Sette 2 - Nr. 48

Nagolder TagblattDer Gesellschafter"

Deutscher Reichstag

Berlin. 26. Februar.

Der deutsch-türkische Handelsvertrag wird in allen drei Lesungen angenommen. Daraus wird die zweite Lesung des Haushaltplans des Reichsarbeitsmimsteriums fortge­setzt.

Abg. Becker- Arnsberg (Z.) wendet sich gegen die so­zialdemokratische Darstellnng, als ob allein die Sozialdemo­kraten für Arbeiterschutz gesorgt hätten. Ms Hauptaufgabe der Wirtschaftspolitik sei die Stärkung des Binnenmarktes zu betrachten. Leider seien trotz Abbau und Rationalisierung die Preise nicht gesunken, die Löhne nicht gestiegen. Not­wendig sei die Beseitigung des Neberstuirdenwesens. Sonn­tagsarbeit müsse in ganz besonders engen Grenzen gehalten werden. Der Redner beantragt, diejenigen Betriebe, die innerhalb eines Jahrs wieder in Betrieb genommen wer­den. zu zwingen, die Entlassenen wieder einzustellen. Das KernproRem der Sozialpolitik sei die Entproletarisierung der Massen durch Eigenheime und Gewinnbeteiligung.

Abg. Thiel (DP.) wirft die Frage aus. ob man nicht die Schulzeit um ein Jahr verlängern sollte, nm die Zahl der jugendlichen Erwerbslosen zu vermindern. Den gesteigerten Anforderungen des Lebens gegenüber lei dies durchaus erwägenswert. Die Invalidenversicherung könne nur noch höchstens ein Jahr mit den heutigen Beträ­gen auskommen. Die Wirtschaft werde also vorläufig auf keine soziale Entlastung rechnen können. Das Schlichtungs­wesen müsse noch in der Hand des Staates bleiben, so wün­schenswert auch auf diesem Gebiet die Selbstverwaltung sein würde. Der Redner fordert beschleunigte Besserstellung der Kriegsbeschädigten. Das Reichsehrenmal müsse bis zum 80. Geburtstag des Reichspräsidenten fertiggestellt sein. Die geschichtliche Wahrheit bezüglich der Entwicklung der deutschen Sozialpolitik laute nicht gerade zugunsten der So­zialdemokratie. Die Sozialdemokratie habe durck ihre Aus­peitschung der Massen das nationale Gefühl abgestumpft und die internationalen Gefühle großgezogen.

Neueste» vom Tage

England und Polen

Danzig, 27. Febr. DieDanziger Landeszeitung" be­richtet, englische General st absosfiziere seien in Danzig gewesen, um mit Vertretern Polens über Handels­und Wirtschastsfragen, sowie über ein m i l i t ä r'i s ch e s Bündnis zu verhandeln. (Ein solches Bündnis könnte nur gegen Rußland und Deutschland gerichtet sein.)

Im polnischen Abgeordnetenhaus wurde an die polnische Regierung die Anfrage gerichtet, ob der Regierung die fortdauernden Kriegsrüstungen Deutsch­lands an der Ost grenze bekannt seien, und welche politischen und militärischen Maßnahmen die Regierung gegen die von Deutschland drohende Gefahr getroffen habe. Die Tatsachen werden okso wieder einmal recht hübsch auf den Kopf gestellt

Polen und Litauen

kowno, 27. Febr. Im litauischen Landtag erklärte der neue Präsident Woldemaras, das von den Polen in Besitz genommene Wilna müsse wieder die Hauptstadt Litauens lein. Dem aufgetauchten Plan, den polnischenKorridor" von West- und Ostpreußen an Deutschland zurückzugeben und dafür Litauen mit Polen zu verschmelzen, würde Ruß­land wohl kaum zur Ausführung bringen lassen, es würde zu einem europäischen Krieg führen und sei daher nicht ernst zu nehmen.

