NUMMER 31

MONTAG, 2 5. FEBRUAR 1952

Um die Senkung des Finanzbeitrags

Bonner Verhandlungen vorerst beendet / Nächste Station: Lissabon

BONN. Die deutschen und alliierten Vertre­ter auf der gemeinsamen Konferenz über den deutschen finanziellen Verteidigungsbeitrag kamen am Samstag in Mehlem bei Bonn fiber­ein, daß die deutsche Stellungnahme zu dem Gutachten derDrei Weisen" an die Nato- Konferenz in Lissabon übermittelt werden solle. Finanzsachverständige der alliierten Hohen Kommission sind draufhin noch in der Nacht zum Sonntag nach Lissabon geflogen, um den drei westlichen Außenministern die Wünsche der Bundesregierung auf Herabset­zung des vorgeschlagenen Finanzbeitrags in Höhe von 11,25 Milliarden DM nahezulegen.

Während der zweitägigen, dem Abflug der Finanzsachverständigen vorausgegangenen Konferenz hatten die deutschen Regierungs­vertreter erklärt, die Summe von 11,25 Mil­liarden DM sei für Westdeutschland politisch untragbar. Man müsse befürchten, daß bei dieser Höhe die öffentliche Meinung in der Bundesrepublik von seiten der sozialdemo­kratischen Opposition erheblich gegen einen Verteidigungsbeitrag beeinflußt werden könnte.

SPD bleibt beim Nein

Forderung von Neuwahlen wiederholt

BONN. Der Vorstand der Sozialdemokra­tischen Partei Deutschlands hat nach einer Sitzung in Bonn am Samstag erklärt,daß der Versuch, die Frage eines deutschen Verteidi­gungsbeitrages unter den überholten Mehr­heitsverhältnissen des Bundestages und gegen die Stimmen der Opposition zur Entscheidung zu bringen, eine lebensgefährliche Bedrohung der demokratischen Grundlagen unseres Vol­kes und damit eine sehr ernste Situation schaf­fen würde. Die Ablehnung eines militärischen Verteidigungsbeitrages werde auch weiterhin die Grundlage der sozialdemokratischen Poli­tik bilden, unabhängig davon, ob sich die SPD in der Opposition oder in der Regierung be­finde.

In einer Erklärung des Vorstandes werden sodann Neuwahlen des Bundestags gefordert. Das deutsche Volk muß zur Entscheidung über eine der wichtigsten Fragen seiner Exi­stenz aufgerufen werden."

Wieder SRP-Versammlungen

SPD erwartetintensivsten Wahlkampf

STUTTGART. Das württemberg-badische Innenministerium hat am Samstag das im Au­gust 1951 erlassene Verbot von öffentlichen Versammlungen der Sozialistischen Reichspar­tei (SRP) in Württemberg-Baden bis zum 9. März aufgehoben. Der SRP soll damit Ge­legenheit gegeben werden, den Wahlkampf für die Verfassunggebende Landesversamm­lung zu führen. Nach Aufhebung des Verbots Improvisierte die SRP-Leitung sofort eine Wahlversammlung in Ludwigsburg, an der etwa 200 Personen teilnahmen.

Der Wahlkampf für die Wahl am 9. März wird nach Ansicht des SPD-Pressedienstes vom Sonntag einer der kürzesten, aberver­mutlich einer der intensivsten in der Ge­schichte der deutschen Demokratie sein. Ob­wohl der Wahlausgang noch völlig offen sei, sei eintotes Rennen zwischen den beiden Favoriten, SPD und CDU, nicht ausgeschlossen. Die SPD rechnet damit, in Nordwürttemberg und Nordbaden die meisten Wahlkreise in direkter Wahl erobern zu können. Dagegen seien die Verhältnisse in Südwürttemberg und Südbaden genau umgekehrt.

Der Vorstand des Verbandes der Heimatver­triebenen in Württemberg-Hohenzollem weist in einer Erklärung darauf hin, daß der Ver­band nach wie vor parteipolitisch neutral sei. Es stehe jedem Heimatvertriebenen frei, wel­cher Partei er bei der Wahl am 9. März seine Stimme geben wolle.

Auch in der letzten fünf Stunden dauernden Unterredung mit den Hohen Kommissaren wich Bundeskanzler Adenauer nicht von diesem Standpunkt ab.

