Die europäische Verteidigungsgemeinsdiaft
Übersicht über die heute in Paris zu unterzeichnenden Verträge
PARIS. Der Vertrag Aber die Europäische Verteidigungsgemeinsdiaft wird beute nachmittag von den Außenministern der sechs beteiligten Länder in Paris feierlich unterzeichnet werden.
Das Vertragswerk umfaßt 131 Artikel. In vier Abschnitten werden die grundsätzlichen Bestimmungen über die Verteidigungsgemeinschaft und die europäischen Verteidigungskräfte, ferner die Organe der Gemeinschaft (das Verteidigungskommissariat, die Versammlung, der Rat und der Gerichtshof), Uie militärischen Bestimmungen über Organisation und Verwaltung der Streitkräfte, die finanziellen, wirtschaftlichen und allgemeinen Bestimmungen niedergelegt.
Dem Vertrag sind elf Protokolle angefügt: u. a. das militärische und das Finanzprotokoll, das Protokoll betreffend die Verbindungen zwischen EVG und NATO, über die Vereinheitlichung der Militärdienstzeit, das Zusatzprotokoll über Beistandsverpflichtungen der EVG gegenüber der NATO, das Protokoll über Besoldung und über das Statut der europäischen Streitkräfte.
Vertrag und Protokolle bedürfen der Ratifizierung durch alle Parlamente; sie erfolgt nach den verfassungsmäßigen Bestimmungen jedes Mitgliedsstaates. Der Vertrag tritt am Tage der Hinterlegung der Ratifikationsurkunde des Unterzeichnerstaates in Kraft, der als letzter hinterlegt.
Die europäische Verteidigungsgemeinschaft wird die Bundesrepublik, die Beneluxstaaten, Frankreich und Italien gegen jede Aggression zusammenschließen. Großbritannien und die NATO-Staaten sind durch gegenseitige Bei- «tandsabkonunen mit ihr verbunden. Ziel der Gemeinschaft ist die Verteidigung und die Erhaltung des Friedens. Der Vertrag wird 50 Jahre laufen und sieht die Gleichberechtigung aller Mitgliedstaaten vor. Sämtliche Grundsätze sollen für alle Teilnehmer gelten. Jedem europäischen Land steht der Beitritt frei.
Für die Streitkräfte der EVG sollen einheitliche Bewaffnung und Ausrüstung beschafft werden, ferner sollen diese einheitliche aktive Dienstzeit und möglichst einheitliche Besoldung erhalten. Es gilt das Prinzip der allgemeinen Wehrpflicht, die mindestens 18 Monate dauern soll. Die finanziellen Lasten der Gemeinschaft sollen so verteilt werden, daß die wirtschaftlichen und sozialen Möglichkeiten jedes Landes berücksichtigt werden. Mindestens 85 Prozent des Beitrags müssen im eigenen Land ausgegeben werden.
Die deutschen Kontingente
Das deutsche Kontingent der EVG soll 253 000 Mann umfassen. Dazu kommen die Führungsstäbe, Unterstützungstruppenteile, Versorgungsabteilungen und Einrichtungen, Schulen und Ausbildungsabteilungen. Das Kontingent besteht zu Lande aus 12 Kampfverbänden von je 13 000 Mann, die bis Ende 1954 aufgestellt sein sollen, 85 000 Mann Luftwaffeneinheiten bei 1350 Flugzeugen und 1200 Mann Seestreitkräfte mit schwimmenden Einheiten bis vorerst 1500 Tonnen Größe. Die Truppen werden von einem deutschen General, der dem zentralen Generalstab untersteht, mit Hilfe einer (aus den Teilnehmerstaaten zusammengeschlossenen) Führungsabteilung aufgestellt. In Frankreich hat dieser General französische Staatsangehörigkeit, in Belgien belgische usf.
Die Rüstungsproduktion wird zentral geleitet. Die alliierten Beschränkungen und Kontrollen auf dem Gebiet von Industrie und militärischer Forschung für dj e Bundesrepublik entfallen damit.
Gegenseitige Hilfe bei Angriff
Der EVG-Vertrag wird im einzelnen bestimmen, daß jede bewaffnete Aggression gegen einen der Mitgliedstaaten in Europa oder gegen die europäischen Streitkräfte als ein gegen alle Mitgliedstaaten gerichteter Angriff angesehen wird. Die EVG-Staaten und die europäischen Streitkräfte werden dem angegriffenen Staat unter Einsatz aller in ihrer Macht stehenden Mittel Hilfe und Beistand leisten. Jedem Aggressor wird die gesammelte Kraft der EVG entgegentreten.
