FREITAG, 2*. OKTOBER 1951

NUMMER 167

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Was ist Souveränität?

Ein Beispiel für die Politik der Parolen

hf. In unserer Lage ist es grotesk, welche Formen unsere innenpolitischen Auseinander­setzungen jetzt angenommen haben. Es ist fast so, als sei eine große Anzahl von Politikern plötzlich von allen demokratischen Geistern verlassen worden. Kein anderer Eindrude kann im Volk entstehen, wenn man sich in Bonn an Nichtigkeiten aufreibt, aber in den nitscheidenden Lebensfragen mit Diffamierun­gen oder Parolen Politik versucht. Die Hoch­konjunktur in Untersuchungsausschüssen ist An Beispiel für den Elan, den die Parteien ln Nichtigkeiten beweisen. Für den Willen zur Diffamierung zeugen Erklärungen der ver­gangenen Woche, an denen keine der großen Parteien in Regierung und Opposition unbe­teiligt ist.

In der Reihe der Parolen steht gegenwärtig das Gerede von der deutschen Souveränität im Vordergrund. Die breite Führungsschicht aller Parteien sollte der Einsicht, daß es mit den in der letzten Woche demonstrierten For­men der Auseinandersetzung einfach nicht geht, schleunigst Nachdrude verleihen. Die Bundesrepublik steht nicht im Zeichen eines völlig verwilderten Wahlkampfes, sondern unter dem Druck von innen- und außenpoliti­schen Problemen, von deren Lösung es ab- hängen wird, wie viele Wahlen die deutsche Demokratie noch erleben wird.

Alle Parteien sprechen von der Souveräni­tät, als wäre sie morgen erreichbar. Der Kanz­ler fand es unerhört, als ein SPD-Sprecher im Bundestag bezweifelte, daß siewünschbar oder möglich ist. Die SPD distanzierte sich sofort von diesem Sprecher, und bei allem Streit, der dann das Parlament beherrschte, war man sich im Grunde einig, daß die Sou­veränitätmöglich und wünschbar ist. Dr. Adenauer bestätigte das dann vor dem Karls­ruher Parteitag der CDU, und der FDP-Frak- tionsvorsitzende unterstrich diese Meinung in Bonn. Selbstverständlich wäre die deutsche Souveränität zuwünschen und sie bleibt eines der wichtigsten Ziele, die unserer Poli­tik gestellt sind. Aber es ist doch einfach ab­surd, so zu tun, als sei die Souveränität Deutschlands in absehbarer Zeit möglich oder gar als sicheres Ergebnis der deutsch-alliier­ten Verhandlungen über die Washingtoner Beschlüsse zu erwarten. Souveränität heißt: oberste Gewalt eines Staates nach innen und besonders seine Unabhängigkeit nach außen. Die Bundesrepublik, von Gesamtdeutschland »oll hier nicht gesprochen werden, wird weder die absolute oberste Gewalt im Innern, noch die volle Unabhängigkeit nach außen in der nächsten Zukunft erreichen können. Auch bei der für uns bestmöglichen Verwirklichung der Washingtoner Beschlüsse ist das nicht denk­bar. Weil wir ein Hitler-Regime hatten, einen Krieg verloren und heute besetzt und gevier- teüt sind, können die Dinge nicht anders lie­gen. Wer etwas anderes behauptet, verfälscht den Begriff der Souveränität oder treibt eine Agitation, die selbst in einem Wahlkampf dumm und gefährlich wäre.

Selbstverständlich bleibt die Wiedererlan­gung unserer nationalen Souveränität so lange ein Ziel deutscher Politik, wie Europa nicht itaatlich geeinigt ist und die Nation die größte »taatliche Einheit bleibt. Ob, wann und wie wir ln der Bundesrepublik dieses Ziel errei­chen, weiß heute noch niemand zu sagen. In der aktuellen Phase der politischen Entwick­lung geht es aber noch um etwas ganz ande­res: um die Gleichberechtigung der Bundes-

Königlich-britische Putzfrau

LISSABON. Königinmutter Mary von Großbritannien hat der 90jährigen Portugie­sin Maria de Jesus zu ihrem 50. Dienst­jubiläum als Putzfrau der britischen Botschaft in Lissabon ihre herzlichsten Glückwünsche übermittelt. Maria hat unter zwölf britischen Gesandten und Botschaftern gedient und ist dafür bekannt, nach großen Veranstaltungen im Hause immer die erste der dienstbaren Geister zu sein, die mit Besen und Bohner­büchse erscheint. Der brit. Botschafter ließ es »ich nicht nehmen, Maria die Glückwünsche der Königinmutter persönlich vorzulesen und der Portugiesin in den Räumen der Botschaft ein Diner und einen Ball zu geben, an dem sein gesamter Mitarbeiterstab teilnahm. Am Ende der Festlichkeit war die treue Jubilarin wie­der im Dienst sie reinigte den Tanzsaal.

