HEIMATBLATT FÜR STADT UND LAND
GALWER ZEITUNG
FREITAG, 14. NOVEMBER 1952
ÜBERPARTEILICHE TAGESZEITUNG
8. JAHRGANG / NR. 225
Auf ein Ersuchen Höpker-Asdioff s nun doch Terminverschiebung?
Der Kanzler drängt aber nach wie vor auf Ratifizierung Ende November
Drahtbericht unserer Bonner Redaktion
BONN. Die außerordentlichen Sitzungen über den Termin für die zweite und dritte Lesung der Ratifikationsgesetze zu den deutsch-alliierten Verträgen dauern an. Nachdem der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Dr. H ö p - ker-Aschoff, darum ersucht hatte, den Termin von den letzten Novembertagen auf die erste Dezemberwoche zu verlegen, um die angesetzten Verhandlungen des Verfassungsgerichts über das vom Bundespräsidenten angeforderte Gutachten nicht zu stören, erklärte der SPD-Vorsitzende Ollenhauer, daß diesem Ersuchen selbstverständlich stattgegeben werden müsse.
Demgegenüber erklärten in Bonn mehrere Abgeordnete der Regierungsparteien, daß sie
grundsätzlich an dem Termin des 26t und 27. November für die zweite und dritte Lesung festhalten würden, jedoch bereit seien, wenn sich das als notwendig erweisen sollte, dem Ersuchen Höpker-Aschoffs soweit nachzugeben, daß die zweite Lesung ln der ersten Dezemberwoche beginnen würde.
Der Bundeskanzler drängt indessen auf die Beibehaltung des November-Termins und der Redaktionsausschuß des Außenpolitischen Ausschusses des Bundestags, der den Hauptbericht für die zweite Lesung zu erarbeiten hat, will seine Arbeit auch für diesen Termin abgeschlossen haben. Ob das rein technisch möglich ist, nachdem die mit den Verträgen betrauten Ausschüsse ihre Teilberichte noch nicht angenommen haben, wird aber in politischen Kreisen als zweifelhaft angesehen.
Rekrutierung zwölf Monate später
Blanks Rechnung beginnt mit der Ratifizierung / „Staat muß Farbe bekennen“
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Der größte Hubschrauber der Welt, der XH-17-Helikopter der US-Air-Force, macht gegenwärtig seine ersten Probeflüge in Kalifornien. Der Riese, der schwere Geschütze und Fahrzeuge zum Einsatz transportieren soll, ist über neun Meter hoch, seine Luftschraube hat eine Spanweite von fast 40 Meter Foto Keystone
BONN. Der Sicherheitsbeauftragte der Bundesregierung, Theodor Blank, erklärte am Donnerstag, daß es nach der Ratifizierung des EVG-Vertrages rund zwölf Monate dauern werde, bis mit der Rekrntierung der ersten Wehrpflichtigen begonnen werden kann.
Blank schilderte die zeitliche Reihenfolge beim Aufbau deutscher Verbände in der europäischen Verteidigungsgemeinschaft. Danach sollen zunächst Lehrstäbe aufgestellt werden. Dann werden Auswahllehrgänge abgehalten. ■Einige Monate später soll das erste freiwillige Rahmen personal herangezogen werden, womit die Kaderaufstellung beginnt. Wieder einige Monate später werden diese Kader durch ehemalige Soldaten aufgefüllt, die auf Grund freiwilliger Meldungen ausgesucht worden Sind. Zum Schluß folgen Freiwillige, die noch nicht Soldat gewesen sind und sich für einen
längeren Dienst in der Truppe melden.
Blank, der dies am Donnerstagabend im hessischen Rundfunk mitteilte, wies darauf hin, daß nach der vollständigen Entmilitarisierung Deutschlands ganz von vorne angefangen werden müsse. Ehe der erste Wehrpflichtige eingezogen werden kann, müßten Kasernen. Versorgungseinrichtungen und Waffen vorhanden sein. Die Truppe müsse mit den besten Waffen ausgerüstet werden, die zu haben sind.
