Die republikanische Außenpolitik
H. F. Falls die Republikaner die Novemberwahlen gewinnen, käme es zu grundlegenden Veränderungen in der politischen Linie der Vereinigten Staaten.
Wäre eine Rückkehr zu einem reinen oder gemäßigten Isolationismus möglich? Wie gedenkt eine republikanische Regierung die Führerrolle der Vereinigten Staaten in der westlichen Welt zu spielen? Auf diese Fragen erteilt das von John Foster Dulles ausgearbeitete Programm wertvolle Aufschlüsse.
Die Gedanken Dulles’ decken sich zum Teil mit den Vorstellungen des ehemaligen Präsidenten Hoover, der kürzlich programmatisch schrieb: „Es gibt nur eine Möglichkeit, die Initiative im Kalten Krieg beizubehalten: die amerikanischen Anstrengungen auf die Bildung einer wendigen, schlagkräftigen Armee, Luftwaffe und Marine zu konzentrieren und die Kräfte nicht an einer 25 000 Meilen langen kommunistischen Front zu verzetteln.“
Es handelt sich hier um das Prinzip der „Peripheren Verteidigung“, das vom rein Isolationistischen Flügel der Republikaner ausgearbeitet, von John Foster Dulles aber auf dynamische Art umgestaltet wurde. Dulles gibt sich aber nicht mit einer „Repres- salien-Armee“ zufrieden, sondern drängt auf den schnellen Ausbau der europäischen Streitkräfte und auf die „Auslösung einer politischen Offensive zur Befreiung der versklavten Völker.“
Die „Politik der Kühnheit“, wie sie Dulles selber nennt, beschränkt sich demnach nicht auf den Ausbau einer „Position der Stärke“, von der aus mit den Kommunisten verhandelt werden kann, sondern drängt auf eine Bekämpfung der Sowjetunion und ihrer Satelliten mit allen Mitteln, mit Ausnahme von
Adenauer verkündet Berlinhilfe
Wünsche des Senats berücksichtigt
BONN. Bundeskanzler A d e n a u er wird übermorgen in Berlin das neue Hilfs-Programm der Bundesregierung für die drei Berliner Westsektoren verkünden. In diesem Hilfsprogramm entspricht die Bundesregierung im wesentlichen den vom Berliner Senat aufgestellten Forderungen nach einer verstärkten Wirtschaftshilfe des Bundes und des freien Handels Westdeutschlands.
Dies wurde am Samstag nach einer vertraulichen Sitzung des Berlin-Ausschusses des Bundestages bekannt, an der Bürgermeister Ernst Reuter, der Bundesbeauftragte in Berlin, Dr. V o c k e 1, der Berliner Senator Klein und führende Abgeordnete aller Parteien teilnahmen.
20 000 Menschen im Jahr
Abkommen über Auswanderung
BONN. Bundesinnenminister Lehr und Staatssekretär Hallstein Unterzeichneten in Bonn ein Abkommen über den Beitritt der Bundesrepublik zum zwischenstaatlichen Komitee für -Auswanderung aus Europa. Durch ihren Beitritt verpflichtet sich die Bundesregierung, finanziell zur Unterstützung einer bestimmten jährlichen Quote von Auswanderern aus Deutschland nach Übersee beizu- tragen.
Das Abkommen bestimmt, daß die Bundesregierung für jeden Auswanderer, der mit finanzieller Unterstützung des Komitees Deutschland verläßt, einen Betrag von 60 Dollar (252 DM) — rund 30 Prozent der reinen Transportkosten — zur Verfügung stellt. Die Höchstzahl der„subventioniertenAuswanderer“ beläuft sich nach dem Abkommen auf 15 000 Deutsche und 5000 heimatlose Ausländer im Jahr. Wegen der Schwierigkeiten, die die Eingliederung der heimatlosen Ausländer in das deutsche Wirtschaftsleben bereitet, soll ihre Auswanderung besonders gefördert werden.
Krieg. Dem kommunistischen Dynamismus stellt Dulles einen amerikanischen Dynamismus entgegen und weicht damit deutlich vom isolationistischen Standpunkt ab.
