CALWER ZEITUNG
HEIMATBLATT FÜR
STADT UND LAND
MONTAG, 8. NOVEMBER 1952
ÜBERPARTEILICHE TAGESZEITUNG
8. JAHRGANG / NR. 215
Keine „Palastrevolution“ in der Dienststelle Blank
Wiederauferstehung des alten Kommiß oder Reform der Rekrutenausbildung?
Drahtbericht unserer Bonner Redaktion
Das ist nicht etwa ein sowjetischer Besucher beim Berliner Oberbürgermeister Reuter. Hier handelt es sich vielmehr um eine Vorführung der neuen graugrünen Vopo-Uniform in Westberlin. Ein Angestellter des Bundeshauses mußte sich als Volkspolizist verkleiden.
BONN. Im Zusammenhang mit dem Rücktritt Dr. Kraskes, des stellvertretenden Pressechefs der Dienststelle Blank, war in politischen Kreisen Bonns und in zahlreichen Presseberichten von einer „Palastrevolution“ in der Dienststelle Blank gesprochen worden. Wenn es auch richtig ist, daß für den Rücktritt Kraskes sachliche Gründe den Ausschlag gaben, und wenn es auch zutrifft, daß in der Dienststelle Blank Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der Prinzipien der Ausbildung künftiger deutscher Soldaten bestehen, so sind alle Meldungen, die eine „Palastrevolution“ konstruieren wollen, doch unrichtig.
Es trifft zu, daß es um eine von dem früheren Obersten im Generalstab, B o n i n , ausgearbeitete Geheimanweisung über die Erziehung und Ausbildung künftiger deutscher Offiziere und Unteroffiziere zu Auseinandersetzungen kam, da eine wesentliche Zahl von Mitgliedern der Dienststelle Blank in Bonins
Vorschlägen eine „Erneuerung des alten Kommiß“ sah und demgegenüber auf Reformen besteht. Da sich aber auch Blank selber, Dr. Speidel und Graf Kielmannsegg nachdrücklich für diese Reformen einsetzen, ist nicht anzunehmen, daß die inzwischen zurückgezogene Geheimanweisung Bonins eine Arbeitsgrundlage wird. Es überrascht daher nicht, wenn von gutunterrichteter Stelle der Rücktritt Kraskens auf die bisher in der Dienststelle Blank geführte Personalpolitik zurückgeführt wird, in deren Verlauf sich mehrere miteinander rivalisierenden Gruppen und Cliquen gebildet haben, deren Entstehen zum Teil auf die Zugehörigkeit zu früheren Wehrmachtsregimentern oder auf das Verhältnis zum 20. Juli zurückgeführt wird.
Zu der Geheimanweisung Bonins wurde unserem Korrespondenten erklärt, daß es sich dabei lediglich um Gedanken und Vorschläge gehandelt habe.
Vor dem Ende des Wahlkampfes
Propagandamaschinen auf vollen Touren / Truman ist optimistisch
Club gewinnt in Mühlburg
Der 1. FC. Nürnberg sorgte am 10. Spielsonntag der süddeutschen Oberliga für die Sensation des Tages Er schlug Mühlburg/Pbönix in Mühlburg mit 1:7 Toren. Den zweiten Kantersieg erzielte der VfB Stuttgart gegen den VfR Mannheim mit 8:1.’ Sehr glücklich gewann der Tabellenführer Eintracht Frankfurt gegen 1860 München, und fast ebenso glücklich gelang es dem FSV Frankfurt in Fürth einen 0:1-Sieg einzubringen. BC Augsburg und Bayern München konnten auf eigenen Plätzen siegreich bleiben. Ulm rutschte durch seine Niederlage auf den letzten Tabellenplatz ab.
Kohlbrecher ko.
Der deutsche und Europameister Heinz Neuhaus schlug den Herausforderer Wilson Kohlbrecher schon in der vierten Runde ko.
Deutschland — Finnland 342,05:335,20
Den deutschen Turnern gelang gegen Finnland ein überraschend hoher Sieg. Schon nach den ersten Übungen lag Deutschland klar in Führung, die es dann noch weiter ausbaute. West-Süd-BIock: 2, 0, 2, 0, 1, 1, 1, 1, 1, 2, 2, 1.
