HEIMATBLATT FÜR STADT UND LAND

CALWER ZEITUNG

MITTWOCH, 1. OKTOBER 1952

ÜBERPARTEILICHE TAGESZEITUNG

8. JAHRGANG / NR. 187

Setjen sich die radikalen Elemente in der Labour-Partei durch?

Bevan-Leute beherrschen jetzt politischen Vorstand / Prestigeverlust Attlees

Greift die Aeußere Mongolei ein?

MORECAMBE. Bei der Neuwahl des Vor­standes der britischen Arbeiterpartei auf dem Labour-Parteitag in Morecambe hat der radi­kale Unke Flügel Aneurin Bevans gestern einen vollen Sieg und der Parteivorsitzende und Führer der Gemäßigten, Clement Att- lee, eine schwere Prestige-Niederlage davon­getragen.

Im Kampf um die sieben Sitze der poli­tischen Sektion im 27köpfigen Parteivorstand behaupteten Bevan und seine drei engsten Mitarbeiter, die Abgeordneten Irene Castle, Tom D r i b e r g und Jan Mokardo ihre Sitze. Außerdem wurden beide von Bevan neu aufgestellten Kandidaten, der linksradikale Abgeordnete Richard Crossman und der frühere, seinerzeit mit Bevan zurückgetretene Handelsminister Harold Wilson gewählt. Attlees früherer Außenminister und Partei­stratege Herbert Morrison und der vor­malige Schatzkanzler Hugh D a 11 o n unter­lagen und schieden aus. Als einziger Mehr­

heitsvertreter behauptete der frühere Kolo­nialminister Griffiths seinen Sitz in der Vertretung der Labour-Wählerschaft und-Par­teiorganisation. Damit fielen sechs von den sie­ben Sitzen im politischen Labour-Vorstand an Bevan-Anhänger.

Dieser Erfolg Bevans bedeutet an sich noch keinen Richtungsweehsel in der Politik der britischen Arbeiterpartei, da die übrigen 20 Vorstandssitze vorerst m der Hand der Att- lee-Mehrheit sind, denn es wurden die zwölf Sitze der Gewerkschaften mit Gemäßigten be­setzt. Die restlichen acht Sitze entfallen auf die ebenfalls mit der Mehrheit gehenden Frauenorganisationen und auf Konsumgenos­senschaften.

Der Triumph der Linksradikalen, die nun­mehr den politischen Sektor im Parteivorstand beherrschen, ist für Attlee ein Alarmzeichen, das deutlich den wachsenden Rückhalt Bevans und seiner Auffassungen bei der breiten Masse der Partei und wahrscheinlich auch innerhalb der Gewerkschaften widerspiegelt.

Nachdem, schon die Hin­zuziehung einer mon­golischen Delegation zu den Moskauer Bespre­chungen zwischen China und der Sowjetunion zu den sensationellsten Spekulationen Anlaß gab, sieht man nun in der jetzt bekanntge­wordenen emeutenFüh- lungnahme zwischen der Äußeren Mongolei und Peking den Auftakt ei­nes militärischen Zu­sammengehens.

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Bemerkungen zum Tage

Eden-Plan in Straßburg gebilligt

Bejahung der großeuropäischen Idee durch die Beratende Versammlung

STRASSBURG. Die Beratende Versammlung des Europarates hat gestern den Eden-Plan zur Zusammenfassung aller europäischen Be­hörden im Europarat fast einstimmig ange­nommen. Den Plan unterstützten alle 103 Ab­geordneten, die ihre Stimme abgaben, auch die deutschen Sozialdemokraten.! Lediglich ein Italiener enthielt sich der Stimme. Die deut­schen Sozialdemokraten setzten sich für den Eden-Plan ein, nachdem in ihm eine Klausel gestrichen worden war, die auf die Europäi­sche Verteidigungsgemeinschaft Bezug nimmt.

Den ganzen Tag über war das Ringen um die Annahme des Planes fortgesetzt worden, durch den sich Großbritannien einen Einfluß auf die kerneuropäischen Sondergemeinschaf­ten, wie Montanunion, Verteidigungsgemein­schaft und Politische Behörde innerhalb des Europarats sicherstellen möchte. Im Gegensatz zu den Italienern sprachen sich die deutschen Abgeordneten der SPD und mit Vorbehalten

auch der CDU für den Plan und damit für die gesamteuropäische Idee aus.

