HEIMATBLATT FÜR

STADT UND LAND

MONTAG. 24 . DEZEMBER 1951 ÜBERPARTEILICHE TAGESZEITUNG 7 . JAHRGANG / NR. 201

Christ der Retter ist da

Ehre Gott in der Höhe - Friede den Menschen auf Er­den! So klingt und singt, so hallt und schallt, so rauscht und tönt es in diesen Weihnachtstagen durch die Welt: aus Stuben und Kammern, aus Kirchen und Domen, aus Par­lamenten und Konzerthäusern, im Blätterwald der Presse und über die Ätherwellen aus den Senderäumen aller Kon­tinente.

Demnach müßte es gut bestellt sein um den Willen, die Botschaft von Bethlehem allüberall zu hören.

Zu den Worten der Prediger und Dichter und zu den Weisen der Musiker und Komponisten gesellen sich die Bildwerke der Maler und Plastiker, von den schlichten Krippenmachern ohne Namen bis zu den genialen Mei­stern aller Zeiten und Völker.

Da möchte man wieder meinen, es wäre gut bestellt um die Aufnahme des Weihnachtsevangeliums in aller Welt.

Und nun gar noch das Titelbild die­ser Festausgabe. Es ist gemalt von dem Kölner Meister Stephan Lochner, der wohl aus Meersburg am Bodensee stammt - und dessen joo. Todestag wir eben erst begangen haben. Wenn w ir hinter dem schlichten Schwarz­weiß noch die prachtvolle Farbigkeit des Originals schimmern sehen, das Gold und Blau und Rot und Grün, das Funkeln der Edelsteine und die paradiesische Buntheit der Engelsflü­gel - und über der Madonna mit dem Kind Gott Vater selbst und den Hei­ligen Geist, dann leuchtet und strahlt, dann jubelt und jauchzt es uns zu:

Ehre Gott in der Höhe und Friede den Menschen auf Erden.

Aber - dieses Aber von vielen Men­schen heute mitten unter uns ist ernst zu nehmen - aber das war einmal. . . so schön wie im Märchen, aber auch so wenig wirklich und so wenig zu ver­wirklichen in dieser Welt, wie sie nun einmal ist.

Ist nicht das Wort vom Frieden auf Erden wie ein Hohn auf die heutige Weltlage? 7 Jahre werden es bald sein, daß die Großen dieser Erde sich um den Frieden mühen. Das Ergebnis ist der heiße und der .kalte Krieg in aller Welt.

Was Wunder, wenn da Denker und Dichter dem Menschen von heute seine Verlorenheit und Geworfenheit, seine Verlassenheit und die Sinnlosigkeit seines Daseins bescheinigen; gewiß auch seineFreiheit. Aber diese Art der Bindungslosigkeit erzeugt nur die entsetzliche Angst, in der wir leben: die Angst vor dem dritten, vielleicht letzten, Weltkrieg, vor der Atombombe, vor den Sowjets, vor der Steuerlast, vor dem Daseins­kampf, vor sich selber.

Mitten hinein in diese Angst, ja wie unbekümmert um sie, verkündet die Kirche ihr Evangelium: Ehre Gott in der Höhe! Das kommt zuerst. Darauf kommt es an. Das wird meist übersehen. Denn nur dann wird auch das zweite wahr: Friede den Menschen auf Erden.

Die Botschaft ist an Weihnachten 1951 so neu und so modern wie auf dem Hirtenfeld von Bethlehem. Die litur­gischen Texte reden eindeutig: Heute sollt ihr wissen, daß der Herr kommt. Heute hat sich der König des Himmels gewürdigt, für uns aus einer Jungfrau geboren zu werden. Heute träufeln die Himmel von Honig. Heute ist die wahre Freude vom Himmel herabgestiegen. Heute ist

Christus geboren, heute ist der Erlöser erschienen, heute singen die Engel und jauchzen die Erzengel, heute jubeln die Gerechten voll Freude: Ehre sei Gott in der Höhe.

Christi Geburt ist nicht nur eine zeitgeschichtliche, sie ist vielmehr eine heilsgeschichtliche Tatsache. Jede Zeit ist Christi Zeit und Christus ist der Herr auch unserer Zeit.

So wie Er damals in eine verlorene, verzweifelte Welt kam, als dieFülle der Zeit gekommen war, so kommt Er alle Jahre und heute wieder in eine Welt des Advents, die, ohne es zu wissen, doch auf Seine Geburt wartet, die fast auf dem Nullpunkt angelangt, eben darum großer

Verheißungen würdig werden kann. Was der Engel damals verkündet, das gilt heute wieder: Habt keine Angst! Fürch­tet euch nicht!