Der Rücktritt des spanischen Außenministers

Madrid, 27. Febr. Der Rücktritt des Außenministers Dr. Janguas kam nicht überraschend. Der Diktator Primo de Riveras führte die Verhandlungen mit Frank­reich über Tanger von Anfang an selbst und der Außen­minister war davon ganz ausgeschaltet. Diesen unhaltbaren Zustand wollte Panguas nun ein Ende machen. Dem Ka­binett gehörte Panguas seit 15 Monaten an als eines der eifrigsten Mitglieder der Union Patriotica, der Faszisten- partei Primos. Neben seinem hohen wissenschaftlichen An­sehen als Geschichtsforscher besitzt er einen vornehmen Cha­rakter, der unbedingt zu seinem Wort steht, daneben ist er allerdings von einer in seiner Stellung auffälligen persön­lichen Bescheidenheit. Primo hat nun nach Mussolinischem Muster das Außenministerium selbst übernommen und zu seinem Berater den Generalsekretär Dr. Espinosa de los Monteros aewäblt. der lcbon mm Botschafter in Berlin er­

nannt war. Espinosa wird nach einer Meldung den Posten indessen doch antreten. Nach einer anderen Lesart soll Pan- guas für Berlin ausersehen sein, wenn er nicht vorzieht, seine frühere Lehrtätigkeit an der Universität wieder aufzu- nehinen. Panguas stand dem Völkerbund ablehnend gegenüber.

Tschangtsolin gegen England

Schanghai. 27. Februar. Wie verlautet, beabsichtigt Tschangtsolin, nachdem sein Ilnkergeneral Tschang- tschungkschang mit einem Teil der Schankungkruppen Schang­hai besetzt hat, demnächst die Aicderlassungsfrage überhaupt zum Gegenstand eines diplomatischen Vorgehens zu machen und eine Regelung zu verlangen, wie sie von Südchina über Hankau erlangt worden ist. Kämpfe zwischen den Nord- und den Südchinesen seien in der nächsten Zeit nicht zu erwarten.

Die ganze chinesische Kriegsflotte soll zu den Kankonesen übergegangen sein.

Württemberg

Stuttgart, 27. Febr. Das Ministergesetz. Das Staatsministerium hat eine neue Fassung des Ministergesetzes beschlossen, die der Staatspräsident dem Finanzausschuß des Landtags in der zweiten Beratung des Gesetzes übergeben und begründen wird. Zur Frage, ob das Landesgesetz be­fugt ist, den Bestimmungen rückwirkende Kraft zu geben, soll nach Verabschiedung des Gesetzes das Reichsgericht gemäß Art. 13 der Reichsoerfassung um Entscheidung ge­beten werden.

Todesfall. Regierungspräsident a. D. Feze r, der von Ellwangen hierher gekommen war, um an einem Familien­fest teilzunehmen, ist im Marienhospital im Alter von 87 Jahren an einer Herzmuskelschwäche gestorben. Fezer stammt von Weilderstadt. Im September 1921 wurde ihm die Prä­sidentenstelle bei der Regierung des Jagstkreises in Cll- wangen übertragen. Dieses Amt bekleidete er bis zur Auf­hebung der Krcisregiernngen im Jahr 1921.

50. Geburtstag. Die Landtagsabgeordnete, Frau Prof. L. R i st, feiert am 28. Februar ihren 50. Geburtstag. Seit 1918 ist sie Abgeordnete des Zentrums im Landtag und seit 1920 Vorsitzende des Württ. Landesausschusses des Kath. Frauenbunds.

Neue Krastwagenlinien. In diesem Jahr wird in der Stuttgarter Stadthalle an der unteren Neckarstraße ein« Baustoff-Ausstellung und auf dem Weißenhof die Werkbund­ausstellung stattfinden. Um den Verkehr zwischen beiden Ausstellungen herzustellen, soll eine neue Kraftomnibuslinie eingerichtet werden. Weitere Krastomnibuslinien sind vom Skadtinnern zum Waldfriedhof, zur Bopserwaldstraße und von Cannstatt nach Unter- und Obertürkheim geplant. Die Linien sollen städtischen Zuschuß wie man hört etwa 60 000 Mark für 1927 erhalten.

Am 25. Februar legte das Lufthansa-Flugzeug D. 232, Führer Behrendt, mit vier Personen an Bord, die Strecke StuttgartErfurt (300 Km.) in einer Stunde 30 Minuten, also mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 220 Km. In der Stunde, zurück.

Jndustrieangestelltentarif. Die Verbände der Arbeitgeber und Angestellten (ausgenommen D.H.V. und die technischen Verbände des Gedag) haben einer Vereinbarung zugestimmt, die sich bezüglich des Gehaltsabkommens und der Regelung der Kurzarbeit nur unwesentlich von dem am 18. Januar gefällten Schiedsspruch unterscheidet. Damit ist der Ge­haltsstreit beendet. Das neue Abkommen gilt ab 1. Jan. 27.

