SAMSTAG, 22. MARZ 1952

HEIMATBLATT FÜR

STADT UND LAND

Überparteiliche Tageszeitung

8. Jahrgang / NR. 46

Antwort auf die Sowjetnote noch nicht fertiggestellt

Bundeskanzler Adenauer wieder in Bonn / SPD kritisiert Saarvereinbarung

Adenauer:Hoffentlich merkt er nicht, daß idi nur ein Holzgewehr habe:

Die Saarfrage als Testfall

Von Het mann Rennet

PARIS. Die Antwort der drei YVestmäehte auf die Sowjetnote konnte gestern noch nicht endgültig fertiggestellt werden, wie im briti­schen Außenministerium erklärt wurde. Der britisthe Außenminister Eden hatte in Paris Besprechungen mit dem französischen Außen­minister Sehumai, mit amerikanischen Di­plomaten und mit Bundeskanzler Dr. Aden­auer. Er kehrt heute nach London zurück. Die Verzögerung wird darauf zurückgeführt, daß die Formulierung der Antwort, über de­ren Inhalt man sich einig sei, mit Washington abgestimmt werden müsse. Bundeskanzler Dr. Adenauer flog nach Abschluß der Europa- Minister konfrenz und der Viererbesprechun- gen mit den Außenministern Schuman und Eden and dem amerikanischen Botschafter Dünn in den gestrigen Nachmittagsstunden nach Bonn zurück.

Bundeskanzler Adenauer verließ die letzte Sitzung der Außenminister eine halbe Stunde vor ihrem Abschluß. Er erklärte, daß er mit den drei Westmächten über die grundsätzliche Haltung der Note völlige Übereinstimmung erzielt habe. Die Note werde zum Ausdruck bringen, daß freie Wahlen in ganz Deutsch­land die Voraussetzung für die Wiederverei­nigung und etwaige Besprechungen mit der Sowjetunion seien, und daß die Kommission der Vereinten Nationen den Sowjets die beste Möglichkeit zum Beweis ihres guten Willens gebe. Er habe noch einmal auf die Bedeutung hingewiesen, die die Bundesregierung einer

STUTTGART. Gestern haben im Gebäude des Landtages von Württemberg-Baden die ersten Besprechungen über die Bildung einer Regierungskoalition für das im Werden be­griffene neue südwestdeutsche Bundesland stattgefunden. Innenminister Renner (Tü­bingen) erklärte uns, es habe sich gezeigt, daß keine unüberbrückbaren Gegensätze bestün­den. Diese ersten Besprechungen waren den Fragen der grundsätzlichen Politik, des Ver­waltungsaufbaues und auch der Schulpolitik gewidmet. Personelle Fragen der Regierungs­koalition wurden noch nicht erörtert.

Zu den Besprechungen hatte die CDU als die stärkste Fraktion in der Verfassunggeben­den Landesversammlung eingeladen. Der CDU- Delegation gehören an: Staatspräsident Dr. Gebhard Müller, Tübingen; Wilhelm Simp- fendörfer, Stuttgart, der die Besprechun­gen eröffnete; Dr. Franz Gurk, Karlsruhe, und der südbadische CDU-LandesVorsitzende Anton D i c h t e 1. Gestern vormittag verhan­delte diese Delegation zunächst mit einer SPD- Delegation, der Innenminister Victor Ren­ner, Tübingen, MdB Erwin Schüttle, Stutt­gart, Alex Möller, Fraktionsvorsitzender der SPD im württembergisch-badischen Land­tag, Stuttgart, und der badische Landesvorsit­zende der SPD, J ä c k 1 e, angehörten. Am ge­strigen Nachmittag setzte die CDU ihre Be­sprechungen mit einer FDP-Delegation fort, über deren Ergebnisse die SPD-Delegation verständigt wird. Am Montag unterrichten die Delegationen ihre Fraktionen über die Ergeb­nisse dieser ersten Koalitionsgespräche; noch am Abend des gleichen Tages sollen die Ver­handlungen ihren Fortgang nehmen.