Wie weit der vorgeschlagene Finanzbeitrag nach deutscher Ansicht herabgesetzt werden sollte, ist noch nicht offiziell bekannt. Es heißt, daß Westdeutschland 10,8 Milliarden ange- boten habe. Von alliierter Seite verlautet, daß die Bundesrepublik auch weiterhin die Aner­kennung des größten Teils der Berlinhilfe als echte Verteidigungshilfe wünscht. Im Memo­randum derDrei Weisen war nur die Aner­kennung des kleineren Teils der Bundeshilfe

für Berlin, nämlich die Ausgaben für die in­nere Sicherheit, als abzugsfähig vorgeschlagen worden.

Aus Lissabon erfährt AP, daß man dem deutschen Standpunkt volle Aufmerksamkeit schenken, daß aber der französische Minister­präsident F a u r e jeder Herabsetzung des ge­planten Finanzbeitrages Widerstand leisten werde.

Für kommenden Freitag ist eine neue deutsch-alliierte Konferenz über Generalver­trag und Zusatzverträge geplant. Von deut­schen Sprechern wurde betont, daß der deut­sche Verteidigungsbeitrag endgültig erst in diesen Verträgen zusammen mit dem Vertrag über die Errichtung einer europäischen Ver­teidigungsgemeinschaft bestimmt werde, Diese Verträge erlangen erst nach Ratifizierung durch die Parlamente Gültigkeit.

Europäische Kohlenkrise

Fördersteigerung von der ECE gefordert

GENF. Der ständig steigende Mangel an Kohle werde die Expansion der westeuropäi­schen Industrie und damit die Erfüllung ihrer Rüstungsaufgabe aufs schwerste beeinträch­tigen, heißt es in einem soeben veröffent­lichten Bericht der UN-Wirtschaftskommission für Europa (ECE). Wenn es den Ländern West­europas nicht gelinge, ihre Kohlenproduktion zu erweitern und dem unwirtschaftlichen Ver­brauch des hochwertigen Brennstoffes ein Ende zu setzen, müsse Westeuropa entweder seine Industriekapazität herabsetzen oder all­jährlich zusätzlich 600 Millionen Dollar oder 2,52 Milliarden DM für den Ankauf von US-

Kohle ausgeben. Die Expansionspläne der westeuropäischen Industrie rechnen, ECE zu­folge. bis spätestens 1956 mit einem jährlichen Mehrverbrauch von 80 Millionen t Kohle; im gleichen Zeitraum werde sich der westeuropä­ische Kohlenabbau aber nur um 60 Millionen t steigern lassen. Falls, wie zu befürchten, Po­len seine Kohlenexporte nach Westeuropa bis dahin einstellen sollte, werde Westeuropa 1956 ein Kohlendefizit haben, das um 30 Millionen t größer sei als 1951. Der sicherste Schlüssel zur Lösung dieses Problems sei die drastische Erhöhung der Kohlenförderung, insbesondere in Großbritannien und an der Ruhr.

Nicht nur in Westeuropa, auch jenseits des Eisernen Vorhangs halte die Kohlenproduk­tion mit dem Verbrauch nicht mehr Schritt.

Kleine Weltchronik

Jugoslawien wünscht Zusammenarbeit. Bonn.

Der erste jugoslawische Botschafter in der Bundesrepublik, Mladen Ivekovic, sprach sich gestern in Bonn in einem Interview für eine Zu­sammenarbeit der beiden Länder auf wirtschaft­lichem und kulturellem Gebiet aus. Der Bot­schaften hatte am Samstag Professor Heuß sein Beglaubigungsschreiben überreicht.

49 000 ehemalige Berufsunteroffiziere. Bonn. Bei der Aufstellung eines deutschen Kontingents von rund 400 000 Mann für die europäische Verteidigungsgemeinschaft werden voraussicht­lich etwa 40 000 ehemalige Berufsunteroffiziere gebraucht. Diese Zusicherung hat ein Vertreter des Amtes Blank am Wochenende auf einer Kon­ferenz von 50 Vertretern der VdS/BVW-Lan- des verbände gegeben.