Mit Kuß und herzlichem Händedruck beglückwünschte der französische Erziehungsminister Andr6 Marie den englischen Filmschauspieler Charlie Chaplin zu seiner Ernennung zum Offizier der französischen Ehrenlegion. Chaplin ist bereits seit langer Zeit Ritter der Ehrenlegion gewesen, die höhere Ordensklasse dürfte er der augenblicklichen politischen Konstellation zwischen Frankreich und USA zu verdanken haben. In den USA gilt Chaplin wegen seiner politischen Anschauung noch immer als unerwünscht. Das mag den Franzosen Anlaß genug gewesen sein, mit der Ernennung Chaplins zum Offizier der Ehrenlegion den Amerikanern eines auszuwischen. * Fotos: dpa
NEW YORK. Präsident Truman sagte in St. Lonis in seiner letzten Wahlrede als Sprecher der Demokraten den Sieg des demokratischen Gouverneurs Stevenson voraus.
Unter Eisenhower würde das amerikanische Volk die traurige Erfahrung machen, so sagte Truman, „wie ein General, der in Uniform für die Verteidigung der freien Welt gekämpft hat, die Liquidation unserer Außenpolitik leitet“. Durch seine Wahldevise „Abzug aus 5£o~— rea“ habe Eisenhower die Einheitsfront gegen den Kommunismus unterhöhlt. Sollte Eisenhower siegen, dann würde das eine „nationale Katastrophe“ bedeuten.
Eisenhower erklärte in einer Rundfunkdebatte mit führenden Republikanern, daß seine Wahlkampagne dem Problem Korea zu große Beachtung geschenkt habe. Damit hat Eisenhower seine sensationelle Parole „Abzug aus Korea“ wieder abgeschwächt. Zugleich lenkt er die Aufmerksamkeit auf Westeuropa, indem er sagte, daß die Wachsamkeit der freien Welt niemals von der Gefahr einer sowjetischen Aggression gegen Westeuropa abgelenkt werden dürfe. „Ohne ein gesundes, kraftvolles Westeuropa würde das Existenzproblem der freien Welt zehnmal größer sein als es gegenwärtig bei der Abwehr der kommunistischen Aggression ist.“ Der dritte Weltkrieg werde nur dadurch gewonnen, daß er verhindert werde. Falls er Präsident werde, würde er insbesondere folgende Grundsätze beachten: Keine Beschwichtigung des kommunistischen Blocks, Sofortmaßnahmen für eine allgemeine Steuersenkung und Gleichberechtigung aller amerikanischen Minderheiten.
In Chikago hat der demokratische Kandidat
Gouverneur Stevenson noch einmal betont, daß ein Wahlsieg der Republikaner die „reaktionärsten Elemente“ des Landes an die Macht bringen würde. Es sei eine gefährliche Politik, Steuerermäßigungen von Milliarden Dollar zu versprechen, wenn dadurch das eigene und das Verteidigungssystem der amerikanischen Alliierten in Europa und Asien aufs Spiel gesetzt werde.
- JScetLiaufen. die Propagandamaschinen beider Parteien auf vollen Touren. Über den Dächern der Großstädte schweben Fesselballons mit mannshoher Aufschrift: „Wählt Ike!“ „Stimmt für Stevenson!“ Jede Zeitung bringt
ganzseitige Annoncen, die bis zu 10 000 Dollar (42 000 DM) kosten: „Amerika erwache! Kommunismus ist Verrat, wählt Eisenhower!“ oder „Erhaltet die Fortschritte unter Roosevelt und Truman. Wählt Stevenson!“
„Töchter des Nils“ zugelassen
KAIRO. Die ägyptische Regierung hat am Samstag zum erstenmal eine Frauenpartei, die „Töchter des Nils“, zugelassen Die Vorsitzende der neuen Partei. Duria S c h a f i k erklärte, die Zulassung der Partei lasse erkennen, daß die Regierung beabsichtige, die Frau dem Manne politisch gleichzustellen.
Bemerkungen zum Tage
Am Mittwochmorgen
Hantke: Ostzonale Versorgungskrise
„Volksarmee“ sucht Truppenärzte / P anikstimmung, Hortungen und Proteste
BERLIN. Unvorhergesehene Einfuhren von Kriegsmaterial und Nichterfüllung der Wirtschaftspläne haben zu einer ernsten Versor- gungskrise der Sowjetzone geführt, erklärte der kürzlich aus der Sowjetzone geflüchtete bisherige Leiter der AbteilungWarenbilan- zen im Sowjetzonen- Versorgungsministe- rium, Fritz Hantke, am Samstag in Westberlin.
