S 19 3. Miseric. D. M 20 Victor D 21 Adolar

M 22 Soter

D 23 Georg

F 24 Albert

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ILLUSTRIERTES WOCHENBLATT

Nr. 16/ 5. JAHR / 19. APRIL 1953

Karins Baum

Von Joachim Braune

Auf einer Wiese vor dem Dorfe stand allein ein junger Baum. Natür­lich hatte er dort nichts zu suchen und gehörte eigentlich in den Wald, aber er stand nun einmal da, und der Bauer Dohrmeier hatte nichts dage­gen, daß er einmal eine große Eiche auf seinem Land haben würde. Noch war sie klein, und man konnte den Stamm bequem mit den Händen um­spannen, aber sie zog sich viel Kraft aus der Wiese und reckte ihre Äste und Zweige kräftig gegen den Him­mel.

Ja, es war ein herrlicher Frühlings­himmel heute, die großen Haufen­wolken zogen gleichmäßig darüber hin, und die Sonne ließ sie weiß wie Watte aufleuchten. Das junge Mäd­chen kam aus dem Dorfe und ging über die Wiese auf den kleinen Baum zu. Sie stützte sich mit einer Hand gegen den Stamm und sah in die Krone hinauf, fast konnte sie die Blätter mit der Hand erreichen. Nicht weit von ihr sah der alte Landstrei­cher hinter einer Futterraufe hervor und beobachtete das Mädchen. Dann erkannte er sie, es war Dohrmeiers Karin, und sie war mit den Jahren ein richtig hübsches Fräulein gewor­den. Nicht- lange, dann würden die Jungen aus den Dörfern ihretwegen die Fäuste gegeneinander ballen. Jetzt; sah der alte Landstreicher, daß die Karin mit langsamen Bewegungen ein Stöckchen aufhob und um den Baum, wo das Gras fortgeblieben war, ein kleines Viereck in den Sand zeichnete, als zöge sie einen Zaun um die Eiche. Der Alte nickte vor sich hin und lächelte etwas verloren. Dann ging er, humpelbeinig und krumm­gezogen wie er war, auf den Baum und die Karin zu.

Das Mädchen erschrak zuerst vor dem Landstreicher mit dem wilden Bart im Gesicht, dann aber sah sie, daß es Teetsche war, und von dem hatte niemand etwas zu befürchten.

Ach, du bist es, Teetsche, sagte die Karin. Teetsche betrachtete das kleine Viereck, das die Karin in den Sand gezeichnet hatte.Guten Tag, Karin, wir haben uns lange nicht ge­sehen.

Ja, du warst wohl so lange über Land.

Nun, manchmal war ich schon hier, aber du hast mich nicht be­merkt. Es ist wohl ein Dutzend Jahre her, daß du diesen Baum gepflanzt hast, Karin.

Das Mädchen strich sich mit dem Handrücken einige Härchen aus der Stirn.Ja, sagte sie,es ist ein Wun­der, daß er Wurzeln geschlagen hat, nicht wahr?

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Wieder ziehen die Schafherden durchs Land

Teetsche lachte.Damals, weißt du noch, als du hier im Sande spieltest und den abgebrochenen Zweig in den Boden stecktest, damals fandest du es ganz selbstverständlich, daß er Wurzeln schlagen würde!

Ach, meinte die Karin,damals war ich noch klein und dumm, aber wenn ich heute den Baum ansehe, ist es doch wie ein Wunder.

Teetsche blickte zu der Eiche hin­auf.Du hocktest hier an dieser Stel­le, hattest ein Viereck in den Sand gezeichnet und sagtest:Sieh mal, Teetsche, das ist mein Garten. Und das ist mein Baum. Du stecktest den Zweig in den Boden und begossest ihn mit einer bunten Kindergieß­kanne. Sieben Jahre alt warst du da­mals.

Die Karin lächelte etwas verschämt. Ja, sagte sie,und du wolltest es nicht glauben, daß er wachsen würde. Siehst du, nun ist er doch gewach­sen, es ist ein Wunder.