Studenten gegen Überführung. Marburg. Etwa 40 Studenten sprachen in Marburg den Wunsch aus, daß die Särge Friedrichs des Gro­ßen und seines Vaters Friedrich Wilhelm I. ei­nes Tages wieder nach Potsdam zurückgebracht werden können. Bei Fakelschein wurde eine Er­klärung verlesen, in der die Studenten namens der von ihnen vertretenen Vereinigungen be­dauerten,daß das Provisorium der Ruhestätte ln Marburg gegen ein neues Provisorium auf der Burg Hohenzollern in Württemberg aus­getauscht werden solle.

Antikommunisten verurteilt. Hamburg. We­gen Landfriedensbruch verurteilte am Samstag die Große Strafkammer des Hamburger Land­gerichts sechs Antikommunisten, weil sie einen kommunistischen Demonstrationszug angegrif­fen haben. Unter den Verurteilten befanden sich mehrere in Hamburger Bunkern notdürftig un­tergebrachte Flüchtlinge aus der Ostzone.

Deutsche Saarzeitung verboten. Saarbrücken.

DieDeutsche Saarzeitung, die in Bad Kreuz­nach herausgegeben wird, ist nach Bekanntgabe der Saarregierung für drei Monate im Saarland verboten worden. Als Grund wird am Samstag gesagt, die Zeitung habe fortgesetzt unwahre Behauptungen über Mitglieder der Landesregie­rung und über den Vertreter eines ausländischen Staates aufgestellt.

Maul- und Klauenseuche in Österreich. Wien.

Die Maul- und Klauenseuche hat in Österreich gegenwärtig 1379 Höfe erfaßt. Davon entfallen auf das am schwersten betroffene Oberösterreich 1302 Höfe in 194 Gemeinden.

Indonesische Regierung zurückgetreten. Dja- karta. Der indonesische Staatspräsident- karno hat am Samstag den Rücktritt des Ka­binetts Sökiman angenommen. Die Regierung hatte die Demission beschlossen, nachdem die größte Regierungspartei die mohammedani­sche Maschumi ihr am Freitag die Unter­stützung entzogen hatte.

Kampf gegen Heuschrecken. Dchidda. Die saudiarabische Regierung hat alle Nachbarländer um Hilfe im Kampf gegen riesige Heuschrecken­schwärme aufgerufen, die in 1200 km breiter Front über die Gebiete zwischen Dschidda und dem Toten Meer eingefallen sind. Ägyptische, britische, irakische und jordanische motorisierte Einheiten, die mit Spezialmitteln zur Heuschrek- kenbekämpfung ausgerüstet sind, haben sich nach dem Kgtastrophengeblet begeben.

Silber für deutsche Münze. Tampiko. Der deutsche FrachterInnstein ist mit 20 t Silber­barren für die Bank Deutscher Länder an Bord aus dem mexikanischen Hafen Tampiko ausge­laufen. Das Silber soll in Deutschland für die Münzprägung verwendet werden.

Amerika feiert Washington. Washington. In allen Teilen der USA und in der ganzen Welt feierten die Amerikaner am Freitag den 220. Geburtstag George Washingtons, des amerikani­schen Heerführers in den Unabhängigkeitskrie­gen und ersten Präsidenten der Vereinigten Staaten.

Franzosen räumen Hoabinh. Saigon. Die französischen und vietnamesischen Streitkräfte haben in Indochina den strategisch äußerst wich­tigen Straßenknotenpunkt Hoabinh, etwa 65 km südwestlich von Hanoi, den Vietminhtruppen überlassen. Sämtliche französischen Kräfte sind nunmehr in das Deltagebiet des Roten Flusses zurückgenommen worden. Hoabinh ist seit Wo­chen fast völlig abgeschnitten.

Drei Minuten Sonnenfinsternis. Khartum, Die Meteorologen sagen den 70 in Khartum ver­sammelten Wissenschaftlern ausgezeichnete Sicht zur Beobachtung der Sonnenfinsternis voraus, die heute vormittag drei Minuten lang einen 120 km breiten, von Südsibirien bis nach Äquatorialafrika reichenden Streifen der Erde für drei Minuten verdunkeln wird. Auf diese drei Minuten warten in Khartum 17 Expeditionen, um u. a. Einsteins Theorien auf ihre Richtigkeit zu untersuchen.

