HEIMATBLATT EUR STADT UND LAND

CALWER ZEITUNG

Verlagsort Calw

SAMSTAG, 7. NOVEMBER 1953

ÜBERPARTEILICHE TAGESZEITUNG

9. JAHRGANG / NR. 260

Triest gleicht einem Hexenkessel

Polizei feuert mit Maschinenpistolen in die Demonstranten / Mindestens 10 Tote

TRIEST. Neue schwere Unruhen, ln de :;n Verlauf die Polizei wieder von Ser Schußwaffe Gebrauch machte, haben am Freitag in Triest zwischen zehn and 18 Todesopfer gefordert. Ober 100 Menschen sollen verletzt worden sein, Aavon 30 schwer. Bei den ersten Schießereien am Donnerstagabend hatte es «wei Tote und 18 Verletzte gegeben.

Eine riesige Menschenmenge hatte »Ich am Freitag auf der Piazza dell Unita in der Nähe des Hafens vor dem Rathaus versammelt. Unaufhaltsam ging die Mauer von schätzungsweise

Ausnahmezustand?

TRIEST. Die Westmächte werden voraussichtlich den Ausnahmezustand über die Stadt Triest verhängen, nachdem die blutigen Unruhen noch am Freitagabend andauerten.

10 000 Menschen gegen die Polizi­sten vor, die sich schließlich mit Trä­nengasbomben zur Wehr setzten. Die Demonstranten nahmen die Tränen­gasbomben auf und warfen sie in die Reihen der Polizisten zurück. Sekun­den später bellten die Maschinenpi- »tolen auf. Dutzende von Demon- »tranten brachen zusammen, die übri­gen räumten in wilder Flucht den Platz, der später von einer Kompanie amerikanischer Soldaten besetzt wur­

de. Zwölf Krankenwagen transpor­tierten die Verletzten ab.

Auch an anderen Stellen der Stadt fielen Schüsse. Die Demonstranten hatten ein Büro der Unabhängigkeits­front gestürmt, Akten und Möbel auf die Straße geworfen und angezündet. Augenzeugen berichteten, daß ein Junge eine Handgranate zwischen die Polizisten geworfen habe, die mindestens einen Polizisten getötet und einen anderen schwer verletzt habe.

Das wirtschaftliche Leben Triests ist durch einen Generalstreik völlig lahmgelegt. Tausende von Menschen zogen auf den Platz vor der St.-An- tonius-Kirche, wo am Donnerstag die ersten bei den Demonstranten erschos­sen worden waren, und legten Blu­men nieder

Im Laufe des Vormittags wurde eine Gruppe von britischen Soldaten tätlich angegriffen. Ein Lastwagen der britischen Marine wurde von Demonstranten umgeworfen. Britische

Dehler löst Besorgnisse aus

Sympathieerklärung gegenüber der SPD findet geteiltes Echo Von unserer Bonner Redaktion

BONN. Bundeskanzler Dr. Aden- i\i e r empfing am Freitag den Frak­tionsvorsitzenden der FDP, Dr. Tho­mas Dehler, zu einer längeren Aussprache über ein von Dehler am Vortage gegebenes Interview, das in Bonn großes Aufsehen erregt hatte. Dehler hatte in diesem Interview u. a. erklärt, daß nach seiner Meinung in vielen Fragen zwischen FDP und SPD das Bindende das Trennende überwiege.

Diese Äußerungen des früheren Justizministers hatten in den Reihen der Koalition, einschließlich einzel-

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Die Feiern zum 36. Jahrestag der rus- »ischenOktoberrevolution sind am Freitagabend in der Sowjetunion mit einem Tribut an Stalin von Marschail Woroschilow eröffnet worden, die so­wjetische Politik habe sich nicht ge­ändert.

Am Freitag meldeten sich 501 Flücht­linge aus dem sowjetischen Besatzungs­gebiet bei den Westberliner Flüchtlings­stellen.

Der Landesvorstand der CDU von Südwürttemberg - Hohenzollern tagt Reute im Rathaussaal in Sigmaringen. Ministerpräsident Dr. Müller wird über die Regierungsumbildung in Stuttgart berichten.

Der niederländische Außenminister Beyen wird am 15. November Bundes­kanzler Dr. Adenauer einen Höflich­keitsbesuch in Bonn abs f atten.

