Nicht in Krieg hineintaumeln

Churchill Anfang Januar nach Washington

LONDON. Premierminister Churchill sprach auf einem Bankett des Londoner Ober­bürgermeisters die Befürchtung aus, daß die beiden großen Gegner in Ost und West in einen Krieghineintaumeln oder sich gegen­seitig hineinziehen könnten, ohne es zu wol­len. Er entwarf das Bildzweier gewaltiger, mit furchtbaren Waffen ausgerüsteter Mächte, die einander über einen Abgrund hinweg an­bellen, den keiner zu überschreiten wünscht oder wagt.

Der Friede beruhe heute hauptsächlich auf den amerikanischen Anstrengungen gegen eine kommunistische Aggression. Ein Zehntel die­ser Kraftanstrengungen hätte genügt, um da­mals den zweiten Weltkrieg zu verhindern.

Nach letzten Informationen aus Washington wird Churchill Anfang Januar in der ameri­kanischen Hauptstadt erwartet. Es wird als sicher angenommen, daß er eingeladen wird, vor beiden Häusern des Kongresses zu spre­chen. Man erwartet, daß Churchill engere Partnerschaft zwischen den USA und Groß­britannien, eine stärkere gemeinsame Außen­politik und Schritte zur Besserung der Bezie­hungen zwischen den Westmächten und der Sowjetunion zur Diskussion stellen will. Unter engere Partnerschaft dürfte auch ein briti­sches Gesuch um amerikanische Finanzhilfe zur Unterstützung des Aufrüstungsprogramms fallen.

Weimarer Wahlgesetz als Basis

BERLIN. Der stellvertretende Ministerpräsi­dent der Sowjetzone, Walter Ulbricht, gab am Samstag bekannt, die von der Sowjetzo­nenregierung vorbereitete Ordnung für ge­samtdeutsche Wahlen werdeeine bürgerlich­demokratische Wahlordnung sein, die auf der Basis des Weimarer .Wahlgesetzes beruht". Ulbricht behauptete, die westdeutschen Partei­führer hätten Furcht vor gesamtdeutschen Wahlen und die Kontrolle der Wahlen durch die UN nur deshalb gefordert, weil sie genau wüßten, daß durch diese bisher noch keine ein­zige Frage in der Welt gelöst worden sei.

Probleme des Parlaments

Ehlers und Lobe warnen vor latentem Totalitarismus

FRANKFURT. ÜberProbleme des Parla­ments sprachen am Sonntag in der Frank­furter Paulskirche der Präsident des Bundes­tags, Dr. Hermann Ehlers, und der Präsident des früheren deutschen Reichstags, Paul Lobe. Ehlers verwies auf die in Deutschland weithin vorherrschende Ablehnung des Par­lamentarismus und kritisierte die Neigung, in Stunden der Not verantwortungsbewußte Po­litiker mit dem SchlagwortErfüllungspolitik zu schmähen. Gegenüber Interessenvertretun­gen müsse sich der Bundestag ein wesentlich dickeres Fell als bisher anschaffen. In Deutsch­land würde die Parteizugehörigkeit vielfach tierisch ernst genommen. Das Verhältnis der Opposition zur Regierung sei von der Sache her zu begrenzen; was die Opposition heute vortrage, müsse sie morgen bereit sein, als Regierung zu verwirklichen. Grundsätzlich lehne er Volksentscheid und Volksbegehren ab, da man es sich gegenwärtig nicht leisten könne, daß Regierungskrisen entstünden.

Lobe trat für eine Verminderung der Frak­tionenzahl und einen Zweiparteienstaat ein. Die Berufspolitiker dürften nicht allein als wirkende Kräfte im Parlamentsleben gelten. Durch eine föderalistische Verfassungsgrund­lage werde dieschwerfällige Maschine des Parlamentarismus besonders behindert. Daß hinsichtlich der Toleranz im parlamentarischen Leben noch vieles im argen liege, sei auf ein unbewußtes Nachwirken des totalitären Gei­stes zurückzuführen. Lobe setzte sich beson­ders für eine wesentliche Stärkung des Ver­antwortungsgefühls im gesamten Parlamenta­rismus ein.

Den Abgeordneten empfahl der Bundestags­präsident, mehr zuzuhören, weniger zu reden - in- und außerhalb des Parlaments und mit den ewigen Monologen Schluß zu machen, um zu wirklichen Debatten zu gelangen. Volk und Parlament müßten sich einig sein in der Ab­wehr der stets latenten Gefahr des Totalita­rismus.

