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Mit äen illusttierten Unterhaltungsbeilagen „Zeierftunäen" unck „Unsere Heimat"^
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Ur. 53
Gegründet 1821
Samstag, den 5. März 1927
Fernsprecher Nr. 29
191. Jahrgang
Tagesspiegel
In Berlin sind .Militärsachverständige" Frankreichs, Englands. Italiens und Belgiens eingetroffen, um die Erledigung der „Refipunkke" zu überwachen.
Das neue deutsch-amerikanische Label, das erste, das nach dem Kriege wieder in Betrieb gesetzt wird, ist in Betrieb genommen worden.
Im früheren Wiener Arsenal wurde von der Polizei ein großes Wafseniager beschlagnahmt.
England wirbt auf dem Balkan Freiwillige für China an.
Rußland sucht mit den baltischen Staaten, besonders Lettland und Estland Bündnisverträge abzuschliehen.
Politische Wochenschau.
Die englischen Blätter klagen über angebliche Schadenfreude der Deutschen wegen der Mißerfolge in der China- Politik Chamberlains. Gewiß! Die Engländer er. leiden heute im fernen Osten eine Niederlage nach der andern. Denn was ist das englisch-chinesische Abkommen in Han kau vom 19. Febr. anderes als ein glatter Sieg des Kantonminlsters Tschen über die englische Fremdherrschaft in China? Es gibt heute keine englische Verwaltung in Hankau und Kiuhiang. Und bald werden die anderen „Konzessionen", voran Schanghai, dasselbe Schicksal erfahren. Die Stunde der Befreiung Chinas von der Fremdherrschaft hat geschlagen.
Und was hat England mit seinem militärischen Theaterdonner in Schanghai ausgerichtet? Nichts, rein nichts! Im Gegenteil, es war der dümmste Streich, den John Bull im chinesischen Porzellanladen angestellt hat- Statt den Chinesen die erwartete Fuchrt einzujagen, hat er erst recht Verbitterung gesät, und der Brite wird sich hüten, nur auch eine Granate auf chinesisches Gebiet zu schleudern. Es wird bei der „Geste" sein Bewenden haben, nur mit der unangenehmen Nachwirkung, daß das englische „Prestige" einen neuen empfindlichen Stoß erlitten hak, dessen Er, schütterung man bis nach Indien hinein verspüren wird.
Doch nochmals zur „Schadenfreude der Deutschen" zurück. Wenn sie tatsächlich vorhanden wäre, wer in aller Welt könnte uns darüber schelten? Hat nicht der Brite im Weltkrieg den ganzen deutschen Handel mit China rücksichtslos ruiniert? Hat er nicht damals deutsches Eigentum in China zu Schundpreisen versteigert? Jetzt blüht wieder der deutsche Chinahandel wie vor dem Krieg. Aber das unrechtmäßig erworbene deutsche Gur ist immer noch in den Händen der englischen und französischen Konkurrenz. Und wie unverschämt wurden nach dem Waffenstillstand deutsche Männer, Frauen und Kinder aus China hinaus- geworsen! Und wenn jetzt die Chinesen dasselbe mit den Engländern tun, warum soll uns das leid tun? Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein.
Andererseits meint man in England, die englischrussische Spannung mache die Deutschen nervös und erfülle uns mit ernster Sorge, „weil sie zu Verwicklungen führen könnte, die auch Deutschland in Mitleidenschaft zögen". Deshalb werde Dr. Stresemann vor seiner Reil? von San Remo nach Genf, wo er die Märztagung des Völkerbunds zu leiten hat, nach Berlin zurückkömmen, um diese Angelegenheit, auch die Differenz mit Polen, beizulegen. Das stimmt nicht. Selbstverständlich wäre es uns im Interest« der Befriedung Europas lieber, wenn der Russe und der Engländer nicht so scharf aneinander . geraten wären. Aber deshalb lassen wir uns noch lange nicht aus dem Häuschen bringen. Es ist allerdings für London peinlich, daß die scharfe Note Chamberlains auf Moskau alles nur nicht den erhofften Eindruck gemacht hat. Vielmehr zalstte der Moskowiter dem Briten mit gleicher Münze heim. Bir- kenheaü, Churchill, Amery hätten genau so russenfeindlich gesprochen, wie den Sowjetministern angebliche Enalands- reindschaft vorgeworfen werde. So warf'man von Mosl n, den Ball prompt nach London zurück.