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Bin leibhaftiger nei .euies, der zwei Ka­nonenrohre schultert? Nein nur ein britischer Feuerwehrhauptmann, und >oos er da trägt, sind zwei Wasserrohre aus ganz leichtem Plastikmaterial, wie Be kämpfung von A tombomben- oranden entwickelt wurden. Jedes Rohr Wegt nur 25 Pfund Bild: Keystone

ner FDP-Abgeordneter und viar allem auf seiten der Bundesregierung Kri­tik ausgelöst. Sie wurden als zu weit­gehendeSympathie-Erklärung für die Opposition bezeichnet. Ein CDU- Abgeordneter meinte, Dehler wolle offensichtlich die Eigenständigkeit seiner Partei auch dadurch sichern, daß er mit gelegentlicher Zusammen­arbeit mit den Sozialdemokraten drohe.

Auch der Bundeskanzler soll, wie aus Regierungskreisen zu erfahren war, Kritik an den Äußerungen Dehlers geübt haben. Demgegenüber soll Dehler Adenauer versichert ha­ben, daß seine Erklärungen nichts an dem Willen seiner Partei änderten, überzeugt an der eingegangenen Koa­lition mit der CDU/CSU, DP und dem BHE festzuhalten. Er habe le­diglich eine Klarstellung gegeben.

und amerikanische Truppen haben in der ganzen Stadt und im Hafenge­biet den Schutz der Anlagen über­nommen.

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Audi ln Rom und Mailand kam es wieder zu Massendemonstrationen. Der deutsche Korrespondent Kurt K 1 i n - g e r gibt einen Eindruck von den Aus­schreitungen gegen die diplomatischen Vertretungen Großbritanniens und der USA in Rom:In meinem Wagen mit deutscher Zulassungsnummer fuhr ich zur amerikanischen Botschaft in der Via Veneto, wo der Zorn der Menge seinen Höhepunkt erreicht hatte. Von allen Seiten schoben sich Menschen an die Botschaft heran. Aus der brodeln­den Masse hallten fortgesetzt Rufe nach Triest und Rache,Nieder mit

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Österreich und Triest

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ÖSTERREICH

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ITALIEN

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Das wird das Hauptthema des bevor­stehenden jugoslawischen Staatsbesu­ches in Wien sein. Österreich ist der Hauptkunde des Triester Hafens und für diesen von weit größerer wirt­schaftlicher Bedeutung als Italien und Jugoslawien. Wie aus Belgrad und Wien gemeldet wird, wollen die bei­den Staaten über eine Art Eisenbahn­korridor verhandeln. Bild: Keystone

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Winterton' 1 undNieder mit den Wort­brüchigen. Steine flogen gegen die Fensterscheiben .. . Plötzlich entdeck­ten die Demonstranten meinen Wagen. Inglesino, kleiner Engländer, schrien einige blind vor Wut. Dann sahen sie am Wagen die Nationalitätskennzeich­nung.Lasciateloe danimarco (Laßt ihn, Dänemark), riefen sie sich zu. Ich war gerettet."

Die Arbeit an der Wiederherstellung der Deiche in den Niederlanden, die bei der Überschwemmungskatastrophe im Februar zerstört worden waren, geht ihrer Vollendung entgegen. Als letzter ist der Deich bei Ouwerkerk auf der In­sel Schouven jetzt geschlossen worden. Tag und Nacht wird gearbeitet, denn die Winterstürme stehen vor der Tür. Bild: Keystone

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Der Pfahl im Fleisch

gk. Die Kriegsgefangenendebatte der UN-Vollversammlung steht bevor. Sie wird nachdrücklich die Frage nach den Vermißten aufwerfen. Die Sowjets ha­ben Ballast abgestoßen und einige tau­send nach Hause geschickt, um sich auf die zurückbehaltenenKriegsverbre­cher \jncl.jhre noch nicht verbüßten i-TrTijr» ata so leichter berufen zu kön­nen. fin übrigen werden sie sich vor dem Forum der Weltöffentlichkeit ihrer großzügigen Amnestie-Erlasse rühmen.

