M ITT WO CH, 10. DEZEMBER 195 2
Konferenz des Schattenkabinetts
Eisenhower auf der Rückreise / Ausweitung des Koreabesuchs
AN BORD DES KREUZERS HELENA. Der künftige amerikanische Präsident Eisenhower ist gestern an Bord des amerikanischen Kreuzers „Helena“ vor der Insel Wake eingetroffen. Mit einem Hubschrauber kamen der neue Außenminister Dulles und zwei weitere Mitglieder des künftigen Kabinetts Eisenhower an Bord.
Dulles und Eisenhower werden an Bord des Schiffes Besprechungen über die künftige amerikanische Außenpolitik im Fernen Osten führen. In der Begleitung Dulles befanden sich der künftige Finanzminister Humphrey und Innenminister M c K a y. Die „Helena“ befindet sich auf der Fahrt nach Hawai.
An Bord der „Helena“ kamen vor Wake ferner der ehemalige amerikanische Militärgouverneur in Deutschland und Berater Eisen-
Sprechende Autoschlüssel ?
„Bitte bring’ mich zur nächsten ESSO-Station“ — so spricht der ESSO-Schlüssel- Anhänger zum Finder verlorener Autoschlüssel. Ein wohldurchdachtes System sorgt für schnelle Rückgabe an den Eigentümer. Numerierte Schlüssel - Anhänger für Kraftfahrer. Fahrparks usw. kostenlos an den ESSO-Stationen.
howers, General C1 a y, Eisenhowers Finanzberater Joseph D o d g e und die künftigen Sekretäre Eisenhowers im Weißen Haus, Jackson und Hughes. Mit Dulles und Humphrey, die er freudig begrüßte, begab sich Eisenhower sofort unter Deck.
Jahresschluß beim Bundestag
Eine Reihe wichtiger Gesetze BONN. Der Bundestag wird an seinen beiden Sitzungstagen heute und morgen, der letzten Sitzungswoche in diesem Jahr, eine Reihe wichtiger Gesetze verabschieden.
Das Gesetz zur Bekämpfung von Unfällen im Straßenverkehr, das verschärfte Strafen für Verkehrssünder vorsieht und in der zweiten Lesung die umstrittene Bestimmung über die Beschränkung der Lastzuglänge auf 15 m erhalten hatte, wird vom Bundestag in dritter
Lesung behandelt werden. Am Donnerstag steht als Wichtigstes das Bundesvertriebenengesetz auf der Tagesordnung, das in zweiter und dritter Lesung behandelt werden wird. Der Bundestag wird sich ferner am Mittwoch ausführlich mit den Gesetzen zur Erhöhung der Sozialversicherungsrenten und der Rentenerhöhung für Kriegsopfer befassen. Ein Gesetz über die Erhöhung der Grundbeträge der Arbeiter- und Angestelltenrenten wird in erster, zweiter und dritter Lesung behandelt werden.
Ägypten Republik?
Die Verfassung wird geändert
KAIRO. Ein ägyptischer Verfassungsausschuß soll innerhalb einer Woche darüber entscheiden, ob die Frage der künftigen ägyptischen Staatsform durch eine Verfassungsänderung oder eine Volksabstimmung entschieden wird, wurde in Kairo am Montagabend amtlich mitgeteilt. Beobachter und ägyptische Regierungskreise sind sich einig darüber, daß es das Ende der 147-jährigen ägyptischen Monarchie bedeutet, wenn man die Entscheidung dem Volke überläßt. Eine reine Verfassungsänderung könnte dagegen die Monarchie dem Namen nach bestehen lassen, aber man glaubt eher, daß Ägypten künftig Republik sein wird.
Ministerpräsident General N a g u i b hat am frühen Dienstagmorgen sein Kabinett umgebildet. Außenminister Tay eh, Versorgungsminister Fared A n t u n , Landwirtschaftsminister Abdallah Salem sowie der Minister für Gemeindefragen Aziz A1 i schieden aus der Regierung aus. Zum neuen Außenminister wurde der frühere Botschafter in London, Mahmud F a w z i, ernannt.
