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Nr. 47 Gegründet 1827 Samstag, den 26. Februar 1S27 Fernsprecher Nr LS 161 . Jahrgang

Tagesfpiegel

Frankreich hat die manischen 'Ansprüche aus Tanger ab- Delehnk. Die Tanger-Konferenz hat sichvertagt".

Spanieu hat die Beteiligung an der We!lwirtschaftsl»i, serenz in Geys (4. Mai) crbgelehnt.

Das Abgeordnetenhaus in Washington hat in lieberem stinttnuug mit dem Senat den Wunsch zum Bau von drei neuen Kreuzern ausgesprochen und die Mittel dazu bewilligt. Vor einigen Wochen hatte das Abgeordnetenhaus die ange. sorderten 456 860 Dollar erste Baurate abgelehnk. Die fetzige Abstimmung ist die amerikanische Antwort auf die Abieh- nung der Einladung Eoolidges zv einer Abrüstungskonferenz durch Frankreich und Italien.

Politische Wochenschau.

In Schanghai geht es merkwürdig zu. Dar den Toren eine blutige Schlucht: Chinesen gegen Chi­nesen, von denen Tausende niedergemacht werden. In der Stadt Generalstreik, an dem fast 100 000 Arbeiter teil­nehmen. Da und dort aus Stangen aufgespießte Köpfe von Streikführern, die der Chef der chinesischen Polizei hmrichten ließ. Und mitten unter mehr als einer Million aufgeregter Chinesen Festbankette und Festbälle, aus denen di« Offiziere der einmarschierten britischen Truppen gefeiert werden, so jubelnd, wie wenn man im tiefsten Frieden tage.

Und dazu noch ein anderer Widerspruch. Am Samstag abend wurde das Abkommen Mischen dem chinesischen Außenminister Tschen und dem britischen Geschäftsträger O'Malley unterzeichnet. Endlich! Denn es hat lange genug gedauert, bis es so weit kam. Die englische Nieder­lassung inHankau und in gleicher Weise die andernKon­zessionen" werden der chinesischen Verwaltung mit britischer Vertretung unterstellt. Tschen hat also gesiegt! Die bevor­rechtete Stellung der FremÄenniederlassungen hat, wenn auch ein paar kleine Klauseln angeführt sind, in China aufgehört.

Und doch rat Chamberlain im Unterhaus, als ob England mit dem Abkommen einengroßen diplomatischen Sieg" davongetragen hätte. Freudestrahlend stürzten Lloyd George, der Führer der liberalen Partei, und Mac Donald, Führer Äer Arbeiterpartei, auf ihn zu, ergriffen und schüttelten seine Rechte und beglückwünschten ihn. Jst's Komödie vor den Dominions, damit sie noch Respekt vor London haben? Oder ist es das Bewußtsein, daß die diplomatische Niederlage hätte noch schlimmer sein können?

So etwas wie Niederlage hat auch Coolidge, der Präsident Äer Bereinigten Staaten, mit seiner Einladung an die vier anderen großen Seemächte zu einer zweiten See- a b r ü st u n g s k o n f e r e n z in Gens erlitten. Mit Aus­nahme von Japan und auch dieses macht Vorbehalte haben sie, England, Italien und Frankreich, alle zwar echt höflich, jeder aber mit einer anderen Ausrede einen Korb gegeben. Es genügt ihnen und das ist ihnen schon zuviel daß aus der ersten Konferenz in Washington die Zahl der Schlachtschiffe eingeschränkt wurde. Daß aber nun auch eine Abstufung bezüglich der Zahl der Kreuzer, der Torpedoboote, der Wasserflugzeugschiffe, der Tauchboote und anderen Seestreitkräste erfolgen soll, dafür spüren sie keinerlei Bedürfnis. Andererseits hält Coolidge von den Abrüstungsverhandlungen, di« seit Jahr und Tag in Genf geführt werden, herzlich wenig, und so wird schließlich das Wettrüsten zur See freigegeben werden müssen, wobei Amerika mit seiner ungeheuren finanziellen Ueberlegenheit leichter tun wird als die andern.