Pflichtveisscheruiigi.~Jirenze

Erhöhung ab 1. April beabsichtigt

BONN. Nach einem vom Bundeskabinett in den letzten Tagen verabschiedeten Gesetz über die Erhöhung der Einkommensgrenzen in der Sozial- und Arbeitslosenversicherung ist vorge­sehen, die Versicherungspflichtgrenzen folgender­maßen zu erhöhen: Bei der KrankenVersicherung von einem bisherigen Jahresgehalt von 4500 DM auf 6000 DM, bei der Rentenversicherung (Ange­stellten- und Invalidenversicherung) von 7200 DM auf 8400 DM. und bei der knappschaftlichen Ren­tenversicherung von 8400 DM auf 9600 DM. Auch die Pflichtgrenze für die Arbeitslosenversiche­rung soll von einem monatlichen Einkommen von 375 DM auf 500 DM erhöht werden. Die Bei­tragszahlung bleibt unverändert bei 4 Prozent, zur Hälfte vom Arbeitgeber und zur anderen Hälfte vom Arbeitnehmer zu tragen. Das Ge­setz, das noch der Zustimmung der gesetzgeben­den Körperschaften bedarf, geht dem Bundestag und dem Bundesrat zu; es soll bereits am 1. April in Kraft treten.

Andererseits fordert die Ärzteschaft des Bun­desgebietes gerade in diesem Zeitpunkt eine Re­form der Bestimmungen über die freiwillige Wei­terversicherung mit der Begründung, die So­zialversicherung sei für diejenigen Personen be­stimmt, die aus sozialen Gründen darauf ange­wiesen seien. Sollten auch sozial Gesicherte in den Genuß der freiwilligen Weiterversicherung kommen, so würde die damit bewirkte Ausdeh­nung des Personenkreises zwangsläufig eine Ein­schränkung der Leistungen mit sich bringen.

Schuldenabkommen mit der Schweiz

BERN. Über die deutschen Vermögen in der Schweiz sind die Verhandlungen durch Para­phierung eines Abkommens abgeschlossen wor­den. Es sieht vor, daß die Bundesrepublik den Alliierten zur Ablösung des in der Schweiz nicht angewandten Washingtoner Abkommens einen bestimmten Betrag auszahlt. Die Mittel hierfür sollen aus einem Verzicht der beteiligten deut­schen Gläubiger auf einem Teil ihrer Guthaben in der Schweiz aufgebracht werden. Außer von der Ratifizierung ist die Berner Vereinbarung noch von einem Übereinkommen über gewiss« deutsche Schuldenzahlungen an schweizerisch» Gläubiger abhängig. Man hofft, daß hierfür auf der am 28. Februar in London beginnenden Hauptkonferenz über die deutschen Vorkriegs­schulden eine befriedigende Lösung gefunden wird.

Erhöhte Steuereinnahmen

BONN. Das Gesamtaufkommen an Steuern des Bundes und der Länder betrug im Dezember 1951 2,76 Milliarden DM. Die Einnahmen aus Be­sitz- und Verkehrssteuern erhöhten sich um 17 Prozent, die Erträge aus Zöllen und Verbrauchs­steuern um 13 Prozent.

Stromeinschränkungen aufgehoben

TÜBINGEN. Die im Oktober vergangenen Jahres vom Wirtschaftsministerium Württem- berg-Hohenzollern angeordneten Stromeinschrän­kungen sind mit sofortiger Wirkung aufgehoben worden. Der Stromverbrauch unterliegt somit in Württemberg-Hohenzollern keinerlei Einschrän­kungen mehr.

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Daimler-Benz überrasdit

Preissenkung und neues Modell

STUTTGART. Die Daimler-Benz-AG. hat den Preis für ihren Diesel-Pkw Typ170 D mit Wir­kung vom 25. Februar 1952 um 475 DM auf 8 950 DM ermäßigt. Gleichzeitig wurde bekannt, daß der Mer- cedes-Benz-Diesel-Pkw in Kürze auch in einem neuen Gewände, und zwar mit Fahrgestell und Ka­rosserie des Typ170 S unter der Bezeichnung 170 DS als Fahrzeug für erhöhte Ansprüche zum Preise von 10 800 DM herausgebracht wird. Neu ist am170 DS die Hinterachse mit Hypoid-Antrieb, eine um 15 mm breitere Spur sowie ein um 60 mm vergrößerter Abstand zwischen Vordersitz-Rücken­lehne und Fondsitz-Vorderkante. Neu ist weiterhin, daß das vollsynchronisierte Vierganggetriebe vom Lenkrad aus geschaltet wird. Der Vier-Zylinder- Dieselmotor wurde unverändert vom170 D über­nommen.

