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SAMSTAG, 2 6. APRIL 1953
Am Aetna bebt die Erde dauernd
Skifahrer ln Orangenhainen / Für das Jahr 2000 eine „ruhige Epoche“ vorausgesagt
Von unserem nach Sizilien entsandten Italien-Korrespondenten Carlo G. Mundt
MESSINA, Ende April
Weiß steht die Kuppel des 3200 Meter hohen Ätna über der Küste Ostsiziliens. Die Bahn, die von Messina im Norden über Taormina den Reisenden hinunter nach Catania trägt, klappert an Feigenbäumen und Orangenhainen vorbei. Dies ist die Gegend der unübertrefflichen Blutapfelsinen und der Erdbeben, An einem Weihnachtstage des Jahres 1908 bebte das Meer zwischen Messina und Kalabrien, allein in der großen sizilianischen Hafenstadt mußten 60 000 Menschen aus den Trümmern geborgen werden, und noch vor einigen Jahrzehnten zeigte man den deutschen Besuchern die „Baracken Wilhelms II.“, die als Hilfeleistung des deutschen Reiches hier aufgestellt wurden.
Skilaufen in Sizilien, eine eigenartig erscheinende Propaganda! Aber wenn man an einem Bahnhof dann ein schmuckes italienisches Mädel im hellblauen Skidreß zwischen Apfelsinenbäumen sieht, wird man noch verwirrter. Der „Läufer“ fährt mit dem Wagen durch die Kakteen hinauf auf die Schrieefelder des Riesen, über dem drohend eine Rauchfahne schwebt. Catania — der Name rührt von Katä Etna — unterhalb des Ätna her. Sogar der 1200 Meter hohe Vesuv bei Neapel ist ein Zwerg gegenüber dem Ätna, um vom Strombolie auf den Äolischen Inseln einmal ganz zu schweigen. Als wir Messina erreichten, bebte die Erde zweimal. Kurze grollende Stöße. Aber die Menschen hier sehen nur kurz auf. Sie sind schicksalsergeben. Es scheint so, als ob sie die Schönheiten ihrer Heimat mit dieser ewigen Drohung bezahlen müssen. Im März wurde der Kirchhof von Santa Venerina vom Beben umgewühlt und die kümmerlichen Reste der Toten traten ans Tageslicht. Santa Venerina und Linera (beides Orte in 350 Meter Höhe über dem Meeresspiegel) sind fast unbewohnbar geworden. Aber als man diese Menschen hier aufforderte, ihre Orte zu verlassen, schüttelten sie den Kopf. Seit Tausenden von Jahren wohnen sie unter und mit dem Vulkan. Sollen sie deswegen ihre Heimat aufgeben. ..? Die Wissenschaftler sind überzeugt, daß der Berg im Jahre 2000 ruhig sein wird, um allerdings gegen 2100 wieder Lava, Steine zu spucken.
Die Forschungen haben ergeben, daß alle 200 Jahre der Ätna seine Tätigkeit einstellt. Die großen Ausbrüche sind um 1300, 1500, 1700 und 1900 kontrolliert worden. Innerhalb dieser Wellen gibt es kleinere Zyklen zu sechs Jahren. Geschichtlich Hegt ein Ausbruch aus dem Jahre 423 vor Christi fest. Thucydides schreibt darüber, daß „ein Feuerstrahl sich von einer Seite des Ätna ergoß, wie andere Male“. Der Geschichtsschreiber spielte dabei auf den Ausbruch im Jahre 475 vor Christi an. Den Ausbruch von 1637 hat der Ma
thematiker Atanasius Kircher in einem zu Amsterdam erschienenen Buch sehr genau geschildert. Eine Zeichnung erklärte, daß damals der Berg so aufgerissen war, daß man in ihn wie in einen Kamin sehen konnte. Der Ätna öffnet sich im Gegensatz zum Vesuv an den verschiedensten Stellen, zumeist von der eigentlichen Spitze entfernt.