Teetsche streichelte die Rinde des Baumes und sah der Karin in das frische, strahlende Gesicht.Und heu­te, sagte er,heute hast du wieder einen Garten um den Baum gezeich­net.

Die Karin wurde ein wenig rot. Das habe ich schon oft gemacht, es ist doch schön, zu denken, daß mein

Baum wirklich groß geworden ist. Teetsche sagte:Mit den Bäumen ist es wie mit den Menschen. Auf ein­mal sind sie groß geworden, und wenn man sie ansieht, ist es wie ein Wunder. Du hast recht, Karin.

Er hob die Hand und strich dem Mädchen über das blonde Haar. Machs gut, Karin! sagte er. Machs auch gut, Teetsche, ant­wortete die Karin und sah nach dem

*$***» Aufn.: Archiv

Dorfe hin. Auf dem Weg zur Wiese kam ein junger Bursche gegangen. Der alte Landstreicher ging seiner Wege. Er humpelte, auf seinen Kno­tenstock gestützt, nach dem Walde hin. Wie gut, dachte er, daß ich da­mals vor zwölf Jahren den kleinen Eichensetzling nachts aus dem Walde holte und dort einpflanzte. Was auch aus der Karin werden wird, das Wunder wird sie nicht vergessen.

Die Nebenstrecke...

Dänemark ist ein Paradies der Privat-Eisenbahnen. Wohl in keinem skandinavischen Land findet man so vieleNebenstrecken mit kleinen, pustenden Lokomotiven und beinahe vorsintflutlichen Eisenbahnwaggons. Selbstverständlich haben die Dänen, für alle diese kleinen Privatbahnen auch ihre Spitznamen, z. B.Sardi­nenbüchse, oderJütland-Expreß, oderSchneckenpost und wie sie alle heißen.

In Nordjütland, auf der Strecke AalborgFjerritslev bewegt sich mit Pusten und Stöhnen ein kleines Bim­melbähnchen vorwärts, dem man den hochklingenden NamenGalilei-Ren­ner verliehen hat. Warum? Nun: und sie bewegt sich doch! Natürlich erlebt man auf so einer Nebenstrecke allerlei Abenteuer, die dem blasierten Reisenden anderer europäischer Strecken unbekannt sein dürften. Neulich machte also der Galilei-Renner mitten auf der Strecke Halt.

Was ist passiert? riefen die Leute und liefen an die Fenster.

Ruhig, ruhig, rief der gemütliche Schaffner,da ist nur eine Kuh auf den Schienen, wir fahren gleich weiter!

Wenige Minuten später setzte sich der Zug auch richtig wieder in Be­wegung, um jedoch bald darauf wieder stillzustehen.

Was ist denn nun schon wieder los? fragten die Passagiere und waren diesesmal wirklich ängstlich, denn in Fjerritslev sollte Viehmarkt sein, und da durfte man doch nicht mit soviel Verspätung ankommen.

Doch die Stimme des Schaffners klang beruhigend durch den Morgen­nebel:Passiert? Nichts, jetzt haben wir bloß die Kuh eingeholt!

Kalte Füße am Mittelmeer

Wenn der Frühling seine ersten schüchternen Vorboten in deutsche Gefilde schickt, fängt es in manchen Leuten zu rumoren an. Die Sehnsucht nach dem Süden bricht aus wie eine stürmische Grippe. Weil angeblich über den Gestaden des Mittelmeers eine ganz andere Sonne ihre golde­nen Speere verschießt, ist die heimi­sche Sonne kaum noch der Beachtung wert. Eine Frühlingswolke aus Blu­men und Blüten erwartet uns. Laßt uns gen Süden ziehen!