Die Verpflichtung ..des Soldaten auf die Demokratie bedeute aber auch, daß der Staat und die den Staat tragenden Kräfte sich zu ihren Soldaten bekennen müssen, betonte Blank. Kirchen, Parteien, Gewerkschaften, Jugend verbände müßten dabei mithelfen. Gerade der Opposition falle bei dieser Aufgabe eine große Verantwortung zu.
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Am Beispiel Schriesheim
Arabischer Boykott angelaufen
Letzte Entscheidung der Liga steht noch aus / Drei Milliarden DM?
BONN. Obwohl die Arabische Liga noch keine endgültige Entscheidung über die Zukunft der deutsch-arabischen Beziehungen bekanntgegeben hat, haben Im nahen Osten bereits umfangreiche Boykottmaßnahmen gegen deutsche Firmen eingesetzt.
Die Entscheidung der Arabischen Liga, die der Bundesregierung gestern vom deutschen Botschafter in Kairo, Dr. Pawelke, übermittelt wurde, soll am kommenden Sonntag der Weltöffentlichkeit bekanntgegeben werden. In Kreisen des Auswärtigen Amtes wurde bisher striktes Stillschweigen über den Inhalt der Liganote gewahrt.
Ein mögliches Auftragsvolumen für deutsche Firmen in Höhe von rund 3 Milliarden DM steht auf dem Spiel, verlautete in Bonn von unterrichteter Seite. Zahlreiche Aufträge «n deutsche Exporteure sind von den arabischen Bestellern bereits gekündigt worden
Ein Sprecher eines Spitzenverbandes der deutschen Wirtschaft teilte mit, daß täglich bis zu sechs Meldungen über gekündigte Kontrakte aus dem nahen Osten einlaufen. Die Industrie- und Handelskammern berichten
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über eine zunehmende Flut von alarmierenden Schreiben deutscher Handelsvertreter in den arabischen Ländern, in denen von Auftragskündigungen und -aufschiebungen, von abgebrochenen Handelsgesprächen und vor allen von der steigenden Aktivität anderer ausländischer Firmen berichtet wird, die sich die getrübten deutsch-arabischen Beziehungen zunutze machen und in das entstehende Handelsvakuum hineinstoßen wollen.
Mende: Vie!e werden ablehnen
SOEST. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Erich Mende erklärte in Soest, ein großer Teil der FDP-Bundestagsfraktion werde dem deutsch-israelischen Wiedergutmachungsabkommen in der vorliegenden Form nicht zustimmen, da seine Ratifizierung in Anbetracht des noch bestehenden Kriegszustandes zwischen Israel und den arabischen Ländern einen Neutralitätsbruch bedeuten würde.
th. Die politischen Parteien in der Stuttgarter Landesversammlung hätten besser daran getan, kein Aufhebens von der Bürgermeisterwahl in Schriesheim zu machen. Man hätte beinahe glauben können, unsere Demokratie sei am Ende, als man unmittelbar nach der Wahl das"" Gezeter über die „ Wiedermachtergreifung“ in Schriesheim hörte, wo der nationalsozialistische Bürgermeister von 1933 bis 1945, Fritz Urban, mit Hilfe einer Freien Wählervereinigung die Mehrheit der Stimmen auf sich vereinigte und seinen Gegner, den vom Wahlblock der drei großen demokratischen Parteien gemeinsam aufgestellten Kandidaten, Dr. Schneider aus Mannheim, bezwang. Wer im politischen Kampf auf den Boden zu liegen kommt, ist auf alle Fälle einmal der Schwächere. Man sollte dann einmal seine Trainer und Manager auf ihre Fähigkeit und ihn selbst auf seine Qualifikation prüfen. Es macht schlechten Eindruck, deswegen gleich die Exekutive in Gestalt von Polizisten herbeizuholen, um das Geschehene ungeschehen zu machen. Geradezu blamabel ist es aber, wenn sich herausstellt, daß es beim Kampfe zwar „teilweise turbulent und unde-
Partei offiziell die Kandidatur Dr. Schneiders unterstützte, hat gewiß seiner ohnehin nicht starken Popularität weiteren Abbruch getan. Das ist das eine.
