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Freitag. 31 De»rmber 1828
Ls mild doch deutscher Frühling werden?
Betrachtung zum neuen Jahre 1927 von Paul Burg.
Wir alle haben wohl etwas vom Antaeus a» uns. jenem sagenhaften Riesen aus der Lybischen Wüste, der sich immer mit neuer Kraft aufrichtete, sobald er den Mutterboden der Erde berührte. Auch wir spüren neue Kraft. Urkraft der Erde, wenn wir uns recht aus uns besinnen oder auch nur mit vertieften Gedanken sehnsüchtig hineintauche» in den Urgrund unserer Herkunft, in Heimat und Vätererde. Das lange Jahr hindurch mit seinem Hasten und Jagen ohne Ende mag hierzu kaum Zeit sein, aber einmal in den stilleren Tagen zwischen den Festen Weihnacht und Neujahr, einmal nur, ehe wir die Schwelle zu einem neuen Abschnitt im Leben der Menschen und Völker überschreiten, wandelt einen jeden, wer er auch sei und wo er auch stehe, die rechte nachdenkliche Stille an. Dann ist es Zeit, voraus und zurück zu denken!
Ich habe einen alten Dichtcrsreund, der noch jede neue New Mhrsstunde feiernd aus einem hohen Berggipfel verbracht hat und die überwältigende Einsamkeit solchen Erlebnisses immer aufs neue, Jahr um Jahr, nicht genug zu rühmen weiß. Heuer wollte ich mir dies Rezept zunutze machen, zog es mich doch seit langem schon zur Heimat, zu dem deutschesten der Berge, dem faustischen Vater Brocken hinauf. Das bittere Streiten ums liebe bischen Leben in den schlimmen Städten macht ein geborenes Landkind oft so müde, daß man sich nach dem reineren Atem der Berge mit ihren bergehohen Bäumen wie nach Erlösung sehnt, und so hielt ich es nicht mehr aus bis zum letzten Tag im Jahr, wählte mir bereits meinen Geburtstag für die festliche Fahrt und brauste in aller Morgenfrühe im Kraftwagen ans und davon.
Auf gleicher Straße, die einst der syrakusanische Wanderer Johann Gottfried Seume aus Poserne bei Weißenfels zu Fuß spazierte. Sie wurde auch mir eine rechte Fahrt in deutscher Geschichte und Art. Der steile schlichte Schlohturm auf weiter Flur von Lützen erinnerte sogleich an ein Zeitalter von dreißig Jahren Krieg, Besatzung und Verwüstung Deutschlands, wie es schlimmer nie erlebt ward. Dann klinkte ich die schmale hölzerne Gartenpforte zum Kirchhof von Röcken auf und stand an Nietzsches flacher Grubesplatte. Der wuchernde Efeu schlug im Winde mit stetem Finger an das alte Kirchlein. Pfeilschnell über Strom und Ebene, im Herzen mächtige Worte des einsamen Philosophen. Da springt vor meinen Angen ein Wald von Riesenschornsteinen aus, und ich sehe um Leuna siebentausend Maurer neue Städte von Fabriken und Riesenschornstcine mit Ameisenemsigkeit ausführen, daß im neuen Jahre das Kohleverflüssigungsverfahren von Bcrgius hier segenbringendc deutsche Tat werde.
Weiter die Fahrt! Vom Berge grüßt die erzene Jünglingsgestalt auf Max Klingcrs Grabe im ersten Strahl aufblinkender Sonne und gleißt wie Gold. Die herrliche Gotik des Naum- burger Domes steht wie pures Sonnenleuchten selber in dem blendenden Frühlicht und läßt die Augen senken wie zum Gebet. Unser Kraftwagen surrt aus der Stadt durch die Pappelstraße zu Tal. Schulpforta, wo so viele deutsche Männer von großen Namen Schüler waren und wo Lamprecht begraben liegt, der deutsche Geschichtsschreiber. Wir lenken nun in die Urheimat Goethes ein, auf Ariern, wo sein Großvater ein ehrsamer und kreuzehrlicher Schmiedsohn gewesen ist, der dann als Schneider auf Wanderschaft zog. Da drüben liegt das Wiehe Leopolds von Ranke und dort Allstedt des Bauernsührers Thomas Münzer — wir gleiten um ein wasserumflossenes altes Schloß Kalbsrieth und hören den geliebten Namen Schiller durch die morgendlichen Sträucher flüstern. Frankenhausen liegt wieder im Blut der grausigen Bauernschlacht vor 400 Jahren, und dann steigt vor dem bergsrohen Auge das alte Kyffhäusergebirge auf, klingt im Herzen die unsterbliche Barbarossasage.
