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Nr. «8

Gegründet 1827

Montag, den 28. Februar 1927

Fernsprecher Nr. 28

1V1. Jahrgang

Tag^ssPiegel

Dr. Ltresemann hatte in San Nemo Besprechungen mik dem deutschen Botschafter v. Neurath in Rom und v. Hoesch in Paris.

Der deutsche Botschafter in Paris hat gegen die Auffüh­rung des FilmsMare nostrum". der das deutsche Gefühl in der empörendsten Weise verletzt. Einspruch erhoben. Die schlimmsten Zielten sind darauf gestrichen worden.

Der Provinzialauslckuß von Kesten-Nassau wählte den bisherigen Berliner Polizeiniievräsidenken Friedensburq mit 9 gegen 5 Stimmen nim Beaierungsvräiidenten von Kassel.

Zum Nachfolger Stephens als Vorsitzender der Saar- kommission soll der frübr^o ^,'nan'Direktor des Völkerbunds, Sir Herbert Ames. ebenfalls ein Kanadier, ausersehen sein.

Die schroffe Absage Spaniens, an der Welkwirtschafls- konfereni teilrunehmen, hak in Völkerbundskreisen überrascht und verstimmt.

Der frühere Präsident von Portugal. Machado. ist aus dem Land ausgewiesen worden und in Vigo (Nordspaniens einoetrossen.

Die im Norden Nikaraguas stehenden Truppen der Libe­ralen haben Verstärkungen erhalten und werden voraus­sichtlich wm Angriff gegen die Stadt Makagalpa voraehen. Die Stadt soll jedoch vorder von den amerikanischen Trup­pen. die bereits Lager in Managna. Lorriko, Leon. Ehinan- dega und an anderen Orten bezogen haben, beseht werden.

Der englische KreuzerColombo" ist in Managua einge- lrofsen.

Der Weg zur Verständigung

Schanghai ist andauernd der Brennpunkt der Weltpolitik. Weltpüliikk ist die Politik, deren Ausstrahlungen sogleich um den gangen Erdball herumgreifen, deren Wirkung sich kein Volk, vor allem kein Wirtschaftsvolk, entziehen kann. In diesem Sinn ist. was in China geschieht, gang gewiß Weltpolitik und verdient unsere fortgesetzte Aufmerksamkeit, auch wenn wir nicht imstande sind, unmittelbar einzugreifen.

In Schanghai entwickeln sich die Dinge, wie das gu gehen pflegt, wenn ein geschlagenes Söldnerheer in eine große Stadt zurückslutet und ein erfolgreiches Volksheer vor den Toren steht. Aber nicht die militärischen Ereignisse sind das Wesentliche dieser Bewegung, worin das chinesische Volk seinen Staat sucht, sondern die diplomatischen. Des­halb gerade ist es für uns so lehrreich, den Gang der Dinge zu verfolgen. Denn bei uns im Weltkrieg war's umgekehrt: unsere gange Hoffnung hing an den militärischen Ereig­nissen, unsere Diplomatie war von Anfang an hoffnungslos. Das kann man von der Staatskunst der Kanton-Regierung wirklich nicht sagen, das Abkommen von Hankau, das so­eben geschlossen worden ist. geigt sie vielmehr auf einer nicht alltäglichen Höhe.

Die Lage hat sich in,zwischen insofern geändert, qls die Kantoner Truppen vor Schanghai angekommen sind. Die Notwendigkeit, sich mit den fremden Mächten, nicht nur mit den Engländern, auseinanderzusetzen, rückte näher. War es da nicht klug, den Erfolg von Hankau zunächst diplomatisch in Sicherheit zu bringen? Das ist vermutlich für Tschen der eigentliche Sinn des Abkommens über die englische Nieder­lassung, das auch aus Kiu-Kiang angewandt werden soll. Die rein englische Verwaltung der Niederlassungen wird preisgegeben, aus den Steuerzahlern wurde eine gemischte chinesisch-englische Verwaltung gebildet, und zwar durch die Kanton-Regierung. Das Abkommen von Hankau enthält unausgesprochen die Anerkennung der Kanton- Regierung durch England. Tschen betrachtet das offenbar, und mit Recht, als ersten Schritt zur Anerkennung Äsder" chinesischen Regierung. Und es ist klar: wenn die Kantoner erst die Chinesenstadt von Schanghai in ihrer Gewalt haben, so kann sich England, nach dem Vorgang von Hankau, nicht wohl weigern, mit ihnen über die Frem­denniederlassung von Schanghai zu verhandeln. Und wenn England verhandelt, werden die anderen gewiß nicht Nein sagen, sondern den dringenden Wunsch haben, dabei zu sein. So darf man annehmen, der kluge Tschen habe sich in Hankau rechtzeitig den Weg gu einer Verständigung geöffnet, die Kanton zum Ziel seiner weitausschauenden Politik führen kann.