Die Leiter der Oberschulämter
STUTTGART. Die vorläufige Landesregierung von Baden-Württemberg hat am Montag in einer Ministerratsitzung die Leiter der vier Oberschulämter des Landes ernannt. Das Oberschulamt in Stuttgart wird der bisherige Leiter der Abteilung höhere Schulen im Kultministerium von Baden-Württemberg, Regierungsdirektor D u r a c h , übernehmen. Für Karlsruhe wurde der bisherige Leiter der nordbadischen Landesbezirksdirektion für Kultus imd Unterricht, Ministerialrat Dr. D i e t - rieh, für Freiburg und Tübingen wurden die bisherigen Leiter der Abwicklungsstellen der früheren Kultministerien, Ministerialrat Dr. N u n i e r und Ministerialrat Dr. Lam- b a c h e r , ernannt.
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Kleine Weltdironik
Zwei Zugzusammenstöße. Frankfurt. — Bei Zugzusammenstößen im Bahnhof von Münster und bei Gildehaus im Bezirk Osnabrück wurden eine Person getötet, fünf schwer und 36 leicht verletzt.
Weihnachtsbegnadigung. Bonn. — Die alliierten Hohen Kommissare haben einen Strafnachlaß für alle von Besatzungsgerichten verurteilten Strafgefangenen ausgesprochen, deren reguläre Haftzeit kurz vor oder nach Weihnachten abläuft. Unter den Betroffenen befindet sich kein als „Kriegsverbrecher“ Verurteilter.
Abschiedsessen für Donnelly. Bonn. — Der Bundeskanzler gab im Palais Schaumburg ein Abschiedsessen für den amerikanischen Hohen Kommissar Walter Donnelly, der am Donnerstag in die Vereinigten Staaten zurückkehrt.
Personenzug rammte Lastauto. Berlin. — Beim Zusammenstoß zwischen einem Personenzug und einem Lastkraftwagen auf der Strecke Besten- see—Zossen in der Sowjetzone kamen 15 Personen ums Leben.
Papst empfing Schacht. Rom. — Papst Pius XII. empfing den ehemaligen Reichsbankpräsidenten Dr. Hjalmar Schacht vor seinem Abflug nach Damaskus in Privataudienz.
General Masry wird Botschafter in Deutschland. Kairo. — Wie aus dem Hauptquartier des ägyptischen Heeres verlautet, wird der frühere
ägyptische Generalstabschef, General Masry, in den nächsten Tagen zum Botschafter in der Bundesrepublik ernannt.
Bessarabiendeutsche nach Paraguay. Asuncion. - Vertreter von 70 000 Bessarabiendeutschen verhandeln gegenwärtig mit der Regierung von Paraguay über ihre Ansiedlung im Norden des Landes.
Deutsches Konsulat in Singapur. Singapur. — Nach 14jähriger Pause wird Anfang nächsten Jahres das deutsche Konsulat in Singapur wieder eröffnet werden,, wie der neue deutsche Generalkonsul in Thailand, Gottfried Kaumann, mitteilte.
Mechanischer Pilot. Minnetpolis (USA). — Die Entwicklung in der amerikanischen Luftfahrt hat einen entscheidenden Schritt nach vorne getan. In Minneapolis ist gestern die Fertigstellung eines vollautomatischen Piloten für Düsenflugzeuge bekanntgegeben worden, der auf elek- tro-mechanischem Wege alle Funktionen eines menschlichen Piloten ausführen kann. Damit entfällt die Möglichkeit, daß ein Pilot durch Einwirkung der großen Geschwindigkeiten außer Gefecht gesetzt wird, was bei den Maschinen mit Überschallgeschwindigkeit immer häufiger vorkam.
Geburtenkontrolle im Indischen Fünf jahresplan. Neu-Delhi. — Die indische Regierung hat die Geburtenkontrolle zu einem festen Bestandteil ihres ersten Fünfjahresplanes gemacht.
Großbrand in einer Trikotagenfaorik
Erheblicher Sachschaden bei C onrad Merz in Mössingen
Mössingen. Gestern morgen brach kurz nach 9 Uhr in der Mössinger Trikotfabrik C. Conrad Merz im Trockenraum ein Brand aus, den die Betriebsangehörigen zunächst mit einem Feuerlöschgerät bekämpften. Das Feuer wurde zwar gelöscht, brach aber kurze Zelt darauf erneut aus und griff so rasch um sich, daß es mit Feuerlöschgeräten und von der Betriebsfeuerwehr nicht mehr gelöscht werden konnte, weil teilweise das Löschwasser gefroren war.
Als die Feuerwehren aus Mössingen und später aus Tübingen, Reutlingen, Rottenburg und den umliegenden Gemeinden eintrafen, standen bereits Trockenraum, Färberei, Bleicherei, der neue Nähsaal und Lager, die in dem zuletzt erbauten westlichen Flügel der Fabrik untergebracht waren, in Flammen. Aus dem Nähsaal konnten weder die Maschinen, noch die halbfertige Ware gerettet werden, wohingegen es gelang, das Lager
vollständig zu räumen. Auch aus der Färberei und der Bleicherei konnte nicht mehr viel gerettet werden.