Die Idee der Amerikaner, die Lava des Maona Loha (Hawai) zu bombardieren, ist nicht neu. Im Jahre 1669 ging hier Pater Diego Pappalardo mit Eisenhaken an den Lavastrom heran um ihn von bewohnten Gebieten abzulenken. „Aber“, so schreibt der Historiker Ferrara „als das Experiment schon gelingen sollte, erschienen plötzlich mit Trommeln und Trompeten 500 Bewaffnete der Stadt Paternö, da die Umlenkung nunmehr ihre Stadt bedrohte ...“
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Turm des Doms von Messina mit dem berühmten Glockenspiel. — Die Stadt wurde 1908 fast völlig durch ein Erdbeben vernichtet (60 000 Tote)
Der elektrische „Bunsenbrenner“
Schneebedeckt erhebt sich über dem Griechischen Theater von Taormina der größte aktive Vulkan Europas, der 3200 Meter hohe Ätna Aufn. Mundt
Württembergisdie Tempier in Australien
Willkommene Einwanderer ! Über 113 Mill. DM eigenes Siedlungskapital
Die Erfindung des „Elektrischen Spiegelbrenners“ im Labor der Tübinger Fa. Edmund Bühl er durch den 28jährigen jungen Physiker Jürgen Klein gehört mit in die Reihe der verschiedenen Neuerungen, die er in den letzten Jahren neben seinem Studium ausgetüf- telt hat und die alle zum Patent oder zum DRGM (Reichsgebrauchsmusterschutz) angemeldet sind. Die Firma Edmund Bühler hat die Fabrikation bereits anlaufen lassen. Mit diesem elektrischer Spiegelbrenner können sämtliche Arbeiten, die bisher nur mit einem Gas- oder Spiritusbrenner gemacht werden konnten (Erhitzen von Reagenzgläsern, Abdampfen in Porzellanschalen, Sterilisieren von ärztlichen Instrumenten usw.) ausgeführt werden. Jürgen Klein ist unter anderem Hörer von Prof. Kossel, Prof. Braunbeck, Prof. Knopp, Prof. Müller, Prof. Wit- tig sowie Prof. Rüdorff gewesen. Über seine Zu-
P. P., SYDNEY, Ende Aprü
Eine der merkwürdigsten, kleinsten, aber zweifellos auch reichsten Religionsgemeinschaften deutschen Ursprungs hat nach einer durch den Krieg bedingten Wanderung eine neue Heimat hier in Australien gefunden.
Es handelt sich um die Gesellschaft der Tempelfreunde, eine chiliastische Sekte, die 1854 von Christian Hoffmann in Württemberg gegründet wurde. Ihre Anhänger erwarten ein sichtbares Gottesreich auf Erden. Schon 1868 wanderten die „Hoffmannianer“ fast geschlossen aus nach Palästina. Ihre Kolonien in Haifa, Jafa und Sarona gelangten sehr bald zu außerordentlicher wirtschaftlicher Blüte. Der zweite Weltkrieg brachte aber auch für sie den großen Umbruch. Da man wegen ihrer deutschen Herkunft Zweifel in ihre Loyalität setzte, wurden 1941 von den insgesamt etwa 1200 Sektenmitgliedern durch die britischen Behörden annähernd 600 nach Australien evakuiert und dort interniert. Nach dem Kriege erhielten 500 Templer die Erlaubnis, zu bleiben. Die in Palästina verbliebenen Templer aber gerieten z_wischen die jüdisch-arabischen Auseinandersetzungen und erlitten Verluste an Besitz und Menschenleben. Sie zogen es daher vor, ebenfalls ihre Siedlungen und Unternehmungen aufzugeben und nach Cypern zu gehen und von dort, 300 Köpfe stark, ihren Glaubensbrüdern nach Australien zu folgen.
Hier hat man die württembergischen Abkömmlinge inzwischen als äußerst fleißige und unternehmungsfreudige Kräfte schätzen gelernt. Als „in jeder Hinsicht wünschenswerte Neuaustralier“ wurden sie von einem Regierungsvertreter bezeichnet. Dieses herzliche Willkommen erstreckt sich allerdings wohl nicht zuletzt auch auf die rund 27 Millionen Dollar (rund 113 Mill. Mark) eignen Siedlungskapitals, das die Templer als Erlös aus ihren palästinensischen Besitzungen mit nach Australien brachten. Ein Vermögen, wie es keine andere Einwanderungsgruppe aufweisen kann. Das australische Parlament beschloß eigens ein Gesetz zur Einsetzung einer Treuhandverwaltung. Soweit die Templer ihr Kapital bereits ausgezahlt erhielten, haben sie damit eigene Farmen erworben oder gewerbliche Betriebe eröffnet. Verboten wurde den Templern jedoch, wie allen Einwanderern, jede nationale Gruppensiedlung. Sie haben sich daher über das ganze Land verstreut, ja, in äußerster Konsequenz des
rer religiösen Betätigung aber genießen sie volle Freiheit. Obwohl ihre württembergischen Vorfahren bereits vor fast einem Jahrhundert die Heimat verließen und jeder Nachschub fehlte, beherrschen auch die meisten jüngeren Templer noch die deutsche Sprache und nehmen regen Anteil an den Ereignissen in Deutschland.
Vegetabilische Farben zur Butterfärbung
Vor einiger Zeit wurden bestimmte Teerfarben zum Gelbfärben von Butter, Käse und anderen Lebensmitteln verboten.“ Die „Chemiker-Zeitung“ meldet nun, daß die österreichische „Feinchemie-Gesellschaft Dr. Starke KG.“ in Haid bei Linz neue, absolut unschädliche Lebensmittelfarben auf rein pflanzlicher Basis entwickelt hat.