Sobald einmal eine starke „Repressalien- Armee“ aufgestellt sein wird — und Dulles anerkennt die demokratischen Anstrengungen zur Herbeiführung einer atlantischen Gemeinschaft — dann müssen Präsident und Kongreß der Vereinigten Staaten laut und deutlich erklären, daß eineä ihrer außenpolitischen „Friedensziele“ darin bestehe, die Rückkehr der unterjochten, europäischen und asiatischen Völker in den Kreis der unabhängigen und freien Nationen vorzubereiten, und „daß Amerika an keiner Regelung teilnehmen wird, welche den russischen Despptismus und die russische Herrschaft über fremde Völker anerkennt“.
Wie soll eine solche dynamische Friedenspolitik durchgeführt werden? Dulles denkt in erster Linie daran, „politische Interventionstruppen" aufzustellen, die ein Freiheitspro
gramm für jede einzelne der „gefangenen Nationen“ ausarbeiten müßten. Weiterhin soll die Flucht aus den Ländern des Eisernen Vorhangs gefördert werden. Die diplomatischen Beziehungen zu den „Quislingregierungen“ sollen abgebrochen werden, wo immer dies tunlich erscheine.
Es handelt sich beim außenpolitischen Programm Dulles somit um eine offensive Friedensplanung, die die Befreiung der unterdrückten Völker vorsieht und im schlimmsten Fall, d. h. wenn Moskau sich den amerikanischen Dynamismus nicht gefallen lassen und sich mit Waffengewalt gegen die politische Einmischung wehren sollte, ihre Ziele mit der eingangs erwähnten mobilen und auf Amerika konzentrierten Armee weiterverfolgen würde.
Wie sich eine republikanische Außenpolitik im einzelnen auf die westeuropäischen Länder auswirken, d. h. ob die Finanz- und Waffenhilfe im jetzigen Ausmaß weitergeleistet würde, kann man noch nicht sagen. Sicher ist nur, daß es, wenn die Republikaner ans Ruder kommen, an „Feuerwerk“ nicht fehlen wird und dafür gesorgt ist, daß die Welt nicht ein- schläft.
DIE MEINUNG DER ANDERN
Viel Lorbeer für Eisenhower
Die ganze amerikanische Presse beschäftigt sich mit der Nominierung General Eisenhowers zum Präsidentschaftskandidaten der Republikanischen Partei. Die Berichte und Kommentare sind durchweg sehr wohlwollend. Die Chancen der Republikanischen Partei mit Eisenhower als Kandidaten werden
' positiv beurteilt. Die „New York Times “ schreibt:
, „Eisenhowers Sieg bedeutet, daß die republikanische Partei eine ausgezeichnete Chance hat, auch die Wahlen im November zu gewinnen. Er bedeutet ferner, daß demokratische Nationen vertrauensvoll mit einem treuen, tatkräftigen Freund in Washington rechnen können. Er bedeutet, daß unsere Regierung zu Haus und im Ausland die Achtung genießen wird, auf die sie einen Anspruch hat.“
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In der „N ew York H er ald Tribüne * wird festgestellt:
„Selten hat sich den Republikanern eine so günstige Gelegenheit geboten. Durch seinen Charakter, seine Weitsicht, seine Zielstrebigkeit und administrative Erfahrung ist General Eisenhower wie nur wenige in der ganzen Geschichte des politischen Lebens Amerikas für die Aufgaben der Präsidentschaft geeignet.“
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Beinahe noch weiter geht der „Philadelphia Inquirer“:
„General Eisenhowers Nominierung gibt einer Partei, deren Organisation unter der Bürde des Einflusses bejahrter Politiker verrostet ist, eine dynamische neue Führerschaft. Er ist, was die Partei zur Wiederbelebung ihrer Führung braucht, er ist genau das, was Amerika braucht.“
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In Berlin schreibt der „T eie g r a f“, dessen Lizenzträger der SPD angehören, unter Hinweis darauf, daß der General als überzeugter Gegner des Isolationismus gilt:
„In Europa wird der Sieg Eisenhowers mit Erleichterung begrüßt... Es wird interessant sein, die Reaktion der Sowjetunion auf seinen Sieg zu beobachten ... Die Tatsache, daß Eisenhower Europa, seine führenden Persönlichkeiten und seine Schwierigkeiten kennengelernt hat, wird die von ihm zu fällenden Entscheidungen mitbestimmen, ein Vorzug gegenüber allen seinen Vorgängern.“
„Berliner Tage“
Im Rahmen der Ruhrfestspiele des DGB
RECKLINGHAUSEN. In einer Feierstunde wurden gestern in Recklinghausen „Die Berliner Tage“ im Rahmen der Ruhrfestspiele des DGB eröffnet. Erstmalig seit Bestehen der Ruhrfestspiele wird hiermit die besondere Stellung der Vier-Sektoren-Stadt gewürdigt Der Vorsitzende des DGB, Christian Fette, unterstrich, daß Berlin zum Symbol des Widerstandes für die freiheitliche Welt geworden sei. Er rief „Wir werden Berlin nie verlieren, es sei, wir verlören uns selbst“.