Die Fehlmeldungen aus den Eigenaufkommen der Sowjetzone auf Grund des Wirtschaftsplanes 1952 betragen nach Hantkes Angaben beispielsweise 176 000 t Fleisch, 200 000 t Gemüse,
55 000 t Schlachtfette und 22 000 t Fisch.
Die Propaganda für Hantke von der die „Nationalen Streitostzonalen LDP, der kräfte“ habe in der fahrelang dem Sowjet- Sowjetzone die Be- *°nen-System treu ge- für chtung erweckt, daß “•ent hat und zu einer
der Bevölkerung gekommen, weil weder Fett noch Zucker in den HO-Geschäften vorhanden war.
Auf einen internen Rundbrief des ostzonalen Gesundheitsministers Luitpold S t e i d 1 e vom 2. Oktober hin haben sich, wie AP meldet, bisher nur 35 Ärzte bereit erklärt, als Militärärzte in der künftigen Volksarmee zu arbeiten. Der den Vopo-Verbänden als Leitender Arzt zugeteilte Prof. Walther sei nunmehr beauftragt worden, , entscheidende Maßnahmen“ zur Versorgung der Armee mit Truppenärzten zu treffen.
lh. Heute geht der schon seit Monaten rücksichtslos und erbittert geführte Wahlkampf in den USA zu Ende. Die Entscheidung darüber, wer Präsident der Vereinigten Staaten werden wird, fällt beim morgigen Wahltag. Die Chancen sind gegenwärtig noch gleich verteilt, und man rechnet damit, daß der Sieger mit einer nur geringen Mehrheit durchs Ziel gehen wird. Die Präsidentenwahl ist indirekt. Präsident wird, wer mindestens 266 Wahlmänner auf sich vereinigt.
Der 4. November ist für die USA nicht nur der Tag der Präsidentenwahl, sondern er ist ein Wahltag, an dem das amerikanische Volk außer seinem Präsidenten auch den Vizepräsidenten, 435 Abgeordnete für das Repräsentantenhaus des amerikanischen Kongresses, 35 Senatoren, in 30 Bundesstaaten 7500 Parlamentarier und in den Gemeinden rund 200 000 neue Beamte, wie Bürgermeister, Polizeichefs, Richter und andere Verwaltungsmänner wählt. Bei uns zulande würde die Auszählung der Ergebnisse dieser verschiedenen Wahlen erhebliche Zeit beanspruchen. In den Vereinigten Staaten bedient man sich bei diesen Wahlen in vielen Staaten schon Wahlmaschinen, die sofort nach Beendigung der Wahl die Ergebnisse anzeigen. Dennoch wird man bei uns in Mitteleuropa den neuen amerikanischen Präsidenten erst am Mittwochmorgen kennen. Der Zeitunterschied zwischen Zentral-Nordamerika und Mitteleuropa beträgt sechs Stunden. Wenn also am Dienstagabend um 18 Uhr die amerikanischen Wahllokale schließen, ist es bei uns Mitternacht. Selbst bei der schnellsten Auszählung
Koreafrage soll gelöst werden
Asiatisch-arabischer Kompromißvorschlag / Debatte vor den Vereinten Nationen
Fritz
akute Kriegsgefahr besteht, sagte Hantke. Die dadurch hervorgerufene Panikstimmung habe zu erheb- - , . liehen Hortungen von
^ , nsmitteln, besonders von Margarine, ucker und Mehl geführt. In den letz- O^, § en se i es in fast allen größeren Städten aeutschlands zu Protestdemonstrationen
-... u/ia zu einei hohen Stellung im Ver-
aorgungsministerium
fanden ist. Ihm ist Jiifo der Ostboden zu e ‘ß geworden. Foto: dpa
NEW YORK. 13 asiatische und arabische Länder beabsichtigen, wie am Sonntag in New York bekannt wurde, den Vereinten Nationen einen Kompromißvorschlag zur Lösung der Koreafrage vorzulegen. Der indonesische Delegierte Palar soll Indien ersucht haben, einen Entschließungsentwurf zur Koreafrage auszuarbeiten, der von der asiatisch-arabischen Gruppe unterstützt werden kann.