Durch die starke Rauchentwicklung beim Brand der Roh- und Halbfabrikate wurde die Bekämpfung des Brandes sehr erschwert. Noch nach drei Stunden war das Feuer nicht gelöscht. Es konnte jedoch verhindert werden, daß auch die übrigen Teile der Fabrik, vor allem die Weberei, den Flammen zum Opfer fielen.
Das Brandunglück trifft diese Firma und die nahezu 300köpfige Belegschaft besonders schwer, hatte sie doch nach monatelangem, fast völligem Stillstand des Betriebes die Arbeit erst vor kurzem wieder voll aufgenommen. Der Feuer- und Wasserschaden ist noch nicht abzusehen; es wird jedoch damit gerechnet, daß er sich auf mehrere hunderttausend Mark beläuft.
Aus Südwürttemberg
Tod im Lastkraftwagen Münsingen. Auf der Straße Gomadingen— Gächingen im Kreis Münsingen lud der Fahrer eines Lkw einen älteren Mann zum Mitfahren ein. Als er sich in Gächingen nach seinem Gast umsah, stellte er fest, daß dieser kein Lebenszeichen mehr von sich gab. Der gleich herbeigerufene Arzt konnte nur noch den Tod feststellen. Bei dem Mann, der einen Herzschlag erlitten hatte, handelt es sich um den 68 Jahre alten Webmeister Hahn aus Urach.
Nur ein Bundessieger
Hechingen. Der 18 Jahre alte Feinmechaniker Erich Zanger aus Jungingen, Kreis Hechingen, wurde als einziger der vier südwürttem- bergischen Landessieger im praktischen Leistungswettbewerb der deutschen Handwerksjugend Bundessieger. Zanger hat eine chemisch-analytische Präzisionswaage als Gesellenstück ohne fremde Hilfe angefertigt. Im vergangenen Jahr waren zwei Jugendliche aus Südwürttemberg Bundessieger geworden.
24 Diebstähle aus Autos konnten einem 35iäh- rigen Mann naehgewiesen werden, der letzte Woche in Tübingen festgenommen wurde.
Von einem Pkw angefahren und schwer verletzt wurde eine 48jährige Frau zwischen Weingarten und Niederbiegen. Sie starb einen Tag später im Krankenhaus.
Das erste Hochhaus in Oberschwaben wird in
Friedrichshafen gebaut. Es wird neun Geschosse erhalten und 27 m hoch werden. Im Erdgeschoß wird eine Ausstellung untergebracht, die Obergeschosse sollen 16 Zwei- bis Vierzimmerwohnungen aufnehmen.
Aus Nordwurftemberg
Die Landesgeflügelausstellung des Landesverbands der Rassegeflügelzüchter von Württemberg- Hohenzollem findet vom 12. bis 14. Dezember auf
dem Killesberg in Stuttgart statt. Es werden über 4000 Tiere gezeigt werden.
700 neue Parkplätze für 1,4 Millionen DM sollen in Ulm eingerichtet werden. Im ganzen wird Ulm danach über 1200 Parkplätze verfügen.
150 m vom Zug mitgeschleift und völlig zertrümmert wurde ein Lkw am Dienstagvormittag beim Heilbronner Hauptbahnhof. Der Schrankenwärter hatte für den Lkw die bereits geschlossenen Schranken noch einmal kurz geöffnet und dabei das Herannahen eines Personenzugs übersehen. Der Fahrer kam mit verhältnismäßig leichten Verletzungen davon.
Aus Baden
101 Jahre alt geworden ist am Montag Schuhmachermeister Alfred Schababerle in Baden-Baden. Der noch sehr rüstige Greis erklärt das Geheimnis seines begnadeten Alters damit, daß er stets mäßig gelebt und viel gearbeitet habe. Erst als 93jähriger hat er sich zur Ruhe gesetzt.
Wegen Totschlags der Geliebten wurde der 20- jährige Kurt Schneider aus Grenzach in Freiburg zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. Er hat seine Geliebte im Januar dieses Jahres aus Eifersucht durch einen Revolverschuß getötet.