Auch Karl und Karla zogen gen Süden. Sie fuhren. Als sie die noch mit Schnee überzuckerte Alpenregion hinter sich hatten, und das Land Ita­lien seine Visitenkarte abgab, hielten sie aufmerksam Ausschau nach dem

Das Einhorn-Horn

/ Von Otto Rombach

Es stand in einem hohen Glas­schrank und sah beim ersten Anblick wie eine dünne, ungewöhnlich lange Kerze aus, etwa drei Meter messend. Diese weiße Lanze, die sich spiralig verjüngte, wurde von einem vergol­deten Reif gehalten, aus dem ein zierliches Einhorn hervorsprang. Dies war mithin ein Grund, dem Eindruck nachzuhängen, vor dem Horn eines Einhorns zu stehen, und übrigens er­klärte der gelehrte Freund, daß noch vor hundert Jahren ernsthafte Afri­ka-Experten mit der Hoffnung aus-

Aber dann gab er den Inhalt des Täfelchens wieder, einen kurzen Mu­seumstext, durch den jedoch Aus­blicke aufgeschlossen wurden, die wiederum mitten in das Reich des Fabelglaubens führten. Denn was hatten die Beschauer wohl anderes gedacht, die diesesHorn vor eini­gen Jahrhunderten in der Kunstkam­mer des Schlosses Doloplas in Mäh­ren bewunderten, wo es im Pfennig­turm ausgestellt war, eine Merkwür­digkeit, die sogar Johann Georg Sa- ladin in seiner Straßburger Chronik

gezogen wären, das sagenhafte Fa- erwähnte was anderes hatten die

beiwesen aufzuspüren.

Inzwischen wurden jene gutgläubi­gen Entdecker widerlegt: sie hätten offenbar die primitiven Antilopen- Zeichnungen, die sie gefunden, mit dem Geschöpf der Fabelwelt ver­wechselt, das zwar schon Aristoteles, Plinius und die Bibel erwähnten und das, obwohl ein wirklicher Beweis seines Daseins fehlte, in Geschichten und Wappen einging. Da man das Einhorn nicht erlegen oder ausgra­ben konnte, mußte es der Fabel an­gehören.Und wer möchte noch an Fabeln glauben? fragte der gelehrte Freund.

wissensbeflissenen Betrachter wohl vermutet, als daß dieses Horn von einem Einhorn stamme? Hätte näm­lich der Besitzer wahrheitsgemäß be­richtet, die elegant gedrehte Lanze, die aus Elfenbein zu sein schien, sei die Waffe eines mächtigen Tieres, des Einhorn-Wals oder Narwals, den man im nördlichen Polarmeer jagte, man hätte sicher die Erzählung samt dem Tier als Fabelei genommen. Das im Wald vermutete Einhorn war näher als der leibhaftige Riesenfisch im Eismeer.

Der Freund ergänzte, daß man einen solchen Zahn, den man in Dresden

an einer goldenen Kette aufbewahrte, auf 100 000 Reichstaler eingeschätzt hat. Venezianer hatten dem Mark­grafen von Bayreuth für einen ande­ren 30 000 Goldzechingen angeboten. Aber er gab ihn nicht her.

Dagegen stellte dieser Narwal- Zahn, vor dem wir standen, ein groß­zügiges Geschenk dar. Ein Herr aus Oberschwaben mochte das kuriose Wertstück im Mährischen vielleicht geerbt oder, besessen von der Lei­denschaft des Raritätensammlers, ein­gehandelt haben. So war die teuere Beute aus dem Nordmeer auf ein Schloß nach Biberach gekommen, ein überall bestaunter Schatz, den end­lich der letzte Besitzer einem begei­sterten Mann geschenkt hat, der sich vorgenommen hatte, ein Leder-Mu­seum aufzubauen. Dort steht der kostbare Zahn unter Glas, vermut­lich nur aus dem Grund, weil man für das im Kurs gesunkene Schau­stück eine bemerkenswerte Hülse aus Leder angefertigt hatte, eine saubere, kunstvoll verzierte Arbeit. Inmitten vieler anderer Merkwürdigkeiten soll eigentlich nur dieses drei Meter lange Lederfutteral das Auge auf sich zie­hen.

Frühling. Es zeigten sich blühende Mandel- und Pfirsichbäumchen. Jede Blüte wurde laut zur Kenntnis ge­nommen.Sieh her, der Frühling!, stieß Karl seine Karla mit dem Ellen­bogen in die Hüfte. Und:Oh, wie schön, schon wieder ein blühender Baum, juchzte Karla. So stießen und juchzten sie sich durch den oberita­lienischen Frühling. Am Bodensee sah es zur gleichen Zeit nicht anders aus, nur daß zugegebenermaßen die Abendluft am Corner See einen Grad milder und lieblicher war.