^Jedenfalls hat Frankreich absolut keine Lust, in dieser Frage mit gutem Beispiel voranzuqehen. Es soll alles beim Alten bleiben.Thoiry ist eine Erfindung der Journalisten", konnte man dieser Tage imTenrps" lesen. Der Abbruch der deutsch-polnischen Handelsvertragsoerhcmd- kmgen verrate deutlich Deutschlandskriegerische Absichten". Die augenblickliche politische Lage mache es Briand un­möglich, seinepolitische Initiative" fortzusetzen, d- h.laßt uns in Ruhe mit der Räumungsfrage! Darüber können wir uns später einmal unterhalten." Was wohl Dr. Stresemann im fernen San Remo dazu sagt? Und gerade jetzt, stark 14 Tage vor der Märztagung des Völker­bundsrats, wo er den Vorsitz führen soll? Unsere ehemaligen Gegner sind beute schon darüber einig, daß in Genf die Räumungsfrage nicht zur Sprache kommen soll. Man habe sowieso eine große Tagesordnung.

Gewiß! 29 Punkte das ist viel. Und Deutschland hat an mehreren derselben ein besonders starkes Interesse. So an der oberschlesischen Schulfrage, an den Streitpunkten Mischen Polen und Danzig und namentlich auch an der Bestellung der neuen Saarregierung, deren Leitung der bei den Saarländern gut angeschriebene Kanadier Stephens niederlegen will. Auch will das Saargebiet das weitere Verweilen der vertragswidrigen französischen Besatzung nicht länger dulden. Bei allen diesen und noch ein paar andern Punkten der Genfer Tagesordnung wird Deutschland diesmal ein gewichtiges Wort mitreden. Etwas anderes freilich ist es, ob viel dabei herauskommen wird? Denn wenn Frankreich, England oder Italien einmal nicht wollen, dann stehen alle Räder still. Das sieht man an den Fällen von Kanton, Nikaragua, Mexiko und Tanger. Da heißt es sofort: Das geht den Völkerbund nichts an. Was

llnWWe AllsM-M der «Meu Rlissermte

London, 25. Fsbr. Die No.e der eugftj.heii R-q'-erung a» Rußland wird neu der Presse kühl c»»fgeno....urtt, auf der äußersten Rcch'.en und der äußersten Linken erhebt sich scharfer Widerspruch aus entgegen gcsctzt>on Gründen. Der Daily Herold" (Soz.) eriiiner» an die vielen Beleidigungen, die britische Minister in ihren Reden der russischen Regie­rung zugefügt hoben. DerDaily Telegravh" sagt, die britisch-russische Spannung ernrecke m Deutschland Un­behagen, die die deutsche Diplomatie gebossr Härte, den Ver- mittler zwiscizen London und Moskau spielen zu können.

In Völkerbundskreisen in Gen, hat die eng- lislhe Note A»fsehen erregt. Man ist der Meinung (um die sich England w-mig kümmern wird), daß der Zustand des englisch-russischen Verkehrs, in den Tätigkeitsbereich des Völkerbunds gehöre. Das Vorgehen Englands passe nicht in dieneue diplomatische Arbeitsweise", die durch den Völ­kerbund geschossen wurde. England habe ebenso wi« im Streit mit China so gehandelt, wie wenn es keinen Völkerbund gäbe.

In Moskau erklärt man, Chamberlain verdrehe die wirkliche Sachlage. Litwinow, der Stellvertreter Tschi- scherins, beschuldigt England, daß es «inen neuen Feldzug gegen Rußland betreibe. Die Note sei nichts als ein Ma­növer, die öffentliche Meinung der Welt von Englands eigenen Treibereien abzulenken.

Kritische Lage Englands im Osten

Schanghai, 25. Febr. Genera! j ch angtichun tschang, der Gouverneur von Tchanirng, Hot in Eibk Nanking besetzt. Sein Heer soll 65100 000 Mann stör» sein imv darunter sollen sich 4000weihe" Russen befinde«^ Sein Ziel sei die Verteidigung 'Schanghais.

Die außerhalb der Niederlassungen wohnenden Auslän­der wurden ausgefordert, zum Schutz sich in die Nieder­lassungen zurückzu,ziehen. Panzerwagen streifen außerhalb der Niederlassungen auf den Straßen. Die Horden einem Heer kann man kaum mehr sprechen des General» Suntschuansang stehen bei Sungkiang, 20 Kilometer vv* Shanghai. Tschangtschungtschcmg hat von Nanking ei« Abi'stlung zur Unterstützung Suns erhalten.

Die LondonerDaily Mail" glaubt bestätigen zu tön» neu. haß sibirische Truppen, verstärkt durch europäisch*) Russen, an der Grenze der Mandschurei zusammengezogenk werden. 16 (chinesische?) Kriegsschiffe, wovon eines mit« Russen bemannt sei, sei von Tsingtau nach Süden (Schattg» Hai) abgefahren. In Han kau haben die Feindseligkeit«« gegen die Engländer wieder eingesetzt.