Auf einem unbeschrankten Bahnübergang der Strecke Pfullendorf—Ostrach wurde ein Pkw von einem Personenzug erfaßt und völlig zertrümmert. Wie durch ein Wunder erliten die beiden Autoinsassen nur einige Kopf- und Armverletzungen. — Beim Zusammenstoß eines Pkw mit einem Personenzug zwischen Brucken und Unterlenningen (Kreis Nürtingen) wurden die vier Autoinsassen zum Teil schwer verletzt.
Ein 35 m hoher Fabrikschornstein ist in der Nacht zum Montag in Weinheim eingestürzt. Der Schornstein, der erst vor vier Jahren überholt worden war, brach in der Mitte auseinander. Die obere Hälfte fiel auf ein Wohnhaus, in dem sich vier Personen befanden, von denen jedoch niemand verletzt wurde. Über die Ursache ist noch nichts bekannt.
Die Toten im Lande
Tübingen: Reservelokführer Eugen Kehrer, 51 Jahre, beerdigt am Dienstag.
Bodelshausen, Kreis Tübingen: Maurermeister Daniel R i e k e r , 72 Jahre, beerdigt am Dienstag.
Rottenburg: Frl. Walli B ä u r 1 e , 85 Jahre, Beerdigung Mittwoch, 13 Uhr, in Kiebingen.
Hechingen: Frau Theresia Laub, 85 Jahre, beerdigt am Dienstag. — Gartenbauarchitekt Hubert Zanger, 50 Jahre, Beerdigung Mittwoch, 10 Uhr.
Balingen: Direktor Hugo Narr (Bizerba-Waa- genfabrik), 53 Jahre, beerdigt am Dienstag.
Rosenfeld, Kreis Balingen: Frau Erna Blum, 51 Jahre, beerdigt am Dienstag.
Dornhan, Kreis Horb: Schreinermeister Mathias Steidinger, 83 Jahre, beerdigt am Dienstag.
Schramberg: Expedient i. R. Otto Krebs, beerdigt am Dienstag.
Seedorf, Kreis Rottweil: Poststelleninhaberi.R. und Sparkassenrechner Johannes R o t h, 73 Jahre, Beerdigung Mittwoch, 9 Uhr.
Freudenstadt: Sozialreferentin Else Eberhardt, 67 Jahre, Beerdigung Mittwoch, 13 Uhr.
Pfalzgrafenweiler, Kreis Freudenstadt: Holzbildhauermeister Ludwig W i e d m a i e r, 58 J., beerdigt am Dienstag.
Kälberbronn, Kreis Freudenstadt: Frau Rosina Graf, 78 Jahre, Beerdigung Mittwoch 13.30 Uhr.
Baiersbronn, Kreis Freudenstadt: Zimmermeister Friedrich Günther, 72 Jahre, Beerdigung Mittwoch, 14 Uhr.
Rohrdorf: Frau Barbara Burkhardt, Altkronenwirtin, 78 Jahre, Beerdigung Mittwoch, 13.30 Uhr.
Wie wird das Wetter?
Aussichten bis Donnerstagabend: Bei schwachen Winden meist Nebel oder Hochnebel, nur zeitweise Bewölkungsauflockerung. Tagestemperaturen nicht über 3 Grad ansteigend. Nachts mäßige, zum Teil starke Fröste, im wesentlichen trocken.
Schneebericht vom Dienstag
Alb: Meßstetten 12, Onstmettingen 10, Tralfel- berg 10. Schwarzwald: Feldberg 25, Kniebl* 20, Schliffkopf 15, Ruhestein 25. Allgäu: Schwarzer Grat 85, Isny 10, Oberstdorf 16, Nebelhorn 75, Riezlern 34, Hirschegg 40, Oberjoch 40, Oberstaufen 23.