Und das andere: Was soll man dazu sagen, wenn die Flugblätter der demokratischen Parteien Schlagzeilen bringen, wie „Schriesheim erwache!“, oder „Treue ist das Mark der Ehre!“, die Suche nach ähnlichen markanten Losungsworten in den Flugblättern des angeblich nationalsozialistischen Lagers aber vergeblich ist. Wenn weiter die Wähler durch ein Flugblatt daran erinnert werden, daß am Wahltag Reformationsfest sei, und deshalb alle evangelischen Christen „wie stets einen evangelischen Bürgermeister“, nämlich Dr. Schneider, wählen müßten, so glauben wir sicher zu sein, daß zumindest die Katholiken und Bekenntnislosen daraufhin Urban ihre Stimme gaben
Der Jubel — die anderen sagten. „Siegesfeier“ —, die Darbietungen des Gesangvereins — die anderen sagten: ..Sprechchöre“ —, die Lampions — die anderen sagten: „Fackelzüge“ —, sie haben sich als ortsübliche Tradition herausgestellt, und wäre Dr. Schnei
mokratisch“ zuging, im übrigen aber keine der gewählt worden, er wäre sicherlich auch
Handhabe da ist, dem Stärkeren den Siee streitig zu machen.
Die Hauptursache des Mißerfolges der demokratischen Parteien liegt wohl darin, daß sie den Schriesheimer Bürgern einen ortsfremden Kandidaten präsentierten. Der Wahlblock konzentrierte seine Propaganda auf die politische Vergangenheit des nationalsozialistischen Bürgermeisters, als es aber im Verlaufe des Wahlkampfes durchsickerte, daß auch Dr. Schneider keine einwandfrei weiße politische Weste habe, operierten die Wahlmanager Urbans mit der Parole „Wenn schon ein Nazi, dann ein Schriesheimer Nazi!“ und wählten ihren Fritz. Daß die kommunistische
Einigung über Saarerklärung
Kundgebung am Deutschen Eck / Hoffmann mobilisiert „Saarbataillon“ Drahtbericht unserer Bonn er Redaktion
*vistisrh US Anlaß des 5. Jahrestages der bolsche- Zeint nl n Oktoberrevolution gab. Unser Bild ♦in ujirf n russischen Botschafter mit seiner Gat- General Naguib Foto: Keystone
BONN. Wie der SPD-Vorsitzende Ollenhauer gestern vor dem Verein der ausländischen Presse in Bonn bestätigte, wird die Sozialdemokratische Partei einer gemeinsamen Saarerklärung des Bundestages am 18. November zustimmen. In Kreisen der Regierungsparteien ist dieser Beschluß begrüßt worden, nachdem in der vergangenen Woche über eine Saarerklärung von Regierung und Opposition noch keine Übereinstimmung hatte erzielt werden können.
Die Aufforderung der an der Saar nicht zugelassenen deutschen Parteien, die Landtagswahlen am 30. November zu boykottieren oder ungültige Stimmzettel abzugeben, wird von der FDP und SPD in Bonn unterstützt. Eine Woche vor den Landtagswahlen wird die FDP in einer Kundgebung am Deutschen Eck unter Beteiligung von Vertretern der deutschen Oppositionsparteien an der Saar Protest gegen das Unrecht der Wahlen erheben.
Den gleichen Sinn hat eine ebenfalls für den 23. November festgesetzte sozialdemokratische Kundgebung in Kaiserslautern. Von’ zuständiger Seite der beiden Parteien wurde betont, daß man mit diesen' auf die Bundestagsitzung folgenden Kundgebungen hoffe, der französischen Propaganda an der Saar so erfolgreich entgegentreten zu können, daß
die Zahl der den Wahlen fernbleibenden Bürger und der ungültigen Stimmzettel ein echter Ausdruck für den tatsächlichen Willen des Volkes an der Saar werde.