Notstand und Notfall
Bei Unruhen oder drohenden Unruhen in einem der Mitgliedstaaten in Europa werden dem Staat die von ihm beigesteuerten EVG-Kontingente auf Antrag zur Verfügung gestellt. Bei Katastrophen öder Notständen, die eine sofortige Hilfe bedingen, müssen auch andere EVG-Einheiten ihre Mithilfe verfügbar machen. Die Pläne für die Mobilmachung der EVG-Streitkräfte und die wirtschaftlichen Hilfsquellen werdqn vom EVG- Kommissariat in Beratungen mit den einzelnen Regierungen vorbereitet. Die Entscheidung der Mobilmachung ist Angelegenheit des Mitgliedsstaates.
Im Kriege soll der NATO-Oberbefehlshaber auch Oberbefehlshaber der EVG-Streitkräfte sein. Der NATO-Oberbefehlshaber kann Organisation, Ausbildung, Ausrüstung und Einsatzbereitschaft der EVG-Streitkräfte auch im Frieden prüfen. Zwischen den Räten der EVG und der NATO finden gemeinsame Beratungen statt. Sie müssen auf Ersuchen eines Teilnehmerstaates stattfln- den, wenn er der Ansicht ist, daß seine territoriale Integrität, politische Unabhängigkeit oder Sicherheit bedroht ist.
Immunitäten und Privilegien
Die EVG besitzt die Immunitäten und Privilegien, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben braucht. Ihre Organe sind europäische Institutionen und die Ansätze für eventuelle spätere europäische Einrichtungen. Der Ministerrat ist das wesentlichste Legislativorgan. Er besteht aus je einem Vertreter der Mitgliedstaaten. Während der Aufstellungszeit haben Deutschland, Frankreich und Italien im Rat Je drei Stimmen, Belgien und die Niederlande je zwei, Luxemburg eine. In gewissen Fällen haben die Stimmen ein verschiedenes Gewicht, das sich nach Finanzbeitrag und eingebrachten Truppen berechnet. Die Versammlung der EVG ist identisch mit der Versammlung der europäischen Montanunion (Schumanplan). Das Kommissariat ist die Exekutivbehörde der EVG.
Dem Kommissariat dürfen nur Staatsangehörige der Mitgliedstaaten angehören. Sie dürfen weder Weisungen einer Regierung einholen noch entgegennehmen. Der überstaatliche Charakter des Kommissariats muß von allen Mitgliedstaaten beachtet werden. Beschlüsse werden mit Mehrheit gefaßt. Die Beschlüsse sind verbindlich. Das Kommissariat stellt die Pläne für die einheitliche militärische Organisation auf und überwacht die Ausführung. Weiter bereitet es den Haushaltsplan und die Rüstungsprogramme vor.
Der Gerichtshof ist identisch mit dem Gerichtshof des Schumanplanes. Er kann in jedem Streitfall angerufen werden. Daneben gibt es noch einen Rechnungsprüfungsausschuß, den Wirtschaftsausschuß und einen Finanzkontrolleur. Der Wirtschaftsausschuß setzt sich aus 20 bis 40 Mitgliedern zusammen und einer gleichen Anzahl von Produzenten und Arbeitnehmern.
Militärische Struktur
Zu den europäischen Verteidigungsstreitkräften zählen alle Truppen der EVG-Staaten bis auf Streitkräfte, die in außereuropäischen Gebieten eingesetzt sind, und ihre Einsatztruppen, d. h. Truppen, die für internationale Aufgaben benötigt werden, wie in Berlin, Österreich und Korea, weiter Truppen, die für den persönlichen Schutz des Staatsoberhauptes bestimmt sind, und Polizei- und Gendarmerieeinheiten, die ausschließlich der inneren Ordnung dienen. Die zivile Verteidigung, wie z. B. Luftschutz, regelt jeder Staat für sich.
