alroccffritung
HEIMATBLATT STADT UND LAND
üBERPABTEIL I C H E TAGESZEITUNG
MITTWOCH, 14. NOVEMBER 1951
7. JAHRGANG / NR. 178
Erste Außenministerkonferenz mit der Bundesrepublik
Hallstein verhandelt an Stelle von Adenauer Uber europäische Armee Drahtbericht unserer Bonner Redaktion
BONN. Bereits morgen werden die Außen- minister der an den Verhandlungen Aber die europäische Armee beteiligten Staaten zu einer ersten Konferenz Zusammenkommen, zu der auch Bundeskanzler Dr. Adenauer eingeladen worden war. Da der Bundeskanzler jedoch auf Grund der deutsch-alliierten Vertrags- Verhandlungen in dieser Woche von Bonn unabkömmlich ist, wird Staatssekretär H a 11 - stein in seiner Vertretung die Leitung der deutschen Delegation in Paris übernehmen.
Die ständige Delegation bei den Plevenplan- Verhandlungen wird den Staatssekretär dabei unterstützen. Der Bundeskanzler selber wird erst am 21. November zu der vorgesehenen Konferenz mit Acheson.Edenund Schu- m a n nach Paris fahren.
Politische Kreise Bonns werten die Tatsache, daß sich der Bundeskanzler am Donnerstag durch Hallstein vertreten läßt, als einen Beweis für die Bedeutung, die der nächsten Zusammenkunft mit den Hohen Kommissaren beigemessen wird. Der Bundeskanzler ist offensichtlich bemüht, die Gespräche mit den Außenministern am 22. November auf der Grundlage einer wesentlichen Einigung mit den Hohen Kommissaren beginnen zu können. Schließlich dürfte auch die heute stattfindende Bespre
chung mit dem Vorstand des DGB vom Bundeskanzler als so sehr wichtig beurteilt werden, daß er Staatssekretär Hallstein mit der Vertretung in Paris beauftragte.
Keine neuen Ausgaben mehr
MÜNCHEN. Bundesfinanzminister Schäf- f er erklärte am Montag in München, die Zeit der Ausgabenbewilligung sei zu Ende und schon vorgesehene Ausgaben müßten gestrichen werden, nachdem Aufwand- und Autobahnsteuer vom Bundestag bzw. Bundesrat abgelehnt worden seien. Auch wenn man das Steueraufkommen der Bundesrepublik „mit fröhlichem Wagemut“ einschätze, bleibe im Haushalt eine Lücke, die nur durch Einsparungen zu schließen sei, wenn eine Inflation vermieden werden solle. Dem Ausland hätte bewiesen werden müssen, daß das deutsche Volk bis an die Grenze seiner steuerlichen Kraft gehe.
Sein Ziel sei es gewesen, die Bundesrepublik in die Lage zu versetzen, daß sie einen Verteidigungsbeitrag leisten könne, ohne dem Volk neue Steuern aufzubürden. Dieses Ziel werde sich nun vielleicht nicht mehr erreichen lassen.
Vom 20. bis zum 40. Breitengrad, also von Marokko bis Kaschmir, reiht sich ein Gefahrenherd an den anderen, so daß man heute von einem „Unglücksgürtel“ spricht. Diese Zone der islamischen Welt ist in Bewegung geraten. Es kann leicht eine Tragödie daraus werden, wenn der Westen nicht einen Weg findet, um die Zusammenarbeit mit diesen Ländern neu zu gestalten.
AFGH,
IRAK
SAUDI-'C
ARABIEN
Bemerkungen zum Tage
Weg und Ziel
Deutschlandfrage auf (JN-Tagesordnung
Ost-West-Kontroverse über Wahlkommission / Sowjetsatelliten überstimmt
PARIS. Bevor der Westmächteplan Uber die Einsetzung einer UN-Kommission zur Prüfung der Voraussetzungen für gesamtdeutsche Wahlen gestern in der Sitzung der UN-Vollver- ■ammlung in Paris auf die Tagesordnung gefetzt wurde, kam es zu scharfen Ost-West- Debatten über diesen Punkt. Als erster wendete sich der sowjetische Außenminister W y - «chinski gegen den Plan. Er stelle einen glatten Vertragsbruch dar, denn Artikel 107 der UN-Satzung besage, daß ehemalige Feindgebiete nicht unter die Zuständigkeit der Vereinten Nationen fallen. Man müsse die Abhaltung freier Wahlen den Deutschen selbst überlassen. Eine Kontrolle sei eine Beleidigung für die politische Reife des deutschen Volkes. Ihm erwiderte der britische Delegationschef Sir Gladwyn J e b b. daß die Einsetzung einer UN-Untersuchungskommission eine notwendige Vorstufe zur Durchführung wirklich freier Wahlen in Deutschland sei.