Der britische Unterstaatssekretär des Äu­ßeren, Anthony N u 11 i n g, versicherte mehr­mals, daß Großbritannien in keiner Weise die Absicht habe, durch die feste Koppelung nach dem aus dem Eden-Plan entwickeltenAmery- Pian die Zweckgemeinschaften 4 der sechs eu­ropäischen Kemstaaten dem Europarat zu un­terwerfen, sondern es wolle in den Zweckge­meinschaften hilfreiche Mitarbeit leisten.

Der deutsche CDU-Abgeordnete Eugen Gerstenmaier erklärte sich im Namen seiner Partei grundsätzlich mit den im Eden- Plan festgelegten Prinzipien über die Zusam­menarbeit der Schuman-Plan-Versammlung mit dem Europarat einverstanden. Er wandte sich dabei nachdrücklich gegen das von den Italienern am Vortag vorgebrachte Argument derKleineuropäer, der Europarat werde un­ter dem Eden-Plan die Arbeit der kemeuro- paischen Sonderorgane nur belasten.

Regierung und Presse

em. Die Villa Reitzenstein in Stuttgart ist der traditionell gewordene Empfangsort der Stuttgarter Regierungen seit nun 30 Jahren. Die drei Staatspräsidenten des Freistaates hän­gen als lebensgroße Ölgemälde in den unteren Räumen und die Bibliothek beherbergt nun neuerdings noch zwei Bilder: die des Mini­sterpräsidenten Reinhold Maier und des Land­tagspräsidenten Keil. Das aber heißt nicht, daß Reinhold Maier schon der Geschichte an­gehört, wenngleich er in einer entscheidungs­vollen Eöoche Württ embe rg s C l eschi chtg ge­macht hat. Er ist heute das Haupt politisch und geistig des ersten Kabinetts des Staates ohne Namen. Als er gestern großzügig die ge­samte Presse seines neuen Landes zu Gast hatte, wurde es auch den Zweiflern klar, hier stand ein Chef mit seinem Ministerkollegen, der weiß, was er will, und bereits mehr getan hat, als manche annehmen, daß er hätte tun dürfen. Seine Gastlichkeit war ebenso bezau­bernd wie verhüllend Er sagte den Presseleu­ten nicht zu viel und nicht zu wenig, aber er ließ deutlich merken: wie es sein wird, wenn die in sich völlig geschlossene Regierung erst einmal richtig anfängt zu regieren. Bis jetzt wurde erst der Boden bereitet, sind erst die Kräfte erprobt und gemessen worden.

Die neuen Regierungspräsidenten

Schullehrer usw. gehören. Dabei wächst die Überzeugung, daß die durch eine allgemeine Grundgehaltserhöhung hervorgerufenen Lük- ken im Haushalt nicht unüberwindbar wären, zumal der Bund seine gesamten Personalaus­gaben nur mit rund drei Prozent des Haus­haltes ausweist. Selbst wenn man zugibt, daß die Gemeinden durch generell angeordnete Gehaltserhöhungen härter betroffen würden, so steht doch fest, daß viele und gerade die größeren und industrialisierten Städte, die über die meisten Beamten verfügen, auf an­deren Gebieten üppig wirtschaften. Der de­mokratische Staat, der seine unmittelbaren Repräsentanten zu schlecht bezahlt, handelt nicht nur politisch unklug, er handelt auch imwirtschaftlich, denn schlechtere Arbeits­kräfte das ist auf lange Sicht die Folge einer schlechten Bezahlung verursachen höhere Kosten. So muß eines Tages doch vom System der Fiickwerk-Zulagen abgegangen und eine gründliche und wirklich soziale Neu­ordnung für die Beamtenschaft, deren Besol­dung noch immer auf den Sätzen von 1927 be­ruht, gefunden werden. Bis dahin aber, und das ist nun wirklich nicht zu viel verlangt, sollten wenigstens die unumgänglichen Flik- ken so rasch gesetzt werden, daß nicht eines Tages die Schäden am deutschen Beamtenkör­per als irreparabel angesprochen werden müs­sen.