Die Rekrutierung für die EVG-Streitkräfte erfolgt durch Gesetze der einzelnen Staaten innerhalb gemeinsamer, grundsätzlicher Bestimmungen. Die nationale Grundeinheit der Landstreitkräfte ist der Landverband (Division), in dem die verschiedenen Waffen organisch Zusammenwirken. Für ihre Versorgung und ihren Unterhalt sorgen integrierte höhere Stäbe. Mehrere Grundeinheiten verschiedener nationaler Her
kunft bilden ein Armeekorps. Die taktischen Unterstützungseinheiten und die Versorgungsverbände bleiben bis zur Regiments- bzw. Bataillonsstärke national.
Die taktische Luftwaffe der EVG besteht aus 5200 Flugzeugen. Die Seestreitkräfte sollen den Küstenschutz des EVG-Gebiets übernehmen.
Wehrdienst fUr jeden männlichen Bürger
Zur allgemeinen Wehrpflicht soll Jeder männliche Staatsbürger der EVG-Staaten herangezogen werden, wenn er nicht untauglich oder wehrunwürdig ist, oder verfassungsmäßigen Sonderbestimmungen über das Recht zur Kriegsdienstverweigerung unterliegt; die Parlamente arbeiten die Wehrgesetze aus. Als Dienstgrade sieht der Vertrag vier Mannschaftsdienstgrade, fünf Unteroffiziersdienstgrade, sechs Offlziersdienstgrade und vier Generaldienstgrade vor. Es soll eine einheitliche Disziplinarordnung geschaffen werden. Die Streitkräfte sollen die allgemein festgelegten Regeln des Kriegsrechts und des Völkerrechts beachten. Sie haben die Pflicht, gegenüber der Gemeinschaft loyal, gegenüber den Gesetzen und Vorschriften und europäischen militärischen Vorgesetzten ohne Rücksicht auf die Nationalität gehorsam zu sein. Die militärischen Vorgesetzten sollen alles vermeiden, was die Würde der Persönlichkeit ihrer Untergebenen verletzen kann. Es wird bestimmt, daß der Eintritt in die EVG- Streitkräfte durch eine feierliche Handlung vollzogen wird, in deren Mittelpunkt der Gedanke der europäischen Gemeinschaft stehen muß.
Jeder spricht seine Sprache
Jeder Angehörige der EVG spricht grundsätzlich seine eigene Sprache. Um Schwierigkeiten zu überbrücken, wird allgemein eine „Hilfssprache“. voraussichtlich englisch, eingeführt und gelehrt werden. Bei Mißverständnissen gilt die Sprache der befehlenden Stelle. Für das Kommissariat gilt die „Bezugssprache“ französisch, für jeden Stab die Sprache des Kommandeurs. Untergeordnete Dienststellen sollen ihre Befehle in ihrer eigenen und möglichst in der „Bezugssprache“ erhalten. Bei Schwierigkeiten soll die gemeinsame Hilfssprache verwendet werden. Sie wird auch für alle nachrlchtentechnischen Verfahren angewandt.
Gemeinsames Budget
Die EVG wird einen gemeinsamen Haushalt haben. Die Höhe der einzelnen Beiträge wird nach den finanziellen, wirtschaftlichen und sozialen Möglichkeiten vom Ministerrat gemeinschaftlich festgelegt. Die endgültige Entscheidung liegt bei den Länderparlamenten. Jedes Land ist verpflichtet, einen angemessenen Beitrag zu leisten.
Quer durch
Wer steigt in Württemberg ab?
In Württembergs l. Amateurliga sind die Spiele zwar beendet, aber es steht noch nicht fest, wer absteigen wird. Wie der württembergische Fußballverband am Montag erklärte, ist neben Trossingen auch der Tübinger SV zum Abstieg verurteilt. Zwischen den punktgleichen Vereinen Zuffenhausen, tJntertürkJieim und Sportfreunde Stuttgart werden Entscheidungsspiele notwendig sein, die nach Pfingsten ausgetragen werden sollen. Die drei betroffenen Vereine werden sich im Laufe der Woche mit dem Spielausschüß des WfV treffen, um dabei über einen „Abstiegsmodus“ zu beraten.
hb. Warum darf nur Untertürkheim Entscheidungsspiele austragen? Was diesem Verein recht ist, ist Tübingen billig. Denn Tübingen steht nach Abzug der am „grünen Tisch“ eroberten Punkte, die Ja nicht ausschlaggebend sein dürfen, mit Untertürkheim punktgleich!