Eine unerwartete Unterstützung fand der Vorstoß Wyschinskis bei dem israelischen Außenminister Scharett. Er führte aus, jeder Versuch, den Wiedereintritt Deutschlands in die Gemeinschaft der freien Völker zu beschleunigen, stelle eine Beleidigung des Andenkens der jüdischen Märtyrer dar.
Unter den 64 gestern angenommenen Punkten der Tagesordnung befinden sich außer der UN-Kontrolle gesamtdeutscher Wahlen auch die beiden Abrüstungsvorschläge des Ostens und des Westens, weiter die Behandlung einer jugoslawischen Beschwerde über die Sowjetunion und eine nationalchinesische Beschwerde über sowjetische Aggressionen.
Der deutsche Beobachter bei der UN-Voll- versammlung, Ministerialdirekor Herbert Blankenhorn, begrüßte die Aufnahme der Deutschlandfrage in die Tagesordnung als „außerordentlich wichtige Etappe“ auf dem Wege der Bundesrepublik. Er sei sehr zufrieden darüber, daß das Deutschlandproblem in einer so überwältigenden Mehrheit auf die durch die UN repräsentierte „höchste internationale Ebene“ gebracht worden sei.
Höhepunkt der Montagsitzung der Vollversammlung war die Rede des neuen britischen
Peron wiedergewählt
Opposition verlor 30 Sitze BUENOS AIRES. General Juan Peron ist «ir eine weitere Amtsperiode von sechs Jahren zum argentinischen Staatspräsidenten gewählt worden. Außer dem Präsidenten und dem Vizepräsidenten wurden am Sonntag in Argentinien 149 Abgeordnete und Provinzialbeamte und 30 Senatoren gewählt. Das endgültige Wahlergebnis wird erst in etwa zehn Tagen vorliegen. Wahlberechtigt waren rund sechs Millionen Personen, darunter erstmalig «uch die Frauen. Die Wahlbeteiligung belief “<h auf rund 90 Prozent. Die Oppositionsparteien, Radikale Sozialisten, Kommunisten, Konservative und vier Splittergruppen, hatten •cht Kandidaten für die Präsidentschaft aufgestellt, von denen jedoch nur der Führer der Radikalen gewisse Chancen hatte. Nach dem letzten vorliegenden Zwischenergebnis führt Reron mit 4 457 891 gegen 2 456 198 Stimmen, teines Gegners Baibin. Während es im Wahlkampf zu verschiedenen Zusammenstößen kam, verlief der Wahltag selbst ruhig.
Außenministers Anthony Eden, bei der vor allem die gemäßigte Tonart beachtet wurde. Eden setzte sich- für die Annahme der Abrüstungsvorschläge des Westens ein und empfahl der Vollversammlung, dem Vorschlag Bundeskanzler Dr. Adenauers auf Bildung einer UN-Kommission zur Prüfung der Voraussetzungen für gesamtdeutsche Wahlen zuzustimmen. Weitere Schritte zur Festigung des Weltfriedens seien die Lösung des Koreaproblems, der Abschluß des österreichischen Staatsvertrags und die Aufnahme Italiens in die Vereinten Nationen.
Die gemäßigte Atmosphäre, die die Eden- Rede am Montagvormittag ausgelöst hatte, wurde am Nachmittag durch Angriffe des polnischen Delegierten Wierblowski auf die USA und Großbritannien wieder durchbrochen. Wierblowski beschuldigte die USA in schärfster Form der Kriegstreiberei. Vorher hatte der griechische Delegierte P o 111 i s die gegenwärtige Lage als alarmierend bezeichnet.
cz. Der Briefwechsel Schumacher-Adenauer zeigt einmal mehr, wie kompliziert das gesamtdeutsche Problem ist, da schon im demokratischen westdeutschen Lager derartige Meinungsverschiedenheiten bestehen, obwohl doch in den entscheidenden Bundestagsitzungen vom 9. März und 27. September weithin Einhelligkeit vorhanden war. Dabei wird niemand bezweifeln wollen, daß sowohl der Bundeskanzler, der allein schon auf Grund seiner Position als Regierungschef des einen Teils von Deutschland wie als Vorsitzender der stärksten Partei dazu angehalten ist, die Wiedervereinigung Deutschlands voranzutreiben, als auch der Führer der Opposition sich in der skeptischen Beurteilung der Situation Weitgehend einig sind. Die Meinungsverschiedenheiten Schumacher- Adenauer liegen in der Frage des richtigen Weges. Adenauer will jede erdenkliche Sicherheit im voraus einbauen, während Schumacher weit mehr auf den Sieg der Demokratie bei eventuellen gesamtdeutschen Wahlen vertraut - rein parteipolitische Erwägungen einmal außer acht gelassen - und vor allem der Bundesrepublik die Initiative in der gesamtdeutschen Frage sichern will. Das meiste sind Formulierungsunterschiede. Nicht zu verkennen ist, daß der von der Bundesregierung vorgeschlagene „Länderausschuß“ tatsächlich zu einem Hemmschuh werden könnte. Hier setzt auch die scharfe Kritik des Königsteiner Kreises ein, der maßgeblich an der Ausarbeitung des Wahlgesetzes beteiligt war. Von dieser Seite wird sehr eindeutig darauf aufmerksam gemacht, daß zu weitgehende Forderungen den sowjetzonalen Machthabern die Aufgabe ihrer Position erschweren könnten, also die Lage nicht verbessern würden. Argumente über Argumente, ein unerschöpfliches Thema. Auch wir maßen uns nicht an, zu entscheiden, welcher Weg der richtige ist, sind aber in jedem Falle der Meinung, daß nichts, aber auch nichts unversucht bleiben darf, zu einem einzigen, demokratischen Deutschland zu kommen.