Eine Meisterbiographie
Bemerkungen zu dem Buch „Joseph Haydn von H. E. Jacob
Um alles Mißtrauen gegen ein übertriebenes Lob zu dämpfen, sei zuerst gesagt, daß in der neuesten Haydn-Publikation ein riesiges Namen- und Sachregister (man findet alle wichtigen Symphonien von den 104 authentischen, und alle wichtigen Streichquartette von den 83 geschriebenen mit Rückvermerkungen auf den Haupttext) und eine ebenso umfangreiche, den kleinsten Artikel in Zeitschriften erwähnende Literaturangabe den Beschluß des 423 Großoktav- Seiten umfassenden Buches ausmacht, das uns der Christian Wegener-Verlag (Hamburg) ln einer deutschen Übersetzung des amerikanischen Originals auf den Tisch legt. Ein Wiener hat es in den Staaten geschrieben, ein Musikschriftsteller, wie es im deutschen Bezirk kaum einen gibt, der so wie H. E. Jacob Sachkenntnis mit Liebe zu seinem Gegenstand, Theorie des Faches so mit einem lockeren Erzählertalent verknüpft. Wir glauben es dem Propagandamaterial des Verlages gerne, daß die Ausgabe in der Originalfassung nicht nur die Angelsachsen, sondern auch die Franzosen zu spontanen Kundgaben veranlaßt hat. Wir möchten hoffen, im deutschsprachigen Raum könne das Buch ebensoviel Liebhaber finden, zumal es vom Verfasser selbst für eine deutsche Ausgabe eingerichtet wo-den ist. Neben dem Mozartbuch des leider zu früh verstorbenen Alfred Einstein, ist das Haydn- Buch das wichtigste Dokument der Anerkennung der deutschen Musik im englisch sprechenden Qebiet. Jüdische Emigranten haben par distance ihre deutschen Vorgänger und Kollegen übertroffen und die Musikliteratur — aus Heimweh kommt alles Schöne — um zwei der kostbarsten Werke bereichert.
Als Schweitzer seinen „Bach“ schrieb, kam ein neues Verständnis und eine neue Liebe auf. Behaupte ich zuviel, wenn ich sage, daß Jacobs Haydn, über den schon soviel diskutiert wurde, einen neuen Glanz webt um den „Vater" der neueren Musik, gewiß nicht um den mörikischen altfränkischen Zonf und den gutmütigen „Papa“ Ce- Musikgeschichte?
Denn da. wo die „Papa-Auffassung“ unbekannt 7' ar , in Amerika und Frankreich, gibt es nur ie plu« cSlfebre composdteur du dixhuitiCme sifecle,
und in dieser Höhenlage ist auch die französische und die amerikanische Literatur über Haydn geschrieben, von der uns Jacob so vielen herrliche Proben (im Originaltext) vermittelt, Proben, die nur ganz wenigen deutschen Fachleuten bekannt waren.
Es hat den Anschein, wenn man das Kapitel „Haydn-Renaissance“ liest, als ob in den Staaten heute vor allem durch Haydn eine fanatische Liebe zum ancien regime. zum letzten und noch lange nicht verklungenen Höhepunkt der europäischen Kultur aufblühen will, als ob Amerika 6eine eigene Geschichte, die erst mit dem Tod Haydns anfängt, wichtig zu werden, in die Zeitentiefen verlängern wollte. Gewiß Amerika ist
nicht schlecht beraten, wenn es mit Haydn beginnt. Und dabei wissen die exquisiten Sänger und Sängerinnen dort drüben, wenn sie aus der „Schöpfung“ oder den „Jahreszeiten“ Arien in riesigen Hallen vortragen, nicht einmal, daß der Kompositeur ein Niederösterreicher war (Jacob berichtet das Selbsterlebte, daß ein Sopran das „Austrian“ mit „Australien“ verwechselte, obwohl die Stimme süß sang wie eine Wienerin.. .), daß der Komponist seine Oratorien erfand, als Napoleon vor den Toren Wiens stand, daß er die in Amerika besonders geliebten mittleren Symphonien schrieb, als der Kaiser an seinem Hof noch spanisch sprach, daß Haydn selbst miserabel die deutsche Sprache traktierte, dagegen so gut italienisch schrieb und sprach, wie Friedrich der Große französisch. Und daß dieser. Haydn sich dreißig und mehr Jahre glücklich fühlte in der Bedienten-Livräe der fürstlichen Kapelle zu Esterhaz, obwohl ihn die Londoner zum Doktor
Wintergäste aus dem Norden / Von Richard Gerlach
Warm und kalt sind relative Begriffe. Während unsere Sommervögel in Afrika und am Mittelmeer weilen, ziehen in unsere Wälder Vögel aus dem hohen Norden ein, die von Eis und Schnee verdrängt wurden und nun in unserem milderen Klima überwintern. So traf ich heute morgen einen großen Schwarm Bergfinken. Sie sind unseren Buchfinken ähnlich, zeigen aber beim Auffliegen einen weißen Bürzel und locken ein wenig quälend. Kaum mit Menschen vertraut, sind die Bergfinken nicht scheu und kommen, wenn hoher Schnee liegt, selbst in unsere Städ'e. Des Nachts sitzen sie dicht an dicht auf den Zweigen der Fichen. In der Pfalz nennt man sie „Böhämmer“. Es war dort früher ein beliebter Sport, die Geblendeten mit Blasrohr und Tonkugeln von den Schlafbäumen zu erlegen. In Bergzabern werden die urtümlichen Jagdgeräte noch aufbewahrt. Die Heimat der Vögel sind die Nadel- und Birkenwälder Nordeuropas bis zur Mongolei und bis Kamtschatka.