Bundesminister Jakob Kaiser führte aus, es sei heute eine unbedingte Notwendigkeit zu einer Verständigung über den sozialen Weg Westdeutschlands zu kommen. Er sei der Meinung, daß das Betriebsverfassungsgesetz nicht ausgerechnet in den letzten Tagen vor den Parlamentsferien verabschiedet werden müsse. Besonderen Beifall erhielt der regierende Bürgermeister von Berlin, Prof. Reuter, auf seinen Appell hin, die Stadt Berlin in ihrem schweren Kampf zu unterstützen.
Arbeitsgemeinschaft der CDU-Sozialausschflss» in Baden-Württemberg. Freudenstadt. — Vertreter der Sozialausschüsse der CDU in den früheren Ländern Württemberg-Baden, Südbaden und Württemberg-Hohenzollem haben am Samstag in Freudenstadt die Gründung einer Arbeitsgemeinschaft beschlossen, die die gemeinsamen sozialpolitischen Interessen im neuen Bundesland Baden-Württemberg wahrnehmen soll. Sitz der Arbeitsgemeinschaft ist Stuttgart. Zu ihrem ersten Vorsitzenden wurde Gewerkschaftssekretär Willy Lulay, Karlsruhe, gewählt.
SED-Beschluß zur Aufrüstung
„Verschärfung des Klassenkampfes unvermeidlich“ / Parteifunktionäre: „Hurra“
BERLIN. Zum Abschluß ihrer viertägigen Sitzung befürwortete die SED-Parteikonfe- renz in Ostberlin am Samstag in einem Beschluß den unverzüglichen Aufbau nationaler Streitkräfte zu Lande, zu Wasser und in der Luft. Der Beschluß soll der Sowjetzonenregierung, an deren Spitze der SED-Vorsitzende Grotewohl und der SED-Generalsekretär Ulbricht stehen, zugeleitet werden.
Der Beschluß der SED-Parteikonferenz legt ausdrücklich den „volksdemokratischen Charakter“ der Sowjetzone fest. Es gelte, die volksdemokratischen Grundlagen der Staatsmacht ständig zu festigen. Eine Verschärfung des Klassenkampfes sei nunmehr unvermeidlich. Die SED-Konferenz fordert ferner ein neues „sozialistisches Recht“.
Kleine Weltchronik
Baumgartner fordert Restauration der Wittelsbacher. Erding (Oberbayern). — Die Rückkehr des Königshauses der Wittelsbacher an die Spitze des bayerischen Staates forderte am Sonntag der Landesvorsitzende der Bayempartei, Dr. Josef Baumgartner, auf einem bayerischen Heimattag in Oberneuching im Landkreis Erding.
Bisher starke Mehrheit für Dr. Neinhaus. Heidelberg. — Bei der Wahl des Heidelberger Oberbürgermeisters konnte nach dem bisher vorliegenden Zwischenergebnis der CDU-Kandidat Dr. Karl Neinhaus die absolute Mehrheit erringen. In 60 von insgesamt 84 Wahlbezirken stimmten 16 913 Wähler für Dr. Neinhaus. 9236 wählten den DVP-Kandidaten Josef Harnisch, und 6073 Stimmen wurden für Bürgermeister Josef Amann (SPD) abgegeben.