Denn das Ziel der Kanton-Regierung ist schwerlich je gewesen, die Fremden mit Waffengewalt aus China zu vertreiben. Tschang-Kai-Scheck, dieser merkwürdigste unter den chinesischen Generalen, kennt nicht nur China, sondern einigermaßen auch die Welt. Der knapp 40-Jährige ist in jüngeren Jahren in Japan und in Rußland gewesen. Er sollte ursprünglich Kaufmann werden, taugte aber nicht dazu, und wurde erst Kadett und dann Offizier. Als junger Offizier hat er in Tokio den Doktor Sun-yat-sen kennen gelernt, den geistigen Vater der Kanton-Bewegung. Andere Bekannt­schaften scheint er in Moskau gemacht zu haben, die sich jetzt vielleicht als hinderlich erweisen. Eine Anzahl Kommu- nistensührer aus allen Ländern ist in Kanton eingetroffen, darunter Tom Mann, der 70jährige englische Arbeiterführer vom radikalsten linken Flügel. Sie treffen die Kanton- Regierung gar nicht mehr in Kanton. Die sitzt in Hankau am Yangtse. und zwar auf Betreiben Tschanq-Kai-Schecks. Das würde daraus hindeuten, daß auch dieser mehr ist als ein bloßer Revolutionsaeneral und die Gefahr, daß die

Reichspräsident, Reichskanzler und Neichsaußenminister

zur Kriegsschuldfrage

Berlin, 26. Febr. In einer SchriftIm Dienst der Wahr­heit", die der Arbeitsausschuß deutscher Verbände zum Ab­schluß der Aktenoeröffenllichung des Auswärtigen Amts dem­nächst herausgibt, befinden sich folgende Aeußerungen der Reichsleitung über die Bedeutung des abgeschlossenen Werks:

Reichspräsident von H i n d e nburg : Wir haben die politischen Geheintakten unserer Vergangenheit enthüllt, um der Wahrheit über die Entstehung des Weltkriegs zum Sieg zu verhelfen. Unsere Aktenveröffentlichung ist ein offenes Beten n t n i s an die Welt. Wir erwarten heute eine ebenso o f f e n e A n t w o r t der Welt auf dieses Bekenntnis.

Reichskanzler Dr. Marx: Der hohe Gedanke der Völkerversöhnung kann auf geistigem Gebiet durch nichts so stark und nachhaltig gefördert werden, als durch unbedingte Aufrichtigkeit über jene Vergangenheit, die Europa in zwei feindliche Lager zerrissen hat. Wir sind durch unsere Akten­veröffentlichung auf dem Weg zur geistigen Annäherung der Nationen oorangegangen.

Reichsaußenministe'r Dr. S t r e s e m a n n : Wir Deutsche sind bereit, uns jedem unparteiischen Gerichtshof zu stellen, der die Ursachen des Weltkriegs untersucht. Die Akten- veröffentlichung des Auswärtigen Amtes enthält das deutsche Material für einen solchen Gerichtshof. Jeder, der sich in ihren Inhalt vertieft, wird die Ueberzeugung gewinnen, daß Deutschland keineswegs den Krieg böswillig betrieben oder absichtlich entfesselt hat.

Monatsbericht der Deutschen Reichspost Berlin, 25. Febr. Der Postverkehr ist im Januar, wie alljührlicb, im allgemeinen etwas zurllckgegangen. Der Paketvcrkehr weist gegenüber dem Dezember einen Rück­gang um 23,6 v. H. auf. Der Luftpostverkehr hat sich im Jahr 1026 insgesamt um 22,4 o. H. gehoben. Im 'Post­scheckverkehr wurden rund 53 Millionen Buchungeti über 10,6 Milliarden Reichsmark ausgeführt. Der Zugang an neuen Postscheckkunden wa- mit 4506 im Januar stärker als in jedem der letzten 12 Monate. Der Ueberweijungsverkehr mit den, Ausland hat um 18 v. H. zugenommen. Der Telegrammverkehr blieb gegenüber Dezember zurück. Rund 90 000 neue Rundfunkteilnehmer erhöhten die Gesamtzahl auf rund 1 466 927. Die Einnahmen, die sich im Januar aus 159,7 Millionen Reichsmark beliefen, sind gegenüber dem Oktober um 2,1 Millionen, die Ausgaben mit 136,5 Mil­lionen um 4 Millionen zurückgeblieben.