Weithin lärmend macht sich zuweilen eine Schar Birkenzeisige bemerkbar, ihr „Dschädschäd- schä“ knetert. vergnügt durcheinander. Es sind schmucke Vögelchen mit roter Kopfplatte und zwei hellen Flügelbinden, immer in lustiger Be
wegung, an den Zweigen klaubend und turnend. Sie stammen aus den Tundren Lapplands und Sibiriens und nisten auch in Alaska nördlich der Baumgrenze, wo es nur noch Krüppelbirken gibt. Ihrem Schwarm gesellen sich zuweilen Berghänflinge zu, man hört ihr „Tschui“ heraus und sieht die wachsgelben Schnäbel. Sie kommen aus Norwegen und Nordschweden, Bewohner der Fjälle und sumpfigen Einöden.
Aus Nordosteuropa kommen im Winter große Gimpel zu uns, die einer anderen Rasse angehören als unsere gewöhnlichen Dompfaffen und wunderschön hellrot auf der Unterseite gefärbt sind. D’ese großen Gimpel wandern noch weiter nach Westen und Süden. Nur ausnahmsweise streichen aus Schweden. Nordfinnland und Nordrußland die drosselgroßen Hakengimpel bis zu uns. Nicht in jedem Jahr erscheinen die prächtigen Seidenschwänze. Aus den Lärchenwäldem des Nordens verschlägt es diese Beerenschmauser in strengen Wintern bald hierhin, bald dorthin. Nie kann man damit rechnen, ihnen zu begegnen. Aber plötzlich sitzen sie dann aufgeplustert und wie hergezaubert in den Zweigen, ihre lok- kenden Rufe klingeln, und die roten Federsiegel auf Ihren Flügeln leuchten wie Vogelbeeren.
Schneeflocken
Starre Zweige gen Himmel gestreckt, naßkalter Nebel die Erde bedeckt;
Abend im Felde, öde und kalt, pfeifender Wind im stöhnenden Wald.
Dann plötzlich Stille, und langam und leis’, einzelne Flocken, dann tanzendes Weiß.
Es wehet hernieder, es wirbelt und fällt, Wunder des Winters bedeckt toeich die Welt.
Schweigende Lasten voll schimmernden BlaW wogender Himmel voll eisigen Graus.
Zitternd schweben Kristalle, gleißend im blendenden Falle.
OTFRIED MANGOLD
...
der Oxforder Universität erhoben, ihm Gesandt* schäften schickten, er möge als freier Herr in ihrem Weltreich die Musik dirigieren, obwohl ihm Bonaparte die Medaille des „membre d» 1’ acadämie“ an die Brust heftete (die einzige, die er übrigens trug, wie Goethe noch lange nach dem Sturz Napoleons mit dem Kreuz der Ehrenlegion in Gesellschaft sich zeigte), obwohl es in London eine Haydn-Gruppe gab, die sich wi» die Freimaurer in uniformierte Kleider st®“^ und Haydn-Symbole als Orden trugn... Ja. das war noch ein Europa und der große KornT ?° n ’ s (j _ der nie studiert hatte und schlecht und recht g * bildet war, alle Geister und Völker in sein Musik einte und auf die Knie zwang. Wie solle« uns nicht Rührung überfallen, wenn wir uns de - sen erinnern, wie sollten wir nicht an ^, sitzen und seine Sonate spielen, nicht die Gew nehmen, „die verwandelte Menschenstimme den sangbaren Quartetten ertönen lassen, *•> Schallplatte aus dem Kasten ziehen und die wc vor dem Fall, in strahlender Unschuld und «« vernehmen, wie nicht plötzlich verstummen dem „Gott erhalte Franz den Kaiser . vor /fJL Melodie ohne Heroik und stampfenden Lau . vor der Herablassung der musikalischen Kr ° * des tönenden Segens auf das Gottesgnadentu . auf das ganze deutsche Volk... und den aller Musik preisen und loben, auf dessen g „ stein steht: „Fugandi curas artifex, nnuicen pectora primus“, das ist verdolmetscht: ku_ fertiger Vertreiber von Sorgen und fester sänftiger unserer Brust“. Karl Haldenw