Vielleicht sind auch viele dieser verängstigten, scheinbar gott-losen Menschen gott-näher als sie selber glauben. Denn sie sind Wartende, Sehnsüchtige, dennoch Hoffende.

Und das Reich Gottes ist nicht reif zum Untergang in dieser Welt. Das Blut der zahllosen Märtyrer auch unserer Zeit bürgt dafür und eine neue und tiefe Gläubigkeit, eine starke missionarische Kraft, wie das Erwachen und Erstar­ken des sozialen Gewissens.

Unser Abendland ist heute nicht zum erstenmal bedroht. Wie oft schon raste der Sturm aus dem Osten heran. Im­mer wieder wurde er abgewiesen, vor Paris, vor Rom, vor Augsburg, vor Wen, vor Belgrad. Immer wieder wird die Menschheit geschüttelt von Todesängsten, in der Völker­

wanderung, um das Jahr 1000 nach Christi Geburt, am Ende des Mittelalters und nun wieder, am Ende derNeu­zeit.

Wir glauben und hoffen, daß der Tiefpunkt überwun­den wird und ein Neues heraufsteigt

Das Steigende ruf ich, Kind, höre das Wort!

Das Graue vergilbt und das Alte verdorrt,

Aus Schleiern und Nebeln hebt es sich klar:

Es mehrt sich das Licht Die Jungfrau gebar.

Werner Bergengruen

Nicht die Dämonie der Technik, nicht die sozialen Nöte und nicht die politische Lage sind die Ursache des Unheils. Sie liegt tiefer. Sie liegt in unserem Versagen und Verzagen, in unserem Fehlen und Fallen, in der Sünde. Die selbstverschuldete Blind­heit, der Trotz, das Zuschlägen der Fensterläden vor dem Licht, das in diese Welt kommt, der Stolz, der die Knie nicht beugen will vor dem menschgewordenen Gotteskind ist schuld daran, daßdie wollenden Tauben und Blinden Seine seligen Spuren noch heute nicht finden, daß schon die Weihnachtspredigt im Jo­hannesprolog einen so wehmütigen Klang hat: Er kam in Sein Eigentum, aber die Seinigen nahmen Ihn nicht auf . . . Das Licht leuchtete in der Finsternis, aber die Finsternis hat es nicht begriffen, daß der Weihnachts­prediger Augustinus im 4. Jahrhun­dert sich trifft mit der Anklage gegen das heutige Geschlecht: Gott hat sich erniedrigt und der Mensch ist noch stolz (Sermo 142, 6).

Leider nicht stolz auf die über alles Begreifen hohe Gabe Gottes in seinem Sohn, sondern stolz auf seine Vernunft, seine Selbstherrlichkeit, die es ihm anscheinend verwehrt, sein Sün­derelend vor dem Christkind zu be­kennen.

Doch es ist Advent bis zur Ankunft des Herrn auf den Wolken des Him­mels.Aber immer wieder geht der Erlösung voran die Demut der Bereit­schaft, dem Aufbruch aus der Höhe *das Ja der Kreatur (Gertrud von ,Le Fort).

Die Weihnachtspredigt, die der heu­tige Mensch versteht, ist das Wort, und noch mehr die Tat der Liebe. Aus Liebe ist Gottes Sohn ein Menschen­kind geworden. Durch unsere tätige Liebe muß Gern offenbar, transoarent, sichtbar werden. Wenn die Liebe allen Stoff und alle Kraft der Welt beherrschte, wenn die Menschen sich in der Liebe Christi einigten, dann würden sie die Erdengüter recht ver­walten, die Menschenwürde ehren, die Menschenrechte ach­ten, mit den Armen das Brot, mit den Frierenden den Mantel, mit den Heimatlosen das Haus teilen. Erst wenn wir Christen in allen entscheidenden Lebensbereichen Chri­stus zu einer neuen Menschwerdung verhelfen, wird die menschliche Not in der Welt gewendet und eine neue Welt uns sicher sein.

Nehmt Thn doch auf!

Bereitet Ihm, ihr alle, Weib und Mann,

Den Ort, wo Seine Mutter ihn betten kann.

Prälat Sedlmeier

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Stephan Lochner: Die Madonna im Rosenhag im Dom zu Köln