Kundgebung der Berliner Studentenkammer zum Universikätenstreit

Berlin, 25. Febr. Die Kammer der Studentenschaft der Universität Berlin beschloß, an den preußischen Justizministsr einen Brief zu richten, in dem sie bezüglich der Koalitions­frage erklärt, sie werde unter keinen Umständen ihre Zu­stimmung zu Verhandlungen geben, die einen irgendwie gearteten Druck auf die inneren Grundsätze der auslands- deutfchen Studentenschaft ausüben sollen. Auch werde sie freiwillig die Zugehörigkeit zur Deutschen Studentenschaft nicht aufgeben.

Briand beschwichtigt

Paris, 27. Febr. In einem Artikel imPetit Puristen" sagt Außenminister Briand, es sei vom deutschen Stand­punkt verständlich, daß die deutsche Presse die Räumung des Rheinlands verlangt (weil nämlich nach dem Vertrag von Versailles das besetzte Gebiet geräumt werden soll, sobald die Vertragsbestimmungenerfüllt" sind was inzwischen durch Erfüllung selbst der über den Friedensvertrag weit hinausgehendenRestpunkte" geschehen ist. D. Schr.). Frank­reich brauche sich aber wegen der deutschen Forderung nicht zu beunruhigen Mit dem Vertrag von Locarno habe die Räumung nichts gu tun, dafür sei allein der Artikel 431 des Versailler Vertrags bestimmend; sie sei übrigens eine Sache, die alle Vertragsmächte angehe. Das alles habe Stresemann anerkannt. Es sei ein außer­ordentlicher Gewinn für Frankreich, daß Deutschland sich nunmehr verpflichtet habe, die Rheingrenze anzu- erkennen und Elsaß-Lothringen niemals mehr zurückzufordern. Dies sei erst durch den Lo­carnovertrag erreicht worden. Die Ausführungen Briands sind recht diplomatisch gewunden und undurchsichtig. Den Deutschen scheint er sagen zu wollen, daß an -eine Räumung nicht zu denken sei, die Franzosen will er anscheinend mit demewigen Verzicht Deutsch­lands auf Elsaß-Lothringen" beschwichtigen.

Heuchlerische Besorgniffe

London, 26. Febr. DieMorning Post" läßt sich von ihrem Berliner Berichterstatter einen Alarmruf senden über dasebenso starke wie geheimnisvolle Anwachsen der deut­schen Seemacht". Der Flottenhaushalt sei gegen das vorige Jahr um 40 Millionen Mark gestiegen, und wenn die Deut­schen ihr Geld a^sgäben, so wüßten sie immer, wofür sie es täten. Zn der deutschen Flokke käme ungefähr ein Offi­zier auf je zwei Mann. In einem dazu passenden Leikaufsah schreibt das Blakt- daß es sicher sei- daß die Deutschen auss neue einefurchtbare Seemacht" gründen wollen. Bei aller Achtung vor dem Völkerbund und den Idealen der allgemeinen Bruderliebe wäre es aut für Großbritan­

nien, von diesen beunruhigenden Vorbereitungen Vermerk zu nehmen.

»