Die Holprigkeit, mit der dagegen die Maschinerie der Gnadenausschüsse der drei westlichen Besatzungsmächte in Bewegung kommt, wird diese psycholo­gisch ins Hintertreffen bringen. Ist es ungerecht, angesichts der Zahlen des Grauens im Osten, wenn die Erbitte­rung der deutschen Öffentlichkeit über die Strafanstalten der Westmächte in Werl, Wittlich und Landsberg an­schwillt? Die Empörung entspricht dem richtigen Empfinden, daß die formal­juristische Haltung der drei Westmächte die UdSSR ihrerseits daran hindern wird, die nach ihren Methoden Verur­teilten in Bausch und Bogen zu amne­stieren. Solange der Westen an der Rechtsgültigkeit seiner schon gefällten Urteile festhält, ist nicht damit zu rech­nen, daß sich der Osten veranlaßt sieht, den großen Schlußstrich unter die

Schäffer fordertdrastische Sparmaßnahmen

Drei-Milliarden Defizit droht / Erhard plädiert für Große Steuerreform / Unstimmigkeiten im Kabinett

hf. BONN. Im Bundeskabinett, das seine Grundsatzaussprache nach den Referaten der Minister Schäffer, Erhard und Storch in der kom­menden Woche fortsetzen wird, ist es, wie am Freitag zuverlässig zu erfah­ren war, zu erheblichen Meinungs­verschiedenheiten über die Methoden zur Koordinierung der haushaltspo­litischen mit den wirtschaftspoliti­schen Fragen gekommen.

Während Finanzminister Schäffer unter Hinweis auf das drohende Drei- Milliardendeflzit drastische Sparmaß­nahmen forderte und erklärte, auch die Steuerreform müsse sehr vorsich­tig behandelt und von bestimmten hauspolitischen Erwägungen abhän­gig gemacht werden, soll sich Wirt­schaftsminister Erhard nachdrücklich für Beibehaltung und Verwirklichung des Gedankens der Großen Steuer­reform eingesetzt haben.

Nähere Einzelheiten der Diskus­sion. die sehr lebhaft verlaufen sein soll, waren noch nicht zu erfahren, da die Minister strengstes Stillschwei­vereinbart hatten. Uber die Ausfüh­rungen Arbeitsnrrinisters Storch ist nur bekannt, daß er bei seinen Vor­schlägen über erste Schritte zu einer Sozialreform die Angleichung der Renten an die Reallöhne, die Verbes­serung der Kriegsopferbezüge und die beschleunigte Schaffung der Fa­milienausgleichskassen für notwen­dig erklärte.

Preusker: Noch unentschieden

BONN. Bundeswohnungsbaumini­ster Dr. Viktor Emauel Preusker hat am Freitag vor Pressevertretern

in Bonn nachdrücklich betont, daß bisher noch keine Entscheidung über Einzelheiten seiner künftigen Woh­nungsbaupolitik gefallen ist. Der Mi­nister bestritt, daß bereits ein Plan für die Heraufsetzung der Altbau­mieten gefaßt sei, und daß Einzelhei­ten bereits vorbereitet würden.

Dr. Preusker betonte, daß es das Hauptziel der künftigen, stärker auf die marktwirtschaftlichen Grundsätze ausgerichteten Wohnungsbaupolitik sei, eine geschlossene Gesamtkonzep­

tion zu finden, die den gesamten Woh­nungsbau stärker in den Sog der marktwirtschaftlichen Dynamik stellt. Diese Gesamtkonzeption, müsse zu­nächst im Rahmen der Wirtschafts­debatte im Bundeskabinett zur Dis­kussion gestellt und vom Kabinett akzeptiert werden, erst dann könne man Einzelheiten festlegen.

Wie aus dem Bundeskabinett ver­lautet, ist die Aussprache über die Wohnungsbaupolitik auf nächste Woche vertagt worden.

Ein Kompromiß in Pan Mun Jon

Stabsoffiziere verhandeln über Ort und Zeit der Korea-Konferenz

PAN MUN JON. Auf den Vorbe­sprechungen für eine politische Korea- Konferenz haben sich die Nordkorea­ner und Chinesen am Freitag über­raschend mit dem alliierten Vor­schlag einverstanden erklärt, daß Stabsoffiziere beider Parteien in zwei Unterausschüssen gleichzeitig über Zeit und Ort sowie über die Teilnehmer der koreanischen Frie­denskonferenz verhandeln. Bereits heute werden die Stabsoffiziere zu­sammentreten, während die Vorbe­sprechungen selbst auf unbestimmte Zeit vertagt worden sind Damit ist ein Kompromiß zwischen der kommunistischen und der alliier­ten Auffassung gefunden worden. Nach Ansicht der Alliierten sollte zu­nächst über Zeitpunkt und Ort und dann über die Teilnehmer der politi­schen Korea-Konferenz verhandelt werden, während die Kommunisten unter allen Umständen zuerst über

die Zusammensetzung beraten woll­ten. Sie wünschen im Gegensatz zu den Alliierten, daß nicht nur die kriegführenden Länder in Korea, son­dern auch die Sowjetunion. Indien, Pakistan, Burma und Indonesien zur Friedenskonferenz hinzugezogen wer­den.