Dem politischen Ausschuß der UN-Vollver- sammlung liegen bisher ein westlicher und ein östlicher Entschließungsentwurf zu Korea vor. Der von den USA und Großbritannien ein- gebrachte, dem 19 andere Länder zugestimmt haben, sieht eine volle Unterstützung des Standpunktes des UN-Oberkommandos in den koreanischen Waffenstillstandsverhandlungen
und einen Appell an die Kommunisten vor, dem Grundsatz der freiwilligen Repatriierung der Kriegsgefangenen zuzustimmen. Ein sowjetischer Entwurf schlägt die Bildung einer UN-Kommission vor, die eine „friedliche Regelung der Koreafrage“ zustande bringen soll.
In der großen Koreadebatte vor den Vereinten Nationen betonte der australische Außenminister C a s e y, wenn sich die Kommunisten nicht mit den alliierten Waffenstillstandsbedingungen einverstanden erklären, könne es in Korea keinen Waffenstillstand geben. Der niederländische Delegierte von Balluseck stellte sich ebenfalls auf diesen Standpunkt und appellierte an „unsere Gegner und diejenigen, die hinter ihnen stehen“, die „fairen und ehrenhaften“ alliierten Vorschläge zu akzeptieren.
bedarf es einiger Stunden, um in einem so riesigen Kontinent wie Nordamerika, bei dem selbst die Uhrzeit zwischen West und Ost um zwei Stunden differiert, die Ergebnisse aus den einzelnen Gemeinden und Staaten zu- zusammenzuholen. Es wird also zweifellos Mittwochmorgen werden, bis das Resultat einer für die gesamte Weltpolitik entscheidenden Wahl bei uns von den Radiostationen Amerikas aufgenommen wird
Verschwundene Kunstschätze
wn. In einem unlängst in der Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft veröffentlichten Bericht des früheren Direktors der Berliner Ägyptischen Sammlungen, Rudolf Anthes, wird festgestellt, daß von den über 24 000 Inventarnummern des Ägyptischen Museums zu Berlin etwa ein Drittel nicht mehr auffindbar ist. Von den Kunstwerken im engeren Sinne fehlt mehr als die Hälfte der kleineren, von den großen sind nur vereinzelte — wie die Büste der Königin Nofretete — übrig geblieben. Das Schicksal dieser Kunstwerke und das von einigen hunderttausend anderer ist vielfach noch in Dunkel gehüllt. Wenn sie nicht den Bomben und Granaten des letzten Krieges und den Plünderungen der ersten Nachkriegszeit zum Opfer fielen — welchen Weg sind sie dann gewandert? Sind sie verschollen? Müssen wir sie abschreiben? Oder haben sie irgendwo, uns unbekannt, Unterkunft gefunden. Dankenswerterweise haben sich die Amerikaner bereits in den ersten Monaten nach Kriegsende daran gemacht, in ihren Collecting Points die noch auffindbaren Kunstwerke vor der Vernichtung und Verschleppung zu bewahren, verlagerte Kunstwerke zurückzuführen und dem jeweiligen Besitzer nach einer Urteilsfindung zuzustellen. Irrtümer mögen hier und da unterlaufen sein — man denke an den Streit um diejenigen Werke, die während der Kriegszeit nach Österreich verbracht wurden —, aber es sollte darüber nicht vergessen werden, daß die Collecting Points mit dazu beigetragen haben, das Dunkel, das über manchen Kunstverlusten lag, zu lichten. Trotz dieser Mühen ist der deutsche Kunstverlust immer noch so erschütternd groß, daß alles daran gesetzt werden muß. zumindest erst einmal soweit wie möglich aufzuklären, wie diese Werke verloren gingen. Nicht unerheblichen Aufschluß darüber könnten auch die Übersichten geben, die von allen vier Alliierten nach Kriegsende über den deutschen Kunstbesitz gemacht wurden. Der Bundestag hat einmal schon auf die Bekanntgabe dieser Listen gedrängt, vornehmlich jener der Sowjets, deren Betreuung der Kunstwerke, wie der Bericht über die Verluste des Berliner Ägyptischen Museums beweist, einer Demontage nicht nnöVmUi'h genannt werden muß