Überraschungssieg von Adam Schachkongreß ln Sigmarlngen beendet Der glanzvoll im festlichen Rahmen des Sigmaringer Hohenzollernschlosses verlaufene SChachkon- greß erbrachte in Anwesenheit zahlreicher prominenter Persönlichkeiten einen überraschenden Sieg
Kulturelle Nachrichten
Die „Göttingischen Gelehrten Anzeigen“ werden in Kürze wieder erscheinen, teilte der neue Präsident der Göttinger Akademie der Wissenschaften, Professor Latte, am Samstag in seinem Bericht zur Jahresversammlung der Akademie mit.
Ein internationles katholisches Filminstitut, das die Aufgabe hat, den katholischen Gedanken im Film zu verbreiten, ist in Brüssel gegründet worden. Das Institut wird von dem luxemburgischen Geistlichen Jean Bernard geleitet.
Der Verband bildender Künstler Württembergs ln Stuttgart zeigt ln Gemeinschaft mit der Stadtverwaltung Tübingen vom 31. Mai bis zum 18. Juni im Rittersaal des Schlosses Hohentübingen eine Ausstellung „Kunst in Württemberg“.
Franz Kafkas Milena-Briefe werden von Willy Haas im S.-Fischer-Verlag, Frankfurt, herausgegeben. Milena, die Kafkas frühe Prosastücke ins Tschechische übertrug, hatte ihre Korrespondenz immittelbar nach der Besetzung Prags durch die deutschen Truppen Willy Haas übergeben. Sie ist 1944 im Konzentrationslager gestorben.
Für den deutschen finanziellen Beitrag wird für die ersten neun Monate vom 1. Oktober an ein besonderer Verwendungsplan aufgestellt. Er soll dem Aufbau des deutschen Kontingents und den Materialanforderungen angepaßt werden. Die Aufteilung des d ätschen Beitrages für den Aufbau des deutschen Kontingents und die Stationierungskosten für die amerikanischen und britischen Sicherheitsstreitkräfte in Deutschland ist. im Deutsch-Alliierten Vertragswerk, dem Generalvertrag, geregelt.
Interimsansschuß für die Übergangszeit
Zwischen der Unterzeichnung des Vertrages und der Amtsübernahme durch die EVG-Organe sollen die Verhandlungsdelegationen der Mitgliedstaaten als Interimsausschuß über alle die Verteidigungsgemeinschaft angehenden Fragen beraten. Der Ausschuß hat kein Exekutivrecht. Der territoriale Geltungsbereich des Vertrags ist auf die europäischen Hoheitsgebiete der beteiligten Staaten begrenzt. Nur bei einstimmiger Billigung des Ministerrats können EVG-Streitkräfte außerhalb des Geltungsbereiches stationiert werden. Uber den Beitritt anderer europäischer Staaten zur EVG ist gleichfalls ein einstimmiger Beschluß de» Ministerrats erforderlich. Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, keine internationalen Verpflichtungen einzugehen, die dem Vertrag über die europäische Verteidigungsgemeinschaft widersprechen.
Der Sitz der EVG-Behörden soll noch festgelegt werden. Gleichzeitig mit dieser Entscheidung wird auch über die Sitze der Schumanplanbehör- den beschlossen.
den Spart
des oberbayerischen Meisters Adam, Traunstein (8W Punkte aus 8 Partien), vor dem Schweizer Landesmeister und Internationalen Meister Grob, Zürich, der mit Dr. Kellermann, Stuttgart, den zweiten und dritten Preis teilte '(Je 6 Punkte). Das Turnier, das zu Ehren des Jung verstorbenen Ravensburger und oberschwäbischen Vorkämpfers Wilhelm Plat* ausgetragen wurde, war mit 17 Spielern der süddeutschen Elite sehr stark besetzt. Eine Anzahl der dort gespielten wagemutigen Glanzpartien wird die Runde durch die deutschen Schachzeitschriften machen. — Im Kampf um den Titel des Oberschwäbischen Meisters 1952 setzte sich unter den zehn Bewerbern Alois Glas, Sigmaringen, mit 7 Punkten aus 9 Partien vor Locher, Lindau, (6‘/i Punkte) und Schließmann, Friedrichshafen (6 Punkte) durch. Diese drei Spieler haben damit die Berechtigung, an den Württembergischen Landesmeisterschaften in Stuttgart teilzunehmen. 40 v. H. der Partien der Ober- schwäbischen Meisterschaft endeten unentschieden, was für die Ausgeglichenheit der Teilnehmer Zeugnis ablegt.
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