Verwirklichung des Ahlener Programms

Ministerpräsident Arnold fordert soziale Wirtschaftspolitik in Karlsruhe

Arnold warnte davor, an die Verwirklichung des Aalener Programms erst dann zu gehen, wenn die sozialen Spannungen ins Unerträg­liche gestiegen wären, da es dann fürüber­legte Maßnahmen zu spät sein könnte.

KARLSRUHE. Auf dem Bundesparteitag der CDU in Karlsruhe wurde wiederholt die Verwirklichung des Ahlener Programms, das die Grundsätze der Machtverteilung, der Mit­bestimmung und der Gewinnverteilung fest­legt, gefordert. Im Hauptreferat erklärte der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Karl Arnold, breite Schichten der Bevölke­rung wollten nicht glauben, daß mit den Wirt­schaftsmethoden von heute die Gegenwarts­probleme noch gemeistert werden könnten. Die gegenwärtige Konjunktur werde mit großer Skepsis verfolgt und die Hoffnung für trü­gerisch angesehen, man könne durch außen­politische Erfolge die innere labile Lage besei­tigen. Die soziale Festigung im Innern sei die Voraussetzung für eine erfolgreiche Außen­politik.

Die im Ahlener Programm erfolgte Absage an die Anonymität der Verantwortung beim Großkapital und die Absage an den bürokra- tisierten Staatskapitalismus schalteten die Möglichkeit aus. die Verluste zu sozialisie­ren, etwaige Gewinne aber zu kapitalisieren. Das Programm empfehle andere und bessere Methoden alsSubventionswirtschaft und Staatskapitalismus.

Das Hauptgewicht sei auf privates Eigen­tumsrecht, Initiative und Verantwortung ge­legt worden. Dem Privatbesitzer könne man die Verantwortung nicht auferlegen, sofern die Initiative nicht bei ihm, sondern bei ei­nem von ihm so gut wie unabhängigen Ma­nager liege, woraus sich eine anonyme Un­verantwortlichkeit ergebe. Die Großbetriebe seien eine Gefahrenquelle, der man sich nicht durch Hinweis auf das Privateigen­tum verschließen könne. So wenig es ein Dogma gebe, das zur Verstaatlichung auffor­dere, so wenig gebe es eines, das eine ver­nünftige Vergesellschaftung von Industrien, bei denen das Privateigentum nur noch nomi­nell in Erscheinung trete, verdamme.

Die Ahlener Grundsätze erschienen ihm be­sonders geeignet, das soziale Gefüge zu festi­gen durch eine gerechte Besitzverteilung. Der Begriff derVergesellschaftung mono­polartiger Grundstoffindustrien erhalte einen neuen Sinn, wenn der Arbeiterschaft auf Grund eigener Leistungen ein Anteil Zu­wachse. Bei diesen Industrien sei mit einem Gewinn so bald nicht zu rechnen, woran auch eine Verstaatlichung nichts ändern könne. Vielmehr sei eine freiwillige Beihilfe der ver­arbeitenden Industrien von mindestens drei Milliarden DM notwendig und darüber hin­aus würden noch weitere Investitionen erfor­derlich, für die es einen Kapitalmarkt noch nicht gebe.

Am t. Januar

Kehler Hafen wird frei FREIBURG. Der Kehler Hafen wird am 1. Januar 1952 für die deutsche Schiffahrt frei­gegeben. Nach einem Ende letzter Woche Un­terzeichneten Abkommen zwischen dem Lande Baden und der Hafenverwaltung von Straß­burg, wird das Gebiet des Kehler Hafens dann einer deutsch-französischen Verwaltung unterstellt. Das Abkommen bleibt bis zum In­krafttreten einer Friedensregelung zwischen Deutschland und Frankreich in Kraft. Es kann jedoch auf Antrag eines Vertragspartners und in beiderseitigem Einverständnis bereits frü­her an sich neu ergebende Verhältnisse ange­paßt werden.

Der südbadische Staatspräsident Leo Wohieb erklärte, durch ein Zusatzprotokoll über die rechtliche Auslegung verschiedener Punkte des Hafenvertrages seien die Befürchtungen zer­streut worden, daß die französische Gruppe auf die der deutschen Gruppe ausdrücklich vorbehaltenen Gebiete einen maßgeblichen Einfluß gewinnen könnte. Die Behauptung, daß mit dem Vertrag alle Rechte einseitig in französische Hände gelegt würden, falle damit ln sich zusammen.