Uebersdiwemmungen

Unwetter über Europa

BERLIN. Starker Nebel hat den Flugverkehr mit Berlin lahmgelegt. Am Freitagabend lan­dete die letzte Frachtmaschine. Seitdem ist kein Flugzeug mehr auf dem Flughafen Tempelhof angekommen oder abgeflogen. Der gesamte Schiffsverkehr auf der Elbe und an der deut­schen Nordseeküste mußte ebenfalls wegen dichten Nebels, der die Sichtweite bis auf drei Meter herabsetzte, eingestellt oder umgeleitet werden.

Von Zell am See wird gemeldet, daß starke Schneefälle in den letzten Nächten zu Ver­wehungen bis zu zwei Meter Höhe geführt ha­ben. Die Großglockner - Hochalpenstraße ist nicht mehr passierbar.

Das Unwetter, das in der zweiten Wochen­hälfte ganz Norditalien von Genua bis Venedig

heimsuchte, hielt noch weiter an. Die Zahl der Todesopfer hat sich auf insgesamt 24 erhöht. Die Sachschäden durch Sturm und Über­schwemmungen werden auf mehrere Milliar­den Lire geschätzt. In dem Dorf Taverniero bei Como, das durch einen Erdrutsch verschüt­tet wurde, werden immer noch Leichen aus den Schuttmassen geborgen Auch aus Frank­reich und Nordafrika werden wolkenbruch­artige Regengüsse und riesige Überschwem­mungen gemeldet. Nizza wurde von allen Fernsprech- und Telegraphenverbinduneen ab­geschnitten. In Casablanca und Rabat (Marok­ko) wurden Straßen und Keller vollkommen überschwemmt. Im Atlasgebirge fällt ständig Schnee.

Südwestengland wurde in den letzten Tagen von dem schwersten Hochwasser seit Jahren heimgesucht. Einige Städte und Dörfer wur­den von der Außenwelt abgeschnitten.

Ueber 3 Mrd. Spareinlagen

BONN. Die Spareinlagen bei den öffentlichen Sparkassen haben sich im September bei einem Einzahlungsüberschuß von 46,3 Millionen DM auf 3,01 Mrd. DM erhöht; der Einzahlungsüberschuß ist infolge jahreszeitlicher Einflüsse jedoch um rund 6 Millionen DM geringer gewesen als im August.

Preisbereinigung zurückgestellt

BONN. Die sogenannte kleine Bereinigung der Rohstoffpreise ist von der Bundesregierung nach eingehenden Beratungen mit den Koalitionspar­teien bis zum nächsten Frühjahr zurückgestellt worden. Lediglich die Korrektur der Energie­preise wird als Teilstück der Reform vielleicht noch in diesem Winter verwirklicht werden, wo­bei allerdings der Haus- und Kleinverbrauch aus­drücklich ausgenommen sein soll.

Zement teurer

FRANKFURT. In Auswirkung der Frachter­höhungen bei der Bundesbahn sind die Preise für Zement je nach Werk und Lage um 4 bis 4.50 DM je t erhöht worden. Die weitere Preis­entwicklung werde zu einem erheblichen Teil von der Kohlenlage abhängen, teilt der Hauptver­band der deutschen Bauindustrie mit.

Flauer Reifenabsatz

MÜNCHEN. Die Reifenindustrie des Bundes­gebietes weist auf einen seit Mai anhaltenden Rückgang von Produktion und Absatz besonders von Fahrradreifen hin. Bei den Autoreifen be­wirke die Erzeugungs- und Umsatzabnahme der Automobilindustrie, daß mehr Reifen auf den Markt der Ersatzreifen drängen. Mit Besorgnis verfolge die Reifenindustrie die Steuerpolitik gegenüber dem Kraftfahrzeug.

Landwirtschaftsüberschuß gebessert

BONN. Die Lage der Landwirtschaft hat sich nach Mitteilung des Bundesernährungsministe­riums seit der Währungsreform wesentlich ge­bessert. Gegenüber einem Wirtschaftsüberschufl im Friedensjahr 1938/38 von RM 125. je ha be­trage der Uberschuß 1950/51 DM 195., nachdem er im Jahre 1948/49 auf nur 85 Mark je ha ab­gesunken war.