Das Unternehmen weist darauf hin, daß ange­sichts der hohen steuerlichen Belastungen, des Fein- bleehmangels und der steigenden Tendenzen von Löhnen und Rohstoffpreisen erheblicher Mut zu einem solchen Entschluß gehört. Die ständig stei­gende Produktion desUnimog-Vielzweck-Fahr- zeugs, das mit dem gleichen Motor ausgerüstet ist, sowie die vielseitige stationäre Verwendung des klei­nen, schnellaufenden Dieselmotors hätten mit den steigenden Produktionszahlen eine rationellere Fer­tigung und einen gewisesn Ausgleich ermöglicht.

IIEBKROMAN AUS CHINA VON ANITA HUNTER

Copyright by Hamann-Meyerpres» (20. Fortsetzung)

Nur zwei Männer waren in dem großen Saal, ln dem trotz des warmen Wetter* draußen im Kamin ein offenes Feuer loderte. Auf einem niederen Tisch, dessen riesige, ovale Platte aus einem einzigen Jadestein gearbeitet war, standen die kleinen, hauch­dünnen Teetassen.

Der Mandarin schenkte seinem Gast selbst den grünlichen Trank ein. Es war Tee, wie ihn nur Auserwählte trinken durften, ge­sammelt auf den eigenen Plantagen des Man­darins. Die Blätter wurden nicht getrocknet, sondern frisch aufgebrüht, und deshalb war der Tee auch nicht goldgelb, sondern hell­grün. Sein Duft füllte den Raum.

Mit langsamer, beinahe feierlicher Geste reichte der Mandarin seinem Gast die Tasse ohne Henkel, die wie ein Blütenblatt auf der feinen Untertasse stand.

Professor Ashley wußte, daß diese Teezere­monie nicht gestört werden durfte. Er nahm die Tasse mit einer tiefen Verbeugung, trank ein paar Schluck und stellte sie mit einer tiefen Verbeugung des Dankes wieder auf den Tisch zurück.

Er mußte im stillen seinen Freund bewun­dern. Diese Asiaten hatten eine Lebensform, um die die Europäer sie beneiden konnten. Professor Ashley wußte, wie es im Herzen dieses Mannes, der da so still und würdig j^or ihm saß, aussah. Er wußte, daß Huang

Yu seinen Sohn liebte wie nichts auf der Welt. Und doch wahrte er die Formen, er klagte nicht, er ereiferte sich nicht. Er reichte mit derselben ruhigen Geste die Teetasse wie Immer. Vielleicht war das Gesicht noch ein wenig starrer, vielleicht traten die breiten Backenknochen noch deutlicher hervor als früher sonst merkte man nichts.

Huang Yu trug die malerische Tracht der hohen Mandarinen. Ein leuchtend blauer Mantel aus schwerer Seide fiel faltenlos bis zu den Knien herab. Der hohe, enge Kragen war mit purpurnen und goldenen Fäden be­stickt. Auf dem Kopf thronte eine sechseckige Mütze mit einer schweren Goldquaste, die bis auf die Schultern herabhing. Die Beine steckten in engen, schwarzen Seidenhosen, und an den Füßen trug der Mandarin Pan­toffeln, die mit echten Edelsteinen bestickt waren und hohe Absätze hatten.

Wie lange kann es dauern, bis dein Bote wieder zurück ist, Huang Yu? fragte Pro­fessor Ashley und stand auf. Er konnte nicht mehr sitzen bleiben, die, Spannung war zu groß.

Der Mandarin hob den Kopf und folgte dem Freund mit den Augen. Er liebte diesen alten, weißhaarigen Mann, der seinen Sohn geheilt hatte. Er wußte ganz genau, daß er keinerlei Schuld hatte. Noch heute hatte Professor Ashley die Folgen des schweren Malariaanfalles nicht ganz überwunden. Aber er war unverzüglich zu ihm geeilt, um zu helfen, soweit es ihm nur möglich war.