Postmarder. Der Postschaffner Friedrich Reiser am Post­amt 1 in Stuttgart hat an vereinnahmten Nachnahmsgeldern über 400 Mark unterschlagen und die Belege gefälscht oder beseitigt, um die Veruntreuungen zu verdecken. Das Schöffen­gericht billigte ihm mildernde Umstände zu und verurteilte ihn zu 7 Monaten 15 Tagen Gefängnis.

Nus dem Lande

Heilbronn, 27. Febr. Mietwucher. Ein Kaufmann in Stuttgart, der in der Kaiserstraße 2314 in Heilbronn eine Geschäftszweigstelle unterhält, hat das Haus in der In­flationszeit im Dezember 1922 um 800 000 Papiermark (529 Goldmark) erworben. Der Gebäudewert wird heute auf 210 000 Mark veranschlagt. Trotz des Riesengewinns ver­langte er noch von 7 Mietern unberechtigt hohe Mieten. Einige Sachverständigen bezeichneten einen Mietaufschlag von dreißig Prozent auf die Vorkrieasmiete als an­

Moutag, 28. Februar 1927

gemessen. Der Staatsanwalt beantragte wegen vorsätzlichen Mietwuchers eine Geldstrafe von 15 000 Reichsmark. Er habe das wertvolle Haus zu einem Spottpreis erworben und ziehe außerdem aus seinem Geschäft ein Jahreseinkom­men von 200 000 Mark. Das Urteil des Großen Schöffen­gerichts lautete auf 5000 Mark Geldstrafe.

Buchau, 27. Febr. Eigentümlicher Fastnachts­scherz. Die beiden Turmuhrzeiger auf der Stadtpfarrkirche leisteten sich einen netten Fastnachtsscherz. Der große Zei­ger nahm den kleinen zu sich und lief viele Stunden gemein­sam mit ihm stündlich den ganzen Kreis aus.

Kaulgau, 27. Febr. Stillgelegte Autolinien. Die erst seit kurzem in Betrieb genommenen Autolinien Saul­gauHohentengen und MengenGögeOstrach sind vor­erst stillgelegt worden, weil vor Inbetriebnahme die mini­sterielle Genehmigung nicht eingeholt worden war. Man wird versuchen, die Genehmigung noch nachträglich zu er­langen.

Roms OA. Saulgau, 27. Febr. Ende Januar wurden zwei Landwirten in Haggenmoos von den Torfwiesen Besen- reisige in größerer Menge gestohlen. Das Reisig wurde von stehenden Birken entwendet, denen teilweise in rücksichts­losester Weise die Kronen abgeschnitten wurden. Nunmehr wurden als Täter drei junge Männer von Altshausen er­mittelt.

Vom bayerischen Allgäu, 27. Febr. Abgängig. Seit mehreren Tagen ist der PoÜzeiwachtmeister Johann Huber von Memmingen, Vater von drei Kindern, abgängig. Er hat sich im Dienst nichts zuschulden kommen lassen und lebte in geordneten Vermögens- und Familienverhältnissen. Bei der Sparkasse hob er mehrere hundert Mark ab und be­schaffte sich einen Auslandspaß.

8«s Stadt und Laak

Nagold, 28. Februar 1927.

Revolutionäre Parlamente sich praktisch wenig wert : Viel spießbürgerliche Gesiimungstiichtigkeit, wenig Blick für Tatsachen und gar keine Erfahrung.

O. Spengler.

-tz

Der gestrige Sonntag

war ein Tag, der nicht wußte, was mit sich selbst anfangen. Heller, warmer Sonnenschein, klarblauer Himmel und kräftige Regengüsse wechselten oft in ganz kurzer Zeitspanne miteinan­der ab. Doch die Strenge des Winters scheint gebrochen zu sein, denn ein warmer Föhn wehte über die Täler und es wird nicht mehr lange dauern, so lugen uns liebe Veilchen aus ihren verborgenen Verstecken entgegen. Der Film der inneren Mission war sowohl am Nachmittag wie am Abend sehr gut besucht und fand das größte Interesse bei der hiesigen Ein­wohnerschaft. An anderer Stelle werden wir des Näheren darauf eingehen. Aber auch die Veranstaltung des Schwarz- waldvsreins hatte einen Zuspruch wie selten und fröhliches, ungezwungenes Treiben ließ die Schwarzwaldoereinler für Stunden des Alltags Sorg' und Müh' vergessen. Hatte in der Nacht vorher die tropfende Dachrinne ihr melodisches Lied uns zum Schlummer gesungen, so leuchteten uns in dieser Nacht die Hellen Sterne ins Kämmerlein oder sie zeigten den Nach­züglern den Weg in ihre heimatlichen Penaten.