In Hankau wurde in Maueranschlägen erklärt, die Hin» richtungen von Streiksührern in Schanghai seien von -«» Engländern veranlaßt worden.

Sann? Und wozu ist überhaupt der Völkerbund da? Ein schweres Preisrätsel.

Jedenfalls versteht der Bund nicht, etwaige Händel unter feinen Mitgliedern zu schlichten. So sitzen Polen und Deutsch­land auf derselben Ratsbank und haben schon bald zwei Jahre Wirtschaftskrieg miteinander. Und jetzt erst recht, nachdem die Zollverhandlungen wegen Ausweisung von Reichsdeutschen unsererseits abgebrochen wurden. Polen spielt natürlich den Unschuldigen und ineint,Ausweisungen" gehörten zu deninneren Angelegenheiten" eines Staats. Auch seien die Folgen der gestoppten Verhandlungennicht ungünstig" für Polen. Dabei berufen sie sich prahlerisch auf die große Kohlenausfuhr im vorigen Jahr, bedenken aber nicht, daß dieselbe nur deshalb so groß war, weil England wegen des Kohlenstreiks so viel Kohle aus Polen bezog. Das hat jetzt aufgehört. Und was die nach Deutschland aus­geführten polnischen Grubenhölzer betrifft, so können die Polen bei einer etwaigen Sperre unserer Kohlenindustrie nicht so gar schrecklich schaden. Wir haben in der Nähe die holzreiche Tschechoslowakei und auch reiche Holzbestände im Osten des eigenen Reichs, Waldungen, die wir ohne Gefahr des Raubbaus, den die Polen treiben, angreifen können. So braucht es uns darüber nicht bange zu sein, wer von uns beiden am längsten den Wirtschaftskrieg aushalten kann. Jedenfas sind wir unserer nationalen Ehre schuldig, uns nicht gerade jede und alle Unverschämtheit von unserem aufgeblähten Nachbarn in Warschau gefallen zu lassen.

Freilich, im Ausland kann man nun manchmal lesen: diese schärfere Tonart Deutschlands komme eben von der

neuen sogen.R e ch l s r e g i e r u n g" her, bedenkt adtzr nicht, daß mehr oder weniger alle Entscheidungen, die seit 14 Tagen vom neuen Kabinett getroffen wurden, von der vorigen Regierung vorbereitet waren.

Das gilt auch von dem neuen Reichshaushalts­plan 1927, der zurzeit der Gegenstand heftiger Kritik ist. Derselbe ist von dem Vorgänger des jetzigen Reichsfinanz­ministers Dr. Köhler, nämlich von Dr. Rein hold, gemacht und Dr. Köhler hat nur in sachlicher Nüchternheit und Offenheit dargelegt, wie derselbe sich auswirken werde: die Steuerbeträge würden um 528 Millionen hinter dem Anschlag.Zurückbleiben, für die Erwerbslosenfürsorge werde man mindestens noch 240 Millionen nötig haben, und es sei schwer ciuszudenken, wie man dieses und die folgenden Jahre die vorgeschriebenen Dawes,Zahlungen aufbringen könne.

Nun sind im Reichstag die Einzel-Etats an der Reihe. Da ist bekanntlich Gelegenheit geboten, alle möglichen und unmöglichen Beschwerden und Mißstände zur Sprache zu bringen. Eine böse Nuß zu knacken bietet das von den Gewerkschaften geforderte Notgesetz über die Arbeits­zeit, eine Einrichtung, die solange gelten soll, bis das zur­zeit in Vorbereitung sich befindende große Arbeitsschutzgesetz in Kraft treten kann. Der Hauptstreit dreht sich um zwei Punkte der Arbeitszeitnotoerordnung von 1923: um den Begriff derfreiwilligen Mehrarbeit" und um die Ein­führung desAchtstundentags". Dabei darf nicht übersehen werden, daß die überwiegende Zahl der deutschen Betriebe schon längst den Achtstundentag hat, daß also, wie der Reichs­arbeitsminister Dr. Brauns auf der Londoner Arbeitszeit­konferenz im März o. I. sagte, derdeutsche Zehnstunden­tag" einMärchen" sei.