In diesem Zusammenhang sind in Bonn die Meldungen sehr beachtet worden, daß die Regierung Hoffmann die Grenzen zwischen dem Bundesgebiet und dem Saargebiet jetzt durch Einheiten des Saarbataillons — einer unter französischem Kommando stehenden Einheit der Saarpolizei — überwachen läßt. Aufgabe dieser Verstärkung der Grenzpolizei ist es, die Einreise „verdächtiger Personen“ in das Saargebiet zu verhindern.
in den Genuß der Freude der Schriesheimer Bürger über ihren neuen Bürgermeister gekommen. Auch uns wäre es tausendmal lieber gewesen, wenn nicht einem „Nazi“-Bürger- melster und nicht einem ehemaligen Ortsgruppenleiter der NSDAP, sondern einem zuverlässigen Demokraten diese Ehre zuteil geworden wäre. Wenn es nicht so gekommen ist, dann wahrscheinlich deshalb, weil der demokratische Körper bei dieser Wahl schwache Stellen aufwies, die es erst ermöglichten, daß der unerwünschte (angeblich nationalsozialistische) Pfahl in sein Fleisch eindrang. Daß so etwas passiert, immer öfter passiert, darüber sind wir sehr in Sorge. Wir verstehen auch sehr' wohl, daß Ministerpräsident Dr. Maier verbittert ist über seine Parteifreunde, vor allem in Norddeutschland, die zusammen mit anderen Gruppen nach seinen Worten auf dem besten Wege sind, uns im „Rechtsgalopp" ins Verderben zu bringen. Aber diese Gefahr sehen wir im demokratisch gefestigten Südwestdeutschland nicht
Die am Beispiel Schriesheim gelegte Bombe hätte im Ausland gehört werden und dort eine falsche Wirkung haben können. Nämlich die, daß sich der Irrtum verbreitet, landauf landab werde in Deutschland wieder das Horst-Wessel-Lied gesungen. Die Bombe ist zum Glück durch die Rede des Innenministers entschärft worden. Im übrigen: Das Bekenntnis zur Demokratie, die „felsenfeste Entschlossenheit“. sie zu verteidigen, das genügt nicht. Man muß auch einen Wahlkampf in ihrem Sinn führen können. Der Fall Schriesheim zeigt, daß unsere demokratischen Abgeordneten darin nicht brilliert haben
Ein neuer indischer Koreaplan
Gefangene zuerst in neutrale Lager
NEU DELHI. In der indischen Hauptstadt mehren sich die Berichte, daß von Indien ein neuer Dreipunkteplan für einen Waffenstillstand in Korea ausgearbeitet werde, der bereits konkrete Form angenommen habe. Nach den, Plan sollen sich die Vereinten Nationen grundsätzlich zur Rückführung der Gefangenen nach China bereit erklären, weil dies dem Sinn der Genfer Konvention entspreche. Umgekehrt soll sich China gegen eine Zwangsrepatriierung aussprechen, aber gleichzeitig
auch die Ansicht vertreten dürien. daß die fehlende Bereitschaft zur Rückkehr unter den chinesischen Gefangenen auf die Agitation der nationalchinesischen und südkoreanischen Wachen in den alliierten Gefangenenlagern zurückzuführen sei. China darf auf dieser Grundlage die Überführung der Gefangenen in neue Lager unter Verwaltung von neutralen Nationen verlangen
China selbst scheint eher als die Vereinigten Staaten zur Annahme des indischen Koreaplans bereit zu sein. Man glaubt aber, daß für die endgültige amerikanische Haltung das Ergebnis des Besuches des künftigen Präsidenten Eisenhower in Korea entscheidend ist.