Die Höhlen ünd Märchen des deutschen Waldes find alle wach und wieder da — nun ist die große Bergfahrt wohlbereitet. Etolberg in seinen vier Tälern taucht auf, die Welt eines Luthers, Bergmannssohns in Mansfeld. Mit verschmitztem Lächeln blickt ihm ein echter Verkünder unseres jungen skrupellosen Jahrhunderts der Referendar und Dichter, Otto Erich Hartleben, über die Schulter — die ihn einen argen Sünder schalten, vermissen ihn heute fast, denn sie lernten in unserer kurzhaarigen und kurzröckigen Zeit viel Aergeres erleben.
Nun brausen wir am alten Kaiserweg vorbei zum Brocken hinaus. Hier ist das Jagdgebiet der ersten deutschen Kaiser aus Manischen Geschlecht, und Erinnerungen an eine Glanzzeit Deutschlands steigen herauf, wie sie nie mehr erlebt sind. Hier ist die Welt der deutschen Erstzeit, hier im Raunen der Riesentannen wurden Machtträume des großen Otto wach, hier unter den grauen Felsblöcken im rauhen Winde geht das Märchen um von der deutschesten Dichtung — Faust geheißen. Hier ist heilige Stille des deutschen Tempels — tritt mit frommen Schauern ein!
Jni Hinauffahren — Schneereste da und dort am Wege, huschendes Wild, göttliche Waldesstille rundum — fühlte ich alles Erleben und Sorgen der Stadt und Welt in den Tiefen da hinten weit unter mir abfallen von meinen Schultern wie einen lästigen Bann und atmete auf. Aber ein Ungewisses lag noch auf mir. ein Bangen und Ahnen: Was wirst du erleben, was wird das neue Jahr dir und allen bringen? Wiederum so viel bitteres Leid und zähes Kämpfen mit hartem Enttäuschtsein? Wird es wieder ein schwarzes Jahr werden wie das schlimme letztgelebte? Guter Gatt im Himmel, gib ein Zeichen!
Und — da, zur Rechten! — hart vor mir aus alten Mauertrümmern und tiefem Tannengrün sah ich es leuchten wie ein lichtes Himmelswölkchen — niemals werde ich den überraschenden Anblick des jungen über und über rosig blühenden Kirsch- bäumchens im späten Dezember und im hohen Harzgebirge unterhalb des eisigen Brockens vergessen. Ich bin vorn Wagen gestiegen und habe das Himmelswunder dreimal staunend um- fchritten. Ein junger Förster kam des Weges und erzählte:
Das soll ein echtes Wunder vom Himmel sein, denn hier sind die Ruinen der uralten Kaiserpfalz Bodfeld. und wenn es
hier oben so späte Blüte gibt, dann kommt ein Jahr voll Glück und Segen, sagen die alten Heidelbeerweiber im Brockenmoor. Sonst wächst hier oben um Elend kein Obst. Der Teufel will es nicht.
Ich dachte an Goethes „Faust", an seine vier verschiedenen Harzreisen im Winter. Der Grünrock erzählte weiter:
Dieser blühende Baum soll sogar was Besonderes sein, nämlich die erste deutsche Dichterin und zugleich fromme Nonne Roswitha aus Gandersheim. Sie las hier Kaiser Otto dem Großen ihre Dichtung auf sein Heldenleben vor und wurde zum Dank in einen jungen Kirschbaum verwandelt. Wenn sie blüht, kommt gute deutsche Zeit.
Kommt gute deutsche Zeit-!