Dieser Alarmruf ist geradezu lächerlich, Deutschland schicke sich an, eine furchtbare Seemacht zu gründen! Da­bei steht sein Bestand an Schissen, deren Räumgeholt und Bestückung nach dem Friedensvertrag fest, und heimlich kann doch Kein Schiff gebaut werden. Die bestehenden Schiffe find nach den Fristeck des Friedensvertrags sämtlich über­altert, und dis neuzubauenden bleiben in den Maßen hinter allen entsprechenden Typen der andern Mächte zurück. Gebaut wurde als Ersah für einen alten bisher e i n Kleiner Kreuzer mik 6000 Gehalt, während z. B. die Franzosen di« Kleinen Kreuzer mit 10 000 Tonnen bauen. Deutschland darf nach dem Friedensverkrag als .Schlachtschiffe" nur Schiffe bauen, die nicht größer sind als in Frankreich und England die Kleinen Kreuzer (10 000 Tonnen), während die Washingtoner Seeabrüstungskonferen.z die Größe von Schlachtschiffen auf 35 000 Tonnen beschränkt Hot. 3m deutschen Schiffsbauvlan ist auch nur der Neubau eines wette»«« Kreuzers (von 6000 Tom»«») vv»g«sehe«. Di« Ausrüstung mit Geschähen muß sich in dem von DerbKp- deten vorgeschriebenen Rahmen halten und ist auch durch die Größe der Schiffe bedingt. Der Mannschastsbefiand und das Verhältnis zwischen Offizieren und Deckosstzeer««, Mannschaften anderseits ist durch den Friedensvertrag s«G- gelegt, ganz abgesehen davon, daß es gleichgültig wäre, wie­viel Offiziere darunter sind, wenn die Zahl und Größe der Schiffe feststeht.

Wahrscheinlich hängen die englischenBesorgnisse" mit der Deutschenhehe in Polen zusammen und sind mik Warschau abgekartet. Gegen Deutschland soll wieder als einen angeblichen Friedensstörer und Friedensvertragsver­letzer Stimmung gemacht werden und nebenbei hofft man sich dadurch des wieder so sehr gefürchteten deutschen Wett­bewerbs auf dem Weltmarkt entledigen zu können. 3st «s ja doch von maßgebender Stelle ausgesprochen, England werde alle Kräfte anspannen und nicht ruhen, bis es rück­sichtslos und mit allen Mitteln den Vorsprung- den andere Staaten, vor allem Deutschland, während des englischen Bergarbeiterstreiks zu gewinnen vermochten, em- geholt und überholt habe.

Kantoner Maßgebliche» üch von jreinue» ..Weltrevolutio­nären" in die Mache nehme» lasse», sieht sich von Europa aus vielleicht größer an als sie in Wahrheit ist.

Auf der andern Seite kann die werdende Verständigung immer noch durchkreuzt werden durch Unberechenbarkeiten der englischen Militärpolitik. Die verantwortliche englische Politik aber ist ersichtlich nicht iür Gemalnachen. Die Eng- lckider habe» den Franzosen, als sie ins Ruhrgebiet ein­brachen, oft genug gep-edigt: mit Bajonette!' könne man keine Kohlen grabe»; man darf annehmen, sig möchten selbst mcht unempfänglich sein für die Lehre, daß man mit Kanonenbooten nicht Hände! treiben kann. Das geht nicht mehr, nachdem man die farbigen Völker dreier Erdteile be­müht hatfür das Selbstbestimmungsrecht" gegen die deutschenHunnen und Barbaren", weil man daran zwei­felte, ihrer aus eigener Kraft Herr zu werden. Schießereien, wie die von ein paar wildgewordenen Kanonenbooten des bravenMarschalls" Sun, sind wohl nicht allzu tragisch zu nehmen. Bedenklicher wäre es, wenn erst die Kriegsschiffe der Mächte anftnaen ,»u schießen.

Das langsame Vorrücken der Truppen Dschang-Kai- Schecks deutet eigentlich nicht daraus hin, Äs seien die Kan­toner erpicht daraus, in Schanghai ein allgemeines Drüber und Drunter anzurichten. Wenn nun auch bei den Mächten Besonnenheit die Oberhand behält, so darf man hoffen, daß die in Hankau eingeleitete Verständigung Fortschritte macht. Bis sie von da über Schanghai nach Peking vorgedrungen ist, mag noch eine gute Weile haben, aber man muß doch den Zustand des Bürgerkriegs und des Fremdenhasses nicht mehr als den Normalzustand für China ansehen. Man kann sich vorstellen, daß er, früher oder später, abgelöst wird von einem Zustand, wo ein freies und geeintes China sich Äs selbständiger Faktor eingliedert in die Weltwirtschaft. Wenn schon England noch und nach davon abkommt, die innere Zerrissenheit Chinas als unentbehrlich zu betrachten für sein eigenes wirtschaftliches Gedeihen, dann wird man jenen Zustand wenigstens nicht mehr als undenkbar zu be­trachten haben.