Schickt uns Kanadier...
hf. So meinte ein in Bonn vom Problem der Besatzungskosten arg gepeinigter Mann, als jetzt Kanada eine neue Brigade in die Bundesrepublik kommandierte und dabei feststellte, daß diese Brigade zur Verstärkung des Atlantikpaktes komme und folglich von Kanada selbst unterhalten würde. In Bonn sah man in dem damit verbundenen Status der kanadischen Einheit fast den Auftakt zur praktischen Verwirklichung der deutschen Gleichberechtigung. Aber die Freude und der oben zitierte Stoßseufzer waren kaum laut geworden, als der Hochkommissar der britischen Regierung, Sir Ivone Kirkpatrick, gegen eine so konsequente Anerkennung deutscher Gleichberechtigung seine Einwände geltend machte. Die Kanadier sollen keineswegs sofort bereit gewesen sein, diese Einwände anzuerkennen, so vorteilhaft die Unterhaltung durch Besatzungskosten sicher in jeder materiellen Hinsicht gewesen wäre. Kanada liegt eben sehr weit von Europa und es ist ein Land, dem jede ausschließlich machtpolitische Aktion nicht weniger fern liegt, und so dachte man in Ottawa sicherlich, nun, wenn die Bundesrepublik vor der Gleichberechtigung steht, dann ist es an der Zeit, daß wir unsere Atlantik-Pakt-Bri- gade, unsere Sicherheitstruppen in Europa nicht von den Deutschen unterhalten lassen. Sie bringen für unseren Kontinent zuviel der praktischen Vernunft mit, sehr verehrte Herren aus Kanada! Hier spricht man seit Jahr und Tag stündlich von der Gleichberechtigung, aber niemand weiß, ob und wie weit und wann das ernst gemeint sein wird.
Unwetter fordern 140 Todesopfer
Katastrophen in ganz Südeuropa / Stürme und Überschwemmungen
ROM. In ganz Südeuropa hat eine Unwetterfront schwere Verwüstungen angerichtet. In Italien folgte am Montag eine Katastrophenmeldung der andern. Die seit drei Wochen über Italien tobenden Stürme und außergewöhnlich starken Regenfälle forderten bis Montagabend rund 140 Todesopfer, deren Zahl sich nach Abschluß der Ermittlungen noch erhöhen dürfte. Der Po, Italiens größter Strom, steigt unaufhörlich weiter an, und zwar mit einer Geschwindigkeit von 10 cm in der Stunde und droht die Uferdämme zu durchbrechen. Eine Sesiabrücke bei Romagno stürzte in die Tiefe. Auf der Strecke Mailand— Domodossala raste ein vollbesetzter Personenzug hinter einem Tunnel in eine Erdlawine und entgleiste. Elf Personen wurden zum Teil schwer verletzt, ln Mailand und Umgebung richteten Windhosen und Wolkenbrüche schwere Schäden an. Autos wurden vom Sturm umgeworfen, Dächer abgedeckt, Bäume entwurzelt und Lichtmasten wie Streichhölzer geknickt. Im Herzen der Stadt brach eine Brücke unter der Wucht des Sturmes zusammen.. In Venedig, wo der gesamte Verkehr stillsteht, wurden die schwersten Überschwemmungen seit 1917 registriert.
Über die italienische Hauptstadt tobt ebenfalls seit gestern ein mit über 100 km/std da- dahinrasender Sturm. Auch hier wurden Schornsteine umgerissen und Dächer abgetragen. Ungeheuere Gegenwinde haben den Bahnverkehr auf der Küstenstraße Genua—Savona lahmgelegt. Zum ersten Male seit 20 Jahren hat sich der Meeresspiegel der Adria einen Meter über den normalen Stand gehoben. Von einer gewaltigen Flutwelle wurden mehrere Dörfer im Gebiet von Triest überschwemmt.