Ich bin wie im Traum aus dem sturmumtosten Brocken- gipsel umgegangen und habe über meine Fahrt hier heraus und über Deutschland nachgesonnen, habe dem Wunder des blühenden Roswithabaumes lange nachgedacht und kann nicht anders als den frohen Glauben hegen, daß es lichter um uns wird in deutschen Landen. Der Horizont ist hell, und sei es auch nur von einem blühenden Bäumchen. Allerwegen regt sich junge Tat, aus neuem Mut geboren. Wir haben doch auch den Segen der Gräber tausendjähriger Tradition, wir haben unoer gängliche Kultur, die selbst ein Uebermaß von Sport, Spiel und Tanz im heutigen deutschen Leben wohl zeitweilig überschatten, aber niemals verdrängen kann. Und wir suhlen es zuletzt doch alle, daß die Selbstsucht allein nicht glücklich machen kann und daß dem deutschen Menschen schon aus Langeweile und Ueber- fluß nichts andres bleibt, als an seinen Mitmenschen zu denken
wieviel mehr aber aus innerer Not heraus, die ihre Kämpfer zusammenschmiedet. Wir müssen alle helfen am deutschen Werden — es ist unser Schicksal. In einem seinen Buche von den deutschen Ahnen las ich diese Zeile: „Nicht jeder findet eine neue Bahn. Gestrüpp vom Wege räumen kann ein jeder. Den aber trifft des Schicksals voller Fluch, der tatlos lagert auf dem Weg von gestern."
Daß cs auch kulturell mit uns aufwärts geht, dafür ist mir das blühende Symbol der rührenden Roswitha auf Bodfeld ein mite-- Vorzeichen, an das ich glaube. Hat sie nicht vor tau
send Jahren ihren Schwestern Besseres bringen wollen als die lüsternen Lateiner. kam nicht bloß aus solchem Anlaß ihr ganzes Dichten? Und dann pries man sie in Frankreich. Italien und England als die „germanische Muse".
Nein, ich lasse mir den unterm weihnachtlichen Brocken im heimischen Harzivalde gewordenen deutschen Glauben nicht ent reißen: Es wird ein junges seines Blühen kommen in dem Neuen Jahre!
ZUM neuen Jahr
Schwer am dunkeln Wmterhimmel Geh das Nachbardach ich hangen Doch in lichten Wolkenschuhcn Kommt der neue Tag gegangen.
Kommt wein neues Jahr geschritten:
Betend wach ich ihm entgegen.
Wird es mir auf Herz und Stirne Segnend seine Hände legen?
Wird es meine Hände stärken?
Meine Augen Helle machen ?
Wird es, wie so manches andre.
Selig unter Tränen lacken?
Herr, du weißt es. mach mich stille,
Anfang, Ende, dein sind beide!
Doch gib einen starken Helden Meinem Jahre zum Geleite!
Emen Engel, der mit bloßem Schwert die Lebensangst verjage,
Daß die zitternd sckwache Seele Nicht im Tageskampf verzage.
Der mir meiner Liebsten Liebe Still in goldene Schalen fasse.
Der auf heißem Weg die Seele Süßen Labtrunt trinken lasse.
Einen, der mit Donnerstimme Sie aus trägem Schlafe reiße,
Eiwn, Herr, der nach der Heimat Meinem Jahr die Wege weise!
Gertrud Goes
Aus dem in 3. Auslage neu erschienenen Gedichtschatz „Aus Licht und Sch alte n", Verlag E. Salzer-Hei bronn. Zu beziehen zum Preis von 3 duich G W Zaster, Buchhdl. Nagold
Wende.
Neujahrsskizze von Hans West,
Zwei Frauen schritten die hartgefrorene Landstraße empor. Man konnte ihre Gestalten und ihre Gesichtszüge nicht erkennen; denn sie waren vom Scheitel bis zu den Füßen in lange, graue Tücher gehüllt. Aus ihrem schweren, ein wenig wankenden Gang mochte man schließen, daß beide alt waren — und sehr müde...
Der bleiche Mond beschien eine lange, zu einer Hügelkette hinansteigende Landstraße, auf der die Schritte der Frauen harr und schwer widerhallten. Zu beiden Seiten dehnte sich endlos weit verschneites Land, dessen leere Einsamkeit weder Strauch noch Baum mit mildernden Schatten unterbrach.
Eine der Frauen verhielt ein wenig die Schritte. Wartend verweilte nun auch die andere.
„Ist es noch weit, Schwester? Meine Augen sehen noch nicht das Licht der Hütte", sprach die erste mit rauher, matter Stimme.
„Wir werden es bald sehen", sprach die zweite und stützte die nun weiterschreitende Gefährtin gütig und milde. „Dein Weg war weit und beschwerlich, Schwester. Doch noch in den Stunden dieser Nacht wirst Du Ruhe finden. Dein Haar ist weiß geworden auf dieser Reise..."
Mühsam schritten die beiden Frauen sürbatz. Ihre Rücken waren gebeugt. Wie zwei gespenstische Schatten wanderten sie im Mondlicht daher. Der Reif der Winternacht hatte die sie umhüllenden Tücher mit glitzernden Perlen bestickt.
