SAMSTAG, IS. NOVEMBER 1952

ßtiegsbtiefe gefallener Studenten

Anmerkungen 3U einet im Kniner-tDunderlidi-Derlag etfdiienenen flusmahl

Am 22. März 1944 schreibt im Dresdener Lazarett der stud. phil. Klaus Löscher in sein Tagebuch:Wie immer, so oft ich auf Urlaub war habe ich in den .Kriegsbriefen gefalle­ner Studenten' (herausgegeben von Ph. Wit- kop Freiburg, 1. Aufl. 1918) geblättert. Ich gehe meine Anstriche und muß mich wundern Ober den Wandel meines Geschmacks. Heute lasse ich nur dies gelten: .Eins sage ich Euch Immer wieder, Ihr in der Heimat, vergeßt nie, wie gräßlich der Krieg ist. Betet ohne Unter­laß. Macht Emst Laßt alles Oberflächliche. Haut sie hinaus aus Theater und Konzert, die nur lachen und witzeln, indes ihre Kämpfer und Schützer leiden und bluten und sterben. Fluch denen, die den Krieg heraufbeschwo- jen..Das war eine Stimme aus dem ersten Weltkrieg. Von den 22 000 Briefen gefallener Studenten aus dem zweiten Weltkrieg, die Walter Bähr (t) und Dr. Hans W. Bähr in Gemeinschaft mit Dr. H. J. Meyer und Dr. E. Orthbandt durchschauten und ein paar Hun­dert davon mit hundertzwanzig Verfassern auswählten und sie im Rainer-Wunderlidi- Verlag Tübingen herausgaben, ist die Stimme und das Urteil des oben erwähnten Klaus Löscher die tausendfach variierte Meinung aller Gefallenen des Hitlerkrieges. Dr. H. W. Bähr sagte dem Berichterstatter, daß es kaum Briefe gegeben habe von Gefallenen, ihr Alter war zwischen 20 und 35 Jahren, die den offiziellen Hitlerpatriotismus naiv verkün­det haben, im Gegenteil, alle wpren sich dessen bewußt, daß Deutschlands schwerste Zeit an­gebrochen war, und keiner von ihnen sah ein helles Ende. Und merkwürdig oder doch auch verständlich, den tiefsten Glauben an Deutschland drückte ein Student aus, den die Problematik seiner zum Teil jüdischen Her­kunft hart bedrängte und dessen letzte Auf­zeichnung lautete:Deutschland, ich habe dieses Wort noch nicht genannt, Du Land der weiten, starken Herzen, Du bist meine Hei­mat; für Dich zur Saat zu werden, ist ein Leben wert. Jedes Beiwort würde die hohe, adle Gesinnung des Tapferen nur schwächen!

Von dem tiefen Verständnis der kritischen seelischen Verfassung der Briefschreiber, legt die vorliegende Auswahl der Herausgeber ein leuchtendes Zeugnis ab. Es kommen so gut wie alle nur möglichen Einstellungen und Äußerungen zum Krieg und dem Kriegserleb­nis zu Wort. Und nicht nur das, sondern auch die Auswahl der Namen und deren Zugehörig­keit zu den Fakultäten ist mannigfaltig; neben den Theologen werden vor allem die Philo­logen und die Volkswirtschaftler angeführt. Viele Namen von Söhnen berühmter Professo­ren fallen auf. Wahrhaftig, hier geht es nicht um Literatur, hier erschüttern heilig-nüch­terne Bekenntnisse und Ahndungen im Ange- licht des Todes! Letzte Glaubensmöglichkeiten werden offenbar im Bewußtsein, daß das eigene Leben hin ist. Und alle fragen, wie stehe ich das Unbegreifbare durch, wie bewähre ich mich, wo sehe ich einen Sinn? Es kann nicht überraschen, daß der Kreis derer, die Heid­eggers Philosophie kannten und mit Rilke und Hölderlin vertraut waren, am stärksten die Problematik des Krieges erfuhren. H. A. Vo- winckel, Heidelberg, findet dafür, den gereifte- »ten Ausdruck. (Es sei erlaubt, daß der Name hier für eine Gesinnung symbolisch stehen darf.) Aus dem Osten im stürmenden Vor­marsch klingt die Frage auf: Was weiß ich? dennimverständig ist das Wünschen vor dem Schicksal (HölderlinDer Rhein, v. 38). In dem neuen Geschehen offenbart sich dem Schreiberdie Unvertrautheit der Welt, er merkt, daßsein ganzes Sicherheitsgefühl im Grunde ein Schein war, daß der Augen­blick regiert und damit die Angst und das Grauen. Und wenig später definiert er das Erlebnis des Militärischen als dasExistent­werden des Ausgeliefertseins und heißt diese Grundstimmung mit HölderlinSchicksal. XInd ein anderer Gefallener schreibt 1944 aus dem Osten:Nun ist es gekommen, das Wirk­liche, das so oft dem Nichts gleicht, und wir müssen erkennen, was nur ein Seher zuvor «hauen konnte: .Alles Schöne ist des Schreck­lichen Anfang. (Rilke, Duineser Elegien.) Und tmser Leben ist schön gewesen, unendlich Khön." Und dieser selbe Student es ist in Theologe ringt sich aus dem Existentia­lismus zum Lutherglauben durch, wie noch so iele, die in dem Buch geschrieben haben. »Der Deutsche, der ewige Hiob der Welt­