Also Hochspannung zwischen den beiden Weltreichen England und Rußland, eine Spannung, die in früheren Zeiten zu kriegerischen Verwicklungen geführt hätte. Heute aber hütet man sich loszuschlagen. Denn keine Partei will die fürchterlichen Folgen wagen, die eine Niederlage ihr bringen kann.
Unter diesen trüben Zeichen beginnt am nächsten Montag die 44. Tagung des Äölkerbundsrats. Chambertin und Briand, also der britische und der französische Außenminister, wollen auch dabei sein. Reich ist die Tagesordnung, für uns Deutsche besonders interessant, weil u. a. auch Saar, Danzig und Polen auf der Tagesordnung stehen. Der seitherige wohlgelittene Saarpräsident, der Kanadier Stephe n s, will zurücktreten. Auch soll die vertragswidrige französische Besatzung in eine Bahnschutz-mann- hchÄkwandekt werden. Die Danziger wollen die ihnen ."tan lanast ve-sp-ochene Anleibe hak-n. Ihre Finanzen sind lo schlecht, daß sie ohne fremde Hilfe nicht weitermachen rönnen — auch eine Folge der unsinnigen Abtrennung von natürlichen deutschen Organismus. Und was Polen betrifft, mit dem wir uns übrigens in einem richtigen Wirt- schaftskriea befinden, so muß der Völkerbund endlich einmal den Minderheitenschutz. besonders hinsichtlick der deutschen schulen in Polnisch-Oberschlesien endgiltig und eindeutig regeln.
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Chamberlains Absichten in Gens
Berlin, 4. März. Wie hier verlautet, soll der polnische Außenminister Zaleski diesmal nicht die Absicht haben, vor der Völkerbundstagung nach Paris zu fahren.
In unterrichteten französischen Kreisen und auch in diplomatischen englischen Kreisen hebt man hervor, daß die Anwesenheit Chamberlains und Bnands bei dieser Genfer Ratstagung, deren Tagesordnung keinen wesentlichen Gegen- stand, außer der Danziger und der Saarfrage, ausweist, auf den Wunsch zurückzuführen wäre, die bisher geübte Methode, alle Vierteljahre eine Zusammenkunft zwischen den leitenden Staatsmännern Europas herbeizuführen, in Zukunft fortzusetzen. Ueber den Inhalt der bevorstehenden Genfer Besprechungen wird behauptet, daß diesmal deutsch- englische Verhandlungen im Mittelpunkt der Beratungen stehen werden, die vor allem auf die Zusvitzung der englisch- russischen Beziehungen zurück,Zufuhren sind. Es unterliegt keinem Zweifel, daß Chamberlain die Absicht hat, in Genf die antirussische Front zu verstärken und auf die Verhandlungen Mischen Deutschland und Polen einen Einfluß aus- zvüben. Die lebhafte Tätigkeit, die das Foreian Office einerseits in Warschau und Wilna entwickelt, um eine Annäherung Polens an Litauen zu erreichen, und die Bemü'umgen des Foreian Office andererseits, um eine Wiederau-nahme der ^"Utsch-polnifchen Verhandlungen sind der beste Beweis dafür, wie viel der enalischen Reaierung on eme- "öl" "n Isolierung Smvfcrrußlands gelegen ist. In den direkten Unterredungen zmil-ben ^bawkerlain und Streiewann
io verminet man, das ganze 0>:vr-C->ii ,n n"i!",n tlnnange au-fgerolll werden. Man staubt, daß Chamberlain alle Mittel anwenden wird, um Rußland und Deuii^laud einander zu entfremden.