Hinter Mailand blies der Südwind nicht gerade verheißungvoll. Die Wolke von Blumen und Blüten, an die sie daheim so sehnsüchtig ge­glaubt hatten, war ihnen indessen noch immer nicht begegnet. Dafür stand der Löwenzahn gelegentlich gelb in den Wiesen. Ganz wie bei ihrer Abfahrt im Norden. Als sie schließlich des Mittelmeers ansichtig wurden, tropfte der Regen, den der Südwind gebracht hatte, gegen die Windschutzscheibe. Die Riviera be­grüßte sie.

Am anderen Morgen wärmte die Sonne den Sand. Das war das Signal für jene, die auf kolorierten Ansichts­karten die sensationelle Mitteilung in den rauhen Norden verschicken, daß sie sich Anfang April unter Palmen und Cypressen, eingehüllt vom betö­renden Duft von Millionen von Blu­men, in den azurenen Fluten des Mit­telmeers tummeln. Auf der Kehrseite der Autos dieser Leute stand das KennzeichenD. Sie stocherten mit den Zehen in der harmlosen Gischt der auslaufenden Wellen wie Fisch­reiher mit dem Schnabel auf der Suche nach Beute. Das Mittelmeer be­reitete ihnen sichtlich Unbehagen. Da aber Mutti oder Putzi oder Peterle oder gar Opa schon mit der Kamera bereitstanden, um den denkwürdigen Akt des ersten Mittelmeerbades für die erstaunte nordische Umwelt im Bilde festzuhalten, wurde die völlige Benetzung mit südlichem Wasser un­vermeidlich. Im stolzen Bewußtsein, den Frühling gefunden zu haben,

/ Von Konrad Lerse

schlotternd und mit Gänsehaut über­zogen, wechselte man die Rollen, da­mit jeder dokumentarisch als Mittel­meerbadegast festgehalten wurde.

Karl und Karla schauten vom Bal­kon ihres Hotelzimmers diesem ur­wüchsigen Treiben zu, und sie woll­ten sich gerade Vorwürfe darüber machen, daß sie sich dieses Frühlings­glück entgehen ließen, weil sie ihre Badeanzüge daheim gelassen hatten. Da kamen trotz des Südwindes Wol­ken vom Land her gesegelt. Die Sonne verkroch sich, und die Luft roch nach Benzin und Dieselöl. Jetzt schlotterten die Badegäste hörbar. Aber ein schneller Rückzug, wie sie ihn im heimatlichen Freibad ange­treten hätten, wenn die Sonne sich davonmacht, schien ihnen im Anblick des Mittelmeeres und angesichts ihrer Ausgaben für die Rivierareise un­ehrenhaft. Einige gruben sich im oberflächlich erwärmten Sand ein, andere vergruben sich unter dem Bademantel.

Der Wind wehte jetzt aus zwei Richtungen. Es war kühl. Genau wie bei uns, wenn ein Apriltag keine Sonne hat. Eine eingeborene Dame ging im Pelzmantel die Promenade entlang. Sie lächelte nicht über die Vergrabenen, denn sie war zu höf­lich. Auch Karl und Karla prome­nierten. Sie marschierten vielmehr, auf daß es ihnen warm werden sollte. Durch Karlas Nylons harfte der Wind vom Mittelmeer. Wegen des teuren Reisegeldes ließ Karl seine Kamera auch einmalklick machen. Auf Karlas Gesicht war das Lächeln ge­froren. Am Mittelmeer und unter Palmen. Vom Strand her wurde eif­rig gehustet und geniest. Jedermann errät, wer diese Laute von sich gab. Auch Karla hatte kalte Füße.

Als Karl und Karla auf ihrer Rüde­fahrt die Alpen hinter sich gelassen hatten, überfiel sie eine Frühlings­wolke von Blumen und Blüten. Der Traum vom südlichen Frühling war nun in ihrer Heimat Wirklichkeit ge­worden.

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