Nach Abschluß der Besprechungen wurde ein Kommunique veröffentlicht, in dem fest­gestellt wurde, die Koalitionsverhandlungen zur Regierungsbildung im Südweststaat zwi­schen Vertretern der CDU. SPD und FDP hät­teneine weitgehende Übereinstimmung in

Mietpreiserhöhung

Erst ab 1. Juli

hf. BONN. Das Bundeskabinett billigte am Freitag eine Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Mietpreiserhöhung bei Geschäftsräumen und bei gewerblichen unbe- bauten Grundstücken. Nach der neuen Ver­ordnung wird die alte Verordnung nicht wie vorgesehen am 1. April, sondern erst am 1. Juli 1952 in Kraft treten. Etwaige Urteile, die nach der alten Verordnung bereits ergangen lind, dürfen vor dem 1. Juli nicht vollstreckt werden. Ferner billigte das Kabinett ein Ge­setz zur Sicherung der Erleichterung der Ar­beit der UN-Kommission, die in Deutschland die Voraussetzungen für freie gesamtdeutsche Wahlen untersuchen soll. Nach diesem Gesetz, das vom Bundestag und Bundesrat beschlos­sen werden muß, wird den Mitgliedern der Kommission die volle diplomatische Immuni­tät zu gesichert.

Rückkehr der deutschen Ostgebiete beimesse und habe damit bei allen drei Mächten großes Verständnis gefunden. Die Verhandlungen mit den Westmächten über die gemeinsame Ver­teidigung und über die Integration Europas werden weitergehen. Mit der Fertigstellung des Generalvertrages und des Vertrages über die europäische Verteidigungsgemeinschaft sei in Kürze zu rechnen. Nach seiner Ansicht sei die Störung dieser Verhandlungen und Be­strebungen der Hauptgrund für die sowjeti­sche Note.

Wie aus maßgebenden Kreisen verlautet, haben sich die Verhandlungen über die So­wjetnote in Paris deshalb so lange hingezo­gen, weil von britischer Seite mehrfach Ein­wendungen gegen eine zu schroffe Abfassung der Note erhoben worden seien. Weiter wurde von einem französischen Wunsch berichtet, daß in der Note der Vorbehalt zum Ausdruck kommen solle, daß ein wiedervereinigtes Deutschland das Recht haben müsse, der Eu­ropaarmee und anderen europäischen Projek­ten beizutreten.

Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Erich Ollenhauer wandte sich gestern in Bonn gegen die Pariser Saarvereinbarung. Er sagte, sie bedeute praktisch die Preisgabe des deut­schen Standpunktes, daß das Saargebiet ein Teil Deutschlands ist. Die Einbeziehung der Hoffmann-Regierung in die geplante Unter­suchungskommission sei eine formelle Aner­kennung dersogenannten Saarregierung als Verhandlungspartner" durch den Bundeskanz-

Fortsetzung auf Seite S

den Fragen ergeben, die für die künftige Re­gierungsbildung von Bedeutung sind.

Die einzelnen Fraktionen der Verfassung­gebenden Landesversammlung wollen am Mon­tagnachmittag zu ihren konstituierenden Sit­zungen zusammentreten.

Schließlich hat noch die DVP'FDP-Fraktion der Verfassunggebenden Landesversammlung gestern den Entwurf eines Uberleitungsgeset­zes vorgelegt, das die vorläufige Ausübung der Staatsgewalt im neuen südwestdeutschen Bundesland regeln solL Durch die baldige Verabschiedung eines Überleitungsgesetzes soll nach den Wünschen der DVP/FDP die Möglichkeit geschaffen werden, noch vor Ostern den Ministerpräsidenten zu wählen und die Regierung zu bilden.

Aus Heidelberg verlautet noch, daß der dor­tige Kreisverband der CDU in einer an den CDU-Landesvorstand Nordbaden gerichteten Resolution den Ministerpräsidenten von Würt­temberg-Baden, Dr. Reinhold Maier, als Re­gierungschef des neuen südwestdeutschen Bundeslandes abgelehnt hat. Außerdem ist man der Ansicht, wurde von Teilnehmern an der betreffenden Sitzung des Heidelberger Kreisvorstandes mitgeteilt, daß im Falle einer Regierungsbildung auf der Grundlage der gro­ßen Koalition der Posten des Innenministers nicht durch die SPD besetzt werden dürfe.

In Paris wurde zwischen dem französischen Außenminister Schuman und Bundeskanzler Adenauer ein, wie es etwas mehrdeutig heißt, prinzipielles Übereinkommen in der Saar­frage erzielt. Der Bundesrepublik soll eine Beteiligung an der politischen Verwaltung des Saarlandes zugestanden werden. Eine Dreierkommission, bestehend aus französi­schen, deutschen und saarländischen Vertre­tern, soll sich mit den politischen Zuständen in diesem Gebiet befassen, insbesondere da­mit, ob die demokratischen Freiheiten dort gewahrt sind. Dies alles soll geschehen im Blick auf die kommenden saarländischen Landtagswahlen Ende dieses oder Anfang nächsten Jahres. . .