Gegen Schwarzarbeit. Bonn. — Der Bundestagsausschuß für Arbeit hat dem Plenum einen Plan unterbreitet, nach dem die Bundesregierung ersucht werden soll', einen Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Schwarzarbeit vorzulegen. In diesem soll untersagt werden, Aufträge an Schwarzarbeiter zu vergeben. Der Antrag geht auf die CDU/CSU-Fraktion zurück.
Zentrale Finanzverwaltung. Bonn. — Der Bundestagsausschuß für Finanz- und Steuerfragen hat einen FDP-Antrag gebilligt, der eine zentrale Finanzverwaltung vorsieht. Der Antrag erfordert eine Änderung des Grundgesetzes und bedarf im Bundesrat und Bundestag je einer Zweidrittel-Mehrheit.
Badebetrieb auf Helgoland. Cuxhaven. — Mehr als sieben Jähre nach dem Kriege begann am Samstag auf der Düne von Helgoland wieder sommerlicher Badebetrieb. Die ersten Gäste wurden in einem Zeltrestaurant und mehreren Verkaufsständen mit zollfreien Zigaretten und unversteuertem Alkohol überrascht.
Einigung über Schwimmdocks. Hamburg. — Die deutsch-englischen Gespräche über die Frei
Der Beschluß über den Aufbau bewaffneter Streitkräfte, die „mit modernster Technik“ ausgestattet sein sollen, wird mit der „Sicherung des Friedens und des sozialistischen Aufbaus“ in der Sowjetzone gegenüber westlichen Aggressionen begründet. Als Grotewohl die einstimmige Annahme bekanntgab, erhoben sich die Funktionäre von den Plätzen und brachen in laute Hurra-Rufe aus.
Vorher hatte der westdeutsche KPD-Vor- sitzende Max R e i m a n n die Gültigkeit der Beschlüsse der Parteikonferenz auch für die KPD im Bundesgebiet anerkannt und heftig Selbstkritik an seiner Partei geübt. Reimann schloß mit einem Hochruf auf „den besten Freund des deutschen Volkes, Genossen Stalin“.
gäbe von 16 deutschen Schwimmdocks durch die englischen Dienststellen sind erfolgreich abgeschlossen worden. Das Auswärtige Amt gab am Wochenende bekannt, daß mit der Übernahme der Docks durch die Bundesregierung in Kürze zu rechnen sei.
Erzbischof Jäger über den Streik. Werl. — Der Erzbischof von Paderborn, Dr. Lorenz Jäger, hat gestern anläßlich des 75. Todestages des katholischen Sozialreformers Wilhelm Freiherr Ema- nuel von Ketteier vor über 15 000 katholischen Männern in Werl erklärt, der Streik dürfe niemals ein politisches Kampfmittel sein.
Katholikentag in Berlin. Berlin. — Die Zahl der Anmeldungen zum 75. deutschen Katholikentag, der vom 19. bis 25. August in ganz Berlin stattfindet, hat bereits die Zahl 130 000 überschritten.
Kusnetzow ausgewiesen. London. — Das britische Außenministerium hat den sowjetischen Geschäftsträger in London ersucht, den in die Spionageaffäre Marshall verwickelten zweiten Botschaftssekretär Pawel Kusnetzow innerhalb von einer Woche aus Großbritannien auszuweisen. Der 24jährige ehemalige Funker im britischen Außenministerium, Marshall, war zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt worden, well er Kusnetzow wichtige Geheimformationen übergeben hatte. *
Österreichische Donauschiffahrt. Wien. — Zum erstenmal nach sieben Jahren lichteten am Samstag die beiden Fahrgastschiffe der österreichischen Donaudampfschiffahrtsgesellschaft, „Stadt Wien“ und .Johann Strauß“, in Linz die Anker zur Fahrt nach Wien. Damit wurde der Donauschiffsverkehr, der sich bisher auf das Stück zwischen Linz und Regensburg beschränken mußte auch auf dem Stromabschnitt wieder aufgenommen, der durch die sowjetische Besatzungszone führt.
VON ANITA HUNTER.
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durch Verlag v. Graberg & Görg, Wiesbaden
(33. Fortsetzung)
„Ajo, Tuwan Doktor — ich bin besorgt um meinen Gatten, den Fürsten Ataga Kanshu.“ Sie betonte das Wort Gatte stark.es schien Dr. Carew etwas ironisch.