Und noch etwas aus der Technik, das auch iu ein« poli­tische Wochenschau gehört. Der Schweizer Mittelholzer ist mit einem Wasserflugzeug von Zürich über Kairo zum Kap der guten Hoffnung geflogen. Alle Achtung vor diesem Meisterslug. Aber auch alle Ächtung von der deutschen Flugtechnik, deren Ergebnis dieses grandios« Instru­ment ist! Denn am Bodense«. aus -er historischen Stätte Zeppelins, wurde -erDornier Merkur" entwickelt. Wieder -»'dal Kat der Deutsche der menschlichen Kultur einen un­

schätzbaren Pionierdienst geleistet. Die Welt kann nicht ohne uns sein. Man wird uns immer wiederan der Front" nötig haben.

Deutscher Reichstag

Berlin, 25. Febr

Der Reichstag fetzt heute die Meite Lesung des Justiz- Haushalts fort. Äbg. Einminger (B. Ba.) bezeichnet de* AusdruckVertrauenskrise der Justiz" als Schlagwort. Eine Aenderirng der Aufwertungsgesetzgebung lehnt er ab und meint ferner, daß eine Verreichlichung der Justiz keine Er­sparnisse bringen würde. Mit der Forderung auf einen Einheitsstaat werde man bei feiner Partei auf Granit beißen.

Das Gehalt des Staatssekretärs und die Gehälter der Reichsgerichtsräte und Reichsairwälte werden gegen die kom munistischen Stimmen bewilligt und der Nest des Haus­halts dann debattelos erledigt.

Es folgt die zweite Beratung des Haushalts des Reichs­arbeitsministeriums. Reichsarbeitsminister Dr. Brauns er­klärt u. a das Arbeitsbeschafsungsprogramm habe mehreren Hunderttausend Erwerb gegeben: die Arbeitsbeschaffung werde fortgesetzt. Für die Anpassung unseres Straßen­systems an moderne Berkehrsanforderungen seien einstweilen 80 Millionen flüssig gemacht. Auch in der unterstützenden Erwerbslosenfürsorge seien Erleichterungen eingetreten. Die Erwerbslosenversicherung werde den Schlußstein unserer So­zialgesetzgebung bilden. Die Konkurrenzfähigkeit Deutsch­lands dürfe nicht durch Abbau der Sozialpolitik gehoben werden, sondern durch Verbesserung der Sozialpolitik auch im Ausland. Dafür werde Deutschland im Znkernationalen Arbeitsamt einkreten. Borbeugend und mildernd gegen die Arbeitslosigkeit werde auch das Berufsausbildungsgesetz wirken. Die Tariflöhne zeigten steigende Tendenz, ebenso aber auch die Lebenshaltungskosten. Bei der Wohnungs­frage lasse sich die Zwangswirtschaft nicht mehr aufrecht- erhalten. Außer einer angemessenen Verzinsung müsse auch die Miete in einem gerechten Verhältnis zum Lohn gehalten werden. Der Arbeikszeitgesetzentwurf, den die Gewerkschaf­ten so heftig kritisierten, bringe erhebliche Verbesserungen. Als sein Ziel stellt der Minister zum Schluß eine kulturelle Sozialpolitik auf.

Neuestes oom Tage

Schule und Kirche nach Artikel 149 der Rcichsveriasstinq Berlin, 24. Febr. In einer programmatischen Erklärung zur Neuregelung der Beziehungen Mischen Kirche und Schule fordert der Kirchensenat der altpreußischen evangelischen Kirche, das Organ der obersten Kirchenleitung in den älteren preußischen Provinzen, die Bildung von Beiräten beim evangelischen Oberkirchenrat (Zentralunterrichtsbeirat) an­bei den Konsistorien (Provinzialunterrichtsbeiräte unter dem Vorsitz des Generalsuperintendenten), in denen die Religions­lehrer in eiu-m ihrer Bedeutung entsprechenden Verhältnis vertreten sind. Für die Arbeit dieser Beiräte, denen di« För­derung der religiösen Unterweisung der Jugend in Kirche >>.>.- Schule obliegt, soll maßgebend sein, daß die Kirche in dem staatlichen Charakter der Schule die den deutschen Ver­hältnissen entsprechende Regelform, in der Aufhebung der früherengeistlichen Schulaufsicht", ein« folgerichtige Ent- wicklungsstus« im Werdegang der deutschen Schule erblickt.

Abtrennung der Sinaihalbinsel von Aegypten? London, 25. Febr. DerManchester Guardian" berich­te!, daß gegenwärtig eine Bewegung im Gang sei. die S- naihalbinsel von Aegypten abzutrennen und Palästina ein- .zuverlc^den. Die Zustimmung der ägyptischen Nationalisten