Beste Hopfenernte seit 20 Jahren

Immer wieder Wohieb

Jedes Mittel ist recht

RADOLFZELL. Die Gültigkeitserklärung des angefochtenen Bundesgesetzes über die Südweststaatabstimmung sei nur durch die Stimme des Präsidenten des zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts, Dr. Rudolf Katz, erfolgt, erklärte am Sonntag der süd­badische Staatspräsident Wohieb auf einer Kundgebung der Altbadener in Radolfzell. Bei der geheimen Abstimmung des Senats über die südbadische Klage habe sich Stimmen­gleichheit ergeben und somit sei die Stimme des Senatspräsidenten entscheidend gewesen.

In der anschließenden, zum Teil sehr erreg­ten Diskussion kam es zu tumultartigen Sze­nen. Der ehemalige Leiter des südbadischen Staatssekretariats für Landwirtschaft, Mini­sterialdirektor Dr. Carl Diez, warf Wohieb vor, seine Äußerung über die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sei dazu geeignet, das Ansehen des demokratischen Staates zu untergraben.

Die letzte Woche vor den Wahlen

TÜBINGEN. In dieser Woche, der letzten vor den Gemeinderp* - und Kreistagswahlen am 18. November, werc. n auf Wahlveranstaltungen der CDU Staatspräsident Dr. Müller, Arbeitsmi­nister Wirschin g, Landtagspräsident G e n g- ler, der Präsident des Landesbauernverbandes, Bauknecht, und Bundestagsabgeordneter Kie­sin g e r, in Versammlungen der SPD Innen­minister Renner, Oberbürgermeister Kalb­fell und Bundestagsabgeordneter E r 1 e r spre­chen.

Besprechung Adenauer-Fette, Bremen. Der 1. Vorsitzende des DGB, Christian Fette, teilte am vergangenen Wochenende mit, daß er diesen Mittwoch mit Bundeskanzler Adenauer Zusam­mentreffen werde, um die Schaffung eines Bun­deswirtschaftsrates zu besprechen. Bei dem wei­teren Ansteigen der Preise bliebe dem DGB nur, neue Lohnforderungen zu stellen.

Kleine Weltdironik

Adenauer legt Vorsitz der CDU-Landespartei Rheinland nieder. Bonn. Bundeskanzler Aden­auer hat dem Vorstand der CDU-Landespartei Rheinland mitgeteilt, daß er den Vorsitz des Landesverbandes wegen Arbeitsüberlastung nie­derlegen wolle.

Pensionäre nicht berücksichtigt. Bonn. Der Vermittlungsausschuß entschied sich am vergan­genen Wochenende für die Bundestagsfassung des Gesetzes über die Erhöhung der Beamtenge­hälter, wonach die unter Artikel 131 des Grund­gesetzes fallenden vertriebenen Beamten, soweit sie Überbrückungsgehälter beziehen, in die 20- prozentige Gehaltserhöhung voll einbezogen, die Pensionäre nach Artikel 131 jedoch nicht be­rücksichtigt werden.

Gedenkfeier für Opfer der Kristallnacht. Mün­chen, -r- Im Plenarsaal des bayerischen Landtags veranstaltete die Lessinggesellschaft zur Förde­rung der Toleranz unter dem MottoMut zur Erinnerung eine Gedenkfeier für die Opfer der Kristallnacht vom 9. November 1938. Die Schriftstellerin Luise Reinser sagte, nicht die Juden müßten sich ändern, sondern die Antise­miten hätten umzulemen.

Brennstoffknappheit gefährdet Tageszeitungen, Wiesbaden. Der Wiesbadener Verein deutscher Zeitungsverleger hat darauf hingewiesen, daß in Kürze die technische Herstellung der Tages­zeitungen in Frage gestellt werde, falls man die Zeitungsdruckereien nicht besser mit Kohle ver­sorge.

3 1 /» Jahre Zuchthaus für Kameradenschinder. Detmold. Der 30jährige Heinz Korpus aus Oerlinghausen wurde von der großen Strafkam­mer Detmold wegen schwerer Freiheitsberaubung und falscher Aussage zu 3 1 /* Jahren Zucht­haus verurteilt. Als Antifa-Leiter in mehreren sowjetischen Kriegsgefangenenlagern hat er elf deutsche Soldaten wegen angeblichen Diebstahls von Seife und Fett vor ein sowjetisches Kriegs­gericht gebracht, das sie zu insgesamt 290 Jahren Haft verurteilte.