Graf Westarp über Locarno
Frankfurt a. M.. 4. März. Zu einer öffentlichen Versammlung der Deutschnationalen Volkspartci führte Graf Westarp zur außenpolitischen Lage u. a. aus: Der französische Außenminister Briand habe in einem, Interview dem BerlragSwerk von Locarno Auslegungen gegeben, die vom deutschen Standpunkt nicht anerkannt werden können. Der Auffassung, daß Deutschland in Locarno do4 Versailler Diktat feierlich anerkannt habe, müsse allein schon um der Kriegsschuldfrage widersprochen werde«. Unrichtig sei, daß Deutschland durch grundlegende Anerkennung seiner Westgrenzen auf jede weitere Entwickelung im Sinne des Sclbstbestimmungsrechtcs der Völker verzichtet habe. Unrichtig sei ferner, daß Frankreich sich daS Recht Vorbehalten habe, in die entmilitarisierte Zone zur Unterstützung seiner tschechischen und polnischen Verbündeten einzumarschieren. Die Vorleistungen Deutschlands sok- ren endlich auSreichcn, um den klaren Anspruch Deutschlands zur Räumung des Saar- und des Rhcingebietes ohn< weitere deutsche Vorleistungen zu erfüllen. Rur so kö»«D Deutschland seine volle Leistungsfähigkeit für die Reparationen erreichen. Zn allen Parteien des Reichstages herrsck-e volle Uebereinstimmung, daß ein sogenanntes Ostlocarno für Deutschland undenkbar sei.
Englands Verhältnis zu Rußland
Chamberlain will die Beziehungen nicht abbrechen London, 4. März. Im Unterhaus fand eine Aussprache über die Beziehungen zu Rußland statt- Der Abg. Sinclair erklärte dabei, die britischen Interessen in Rußland und China seien Frieden und Handel. In den letzten zwei Jahren sei der britische Gesamthandel mit Rußland größer gewesen als mit China. In Rußland seien gemüßigte Einflüsse augenblicklich im Wachsen begriffen, und gerade in diesem Augenblick wollten einige konservative Mitglieder wie Horne, daß Großbritannien das Handelsabkommen kündige. Seiner Ansicht nach sollten für Chamberlain die letzten Worte der Sowjetnote mit bezug auf die Handels- b-sserunaen eine Gelegenheit bilden, um die Grundlagen des Weltfriedens zu legen, in dem der britische Handel vermehrt wird. Nach ihm ergriff der Konservative Sir Robert Horne das Wort. Bezugnehmend auf das Handelsabkommen erklärte er, alles, was er davon erhofft habe, habe sich nicht verwirklicht, aber, obgleich seine Bemühungen fehl geschlagen seien, bedauere er nicht, daß er sie unternommen bobe. Der .Handel, den England erhofft b-abe. sei nickt ge
kommen. Seiner Ansicht nach würde der Sacke des Friedens und des Wiederaufbaus in Europa viel größerer Schaden zugefügt werden durch den Verlust der britischen Autorität im Rate der Nationen, als infolge des Abbruchs der Beziehungen mit Rußland verursacht werden könntc.
Mac Donald erklärte, die Note der Regierung komme seiner Ansicht nach zwei Jahre zu spät. Er zögere nicht, zu erklären, daß, wenn er im Amte gewesen wäre, lange Zeit vor 1927 eine Note gesandt worden wäre, die vielleicht weniger in der Sprache, aber im Wesen schärfer gewesen wäre. Chamberlain brachte indirekt zum Ausdruck, daß die diplomatischen Beziehungen mit Rußland nicht abgebrochen werden. Er erklärte, er habe der britischen Regierung dringend Geduld und Nachsicht anempfohlen angesichts einer fortgesetzten Herausforderung, wie sie Großbritannien niemals zuvor von seiten irgend einer Nation zu ertragen hatte und für die es keine Parallele gebe. Er erkenne jedoch an, daß es Grenzen gebe, über die hinaus diese Geduld nicht ertragen werden könne.
Diese und andere Punkte — es sind deren im ganzen 29 — stehen auf der Genfer Tagesordnung. Nicht aber die ans Deutsche am meisten interessierende Räumunqs- frage. B r i a n d hat erklärt, niemand in aller Welt könne Deutschland verdenken, daß es die Rheinland'üumung wünsche. Sie gehör« zur deutsch-französischen Verständigung, ohne welche eine Befriedung Europas nicht denkbar lei. Aber andererseits spricht er ziemlich schleierhaft über Locarno. Nur das sagt er klipp und klar heraus, daß der Vertrag Frankreich das Durchmarschrecht sichere. Als ob das die Hauptsache wäre! Man sieht also, wie die Franzosen Locarno nur insoweit gelten lassen wollen, als sie davon Vorteil haben.