Es wäre nun unseres Erachtens zu früh, über das Pariser Abkommen zu jubeln. Frank­reich hat bis jetzt an der Saar viel zu konse­quent und, sagen wir es offen, auch zu erfolg­reich mit dem Mittel des Fait accompli gear­beitet, als daß man annehmen könnte, es werde das Erreichte ohne weiteres preisgeben. Es war einst ein Franzose, der das zynische Wort prägte:Es sind die Provisorien, die Dauer haben... Wir haben es mit einem Kompromiß zu tun. Die Bundesrepublik hat darauf verzichtet, ihr Saarmemorandum, das zu einer Trübung des deutsch-fransösischen Verhältnisses beigetragen hätte, der Öffent­lichkeit zu übergeben. Frankreich, hat vor­erst allerdings nur theoretisch ein deutsches Mitspracherecht in Saarbrücken anerkannt. Erfreulich dabei ist, daß man zu einer inter­nen Lösung kommen konnte, erfreulich ist auch, daß man das Gefühl hat, Schuman sei so weit gegangen, als er angesichts der fran­zösischen Opposition, die in dem früheren Kommissar und jetzigen Botschafter an der Saar sich immer wieder störend zu Wort meldet, und in Rücksicht auf die notorische Schwäche des Kabinetts Pinay überhaupt gehen konnte.

Andererseits wird man in der Bundesrepu­blik dem Kanzler zumal dann, wenn sich Schwierigkeiten bei der Durchführung der Abreden ergeben den Vorwurf zu großer Nachgiebigkeit machen, wie er in den letzten zwei Jahren meist dann erhoben wurde, wenn Bonn außenpolitisch einen Schritt vorwärts­

gekommen ist. Es wird daher gut sein, sich in diesem Augenblick, in dem die Entwick­lung an der Saar wiederum an einer Wende angelangt zu sein scheint, über die deutsche Auffassung schonungslos klar zu werden: Deutschland ist bereit, die Saar als neutrali­sierten Kristallisationspunkt für das künftige Europa aus dem eigenen Staatsgebiet auszu­klammern, denn es ist ihm mit dem europäi­schen Gedanken bitter ernst. Deutschland kann aber will es den Europagedanken nicht zur Farce werden lassen niemals darauf eingehen, daß an der Saar ein franzö­sisches Protektorat oder protektoratähnliches Gebilde errichtet wird.

Frankreich hat keinen Rechtstitel auf die Saar, nicht einmal einen irgendwie vertret­baren moralischen Anspruch. Es ist kein Frie­densvertrag geschlossen, in dem etwa eine le­gitimierte deutsche Regierung das Saargebiet abgetreten hätte. Nach der alliierten Erklä­rung vom 6. Juni 1945 haben die Sieger keine Annektionsabsichten. Als deutsches Staatsge­biet gilt nach dieser Erklärung das Gebiet, das am 21. Dezember 1937 zu Deutschland ge­hörte. Damit wird die durch die Volksabstim­mung vom Jahre 1935 geschaffene Lage aner­kannt. Frankreich kann eine Annexion des Saargebietes auch nicht als Reparation dekla­rieren, denn das Wesen der Reparation ist einmalige Sachleistung, nicht dauernde Ge­bietsabtretung. Grundlage einer Überführung des Saargebietes aus dem deutschen in das französische Staatsgefüge oder auch in den Verband der Union frangaise könnte demnach allein eine Volksabstimmung sein. Eine solche ist aber von Frankreich bisher noch nie ver­langt worden, obwohl sie in der französischen Verfassung vorgeschrieben wäre und obwohl Frankreich gerade diese Bestimmung seiner Verfassung bei der Abtretung des vorher ita­lienischen Tenda-Briga-Bezirks nach 1945 korrekt durchgelührt hat. Schon gar nicht sollte man in Paris mit wirtschaftlichen Ar­gumentationen in einer Frage kommen, wo es um die nationale Selbstbestimmung geht. Wo könnte das hinführen, wenn sich Frank­reich mit dem Hinweis auf seine geringere Kohlen- oder Stahlkapazität die zur Parität nach seiner Ansicht fehlenden Prozente vom Nachbarn im Wege der Gewalt holen wollte. Könnte dann nicht die Sowjetunion, der es am lebenswichtigen öl mindestens ebenso fehlt wie Frankreich an Stahl, Persien annek­tieren, oder China aus anderen wirtschaftli­chen Gründen Indochina . . .