republik auf vielen Gebieten, die für unsere Existenz von Bedeutung sind. Diese Gleichbe­rechtigung, die uns bestenfalls in politischer, wirtschaftlicher und militärischer Hinsicht zugestanden wird, bedeutet schon darum keine Souveränität, weil ihre endgültige Re­gelung einem Friedensvertrag Vorbehalten bleibt. Würden wir nach innen souverän wer­den, so dürfte keine juristische oder prak­tische Möglichkeit für andere Mächte beste­hen, unter besonderen Umständen die oberste Regierungsgewalt in der Bundesrepublik für sich in Anspruch zu nehmen. Wir müßten z. B. jede Art von Waffenproduktion aufneh­men können und keinen Pfennig für tatsäch­liche Besatzungskosten mehr zahlen müssen. Wir müßten nicht nur de jure, sondern auch de facto keine alliierten, sondern nur noch deutsche Gesetze in der Bundesrepublik ha­ben usw. usw. Nach außen müßten wir un­abhängig sein! Es ist überflüssig, auch nur mit zwei Sätzen zu begründen, daß und warum das nicht denkbar ist.

Das Maximum des der Außenpolitik der Bundesrepublik jetzt Erreichbaren ist eine Gleichberechtigung im Rahmen des Mögli­chen. Selbst im Falle weitgehender Zugeständ­

nisse der westlichen Alliierten wird dieses Maximum mit Souveränität noch sehr wenig zu tun haben. Es wäre daher besser, dieses Wort würde aus den politischen Auseinander- * Setzungen verschwinden, anstatt eine Parole zu sein, die man ausspricht, um sich über das Dilemma unserer Situation hiemit zu trösten und um jeden, der die Möglichkeit einer deut­schen Souveränität im Jahre 1951 oder 1952 bezweifelt, zu einemschlechten Deutschen zu stempeln. Regierung und Parteien in Bonn sollten sich darum in ihren Auseinanderset­zungen nicht länger auf den elementaren Wunsch nach der Souveränität konzentrieren, sondern auf die reale Notwendigkeit, das Ma­ximum der möglichen Gleichberechtigung zu erzielen.

Gewisse Vorbehalte der Alliierten in Sachen oberste Regierungsgewalt, in bezug auf For­schung und Waffenproduktion, in bezug auf die Stellung möglicher militärischer Einhei­ten (Unterstellung unter das Atlantikpakt­hauptquartier, in dem die Bundesrepublik nicht vertreten ist, Beibehaltung nationaler Kontingente Frankreichs u. a.), und auch Vor­behalte in allen Fragen, die mit der deut­schen Wiedervereinigung und mit einem Frie­densvertrag Zusammenhängen, werden hinter den künftigen Verträgen stehen. Mag manches noch gemildert werden können, die Souverä­nität wird mit Abschluß der Verträge nicht gegeben sein.

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Mossadeq besucht Truman: Der persische Mini­sterpräsident Mossade q wird vom amerikanischen Präsidenten Truman bei seinem Besuch in Blair House in Washington durch Handschlag begrüßt.

Unser Feuer - weg die andern!

CUXHAVEN.Das ist unser Feuer! schrien die freiwilligen Feuerwehrmänner von Wur­sterheide dieser Tage und richteten ihre Schläuche gegen die Konkurrenz, die aus Cux­haven zur Unterstützung beim Löschen eines Hausbrandes angerüdet war. Als sich aus einem noch nicht von den Flammen erfaßten Fenster der Besitzer des brennenden Hauses in den Kompetenzstreit einmischte, fühlten sich die wackeren Feuerlöscher auch von ihm be­leidigt; sie wußten ihn mit dem Wasserstrahl gut zu treffen und setzten das Zimmer, in dem sich der also Geschädigte befand, unter Was­ser. Als ihr Ehrgeiz befriedigt war, gingen die wackeren Leute nun zur Sache über. Der An­bau des Hauses samt einigen Tieren war aber schon ein Raub der Flammen geworden.

Black and White von Hand zu Hand schleu- ßen. Die internationalen Großschmuggler be­liefern ihre Abnehmer gleich tonnenweise mit Kaffee, sehr zum Mißvergnügen der Steuer und der ehrsamen Kaufleute, die ihre legal importierten Bohnen nicht unter 16 bis 19 DM das Pfund verkaufen können, dasschwarz nur, je nach Qualität, 9 bis 11 DM kostet, noch dazu in hübschen Dosen made in USA oder England.

Die Festnahme von Gangstem oder randa­lierenden Betrunkenen ist auf der Reeper­bahn nichts Ungewöhnliches. Sie kommt Nacht für Nacht und oft auch am hellen Nachmittag vor, immer wieder von einem dichten Knäuel schaulustiger Passanten miterlebt, denen an­zumerken ist, daß es ihnen Spaß macht, Zeu­gen eines Vorfalls geworden zu sein, der nach ihrer Ansicht in St. Paulidazugehört". Noch mehr Interesse findet das Filmen. Seitdem es wieder modern ist, in deutsche Spielfilme Ha­fen- und Reeperbahnszenen einzustreuen, kann man vor den diversen roten Laternen häufig die Jupitersonnen aufleuchten und vor ihnen die künstlichen Ganoventypen flanieren se-

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hen. Auch hier drängt sich das Volk gern als freiwillige Statisterie heran, in der Hoffnung, Sich demnächst auf der flimmernden Lein­wand wiederzusehen.