Fahrgeld für Remer. Bielefeld. Die Redak­teure einer Bielefelder Tageszeitung haben dem

zweiten Vorsitzenden der rechtsradikalen SRP, Otto Ernst Remer, das Geld für die Fahrt von seinem Wohnort zum Gefängnis gesandt, damit er dort seine für Beleidigung der Bundesregie­rung ausgesprochene viermonatige Gefängnis­strafe antreten könne. Remer hatte erklär!, mm müsse ihn holen, wenn man etwas von ihm wolle; er habe kein Geld für die Fahrt.

LetzteMaipu-Passagiere abgereist. Hamburg.

Die letzten Passagiere des untergegangenen argentinischen MotorschiffesMaipu haben am Samstag das Hamburger Auswandererlager ver­lassen und die Fahrt zu ihren Reisezielen in Eu­ropa angetreten. Für das verlorengegangene Reisegepäck wurden sie mit je 500 (Kinder un­ter 10 Jahren nur 250) DM entschädigt. Außer­dem erhielten sie kostenlos die Eisenbahnfahr­karte zum Reiseziel.

Neue Provokationen. Peine. Am vergange­nen Wochenende wurde in Peine (Niedersachsen), wo vor kurzem mehrere Bundesfahnen gestohlen und entweiht worden sind, von bisher unbekann­ten Tätern ein Gedenkstein der VVN mit schwar­zer Farbe beschmiert und an einem Ehrenmal für die Toten des ersten Weltkriegs ein Kranz mit roter Schleife und der InschriftUnseren Kameraden 19141951 NSDAP Peine niederge­legt. Auf dem Schleifenende war ein Haken­kreuz.

Dom zu Fatima vom Blitz getroffen. Lissabon.

In den durch die Erscheinungen von Fatima berühmt gewordenen Dom schlug in der vergan­genen Woche der Blitz ein, wobei der Kirchturm schwer beschädigt und die für die Schlußfeiem des Heiligen Jahres im Oktober errichtete Tri­büne völlig zertrümmert wurde.

General des Franziskaner-Ordens ermordet. Jersey City. Der 71jährige General des Fran­ziskaner-Ordens, Bruder Silesius Klein, der sich auf einer Inspektionsreise der Krankenhäuser und Klöster des Ordens in den USA befand, er­litt bei einem Raubüberfall so schwere Verlet­zungen, daß er im Hospital verstarb Er wollte dieser Tage nach Deutschland zurückkehren.

TETTNANG. Der Ertrag des Tettnanger Hop­fens wird als der beste in den letzten 20 Jahren beurteilt. In diesem Anbaugebiet wurden im Jahre 1950 12 069 Ztr. Hopfen geerntet, in diesem Jahr aber 19 509 Ztr.

Nur zwei Verkaufssonntage?

HAMBURG. Die deutsche Angestelltengewerk­schaft (DAG) ist dagegen, daß drei Sonntage vor dem WeihnaChtsfest für den Ladenverkauf frei­gegeben werden sollen, und äußerte am Sams­tag in Hamburg die Hoffnung, daß die Länder­regierungen wie im vergangenen Jahr nur zwei verkaufsoffene Sonntage genehmigen werden, da sonst die Arbeitskraft der Einzelhandelsange­stellten überbeansprucht werde.

VW nimmt 200 Kündigungen zurück

WOLFSBURG. Die Werksleitung des Volks­wagenwerkes hat die Zahl der für Ende Novem­ber vorgesehenen Entlassungen von 500 auf 300 Arbeiter herabgesetzt. Im übrigen wird die Pro­duktion wegen akuter Materialknappheit vom 23. Dezember bis 1. Januar, also über Weihnach­ten und Neujahr, eingestellt..

Dänemark gibt Uhreneinfuhr frei

KOPENHAGEN. Dänemark hat mit sofortiger Wirkung die Einfuhr von Uhren freigegeben. Bei Ausstellung der Einfuhrlizenz müssen die Im­porteure jedoch 180 Prozent des Einfuhrbetrages bei der Nationalbank deponieren.