geschichte, sitzt allüberall auf den Ruinen seiner stillen geliebten Welt, und wartet sehn­lich auf das lösende Wort Gottes, der das Zer­brochene heilen kann. ,Den glimmenden Docht wird er nicht auslösehen. Es kann erst wieder licht werden, wenn wir hören: ,Stehe auf. Dein Glaube hat Dir geholfen!' Oder:Und wenn nach Luthers Wort die Anfechtungen die Um­armungen Gottes sind, so darf uns um die Zu­kunft nicht bangen... Die Gegenwart ist der dunkle Gang zwischen Gott und Gott; denn wer Gott ist, weiß am besten der, der in den finsteren Feuern der Hölle sitzt.

Aber neben dem Existentialismus kommt auch freilich nicht mehr allzuhäufig, der alte deutsche Idealismus als Sinngeber zu Wort, und oft wird dabei das Wort des ver­ehrten Lehrers Eduard Spranger zitiert.Ja, was ich lebe, schreibt ein Dr. phil. aus Ruß­

land, ,4 s t Idealismus. Der Idealismus de« .Trotzdem', haarscharf an der Grenze. Nach­dem er den falschen Idealismus der oberfläch­lichen Scheinbegeisterung und der nationa­nalen Phrasen abgewehrt hat, fährt er fort: Aber was wir hier tun müssen, bis zum Wahnsinn zu leiden, mit zusammengebissenen Zähnen still zu halten, auszuhalten, immer noch mitzumachen und bereit zu sein und dann sich noch in grausigstem Elend, In den Abgründen und Nachtseiten des Lebens den Glauben an die lichten und schönen Seiten, an den Sinn des Lebens, an die ewigen Werte, an die ganze reiche und schöne Welt des Idealis­mus zu bewahren, wie sollen wir das nennen? Es ist jenes .Trotzdem', jene innere Unzer­störbarkeit, jener unbedingte Wille, zuletzt auch das Furchtbarste in Alleinheit einzu­begreifen, im .guten' Gesamtkreislauf des Lehens zu sehen. Und dann am Schluß:für den Krieg zu glauben, ist Wahnsinn im Krieg ist alles böse und teuflisch, es gibt ein Glau­ben nurgegen.Verflucht die Schuldigen.

Ernst Müller

Die Pläne sind fertig

Wird die Wasserversorgung aus dem Bodensee nun Wirklichkeit?

K. M. STUTTGART. Unter den verschiede­nen Projekten für eine Femwasserversorgung von Württemberg, die die Studienkommission des württembergisch-badischen Städteverbands

Die Finanzierung, die rund 140 Millionen DM erfordert, ist noch nicht gesichert. Es ist noch nicht bekannt, in welcher Höhe sich das Land Baden-Württemberg und auch der Bund

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Nach diesem Plan soll sich das Wasser aus dem Bodensee über das Land verteilen

ausgearbeitet hat, findet das Bodenseeprojekt immer mehr Anklang. Die Gesamtplanung ist schon so weit fortgeschritten, daß jederzeit mit dem Baiu der 145 km langen Hauptleitung bis Stuttgart, die etwa 4 Jahre dauern wird, begonnen werden kann.

beteiligen wird. Den wesentlichen Beitrag werden die Gemeinden selbst zu tragen haben, die an einer zusätzlichen Wasserversorgung aus dem Bodensee interessiert sind. Nach vorläufigen Berechnungen wird eine Gemein­de, die aus der Femwasserversorgung 100

VomAussafs befallen

Pilze vernichten Wohnungen

FRANKFURT. In der Mainstadt werden wia in vielen andern Städten der Bundesrepublik jährlich fast 500 Wohnungen durch denHaus­schwamm zerstört und dadurch unbewohn­bar gemacht. Der wirtschaftliche Schaden, der durch diese gefährlicheInfektionskrankheit an zahllosen Bauwerken entsteht, dürfte auch von dem ausgeklügelten Statistiker wohl kaum zu berechnen sein. Die Tatsache, daß die verheerenden Auswirkungen des Haus­schwamms von der breiten Öffentlichkeit heute unterschätzt werden, macht die erschütternde Feststellung der Bauaufsichtsbehörden in Frankfurt einigermaßen verständlich, daß fast jedes zweite Haus vom Schwamm bedroht ist. Was den Menschen in den ersten Nachkriegs­jahren durch die unzähligen Ruinen an Ge­fahren drohte, das hat in vielen Städten jetzt der Hausschwamm in noch verheerenderem Maße übernommen.