In der Südschweiz wurde ein Gleis der Gotthardtbahn verschüttet, als ein durch die Regengüsse ausgelöster Erdrutsch bei Airolo auf die Bahnstrecke niederging. In Kärnten wurde am Montag als Folge der Überschwemmungen im Tal der Drau und der Gail der Notstand erklärt. Bei Kötscha und Mauthen rissen die
Fluten der stark angeschwollenen Flüsse fünf Brücken fort und beschädigten Gebäude und Teile der eingebrachten Ernte. Aus Lugano wird gemeldet, daß das Wasser aus Straßenschächten in Fontänen herausschießt.
„Wie nachträglich noch bekannt wird, ist der Verkehr auf der Simplon-Bahn durch einen schweren Erdrutsch auf italienischem Boden auf unbestimmte Zeit unterbrochen. Auch die Paßstraße über den Simplon ist verschüttet.
Weltbanbanleihe für Persien
WASHINGTON. Die Weltbank hat der persischen Regierung einen Kredit in Höhe von 8 750 000 Dollar gewährt, um die durch den Wegfall der Öltantiemen entstandene Finanzkrise zu beheben. Die Summe stellt das Maximum dar, das Persien innerhalb eines Jahres von der Weltbank abheben kann.
Erhöhung der Altbaumieten
Beschluß des Bundeskabinetts
BONN. Das Bundeskabinett hat am Dienstag den Gesetzentwurf über die Altbaumieten verabschiedet. Der Entwurf sieht eine Erhöhung der Mietsätze um zehn Prozent vor. Das Gesetz soll am 1. April 1952 in Kraft treten. Von der Erhöhung sind nur Mieten in Häusern betroffen, die vor dem 1. April 1924 gebaut wurden.
Der Entwurf bedarf noch der Zustimmung des Bundesrats und des Bundestags. Noch am Dienstagvormittag wurde der Kabinettsbeschluß dem in Bonn tagenden Verband der Haus- und Grundbesitzer durch einen Boten des Bundeskanzleramtes zugestellt. Bei Verlesung des Beschlusses kam es zu erregten Debatten. Der Verband hatte eine Mieterhöhung um 20 Prozent verlangt.
Mindestens 21 Tote
EVANSTON (Wyoning). Bei einem schweren Zugunglück, das sich am Montag in dichtem Schneegestöber in den Rocky Mountains ereignete, sind nach letzten Meldungen mindestens 21 Menschen ums Leben gekommen. Sechs werden noch vermißt. Der Union-Pazific- Stromlinien-Expreß „City of San Francisco“ raste auf den auf der gleichen Strecke stehenden „City of Los Angeles“.
Rettungskommandos mit Schneidbrennern und Lastkränen versuchten fieberhaft, das Stahlknäuel zu entwirren, um die Vermißten möglichst noch lebend zu bergen
Churchill fährt im Januar nach USA
Enge Zusammenarbeit und Milliardenanleihe Hauptziele der Reise
LONDON. Premierminister Winston Churchill wird sich „in den ersten Tagen des Januar“ zur Besprechung mit Präsident Tru- man nach Washington begeben, wurde am Montag offiziell bekanntgegeben. Außenminister Eden, Commonwealthminister Lord I s - may und Generalzahlmeister Lord Cher- well, dem das britische Atomenergieprogramm untersteht, werden Churchill begleiten.
Vor dem Unterhaus erklärte der britische Premier, die Möglichkeit eines Treffens auf höchster Ebene mit T r u m a n und Stalin sei „nicht ausgeschlossen“. Im Augenblick bestünden jedoch keine Pläne für eine derartige Zusammenkunft, doch könnte sich eine Möglichkeit dazu ergeben, sobald die Verhältnisse sich gebessert hätten, was dahingehend ausgelegt wird. doR rr an e j n Treffen den'-t
In amerikanischen Regierungskreisen erwartet man. daß Churchill bei seinem Besuch in Washington folgende Punkte vortragen wird: engere Zusammenarbeit zwischen den USA und Großbritannien, vor allem durch häufigere Besprechungen zwischen Truman und Churchill sowie den Außenministern beider Länder; wesentliche finanzielle Unterstützung Großbritanniens durch die USA, vermutlich in Form einer Milliardenanleihe und stärkere Beachtung des britischen Standpunkts in der gemeinsamen Außenpolitik. Daraus, daß Lord Cher- well mitfährt, wird geschlossen, daß Churchill die Zurverfügungstellung der amerikanischen Versuchsfelder für britische Atomexperimente erreichen wolle, zumal seit Monaten bereits davon die Rede sei, daß eine britische Atombombe 7ur F!yr»1oc?nn r, chrn^’'' 4 - o'-»