Gang genau dasselbe gilt von der Ab r ü st u n g s f r a g e. Gleichzeitig tagt mit dem Bölkerbundsrat in Genf die Unterkommission B der „Vorbereitenden Abrüstungskonferenz", die auf den 21. März einbernfen ist. Die Ouvertüre für diese Komödie wurde am 1. März in Paris gespielt. Dabei erklärte Paul Boncour im Brustton der Ueberzeugung: Wenn die Eutwafftiungskonserenz resultatlos verlaufe, so trage Frankreich daran kein- Schuld. Es aebe keine friedlichere Nation auf Gottes Erdboden als Frankreich. Und m demselben Augenblick sagte der Kriegsminister Psinke ve in einer Unterredung mit dem Vertreter des „Petit Parisien", kein Land sei in geographischer Hinsicht dem feindlichen Ueberfall so preisgegeben wie Frankreich. Im Interesse seiner eigenen Sicherheit brauche es deshalb eine Festungsmauer von Meer zu Meer, ein zusammenhängendes System von Feldbahnen, Straßen, Telephonleitungen usw. Die Gefamtkosten dieses Riesenwerks belaufen sick aus rund Hieben Milliarden Franken, die in der Form
außcrordenilicher Nachtragskredite beim Parlament angefordert werden. Und zum Ueberfluß kündigt gleichzeitig der Marineminister Leygues weitere Forderungen bezüglich des Vaus von kleinen Kreuzern, Torpedobooten und U-Booten an. Nach Durchführung des neuen Flottenbau- programms werde Frankreich aber immer noch nicht die Kriegsmarine haben, „aus die es ein Recht besitze".
Und so etwas nennt sich „französische Friedensliebe!" Was wohl Präsident Coolidge in Washington zu den Reden diess famosen französischen Kleeblatts sagen wird? Jetzt kann der ante Mann ohne Aufschub seinen maritimen
Abrüstungsplan begraben. Jetzt wird natürlich auch Amerika darauf losrüsten. Seine Mittel erlauben es ihm ja. —
Unsere neue Regierung hat mit dem Reichstag eine ziemlich umfangreiche Arbeit noch zu erledigen, bis die Wahlarbeiten für 1928 einsetzen: den Reichshaushalt, das Arbeitsloseuversicherungsgesetz, die Reform des Strafgesetzbuchs, Ehescheidungsfra- g e n, das Reichsschulgesetz und die Vorbereitung des aus 1. April 1929 geplanten Finanzausgleichs. Auch wird eine Reform des D a w e s p l a ns nicht zu umgehen sein. Denn je tiefer wir in das dritte Dawesjahr mit seinen wirtschaftlichen Nöten eintreten, desto mehr nötigt sich uns die Ahnung von der Undurchführbarkeit des Plans auf. Endlich melden die Millionen von Instationsopfern ihre Aufwertungsforderungen an und drängen die Regierung, daß sie ein Volksbegehren zulasse. In alle,, diesen schwierigen Fragen erwartet das deutsche Volk Hilfe und Abhilfe. Dabei wird die Opposition, die der Regierung schärfsten Kampf angesagt har, es an Kritik nicht fehlen taffen und den Parteien, die heute die Regierung tragen, nicht leicht machen, ihre Probe vor dem Volksgericht der neuen Wahlen zu bestehen.
In Württemberg gibt s Lohnarbeiten im Wert von 80 .^uuonen Mark. Reich, Land und Stadt Stuttgart haben sich darüber geeinigt, daß die nordsüdliche Hauptbahn Oster- bürten — Immendingcn zweigleisig ausgebaut werde. Wahrlich ein großes Wirtschaftsumernehmen, worüber wir uns wirklich recht freuen dürfen, um so mehr, als bei dieser Gelegenheit auch mancher Arbeitslose Unterkommen kann.
Ein besonderes Unglück für unsere Wirtschaft und Moral ist die Zahl der jugendlichen Erwerbslosen. Es geschieht zur Abhilfe auf diesem Gebiet viel, aber immer noch nicht genug. So hatte die Stadt Essen für die Zahl von 5000 erwerbslosen Jugendlichen nicht weniger als 300 000 Mark zur Beschaffung von Arbeit bereitgestellt. Andere schlugen Verlängerung der Schulzeit für solche Schulentlassene vor. Noch bester wäre es, wenn man diese jungen Leute auf das Land dirigieren könnte. Die deutsche Landwirtschaf t hat Verwendung für viele tausende deutscher Arbeitskräfte, jetzt ganz besonders, seitdem ihr das Reich 30 000 ausländische (polnische) Wanderarbeiter weniger genehmigt Kak. Es ist Zwar nickt lv einfach, unsere städtische Jugend