Er müßte heute kommen, sagte Huang Yu langsam,es Ist mein zuverlässigster Mann. Ich bin sicher, daß er heute kommt.

Und ich bin sicher, daß Sir Oliver Per- sham, ich meine Wu Tang, wie ihn die Chi­nesen nennen, mitkommt. Er wird uns seine Unterstützung nicht versagen. Wu Tang liebt China und sein Volk.

Der Mandarin hob die Hand.

Du brauchst nichts weiter zu sagen, Pro­fessor. Huang Yu redete seinen Freund auf diese seltsame Weise an. Er wollte, indem er ihm trotz des vertraulichen Du den Titel gab, seine Verehrung ausdrücken. Und Professor Ashley lachte nicht mehr über diese seltsame Form, er verstand sie.

Du brauchst nichts zu sagen, Professor, ich kenne Wu Tang. Wir alle kennen ihn. Er ist Engländer, aber sein Herz schlägt für den gelben Mann. Er hat unendlich viel für uns getan. Er wird helfen, und wir werden sei­nem Rat folgen, denn er ist klüger als alle. Aber Yen Sei, mein Kind, Professor! Wer wird ihn pflegen?

Professor Ashley hielt in seiner Wanderung inne. '

Schwester Jennifer ist bei ihm. Ich kenne sie. Sie liebt Yen Sei, sie wird alles für ihn tun, wenn nicht . . .

Er brach ab, er konnte es nicht über sich bringen, zu denken, was mit Jennifer ge­schehen war. Eine weiße Frau in den Händen chinesischer Banditen 1

Ich werde sie fürstlich belohnen, alle Schätze, die sie haben will, lege ich ihr zu Füßen, wenn sie mir meinen Sohn lebend wiederbringt. Sieh hier, Professor, diese Kette aus Rosenquarz und Diamanten füge ich um ihren Hals, wenn sie mir Yen Sei bringt."

Der Mandarin hatte ein Kästchen geöffnet und nahm die Kette heraus, ein Wunderwerk chinesischer Juwelierkunst.

Professor Ashley ließ die Kette durch seine Hände gleiten. Er stellte sich Jennifers süßes Gesicht vor, wie es aufleuchten würde, wenn man ihr diese Kette um den schmalen Hals legen würde. Jennifer, die er lieben gelernt hatte wie seine Tochter, und die gerade in diesen Minuten in tödlicher Gefahr schwebte.

Wir müssen deinen Sohn und Jennifer fin­den. Ahnst du noch immer nicht, wer die Bei­

den geraubt haben kann? Sind noch keine Forderungen um Lösegeld an dich gestellt worden, Huang Yu?"

Der Mandarin schüttelte den Kopf.

Nein, es war noch kein Bote hier. Dann wäre ja auch alles einfacher. Lösegeld? Wie lächerlich! Man hält den Boten fest und preßt unter Tortur aus ihm heraus, wo sich das Kind befindet. Und dann werden meine Männer aus- ziehen, um es zu befreien.

Professor Ashley schwieg. Hier sprach wie­der der Asiate aus Huang Yu. Tortur, das war wohl kaum die richtige Methode, um etwas zu erreichen. Aber er wollte sich jetzt nicht auf Diskussionen einlassen.

In diesem Augenblick wurden draußeft Stimmen laut. Die beiden Männer hoben den Kopf und lauschten. Rasche Schritte kamen näher, sie hörten die Wache vor der Tür ein paar Worte sagen, dann schlugen die Türen auseinander.

Auf der Schwelle stand ein Chinese, und neben ihm ein junges Mädchen und eine alte Frau.

Die beiden Frauen verneigten sich ehrfürch­tig vor dem Mandarin und blieben im Hinter­grund stehen.

Huang Yu sah den Chinesen an. Der Mann hielt seinem Blick stand, er führte grüßend die Hand an die Stirn und legte dann dis Arme über Kreuz, indem er sich tief verneigt*.

Ich bin zurück, oh Herr."

Der Mandarin machte eine kurze, herrisch# Handbewegung. Er war jetzt ganz der sou­veräne Herrscher, der asiatische Fürst. Er stand hochaufgerichtet ln seiner malerischen, buntfarbenen Tracht.

Du kommst allein, Shang?

Ich komme allein, Herr. Ich komme ohnfi den, auf den du wartest!

(Fortsetzung folgt!'