Er fragte nicht, woher die Fürstin wußte, daß ihr Gatte hier war — er wußte selbst, wie unheimlich schnell die „Post“ der Eingeborenen funktionierte. Selbst in dieser Nacht der Schrecken mußte jemand die Fürstin benachrichtigt haben, daß der Fürst hier mit ■ einer fremden Frau zusammen war.
Herbert Garew überlegte fieberhaft, wie er May aus dieser Situation retten konnte, — aber er wußte es wirklich nicht. Er versuchte es, die Fürstin zur Umkehr zu bewegen.
„Ich glaube, Sie irren sich, Hoheit — der Fürst ist nicht hier. Auch ich war um Ihren Gatten beunruhigt, deshalb ließ ich mich hierher bringen — aber der Fürst scheint nicht hier zu sein. Alles ist ruhig.“
„Der Fürst ist hjer“, sagte die Fürstin, ohne sich beirren zu lassen. Dann rief sie mit lauter Stimme:
„Padjok!“
Wie ein Schatten tauchte die Njai auf. Stumm deutete die Fürstin auf die Tür. Die Njai lief, wie gehetzt, und öffnete weit die Flügeltüren.
„Kommen Sie, Tuwan Doktor“, sagte die Fürstin, und ihre Stimme klang triumphierend.
Die Njai flüsterte etwas in einer fremden Sprache, die Herbert Carew nicht verstehen konnte. Wahrscheinlich war es ein Dialekt aus Sumatra, dem Heimatland der Fürstin.
„Die Njai sagt, daß der Fürst im blauen Zimmer sei — er hat Besuch!“
Wie ein Peitschenhieb trafen diese Worte.
„Hoheit — wäre es nicht besser — —* Carew schwieg, er sah ein, daß es aussichtslos war, eine eifersüchtige Frau zurückzuhalten. Aber er wollte May gegen jeden Angriff schützen. Ganz gegen alle Etikette und guten Sitten ging er hastig an der Fürstin vorbei.
„Wo ist das blaue Zimmer?“ fragte er die Njai.
„Dort, Tuwan Besar.“
Der zitternde Finger der Malaiin deutete auf eine Tür. Herbert Carew klopfte kurz und stark.
„Ich bin es, Carew — Hoheit, ich bin beunruhigt —“
Er bekam keine Antwort. Entschlossen machte er die Tür zum Zimmer auf.
Im ersten Moment konnte er nichts erkennen, denn es herrschte ein Halbdunkel hier, an das sich das Auge erst gewöhnen mußte.
■ Doch dann stieß er einen unterdrückten Ruf aus. Mitten im Zimmer, auf dem weißen Teppich, lag der Fürst Ataga Kanshu, gekleidet in eine seltsame Tracht. Er lag ganz still, als schliefe er. Sein Kopf ruhte auf der Schwelle der Tür, die zum Badezimmer führte.
„Hoheit!“
Mit wenigen Schritten war Dr. Carew bei der regungslosen Gestalt. Er berührte die Schulter des Fürsten — plötzlich fuhr er zurück.
Fürst Ataga Kanshu war tot — er war ermordet worden. Zwischen den Schulterblättern ragte der Schaft eines Messers hervor. Es war ein europäisches Messer aus dem feinsten schwedischen Stahl. —
Herbert Carew fühlte, wie ihm die Schweißtropfen auf die Stirn traten. Etwas Furchtbares war hier geschehen! Der Fürst war ermordet worden — Fürst Ataga Kanshu war tot! Und zwischen den Schulterblättern steckte ein Messer, ein Messer, das Herbert Carew kannte. Erst gestern Nachmittag hatte er es gesehen, er hatte es selbst in der Hand gehabt — May hatte es ihm gereicht! Sie hatte es aus ihrer Handtasche genommen, um einen Lianen
strang zu durchschneiden, als sie in seinem Wagen nach Soerabaja gefahren waren.
„Das einzige Erbteil meines Vaters, ich trage dieses Messer immer bei mir — lächerlich, nicht wahr? Was soll eine Frau mit solch einem scharfen, geschliffenen Stahl? Aber manchmal, Doktor, hat man doch Verwendung für so etwas! Und dann mache ich ja auch gleichzeitig Propaganda für unsere feinen schwedischen Stahlwaren. Sehen Sie nur die Klinge, prachtvoll, nicht wahr?“
Und nun ragte der Schaft dieses Messers zwischen den Schultern des Toten heraus.