Weit hinter ihnen lag die große, lärmende Stadt. Ein rosiger Schein am Himmel kündete irgendwo ihr Sein. Ein verschwommenes Brausen drang dann und wann von der Stadt noch herüber. Sie lebte — bei Tag und bei Nacht. Zuweilen blitzte ein Feuerschein aus. Vereinzelt drang aus fernen Weiten ein Menschenschrei durch die nächtliche Stille und die endlose Einsamkeit.
Dann lachte die eine, die kräftigere der beiden Frauen wohl kurz und hart aus ihrem Tuch hervor...
„Nun sehen wir das Licht!" sprach sie endlich, und ein knochendürrer Arm wies voraus.
Oben, aus dem Sattel des ansteigendes Landes, zu dem die Landstraße emporführte, blinkte einsam ein winziges Licht. Da schritt auch die Müde und Schwache eiliger voran. Das Licht, in dessen Schein ihrer die Ruhstatt harrte, gab ihr einen letzten Rest neuer Kraft.-
Als die beiden in die offene Tür der Hütte traten, die an der Landstraße auf der Anhöhe lag, hockte dort eine junge Weibsgestalt am glimmenden Herdfeuer. Ihr Körper war schlank und straff, und ihre zarte Gesichtsfarbe erhielt durch den Schein der vor das Fenster gerückten Kerze einen rosigen Schimmer. Als die alten Frauen eintraten, erhob sich die Junge, ohne jedoch den Ankommenden entgegen zu treten.
„Du hast einen schweren Weg gehabt, alte Frau", sprach sie zu der Müden, die kraftlos auf eine Bank niedersank.
„Die Sorge und das Grauen waren mit mir", sprach die Alte und verhüllte schaudernd das Haupt. Durch die nächtliche Stille klang ihr Weinen.
Die Junge hatte inzwischen einen Mantel um ihre Schultern getan und einen festen Hut auf ihre Locken gedrückt. Schweigend winkte sie, Abschied nehmend, mit der Hand zurück. Dann wandte sie sich dem Ausgang der Hütte zu. Als sie an die Schwelle trat, stand die zweite der beiden grauen Schwestern, die jene alte geführt hatte, neben ihr.
„Du willst mich geleiten?" fragte die Junge, und ihre Hand machte eine Gebärde der Abwehr.
„Ein Weilchen, mein Kind!" sagte die andere und neigte das graue Haupt.
Die Junge zögerte ungehalten. Falten des Unmuts zeichneten scharfe Linien auf ihre Züge. Doch dann straffte sie ihre schlanken Glieder und richtete den Blick nach vorn: „So komm - Du!"
Sie schritten den Hang aus der anderen Seite hinab, der Straße nach, die hier weiter führte, ins ferne Tal. Weit drüben. am Horizont, schimmerten lichtvolle Städte. Leise drangen Musik und Glockenläuten von dort herüber.
So zogen sie ihre graue Straße:
Das junge Jahr und das alte Leid ....'
Neujakirswünjtze.
Von Paula K e u n e - Berlin Wer die Geschichte Ser Neujahrskarte schreiben wollte, müßte aus den „Meister E. S " zurückgreisen. von dem die älteste erhaltene, gedruckte Neujahrskarte stamml. nämlich ein Kupferstich aus dem Jahre 1466 Das segnende Christuskind steht aus einer Blume, dahinter ist ein Spruchband, mit dem Glückwunsch: „Eyn goot selig ior!"
Mode wird die Neujahrskarte jedoch erst in den Jahren 1810—1640. in jenen Jahrzehnten, da der Bürgerstand die vor der großen Revolution Zepslegten gesellschaftlichen Ueberliefe- rungen ausnahm und glücklich weiterbildete.
Die Industrie nahm sich dieses Artikels an. die hauptsächlich ihren Sitz in Wien, der heiteren Stadt, hatte. Was uns im Geoenkak ru den heute vertriebenen Neujahrswünschen über
rascht, ist die Abwechslung der Motive und Inschriften uuai begnügte sich nicht mit besten, herzlichen Glückwünschen in be siebter Eintönigkeit der Gluck verheißenden Symbole des Bier Klees. Hufeisens, des Pil.-.es oder des Schweinchens, sondern man plünderte die Haine antikisierender Kunst die Waldwege deutscher Romantik.