Generalversammlung des S B. N. v. 1911 e. B.

Am Samstag Abend fand im vollbesetzten Traubensaal die ordentliche Generalversammlung des S.V. N. statt. Herr Köbele als 1. Vorsitzender eröffnete die Versammlung mit Wartender Begrüßung an alle Erschienene, insbesondere be­grüßte er die Presse, für deren rege Mitarbeit man ihr beson­ders danken müsse und deren Interesse an sportlichen Bestrebun­gen man ein gut Teil des Aufblühens des Vereins zuschreiben könne. Dank spricht er auch an alle die aus, die während des ganzen Jahres sich selbstlos in den Dienst der Sache gestellt haben. Herr Köbele ging in seinem Geschäftsbericht auf die Ereignisse 1926/27 des Näheren ein, streifte die Reichsjugend­wettkämpfe, das Vereinssportfest verbunden mit dem 15jährigen Stiftungsfest, die Teilnahme an den leichtathletischen Wett­kämpfen in Mühlen, bei dem die Nagolder den 2.6. Platz belegen konnten, die Jugendweihnachtsfeier, die neugegründete Borabteilung, die Gesangsabteilung, die Bibliothek, die Vereins- zeitüng u. a. m. Zum Schluß führte er noch ungefähr aus: Körperliche Frische und Kraft, lautere innere Wahrheit machen einen ganzen Menschen und solche Menschen erst ein ganzes Volk." Dies sind Worte, die den Kernpunkt einer Sportbe-

Psrjchologiiches.

Bo» Hein Dich!.

Wer nur seinen Gefühlen traut, der wird leicht alles ent­täuschend, trostlos und tropisch finde». Wer dagegen auch noch zu denken vermag, der wird bald dahinter kommen, dah auch die Enttäuschungen, auch das Schmerzvolle und Tragische nur Komödie mit uns spielen. Es gilt, nicht darauf hereiuzufalleu: das Lachen muh auf unserer Seite bleiben'

Es gibt Menschen, die machen aus Leid und Schmerz ein ..Kunst-Gewerbe". Bor denen muh man ganz besonders auf der Hut sein! Tenn ans jedem Mückenstich, der sie pickt, macke» sie eine Epidemie, ans jedem Seufzer eine Infektion und aus jedem deutlichen und kräftigen Wort einen Abgrund von Qual und Bosheit. Im Grunde ihrer schlauen Seelen aber stehen sie sich gut mit ihrem ..Leide", ja. sie züchten es gewisser­maßen: und allen eigentlichen Jammer walzen sie listig auf den gutmütig Anteilnehmenden ab.

Gar viele Ratschlage enthalte» nur das eine Gute, dah sie uns offenbaren, wie wenig manche Ratgeber taugen.

Sin kleiner Schritt.

Skizze von Waller H a in m e r - W e b s.

In Marseille sah ich sie das erste Mal Es war aus dem Landungssteg der ..Regina" Schön war sie nicht mit ihrem fast brandroten Haar Um ihre schmalen Lippen war Schmerz, als sie dem kleinen Barfüßigen einen Splitter aus dem Fleisch zog. Ter Junge starrte wie gebannt ans die vor ihm knicende Frau.

Ich weih, dah ich stehen blieb und ihre Augen suchte. Ver­gebens Von der nachströmenden Menge wurde ich sortgespült in den Leib des Riejenichisses So verlor ick sic und glaubte sie vergessen zu haben.

Seit zwei Tagen stampfte dieRegina" durch das Meer, sas sich wie ein dunkelblaues Tuch um sie wellte. Der Himmel hing wie eine Last über uns.

Langsam schleuderte ich über das Teck, no es nach Seewasser und Teer rock Ick weih beute noch nicht, was mich plötzlich zu

der Eisenstiege zog. die in den Kesselraum hinunter führte. Wie in leichter Betäubung stand ich davor. Ich hatte die Augen ge­schlossen und sog gierig die heiße, ölgetränkte Lust ein. Aus weiter Ferne klang das Klirren von Metall.

Da zuckte es grell aus. Erstaunt hob ich die Lider. Aus einer offenen Kessellür schlug Feuerschein Da sah ich sie zum zweiten Mal. Eine Sphinx, zwischen den halbnackten Gestalten der Heizer. Die Sphäre der Hölle dort unten schien getränkt von Verlangen und Begierde. Jittern ourchrann mich, als das Weib sich langsam den glutenden Feuerlohen näherte Der Um­riß ihres Körpers trat mit jedem Schritt klarer hervor.