Ruhe kehrt auf der Reeperbahn erst ein, wenn morgens die Straßenbahnen anfahren. Dann erst verlöschen die Lichter, die nach Sonnenaufgang nur noch gespenstisch wirken, und dann erst vertauschen die Portiers vor den Bars ihre goldbetreßten Phantasieunifor­men mit dem Alltagshabitus. Und manche kleine Tänzerin macht sich übernächtig-bleich und müde und enttäuscht auf den Heimweg, um ihre Kinder zu Hause für die Schule fer­tigzumachen und dann auszuschlafen für die nächste Nacht...

Auf der Reeperbahn nachts um halb eins..

Man kann dort immer noch sein Geld loswerden

O. M. Auf der Reeperbahn nachts um halb eins... ist heute genau wie früher reichlich dafür gesorgt, daß Bummelanten ihr Geld los­werden können. Der neue Lichterglanz aus Tausenden von farbigen Neonschriften zwi­schen Nobistor und Großer Freiheit steht dem alten nicht nach. Geschäftstüchtigkeit und Ro­mantik eng verbunden, haben dazu geführt, daß St. Pauli wiederda ist. Sein Come back lodet nach Jahren des Grau in Grau Ein­heimische und Fremde, Landratten und Fah­rensleute aus dem In- und Ausland in im­mer größeren Mengen an. So groß die Zahl der Vergnügungslokale vom altbekannten Trichter bis zumAlkazar, das wie einst Allotria heißt, vonOnkel Hugo bis zur Jungmühle und von Käptn Haases exoti­scher Kneipe bis zum chinesischen Restaurant auch ist, fast alle diese Ankerplätze der Liebe sind an Sonn- und Werktagen gut besucht.

Große Zechen werden allerdings nur recht selten gemacht. Die meisten Reeperbahnbumm­ler haben keine dicken Brieftaschen und trin­ken Bier mit Steinhäger statt Wein oder Cock­tails, geschweige denn Sekt. So kommen denn nicht alle Wirte auf ihre Rechnung, und manche Bar wechselt oft den Besitzer. Alles in allem aber erweckt die Reeperbahn den Anschein,

als kenne sie keine Sorgen. Nur wer sich die Mühe nimmt, hinter die glitzernde Fassade zu blicken und zu beobachten, was nicht im grel­len Licht präsentiert wird, dem wird klar, wieviel Not sich hinter dem Trubel von St. Pauli verbirgt. Da sind Greise im Schatten düsterer Trümmerreste, die mühsam Streich­hölzer, Schokolade undschwarze Zigaretten verkaufen, da sind Mädchen und Frauen, die sich weniger aus Liebe zur freien Liebe als aus Armut für wenig Geld verkaufen wollen, und da sind halbwüchsigeHalbstarke ohne Zahl hinter dunklen Geschäften her, ständig die Polizei auf den Fersen.

Die großen Schieber aber, die werden selte­ner gefaßt. Um ihr einträglichesHandwerk auszuschalten, muß die Polizei schon die teu­ren Hotels rings um Alster und Jungfernstieg aufsuchen und nicht das Hafenviertel. Zwar werden auch hier, rund um die Landungsbrük- ken, große Geschäfte illegaler Art abgeschlos­sen, im Schmuggel sozusagen direkt an Bord mancher Überseefrachter, aber immerhin nicht so unmittelbar unter den Augen des Geset­zes wie die im Grunde armen Teufel es tun, die in den Garderoben kleiner Varietäs ein paarStangen Chesterfield und ein paar Pfund unverzollten Kaffee oder eine Flasche

Krisenherd

Suezkanal

Unser Bild zeigt die Mündung des Suezka­nals im Hafen von Port Said.

Parteitag in Indien

Ministerpräsident Pan­dit Hehru (rechts) in an­geregter Unterhaltung mit Scheich Mohammed Abdullah, dem Premier­minister des umstritte­nen Kaschmir und Prä­sidenten der allindischen Staaten, auf dem Partei­tag der indischen Kon­greßpartei In Neu Delhi.

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eit Erfindung des Automobils fährt die mit Mobiloel! Damals, als der Traum vom Auto Wirklichkeit wurde, entwickelte dieVacuum Oil Co. im neuen Verfahren der Vacuum-Destillation das erste Autospezialöl, sie

gab ihm später den NamenMobiloil"! Unter diesem klassischen Namen ist es ein internationaler Begriff der Autofahrer geworden und die klassische Marke^ geblieben. Als das meistgekaufte Autospezialöl schmiert es die meisten Autos der WeltLg

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