Man sollte uns verstehen, wenn wir dieser Frage so große Bedeutung beimessen. Wird das Saarproblem befriedigend gelöst, so ist damit ein europäischer Testfall positiv aus­gegangen. wenn nicht, dann ist ungewiß, wie der Kanzler trotz allen guten Willens seine Außenpolitik auf die Dauer fortführen kann. Es wäre nämlich das europäische Recht und damit der Europagedanke überhaupt fraglich geworden. Das Pariser Abkommen zwischen Schuman und Adenauer soll auf eine Euro- päisierung der Saar abzielen. So weit, so gut. Daß es auch von Hoffmann, dem autonomi- stischen Ministerpräsidenten aus Saarbrük- ken, anerkannt wurde, braucht noch nicht mißtrauisch zu machen; daß Schuman sich ausdrücklich von Herrn Grandval distanzierte, berechtigt zu gewissen Hoffnungen. Vor al­lem zu der, daß der sogenannte französische Botschafter an der Saar, Herr Grandval, mit seiner jüngsten Rede über die deutschen An­nektionsabsichten auf die Saar käme je­mand bei uns auf den Gedanken von franzö­sischen Annektionsabsichten auf Lothringen oder auf die Normandie zu sprechen? auch seine letzte offizielle Verlautbarung getan habe. Die Praxis der nächsten Monate mag nun erweisen, ob sich über dieses Saarabkom­men tatsächlich zu dem Europa finden läßt, das wir uns wünschen, dem Europa ohne Sie­ger und Besiegte, oder, um es mit Trotzky konkreter auszudrücken, dem Europa ohne Annektionen und Reparationen.

Wiedergutmadiungskonferenz eröffnet

SPD: Beweis des guten Willens $

WASSENAAR. Die Verhandlungen über die Wiedergutmachungsansprüche des Staates Israel an die Bundesrepublik ln Höhe von einer Milliarde Dollar (4,2 Milliarden DM), haben am Donnerstag in Wassenaar (Holland) mit einer Besprechung über die Verfahrens­fragen begonnen. Die offizielle Eröffnungs­sitzung der Delegierten der Bundesrepublik, Israels und des Komitees für materielle An­sprüche an Deutschland, das 23 jüdische Or­ganisationen umfaßt, fand gestern statt.

Die unter Leitung des Frankfurter Profes­sors Franz Böhm stehende Delegation der Bundesrepublik traf gestern zunächst mit den israelischen Delegierten und später mit den Vertretern des Komitees zusammen. Der israe­lische Sprecher, Avner, bezeichnete die israe­lische Forderung als klein und mehr symboli­scher Natur. Es müsse klar verstanden wer­den, daß die Befriedigung der Forderung in keiner Weise als Sühne für die Massenver­nichtung von sechs Millionen Juden in Europa und die Zerstörung aller jüdischen Gemeinden angesehen werden dürfe. Diese Verluste könn­ten nicht materiell ausgeglichen werden.

In einer Erklärung zu den Verhandlungen betonte der SPD-Vorstand, daß es für die Bundesrepublik darauf ankomme, einen Be­weis des guten Willens bis zur Grenze des Möglichen zu geben. Er hoffe, daß die Ver­handlungen das jüdische Recht auf Wieder­gutmachung durch das ganze deutsche Volk

bis zur Grenze des Möglichen

anerkennen, dem Staat Israel praktische Hilfe bieten und der Aussöhnung den Weg ebnen würden. Bewußt sei man sich allerdings, daß die Bundesrepublik nicht imstande sei, die den Juden zugefügten materiellen Schäden voll zu vergüten. Der SPD-Vorstand verlangte weiterhin, daß antisemitischen Erscheinungen und Exzessen entschieden entgegengetreten werde und forderte die Bundesregierung auf, Kundgebungen antisemitischer und nazisti­scher Art, auch wenn sie aus Kreisen kom­men, die der Regierung politisch nahestehen, unnachsichtlich zu verhindern oder zu sühnen.

7 Tote durch Lawinensturz

LANDECK. Sieben Arbeiter, die am Bau eines Wasserkraftwerkes bei G a 11 ü r (Tirol) beschäftigt waren, sind am Freitagmorgen von einer riesigen Lawine begraben worden und ums Leben gekommen.

Die durch Regenfälle und Tauwetter aus­gelöste Lawine stürzte mit Donnergetöse in das Larain-Tal bei dem bekannten Winter­sportort und begrub den Maschinenraum der Baustelle unter sechs Meter hohen Schnee­massen. Nach Angabe der Polizei konnten sich acht Arbeiter mit Verletzungen aus dem völ­lig zertrümmerten Holzgebäude in Sicherheit bringen, während die Toten nach stundenlan­ger Arbeit erst im Laufe des Nachmittags ge­borgen wurden.

Koalitionsgesprädie aufgenoimnen

Zwischen CDU und SPDkeine unüberbrückbaren Gegensätze Drahthericht unserer Stuttgarter Redaktion