Denkmäler der Freund,chuj, und Opjeraüare der Liebe wurden errichtet, Herzen brannten in heiligem Feuer. Hände legten sich zu ewigem Bunde ineinander, und ein ganzer Garte, redender Blumen sprießt uns entgegen Rose» Vergißmeinnicht. Doppelähren, Jelängerjelieber werben und wünschen Amoretten flattern auf, und schnübelnde Täubchen luden zum Minnespiei Man treibt Scherz und symbolisiert die Wärme der Wünsche durch eine dampsendk Pastete, einen schmelzenden Eiskrug
Besondere Freude bereitete es. wenn der ernst und urmg gemeinte Wunsch sich in der Maske fröhlicher Uekerraschung nahte. In den achtziger Jahren gab es Karten aus denen ein purpurner Rosenbusch wuchs, wenn man sic auseinandersaltete Als dann Dreh-, Klapp-, Zug- und ähnliche Karlen auskamen entstanden jene anspruchslosen Kunstwerke, die heute in ihre, gravitätischen Drolligkeit das Entzücken des Beschauers erwecken
Wir kommen in Versuchung, über diese Naivitäten ein we nig zu lächeln und zu glauben, sie Hütten sich vornehmlich an den Geschmack des spießbürgerlichen Publikums gewandt. Das ist ein Irrtum! Selbst Goethe freute sich über die kleinen, be möglichen Karten und Neujahrsbilder und schrieb dankend an die befreundete Marianne von Eybenberg in Wien: ..Die zierlichen, nickenden, bückenden und salutierenden kleinen Geschöpfe sind glücklich angekommen stind haben nicht allein mir sondern ganzen Gesellschaften, in denen ich sie produzierte, viel Vergnügen gemacht." — Schiller wurde von dem Berliner Verleger Opener aufgesordert, für eine Karte mit einem Guckkastenmann inen Vers zu schreiben.
Wir modernen Leute haben sür derlei „unnütze Dinge" keine Zeit —, die hatte man nur in der lieben alten Zeit von der heute schon getagt wird, daß sie nie über die Erde gewandelt sei.
Die Losuiichte.
Bon l)r. H. L. Ray mann-Han nooer.
Aus dem geheimnisvollen Dunkel der Urtage der nordische» Völker Europas ist bis in unsere Tage die Scheu vor den unheimlichen „Zwölfen" gedrungen. Die „Zwölfe" sind die aus den 25. Dezember folgenden zwölf „Losnächte", die in grauer Vorzeit als schreckens- und unheilvoll gefürchtet, auch heute noch in Gebirgs- und ländlichen Gegenden teils rein heidnisch, teils in christlichem Sinne umgebogen ihren Spuk treiben und auf die naturverbundenen Bauern, Hirten und Jäger mit zauber voller Macht wirken. In den Losnächten stürmt Wodans wilde Jagd durch die Lüste. Johlend reitet der wilde Jäger, der ein äugige „Mann im Hut" mit der Rabenseder und dem langschleppenden Regenmantel im brausenden Galopp über die rau schenden Kronen der Bäume, gefolgt von seiner laut kläffende» Meute. In seiner Begleitung ist seine Gemahlin Berchta, die gütige Frau Holle, die Schützerin des Herdes und des Spinnrockens. Wehe dem, der in diesen Nächten dem wilden Jäger begegnet! Er ist verloren, wenn er nicht den Zauber banni.
Die Losnächte hängen eng mit dem Licht, mit dem Sonnentaus zusammen, da die Naturvölker völlig im Banne des Lichtes stehe». Wir Städter und Zivilisationsmenschen, für die riesige Kraftwerke Licht schaffen, die nur zu knipsen brauchen, um die Nacht taghell zu erleuchten, die ihr Feuerzeug in der Tasche mit sich führen und überhaupt stets Licht- und Wärmequellen zur Hand haben, wir haben den einfachen Naturfilm für die gewaltige Bedeutung des Sonnenlichts längst verloren. Für die Vorväter, die das'Herdseuer stets wachhalten mutzten, die vielleicht mit einem qualmenden Kienspan die Diele notdürftig erhellten, war der Tag init Sonnenuntergang zu Ende. Wie mögen sic sich aus die Wiederkehr des Lichtes nach dem lang- näck tiaen Winter aei reut haben, der sie zu Untätigkeit verbannte und gegen den sie sich nicht so wie wir schützen konnten. Uns bieten Nacht und Winter kein Hindernis. Wir können die Nacht zum Tage machen, und der Winter stört Handel und Wandel nicht. Dafür ist uns aber die Naturpoesie, das seine Gefühl für das Ersülltsein der Natur von heimlichen Gewalten fast verloren gegangen. Wir sehen wohl die Schönheit der Natur: aber iver spürr hinter dem schönen Gesicht der Natur ihre rätselvolle Seele?