Dr. Walser für Württemberg-Hohenz. Dr. Schoneck für Nordwürttemberg

STUTTGART. Der Ministerrat von Baden- Württemberg hat am Montag beschlossen, den bisherigen kommissarischen Leiter der Ge­bäudebrandversicherungsanstalt ln Stuttgart,

Ministerialrat Dr. Karl Walser, zum Regie­rungspräsidenten für Württemberg-Hohenzol- lern zn bestellen. Sein vorläufiger Amtssitz ist Tübingen. Zum Regierungspräsidenten für Nordwürttemberg ist der Leiter der Abteilung Kommunalaufsicht im Innenministerium, Mi­nisterialrat Dr. Wilhelm Schöneck, er­nannt worden, dessen vorläufiger Amtssitz Stuttgart ist. Dr. Schöneck gehört der SPD an.

Walser ist Jurist, ülr studierte in Tübingen und München. Von 1917 bis 1919 war eT Referent bei der deutschen Gesandtschaft in Bern. 1921 trat er in den württembergiseben Verwaltungsdienst über. Von 1931 bis 1934 war er Landrat in Ehin­gen (Donau) und anschließend 17 Jahre mit der Wahrnehmung der Rechts- und Verwaltungs­aufgaben des Straßen- und Wasserbauamfs des neuerrichteten Landesamts in Ludwigsburg be­traut, 1951 wurde Dr. Walser als Hauptbericht­erstatter in die Verkehrsabteilung des Innenmi­nisteriums berufen, und seit 1. Juni 1952 ist er noch kommissarischer Leiter der württembergi- sehen Gebäudebrandversicherungsanstalt.

Der Ministerrat beschloß weiter, die von den Abwicklungsstellen der Kultusministerien der drei ehemaligen südwestdeutschen Länder auf dem Gebiet des Volksschulwesens bis­her ausgeübten Befugnisse den Regierungs­präsidien zu übertragen. Dem Kultusministe-

Fortsetzung auf Seite

br. Schon auf demTag des deutschen Be­rufsbeamtentums am 3. Mai dieses Jahres in Bonn kündigte der Bundesfinanzminister die sogenanntekleine Besoldungsreform an. Aber fast ist der September noch darüber hin­gegangen, bis der entsprechende Gesetzent­wurf dem Bundesrat wenigstens vorlag. Und weiter: Während man allgemein notfalls rückwirkend als Termin für''das Inkraft­treten der Aufbesserungen den 1. April 1952 erwartete, spricht der Entwurf Jetzt vom 1. Januar 1953. Auch über den Umfang dieser kleinen Reform macht sich eine gewisse Enttäuschung bemerkbar. Soll doch die Ver­besserung wesentlich unter sozialen Gesichts­punkten erfolgen Erhöhung des Kinderzu­schlages, Erhöhung des Wohnungsgeldzuschus­ses für kinderreiche Beamtenfamilien, ver­besserte Anrechnung von Vordienstzeiten und bezieht sich im übrigen nur auf einige bestimmte Gruppen, wie die bekannte Besol­dungsgruppe A 4 a 2, zu der die Berufsschul- 2 lehrer, Hauptlehrer, Hilfsschullehrer, Mittel-

Politische Abtrennung unannehmbar

FPD-Beschluß zur Saarfrage / Noch keine Vorschläge AdenaueA an Sehuman

Drahtbericht unserer Bonner Redaktion

Regierungspräsident Dr. Walser

Regierungspräsident Dr. Walser, der am Frei­tag zu einem ersten informatorischen Besuch nach Tübingen kommen wird, verfügt über eine Teiche Erfahrung auf dem Gebiet der Verwal­tung. Er entstammt einer katholischen Familie und gehört keiner politischen Partei an. Am 22. Juni 1892 wurde er in Stuttgart geboren. Dr.

BONN. Nach einer gemeinsamen Sitzung ihres Bundesvorstandes und ihres außenpoli­tischen Ausschusses stellte die FDP in einem Beschluß fest, daß sienach wie vor eine po­litische Abtrennung des Saargebiets und sei­ner deutschen Bevölkerung von Deutschland als unannehmbar mit den Grundsätzen des Völkerrechts und der Politik der europäischen Einigung ablehnt".

In einer ergänzenden Stellungnahme der Partei-Korrespondenz heißt es:Es kann gar keinem Zweifel unterliegen, daß ein europäi­sches Saarstatut als Endlösung nicht annehm­bar ist.