Industrielle Zusammenarbeit Deutschland-F rankreich

DÜSSELDORF. Eine Zusammenarbeit zwischen der deutschen und der französischen Industrie, die sich mit der Zeit immer enger gestalten soll und das Ziel hat, durch rationelle, standardisierte und erhöhte Produktion einen höheren Lebens­standard beider Völker zu sichern, ist am ver­gangenen Freitag auf einer gemeinsamen Ta­gung des Bundesverbandes der deutschen In­dustrie und der Spitzenorganisation der französi­schen Arbeitgeber,Patronat Frangais, in Düs­seldorf beschlossen worden.

Ein heiterer Roman oon F ranz Goßt:

Nachsaison"

Copyright by Sehwäb. Veriagsgesellschaft, Tübingen

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Niemand brachte für den Augenblick ein Wort hervor. Es war, als warte jeder darauf, daß der Mann unter der Tür weiterspreche. Es war aber alles gesagt, was zu sagen war, und stumm und ratlos ließ der Kassenwart die Arme sinken, daß sie wie leblos, zwei lee­ren Ärmeln gleich, an seinem Körper herab­baumelten. Vom Markt her war viel Geld in der Kasse gewesen und jedes Mitglied würde daher ordentlich bluten müssen. Der Gedanke daran mochte einen schon klein kriegen.

Plötzlich sprang von einem der Tische schwer und wuchtig das WortWer? in den Raum und hockte sich jedem einzelnen als drük- kende und ungreifbare Last auf den Nachen. Es zersprengte aber auch das kalte Entset­zen, das wie eine Eisdecke jede Äußerung hatte einfrieren lassen.

Mit um so größerer Wucht sprudelten die Meinungen aus allen Mündern, die doch keine waren, denn es blieben ungelöste Fragen. Seit Menschengedenken war in Zwischenquell so etwas nicht vorgekommen. Am Obermoser flutete das Brausen des Stimmengewirr vor­bei wie ein Gießbach, in dessen gischtenden Wellen die Minen davonschwammen wie kärg­licher Hausrat bei einer Überschwemmung. Er war so zerschlagen, daß er gar nicht daran dachte, die Reste des Knödels wegzuwischen; sie saßen auf seiner Stirne wie Diamanten ln den Haaren einer schönen Frau.

Die drei Wandervögel sind die Gauner! Wer es war, der diese Vermutung als erster als Anklage in den Wirrwarr warf wie einen Stein, hätte nie mehr festgestellt werden kön­nen, wenn es notwendig gewesen wäre. Daß

der Mann damit das Richtige getroffen hatte, ergab sich aus der allgemeinen Zustimmung. Wer anders sollte auch einer solch verruch­ten Tat würdig sein? Man brauchte sich nur an das Aussehen der drei Männer erinnern. Die reinsten Galgengesichter! Besonders der eine, der Schwarze, der machte ja einen Ein­druck, als wenn er kaltblütig eine ganze Ge­meinde ausrotten könnte. Die mußten einem ja auf Anhieb verdächtig sein. Die Empörung über die Schandtat wuchs und drängte dar­nach, sich an etwas, was näher bei der Hand lag als die drei ausgeflogenen Wandervögel, auszutoben.

Der Kralinger lodtt uns das Gesindel auf den Hals! Man hatte das Opfer,gefunden, über das sich der angesammelte Zorn ergießen konnte.

Ja, der Kralinger mit seinem Fimmel ist die Schuld, schrie ein Zweiter.Tät der sich nicht so anstellen und jeden, der ihm ins Haus fällt, mit seinem süßen Schleim glatt anleimen, blieb das Gesindel, wo es hinge­hört!

Er muß den Schaden ersetzen! ging ein dritter noch weiter. Wie ein Hagelwetter pras­selten die Vorwürfe auf ihn los. Dieser An­sturm war so unvermutet gekommen, daß es ihm das Schnaufen verschlug, wie einem, der hinterrücks in kaltes Wasser gesteckt wird. Er ruderte wild mit den Armen in der Luft herum und bemühte sich, seine Gäste zu über­schreien:Mein Haus lasse ich nicht ver- schimpfen! Bei mir sind alleweil ordenliche Leute gewesen.

... so lange keine Fremden da waren! trumpfte einer auf.

,,... die das ganze Dorf ausraubenl er­gänzte ein zweiter.

... und die Leut drunter und drüber bringen, wurde schon ein driter allgemeiner. Offenbar spielte er auf die Schauspielerin an.