Am 25. Dezember feierten die germanischen Völker das Jul oder Wintcrsonnenwendfest aus Freude darüber, daß die Sonne ihren tiefsten Stand erreicht hat und nun langsam wieder höher am Himmel steigt. In den auf den Iultag folgenden Zwölf Nächten spürten sie den Kampf zwischen Licht und Finsternis, und „man ahnte und gewahrte in dieser feierlichen Naturzeii. was im Verborgenen vorgeht und vernahm mit geistig sein gestimmtem Ohr den gewaltigen Kampf der Kräfte in der Na tur." In den zwölf Rauhnächten scheint die Sonne stillzustehcn und zwölf Tage lang währt der Kampf um die Besiegung von Finsternis und Kälte. Diesen Kampf in der Natur stellten die Urvölker sich als einen in den Lüften ausgefochtenen Kamps Wodans, der auf einem dreibeinigen Schimmel daherstürmt, gegen die Mächte der Finsternis vor. In diesen Nächten muß man (daran hält man in manchen Gegenden Deutschlands und Skandinaviens heute noch fest) alle Türen und Fenster schließen, in der Küche darf kein Brotteig stehen, keine Wäsche darf drau tzen hängen, sie würde sonst zur Leichenwäsche. Besonders un heimlich ist es in den Losnächten an Kreuzwegen in Gehölzen. Nur ganz Verwegene schleichen sich an den Kreuzweg, um von den dort spukenden Unholden zu erlauschen, was im kommen den Jahr geschieht. Was man in diesen Nächten träumt, ist von symbolischer Bedeutung sür das kommende Jahr, da diese Träume alles Wichtige des neuen Jahres andeuten. Auch für das Wetter ist die Zeit der Rauhnächte von großer Bedeutung: denn das Wetter der einzelnen Tage der Zwölfe gibt das Wet ter des entsprechenden Monats des kommenden Jahres an. Eine alte Bauernregel sagt: „Wie sich das Wetter vom Christtag bis drei Könige verhält, so ist es auch das ganze Jahr bestellt!" Vielleicht deutet auch die Zwölszahl der Losnächte auf den Lauf der Sonne durch die zwölf Tierkreiszeichen hin. In Oberbayern und Tirol werden am Schluß der Losnächte die Häuser und Ställe ausgeräuchert.
Aus alledem ist ersichtlich, daß die Losnächte Reste aus der Naturverbundenheit unserer Vorfahren sind, die sich bis in im sere Tage in ländlichen Gegenden erhalten haben.
Ein Neujahr vor zehn Zähren.
Bon Hans Henning Freiherrn Grote
Wir stapften durch den frischen Schnee. Durch die lange Kolonne, Mann hinter Mann, lief fortwährend das raschelnde Geräusch der Seitengewehre und Spaten, wie sie träge aneinander schlugen. Sie zog sich schier geisterhaft über die weiße Flüche, denn niemand sprach ein Wort. Sie ringelte sich wie eine Schlange: denn überall lauerten die Granattrichter, von Schnee halb gefüllt, und drohten, den Fußgänger zu oerschlin- gen. Aber wir kannten den mühseligen Weg, hatten die letzten Wehen der großen Schlacht hier durchlitten. In Staunen, wie Kinder, denen ein seltenes Geschenk aus den Gabentisch gelegt wurde, langsam nur, hatten wir begriffen, daß das Entsetze« vorüber gezogen war. für dieses Jahr. Die Natur hatte ihr gebieterisches Wort gesprochen, stärker als der teuflische Geist der Maschinen, die, von Menschen ersonnen, über das Menschliche triumphiert halten Die Natur neigte sich gnädig zu dem, der hilseflehend, verzagt vor dem eigenen Erzeugnis seines Hirnes stand. Und sie verwandelte das zerstörte Gefilde in eine spiegelglatte Fläche, die keinem großen Angriff mehr Raum gab. Sie halte die ineinander verbissenen Heere in Wolken und Schnee gehüllt, daß ihre Männer sich frierend tiefer in die Erde gruben. So starb die große Schlacht. Wir aber fühlten sie nock immer im Blut.
Vor mir aina der Bataillonsfüürer. Wir waren Freunde