In einem weiteren Beschluß des FDP-Vor- standes wurde die Forderung auf Bereinigung desProblems der Kriegsverurteilten er­neuert. Die FDP erwarte, daß noch vor Zu­sammentreten der deutsch-alliierten Kommis­sion die einzelnen Gewahrsamsmächte Freilas­sungen im weitesten Umfange vornehmen.

Nach Meldungen über einen Brief Aden­auers an Sehuman erfahren wir, daß es sich bei diesem Schreiben lediglich um eine Zwischennachricht gehandelt hat, die eine

endgültige Stellungnahme der Bundesregie­rung zur Frage eines europäischen Saarsta­tuts für die kommende Woche ankündigen soll. In politischen Kreisen Bonns wird da­mit gerechnet, daß der Bundeskanzler nach seiner für Ende dieser Woche vorgesehenen neuen Zusammenkunft mit den Vorsitzenden der deutschen Saarparteien Außenminister Sehuman die Auffasung der Bundesregierung über die Möglichkeit einer Europäisierung mitteilen wird.

Grandval stellt Bedingungen

SAARBRÜCKEN. Gilbert Grandval, fran­zösischer Botschafter im Saarland, erklärte ge­stern vor Ausländskorrespondenten, es sei kaum zu erwarten, daß das französische Par­lament den Generalvertrag und den EVG-Ver- trag vor der Lösung der Saarfrage ratifizieren werde. Aus diesem Grunde müßte die ange­strebte Lösung der Saarfrage sobald wie mög­lich erreicht werden. Grandval erklärte wei­ter:Frankreich vertrtitt ohne Hintergedan­ken die Auffassung, daß die Saar den Saar­ländern gehört.

Eisenhower ist schu d 4

US-Präsident stellt den General bloß

HAVRE (Montana). Präsident T r u m a n hat gestern den republikanischen Präsidentschafts­kandidaten General Eisenhower als schlech­ten Ratgeber im Jahre 1945 schonungslos bloß­gestellt. Er machte Eisenhower als damaligen Oberkommandierenden in Europa fürschwe­re Fehler in der Einschätzung der Sowjets verantwortlich. Durch sein mangelndes Urteil hat Eisenhower dem Präsidenten zufolge den Vereinigten Staatensehr erheblichen Schaden zugefügt.

Präsident Truman zitierte in einer Ansprache an dem Haltepunkt seines Wahlsonderzuges in Havre (Montana) eine Aussage, die General Eisenhower noch im November 1945 vor dem Kongreßausschuß getan hat:Durch nichts wird die Politik der Russen heute stärker be­stimmt als durch den Wunsch, mit den Ver­einigten Staaten Freundschaft zu halten. Die Weitsicht Eisenhowers sei nicht halb so ausge­prägt gewesen, wie seine Einsicht spät kam, bemerkte der Präsident, der gegenwärtig eine Wahlreise durch 15 Staaten der Union macht. Die Art des Angriffs ist um so bemerkenswer­ter, als sich Truman damit indirekt selbst auch kritisiert.

Schon bei seiner Durchfahrt durch Nord­dakota hatte Präsident Truman empfohlen, Eisenhowerin die Armee zurückzuschicken, wo er hingehört. Der Präsident, der auf sei­ner Wahlreise einen nur dem Jahre 1948 ver­gleichbaren Popularitätserfolg erzielt, hat sich offenbar als Hauptthema vorgenommen, Eisen­hower seines Nimbus zu entkleiden und ihn als Strohmann seinerhöchst verdächtig Wahlmanager hinzustellen.

Metallarbeiter machen An tan 2

LUXEMBURG. Die Metallarbeiter- und Bergbaugewerkschaften der sechs Mitglied­staaten der Montanunion wollen in Zukunft in allen gemeinsamen Fragen der Gewerk­schaftspolitik eng Zusammenarbeiten und der Hohen Behörde der Montanunion als ein ge­schlossener Block gegenübertreten. Eine erste, Arbeitskonferenz von Gewerkschaftsfunktio­nären der sechs Länder hat bereits gestern in Luxemburg stattgefunden.

Die Gewerkschaftskonferenz erörterte auch die ersten Aufgaben, die den Gewerkschaften im Beratenden Ausschuß der Hohen Behörde erwachsen werden.