Diese neuen vegetabilischen Lebensmittelfarben wurden bereits vom österreichischen Bundesministerium nach eingehender Kontrolle durch die Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchungen für den allgemeinen Verkauf freigegeben. Nach dem Prüfungsergebnis der Lebensmitteluntersuchungsanstalt ist bei der Verwendung der neuen Farbe zur Gelbfärbung von Butter kein Farbunterschied gegenüber der in Dänemark zum gleichen Zweck verwendeten Butterfarbe festzustellen, allerdings verhält sich die Farbintensität der österreichischen zur dänischen Butterfarbe wie 10:6. Die neue vegetabilische österreichische Butterfarbe eignet sich auch zum Gelbfärben von Käse.
Tempo-Fanatiker mit Kreislaufknacks
Immer mit der Ruhe — und ihr bleibt gesund!
kunftspläne äußert sich der hoffnungsvolle Erfin- ■ Gehorsams gegenüber der Obrigkeit von sich aus der nicht weiter. sogar größere Familienverbände aufgelöst. In ih-
Die letzten Jahre der Unsicherheit, des Tempos und der Unrast haben jetzt eine erschrek- kende Rechnung präsentiert: Auf jedem vierten Totenschein standen 1951 lateinische oder deutsche Bezeichnungen für Arterienverkalkung, Verkalkung der Herzgefäße und anderer Herzleiden, Schlaganfall, Durchblutungsstörungen und Altersbrand. Diese Krankheiten des Blutkreislaufs sind bereits seit einigen Jahren die häufigste Todesursache — weit vor Krebs und Tuberkulose.
Bei oberflächlicher Betrachtung könnte man dem deutschen Arzt zustimmen, der vor kurzem sagte: „An irgendetwas müssen die Leute ja sterben, und wir können es als Erfolg ärztlichen Fortschritts in den letzten Jahrzehnten buchen, daß sie nicht mehr in jungen Jahren vom Tod geholt werden. Sie fallen erst später den Altersgebrechen zum Opfer.“
Aber dieser Optimismus kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß heute auch viele junge Leute, meistens zwischen 25 und 35 Jahren, herz- und kreislaufkrank werden. Von 100 Krankheitsfällen der Berufstätigen entfielen 1951 bei den Männern 6 und bei den Frauen 8 auf Kreislaufstörungen. Das bedeutet: Nach Erkältungen liegen die Kreislaufstörungen an zweiter Stelle der Krankheiten von Menschen „in den besten Jahren“.
Die Ärzte berichten, daß vorwiegend sensible und nervöse Patienten wegen Kreislaufkrankheiten in ihre Sprechstunde kämen. Es seien häufig junge Menschen, die lange arbeitslos gewesen seien, auf eine Kündigung warteten oder andere schwere Existenzsorgen hätten, aber auch gutsituierte Geschäftsleute und betriebsame Schreibtischdiktatoren, die im Alltag „viel um die Ohren“ haben. Die Erfahrung lehrt, daß nicht die „verkalkten“ Trottel, sondern die vitalen und stark beanspruchten Menschen, die „mitten im Leben stehen“, zuerst verkalken.
Auf internationaler Ebene will die Ärzteschaft jetzt den Kampf gegen die Kreislaufkrankheiten aufnehmen. Erste Erfolge liegen schon vor. Französische Forscher glauben, in Artischocken einen Wirkstoff gegen die Verkalkung gefunden zu haben. Dem gebürtigen Deutschen Dr. Walther Kempner, der jetzt an der Duke-Universität in Durham lehrt, fiel auf, daß alte Ostasiaten selten Sorge um ihren Blutdruck haben. Er ist der Ansicht, das tägliche Reisgericht beuge den Alterserscheinungen und allen Kreislaufstörungen vor. Dr. Kempner hat bisher 1800 Blutdruckkranken seine Reisdiät verordnet. 1200 fühlen sich danach wesentlich besser, wie Kempner in seinem ersten umfassenden Bericht jetzt feststellt. Professor Dr. Stoll isolierte in Basel eine blutdruckmindernde Substanz im Mutterkorn von ihren giftigen Beimengungen und ließ sie zu einer Arznei verarbeiten.
Der Präsident der internationalen Gesellschaft für Blutgefäßkunde. Professor Rene Leriche, hat sogar ein Mittel gegen die Folgen des Schlaganfalls gefunden.
Er gab Patienten, die kurz zuvor der Schlag getroffen hatte, probeweise Einspritzungen mit dem Betäubungsmittel Novocain. Die Injektion wirkte erstaunlich gut. Bei mehreren Patienten gingen die Lähmungen zurück.
Eine wirksame Bekämpfung der Kreislaufkrankheiten ist nach Ansicht der Forscher aber nur durch eine Reform der Lebensweise möglich. „Eine gesunde Kost und weniger nervenmordende Aufregungen“, fordert Professor Leriche. „Hastige Geschäftigkeit ist gefährlicher als Alkohol, Nikotin und Koffein, weil leidenschaftliche Raucher und Trinker wissen, daß sie mit ihrer Gesundheit spielen. Der Tempo-Fanatiker kommt sich aber noch großartig und fortschrittlich vor.“ Dr. H. L. Schräder
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