Der amerikanische Sonderbeauf­tragte Dean hat den Sachverständi­gen für Nordostasien,, Kenneth Young, und Oberst Stanton Bab- c o c k als alliierte Stabsoffiziere be­nannt. Die Kommunisten bestimmten einen Chinesen und einen Nordkorea­ner.

Die gleichzeitige Beratung mehre­rer Fragen in verschiedenen Aus­schüssen hat bereits bei den Waffen­stillstandsverhandlungen zum Erfolg geführt Dean sagte nach der Sitzung die Stabsoffiziere würdeneine ange­messene Zeit beraten.

Kriegsereignisse zu ziehen. Den Kron- juristen des Westens muß jetzt klar ge­macht werden, daß die Deutschen ihr* politische Justiz nur noch im,Hinblick darauf beurteilen, ob sie den Uamensdh- lichkeiten im Osten Vorschub leistet oder nicht.

So grotesk es ;;i n mttfcotr nist und Diktator' Tito EnUder einzige, der das Problem ausgeräumt hat. Die Verurteilten sind entlassen, die Gefan­genenlager leer, eine Anzahl Fälle von Volksdeutschen hofft man in Kürze in unserem Sinne lösen zu können. Hier erschwerte nur die Frage der Staatszu- zuhörigkeit die rasche Entscheidung. Tito hat den Vorteil, auf keine öffentlich* Meinung Rücksicht nehmen zu müssen. Er hat nach der Periode des Biutrau- sches von 1945/46 jetzt wenigstens einen Weg gefunden, die Atmosphäre zu rei­nigen.

Der immer noch nicht in Kraft getre­tene Generalvertrag sieht in einem Zu­satzabkommen gemischte Gnadenaus­schüsse für Werl, Wittlich und Lands­berg vor, die aus jeweils drei Deutschen und drei alliierten Mitgliedern beste­hen sollen. Einstimmige Beschlüsse sol­len für die Gewahrsamsmächte bindend, mit Mehrheit gefaßte Beschlüsse wenig­stens Empfehlungen sein. Adenauer» Drängen während seines Amerika- und seines Englandbesuches gelang es nicht, diese für die Alliierten doch gar kein Risiko enthaltenden Bestimmungen au* Gründen der Menschlichkeit vorzeitig in Kraft treten zu lassen.

Die von der Hochkommission vor den Wahlen am 20. August endlich zuge­standene Regelung sieht die inzwischen erfolgte Bildung von Gnadenausschüs­sen vor, die nur Empfehlungen ausspre­chen können. In jedem der drei Aus­schüsse haben die Alliierten die Majori­tät und die deutschen Mitglieder wur­den auf Vorschlag der Bundesregierung von der Hochkommission berufen. Man kann sich vorstellen, wie lange es dauern wird, bis die 320 Fälle in Landsberg, die 82 in Wittlich und die 80 Fälle in Werl geprüft sein werden. Weihnachten wird auf diese Weise kein Zehntel der Verur­teilten in Freiheit gesetzt sein. Dagegen wehrt sich die deutsche Öffentlichkeit.

Um nach acht Jahren den zweiten Weltkrieg zu liquidieren, bedarf es an­derer Wege als de* bisher eingeschlage­nen. Solange der Westen auch nur ein paar hundert Mann festhält, wird man z. B. die 22 000 Deutschen in tschechischen Gefängnissen nicht erlösen. Niemand kommt um die Feststellung Pius XIX. herum:Jeder fühlt, daß etwas falsch ist, wenn der Sieger über den Besieg­ten wegen Kriegsverbrechen zu Gericht sitzt, deren er sich selbst schuldig ge­macht hat. Auf dem letzten Teil dieses Satzes liegt die Betonung. Es geht nicht darum, wirkliche Schuld hinwegzude­battieren. Die Empörung richtet sich nur gegen die Pharisäer. Die Beziehun­gen zur westlichen Welt bleiben belastet.

Trocken

Bericht des Wetteramtes Stuttgart Das Azorenhoch ist mit seinen Ausläufern weiter auf das Festland vorgestoßen. Samstag nach Auflö­sung der örtlichen Nebel- oder Hochnebelfelder wolkig mit Aufhei­terungen, niederschlagsfrei, Höchst­temperaturen um 10 Grad. Auch am Sonntag trocken, teilweise aufhei­ternd, leichte Nachtfröste möglich ragestemperaturen in den Niederun­gen bis zu 10 Grad