Über meine Gäst' hat sich keiner das Maul zu zerreißen! brüllte der Wirt dazwischen. Er erfaßte es, wie gefährlich der Stimmungs­

umschwung für seine hochfliegenden Pläne war. Wo sollte das hinführen, wenn diese Rammel sich so fremdenfeindlich gebärdeten? Der ganze Aufschwung fiel ins Wasser und ersoff elendiglich. Jetzt, wo er ihn schon bei­nahe verankert sah.

Das hab ich gern, schmetterte ihm ein weiterer unter die Nase,zuerst Verbrechern Unterschlupf geben und uns nachher das Wort verbieten wollen! Zuchthäuslerpatron!

Das war zu arg! Der alte Kralinger kochte so, daß die Suppe überging und zischend über die heiße Platte lief. Was er nun sagte, stank den Leuten stechend in die Nüstern.

Mir ist jeder einzelne von meinen Gästen lieber als ihr alle miteinander! Und wer wills überhaupt wissen, ob nicht einer von euch das Geld aus der Kasse gebraucht hat, Notnägel übereinander!

Die Lage wurde ungemütlich. Beängstigend reckten sich Fäuste empor und man drang auf den Kralinger ein. Dazu herrschte ein Ge­schrei in der Stube, als gehe die Welt unter. In diesem Augenblick sprang der Martin in den Kreis und zerteile mit ein paar kräftigen Püffen den gefährlichen Knäuel.

Ruhe da! Sein Stimmaufwand war so mächig, daß alles verstummte.

Wer meinen Vater angreift, der kriegts mit mir zu tun! Und du Vater, wandte er sich seinem Erzeuger zu,paß auf, was du sagst. Wegen deiner affigen Sucht, Fremde herzuziehen, hast du nicht unsere Leute her­abzusetzen! Wenn sie auch nicht in Geld schwimmen, so ist das, was sie haben, wenig­stens eigenes, ehrlich erschundenes.

Recht hat er, der Martin! kamen bei­fällige Zurufe,der hat wenigstens einen Ver­stand!"

Neben seinem Sohn so belämmert dazu­stehen, vertrug der alte Kralinger nun schon noch weniger und so ließ er ihn hart an: Rotzbub, mistiger, du willst gegen deinen Vater aufmucken! Ich brauch deine Hilfe nicht und erst recht nicht deine Ratschläg!

Wenn dirs nicht paßt, wie ichs rieht im Haus, dann kannst ja gehen! Die Tür ist alle­weil offen.

Lieber geh ich, als daß ich noch lange zu­schau, wie aus unserem Haus eine Unter­kunft für Faulenzer, liederliche Weiber und Vagabunden wird. Das und nichts anderes ist deine heurige Nachsaison, auf die du dir nicht genug einbilden kannst.

Verschwind, sonst vergreif ich mich an dir, du vernageltes Rindvieh! preßte der Alte wut­schnaubend zwischen den Zähnen heraus.

Brauchsts nicht zweimal sagen! Wenn dir hergelaufene Windbeutel lieber sind ... Weiter kam er nicht, denn der Mann, auf den derWindbeutel hauptsächlich, wenn nicht ausschließlich, gemünzt war, betrat die Stube. Da der Streit zwischen Vater und Sohn die übrigen aufgeregten Geister vorläufig zum Schweigen gebracht hatte, blieb das Erschei­nen von Herrn Myera Martin nicht unbemerkt. Martin brach daher mitten im Satz ab.

Fassungslos blieb der Amerikaner nach den ersten Schritten stehen und fragte:Was g el1 denn hier vor? ,

Zehn, zwölf redeten zugleich auf ihn em und nur mit Mühe gelang es ihm, aus dem Wogen von Stimmen den Sachverhalt herauszuscha­len.

Wie er aber glücklich so weit war, kam auch schon das Gewitzte des welterfahrenen Mannes an die Oberfläche wie die Fettauge auf einer guten Suppe. Vor allem war auch er der Ansicht, daß nur die Wandervögel, die auf ihn sofort den schlechtesten Eindruck ge­macht hätten, die Täter sein könnten. Aber was nützte es, wenn man sich da im Gast­haus in die Haare fahre. Inzwischen wären di Einbrecher über Berg und Tal. Man mus ® sofort die Gendarmeriestation draußen im Markt verständigen, daß diese die Jagd nacn den Verbrechern aufnehme. Damit war elI L neue Lage geschaffen und der Sturm fl au ab, wie er mit Urgewalt hereingebrochen wa .

(Fortsetzung folgt!