abgelehnt und in der Schlußab- - --mnng die Vorlage angenommen.
wcandatsmachten fei. Diese sollten völlig souverän sein. Nicht nur das. Sie haben sich nach und nach an den Gedanken gewöhnt, als ob die Mandatsländer Kolonien seien, die sie niemals an Deutschland oder nur auch an den Völkerbund zurüzugebcn genöttg werden könnten.
So gering nun auch die Befugnisse des Mandatsausschusses sind, so wäre es doch wertvoll, wenn Deutschland, das nun doch ständiges Ratsmitglied ist. Sitz und Stimme in diesem Ausschuh erhielte. Damit märe der allererste SchritteinerAnnäherunganunserefrüheren Kolonien erreicht. — Wir können es deshalb nur begrüßen, wenn sich die eingangs erwähnte Meldung bestätigte.
Neuestes vom Tage
Glückwunsch des Reichspräsidenten an den König von Spanien
Berlin, 17. Mai. Reichspräsident von hindenburg hat dem König von Spanien zu seinem 25jährigen Regierungsjubiläum ein Glückwunschtelegramm gesandt. In der hiesigen spanischen Botschaft hat u. a. der Reichsminister Dr. Stresemann feine Karte abgegeben.
K hochschulring und vaterländische Verbände
' Berlin. 17. Mai. Die „DAZ." veröffentlicht eine Zu- sthrift des „hochschulring deutscher Art", wonach die von dem Matt veröffentlichte Nachricht, daß der hochschulring leine seit langem bestehende Verbindung mit den vereinigten vaterländischen Verbänden gelöst habe, den Tatsachen nicht entspricht.
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Polmicher Rechtsbruch
Lipine, 17. Mai. In der gestrigen Gemeindevertrcter- Ktzung von Lipine stellten die polnischen Parteien den Drma-
lichkeiisantrag, daß in Zukunft die deutschen Gemeindevertreter sich der p o l n i s ch e n Sprache zu bedienen hätten, da die deutsche Sprache „die polnischen Gefühle verletze". Die deutschen Vertreter verließen hierauf den Saal und die Sitzung mußte abgebrochen werden. Der Vorsitzende wies den ungesetzlichen Antrag nicht zurück, obwohl nach der Genfer Konvention die. deutsche Sprache in den Gemeindevertretungen zulässig ist.
Die englische Arbeiterpartei verläßt das Unterhaus London, 17. Mai. Im Unterhaus brachte Baldwin den Antrag ein, daß das Gewerkschaftsgesetz vom Unterhaus in 16 Tagen erledigt werden solle, damit di« Verschleppungsversuche der Arbeiterpartei abgewehrt wür den. Di« Mitglieder der Arbeiterpartei erhoben Einspruch und verließen den Saal. Wie verlautet, werden sie sich an den Sitzungen erst wieder beteiligen, wenn die Vorlage au den Ausschuß geht. Lloyd George erklärte, er sei ei« Gegner der Gewerkschaftsvorlage und werde gegen den Antrag stimmen. Der Antrag Baldwins wurde mit 259 gegen 13 Stimmen angenommen.
Zusammenstoß zwischen Amerikanern und Liberalen in Nicaragua
Managua, 17. Mai- Ein Kapitän und ein Soldat der amerikanischen Marine wurden gestern abend in ein« Kampf mit einem Trupp Liberaler bei Leon getötet und mehrere Seesokdaten verwundet. Die Liberalen verloren sechs Tote.
Die neue Fahne der Südafrikanischen Union Kapstadt, 17. Mai. Das Abgeordnetenhaus hat den Gesetzentwurf, der eine neue Fahne für die Südafrikanische Union schasst, angenommen. Der englandfreundliche ttühere Ministerpräsident Emuts bekämpfte den Gesetzentwurf scharf. — Aus der neuen Fahne sind alle Abzeichen, die auf eine Verbindung mit Großbritannien hmüeuketen. entfernt worden.