Fast berührte ihr Leib den Eisenkessel, der wie ein Ungetüm war. das in seiner gebannten Kraft knisternd und dumpf brül­lend lauerte Ich wollte schreien. Da schob ein nackter Arm sie in das Dunkel zurück. Sie wandte sich langsam und ging.

Plötzlich stand sie vor mir. Ihre Augen bohrten sich in mich hinein. Ich glaubte einen Schlag erhalten zu haben, unter dessen Wucht mein Nacken sich beugen muhte.

Als ich mich wieder aufrichtcte. meinen Namen nannte, nickte sie

Ich kenne Sie. Von Marseiile."

Ihre Stimme klang, als ob sie durch Schleier spräche. Wir gingen zusammen zur Reling. Dicht nebeneinander. Ich fühlte ihre Wärme. Lange standen wir ohne zu sprechen. Sie lehnte lässig an der Brüstung. Dabei sah sie mich an. Ich fühlte es Meine Schnhspitze zeichnete Figuren auf das Deck.

Sie wollen nach Algier?" fragte ich.

Ja. Morgen verlassen wir das Schiff."

Sie sagte:Wir". Ich blickte sie kurz an. Ihre Augen suchten in der Weite. Dann richtete sie sich plötzlich aus und reichte mir die Hand.Wir sehen uns heute Abend noch?"

Statt der Antwort küßte ich ihre Fingerspitzen.-

Dann der Abend . Wir standen am Heck derRegina" und beobachteten die Gischtspruüel, die die Schrauben ins Meer schlugen. Geheimnisvoll legten sich die Arme der Nacht um uns, und Zittern rann unter unseren Füßen.

Sehen Sie diese Schrauben." sagte sie plötzlich.Ihre Kraft ist der Ausdruck eines großen Willens."

Ihre Blicke tauchten in den Schaum.

Ter Ausdruck eines großen Willens." wiederholte ich traumhaft.

Und denken zu müssen, daß dieser Wille auch in uns ist. Es bedarf nur eines kleinen Schrittes, um zu ihm zu kommen

über das brennende Wollen." Dann leise:Der kleine Schritt."

Wie wenige Menschen aber vermögen diesen Schritt zu tun. durch ihren Willen das Wollen zu verwirklichen?"

Sie haben recht, sehr wenige." Ihre Augen waren schim­mernd wie Opale.

lind ich muß sagen, daß ich diese Menschen bewundere. Ja. ich liebe sie."

Ihre Lippen bebten.Sie lieben sie? Ja, man muß sie lieben." Ihre Worte verklangen mehr und mehr. Sie hatte die Augen geschlossen und den Kopf weit zurückgeneigt. Langsam glitt ihr Leib hinüber.

Wie es geschah, weiß ich nicht. Ein wirbelnder Körper klatschte ins Wasser. Versank und tauchte wieder auf. Mehrere Male, viele Male. Ich weiß es nicht.

Mit Tjtanenkräften schraubte sich das Schiff rückwärts. Die> See kochte unter den Schraubenschlägen. Menschen liefen durch­einander und brüllten. Motorboote schwankten tickend davon.

Ich wußte, es war umsonst. Ihr Wille wollte es, sie tat den kleinen Schritt.-

DieRegina" stampfte weiter.

Als ich mich abwandte, um in meine Kabine zu gehen, stand ein Herr neben mir, der in die Dunkelheit stierte.

Er hatte die Kiefer aufeinandergepreßt, daß sich die Knochen brutal abzeichneten. Um seine Lippen war ein Lächeln wie Ns.

Da liebte ich ihren Willen. --

Eine gute 3i>ee.

Fürst Metternich, dem der Johannisberg mit seinem herr­lichen Wein gehörte, war ein leidenschaftlicher Autographen­sammler. Er besaß Handschriften von fast sämtlichen französi­schen Dichtern und Berühmtheiten, mit alleiniger Ausnahme des damals bekannten Akademikers Inles Ianin. Er wandte sich mit der Bitte um Zusendung einiger eigenhändiger Zeilen an diesen. Der berühmte Feuilleionist zerbrach sich nicht lange den Kopf über die Abfassung eines großen Gedankens, sondern übersandte dem Fürsten ein Blatt mit folgender prosaischer In­schrift (in Uebersetzung):Habe von Seiner Hoheit dem Fürsten Metternich hundert Flaschen Johannisberger erhallen. I. Ianin." Metternich lachte und bezahlte den glücklichen Einfall Ianins mit hundert Flaschen des berühmten Rheinweins.