Das Beispiel der Stadt Frankfurt zeigt die Gefahr in aller Deutlichkeit. Vornehmlich ist es der Althausbesitz, der diesem Parasiten zum Opfer fällt, da man bei diesen Häusern beim Bau sehr viel Holz verwendete. Selbst die dicksten Balken, dicke Mauern und sogar Beton und Natursteine vermögen dem Haus­schwamm keinen Widerstand entgegenzusetzen. Innerhalb von zwei bis fünf Jahren hat er ge­sunde Häuser vom Keller bis zum Dach zu einer Ruine gemacht und dadurch eine akute Lebensgefahr für die Hausbewohner verur­sacht. Alle Versuche der Chemiker, ein Ab­wehrmittel zu finden, sind bisher negativ aus­gegangen. Weder Chemikalien noch eine in­frarote Bestrahlung, die wiederholt ange­wandt wurde, haben die erhofften Erfolge ge­habt.

Sekundenliter entnehmen will, ungefähr acht Millionen DM beisteuern müssen. Man wird bei den Berechnungen im allgemeinen jedoch nicht starr verfahren, sondern auf die kleine­ren und finanziell weniger leistungsfähigen Gemeinden Rücksicht nehmen. Obwohl di« Finanzierung, wie gesagt, noch nicht gesichert ist, wird man bei Sipplingen am Ufer des Überlinger Sees schon im kommenden Frühjahr mit Bauarbeiten beginnen.

Das Bodenseewasser soll hier aus einer Tiefe von ungefähr 70 Meter mit drei mehr­stufigen Kreiselpumpen, die 1,5 bis 2 cbm/seo fördern, angesaugt werden. In dieser Tiefe ist das Wasser vollständig keimfrei, weist Tem­peraturen von 56 Grad Celsisus und 7 9 Härtegrade auf. Technische Schwierigkeiten beim Pumpen ergeben sich nicht. Die umfang­reichen Wasseruntersuchungen an drei ver­schiedenen Stellen des Sees haben ergeben, daß das Wasser besonders rein und sowohl für technische Zwecke als auch für die Trink­wasserversorgung geeignet ist.

Von der Pumpstation aus wird das Seewas­ser mit 40 Atmosphären Druck in der etwa 4 Kilometer langen Leitung zur Filterstation befördert. Dabei ist ein Höhenunterschied von rund 300 Meter zu überwinden. In der Filter­anlage wird das Wasser von dem anhaftenden Plankton befreit. Die gesamte Fernwasser­leitung von Sipplingen bis zur Solitude bei Stuttgart wird aus nahtlosen Stahlrohren her­gestellt, die eine lichte Weite von 1,30 Meter aufweisen und sich bis zu 1 Meter verjüngen. An den Stoßstellen werden die Stahlrohre zu­sammengeschweißt. Sie werden im Boden mindestens 1,20 Meter tief verlegt, damit sie vor Frost geschützt sind. Der 30 000 Kubik­meter große Scheitelbehälter bei Emmingen (Kreis Donaueschingen) ist von Sipplingen 21 Kilometer entfernt und liegt nochmals 85 Me­ter höher als die Filterstation.

Für die Fernwasserversorgung sind dies die wichtigsten Anlagen, die zunächst errichtet werden müssen. Auf der Solitude wird ein wei­terer Sammelbehälter für zunächst 30 000 Ku­bikmeter gebaut, der später je nach Bedarf vergrößert werden kann. Der Stahlbedarf für den Bau beträgt 70 000 t. Davon wird der größte Teil als Rohre im Boden verlegt. Von all den in der Skizze angeführten Städten be­steht ohne Schwierigkeiten die Möglichkeit, Abzweigleitungen in das Hinterland und weitere Querverbindungen in wichtige Indu­striegebiete zu legen. Zur Wasserleitung und dem Hochbehälter der Landeswasserversor­gung bei Schönbühl, in der Nähe des be­kannten Weinortes Schnait, ist eine Anschluß­verbindung bereits vorgesehen.