Herbert Carew merkte, wie seine Hände zitterten. Er beugte sich über den Fürsten, er streckte die Hand nach dem Messer aus. .
Wie eine eiserne Klammer legte sich in diesem Augenblick eine schmale, braune Hand um sein Handgelenk:
„Nichts berühren — wir dürfen nichts anfassen!“
Die Fürstin kniete neben ihm, ihre dunklen Augen hatten einen dämonischen Glanz. Seltsam, welch eine Kraft in den schmalen Händen steckte.
„Nichts berühren, Tuwan Doktor — die Behörden müssen kommen, sie müssen es sehen, die holländischen Mynheers von der Polizei.“
Die Fürstin sprach ganz ruhig, unbeweglich, starr wie eine Maske — und doch spürte Herbert Carew ihre ungeheure Erregung.
„Er ist tot — mein Gatte ist tot! Die weiße Mim mit dem Silberhaar hat ihn ermordet!“
„Nein“, sagte Herbert Carew, „nein, nein-“
Aber die Fürstin lächelte — sie konnte in diesem Augenblick lächeln, es war wie ein Alpdruck.
„Padjok!“ Die Fürstin klatschte in die Hände. Jetzt stand sie hochaufgerichtet, schmal und zart — aber Fürstin!
Die Njai erschien. Sie warf einen Blick auf den Toten, sie stieß einen wimmernden Schrei aus. Mit einer Handbewegung wies die Fürstin sie zur Ruhe.
„Padjok — was ist hier geschehen?“
Die Njai sprach in hastigen Sätzen. Sie gestikulierte, die fremden Laute rauschten an
Herbert Carews Ohr vorüber, er konnte ihren Sinn nicht fassen.
Und wieder erschien dieses, dämonische Lächeln auf dem Gesicht der Fürstin.
„Ajo, ajo, Padjok!“
Die Fürstin wandte sich an Herbert Carew, Triumph war in ihrer Stimme als sie sagte:
„Padjok hat gesehen, wie die weiße Mim den Fürsten tötete. Es ist ihr Messer — man kann es sehen! Und hier —“ die Fürstin deutete auf einen Fetzen Stoff, den die steifen Finger des Toten umklammert hielten, „hier ist ein Stück aus dem Sarong der Mim, als der Fürst sich an sie klammerte, ehe er stürzte."
Ja, in den Händen des Toten schimmerte ein Stück Silberstoff.
„Wo ist die Mim?“
Eiskalt klang- Herbert Carews Stimme. Er hatte sich wieder gefaßt. Nun mußte er helfen, May war in Gefahr. Und wenn er gegen cH» ganze Welt kämpfen müßte — nun hatte er eine Aufgabe! Wenn May den Fürsten getötet hatte, dann war es aus Notwehr geschehen — das stand für ihn fest. Er würde es beweisen, und wenn alle Gerichte der Welt sich gegen May aussprechen würden.
„Wo ist die Mim, Njai?“
Drohend trat er vor die Malaiin hin. Diese duckte sich, er war ja der Herr, er war ein Tuwan Besar.
„Die Mim ist fort, sie ist geflohen, der Boy sah sie im Wagen des Fürsten fortfahren.“
„Welcher Boy? Hole sofort diesen Boyt“
Wie eine Schlange glitt die Fürstin auf die Njai zu. Sie packte die Hand der Malaiin und schüttelte sie, irgend etwas schien hier nicht zu stimmen. Warum war die Fürstin auf einmal so böse?
„Wo ist der Boy?“
Fürstin Abraja schüttelte den Kopf.
„Hier ist niemand anderes gewesen als dl» Njai. Kein Boy, nur die Njai. Kein Boy," sagte sie.
Heftig wandte sie sich zur Njai um:
„Ist hier ein Boy gewesen, Padjok?“
Etwas Drohendes lauerte in ihrer Stimm». Die Njai schüttelte den Kopf: .Nein, nein, nein — kein Boy.“ (Forts, folg©