Die Bedenken wegen drohender Machtver­schiebungen auf Grund des Erwerbs von Be­teiligungen an den Grundstoffindustrien durch kapitalkräftige Unternehmer würden schwin­den, wenn auch die Arbeitnehmer mit einem bestimmten Satz daran teilnehmen könnten. Lohnerhöhungen, die sich nur auf den Kon­sumsektor auswirkten, schadeten der Wirt­schaft. Würde aber eine neue Berechnung des gerechten Lohnes in der Form durchgeführt, daß eine höhere Belohnung für Investitionen Verwendung fände, so könnte dies sogar wirt­schaftlich wünschenswert sein. Dies müßte so erfolgen, daß ein Teil der entnommenen Ge­winne durch sie den wichtigen Investitions­vorhaben zuflösse.

In der Frage des Mitbestimmungsrechts äu­ßerte Arnold, es werde zu Unrecht dagegen Sturm gelaufen. Man habe den Eindruck, daß geradezu der Mißerfolg der neuen Idee der Partnerschaft gewünscht werde. Soziale Part­nerschaft erstrebe nicht schematische Gleich­heit, sondern gehe vom Gedanken der gegen­seitigen Ergänzung aus. Gegen die oft ausge­sprochenen Gefahr einer Kollektivverantwort­lichkeit, die die Unternehmerinitiative unge­bührlich einenge, sei einzuwenden, daß dort, wo das Mitbestimmungsrecht bereits einge­führt wurde, solche Tendenzen n ; cht aufge­treten seien. Man müsse endlich aus dem Sta­dium des Diskutierens herauskommen, und zu Beratungen übergehen, welche Aufgabe der Bundeswirtschaftsrat erfüllen könne.

-a. Der Parteitag der CDU in Karlsruhe hat mit einem Vertrauensvotum für die Politik der Bundesregierung und insbesondere für den Bundeskanzler seinen Abschluß gefunden.Die Wiedervereinigung Deutschands in Freiheit in einem geeinten Europa als Auftrag verpflich­tet die Bundesregierung, ihre Anstrengungen in dieser Richtung fortzusetzen, ja zu inten­sivieren. Daneben stand, nicht weniger ge­wichtig, das Thema: Wie kann der soziale Frie­den im Innern gesichert werden. Hier wurden Forderungen laut, die einen Geist der sozia­len Verpflichtung von Unternehmer und Ar­beitnehmer herausstellten. Nicht verschwie­gen wurde, daß noch viel zu tun sei. Minister­präsident Arnolds Warnung, man möge sich ernsthaft mit der Verwirklichung des Ahlener Programms befassen, ehe es fürüberlegte Maßnahmen zu spät sein würde, und seine Mahnung, in der Frage der Mitbestimmung eine positive Haltung einzunehmen, wird hof­fentlich nicht sofort wieder vergessen. Eine reiche Ausschußarbeit formulierte die Ziele der Parteiarbeit der CDU aus dem Geiste der Verantwortung heraus, der der Partei, auf die die Bundesregierung sich zuallererst stützt, wohl ansteht. Die gesunde Mischung von kon­servativen und fortschrittlichen Gedanken ist geeignet, das Vertrauen in den staatserhalten­den Willen der CDU zu stärken und die Ge­rüchte um eine Krise zu zerstreuen.

Kleine Weltdironik

STUTTGART. Das wiirtt.-badische Innenmini­sterium wies in einem Erlaß darauf hin, daß der Gruß gegenüber dem Bundeskanzler, Mitgliedern der Bundesregierung und der Landesregierung selbstverständliche Ehrenpflicht jedes unifor- m.erten Polizeibeamten sei. Im Verkehr mit der 1 ><-''ö *tiung und untereinznöer hatten die Folizcubearr.ten in allen Fällen, in denen ein Gruß üblich sei, durch Anlegen der rechten Hand an die Kopfbedeckung zu grüßen.

FREIBURG. Der Landesleiter der Industrie­gewerkschaft Chemie. Papier, Keramik in Süd­baden, Max Faulha'oer, ist vom Hauptvorstand der Gewerkschaften seines Amtes enthoben -wor- den. Er soll innerhalb der Gewerkschaften kom­munistische Propaganda betrieben haben.

BONN. In einer Stellungnahme zu den Ver­lautbarungen führender Persönlichkeiten des Verbendes deutscher Soldaten beschloß der Vor­stand des Verbandes der Heimkehrer, Kriegsge­fangenen- und Vermißten-Angehörigen, eine Ver­bindung mit dem Dachverband des VdS. abzu­lehnen und nur örtlich ln sozialpolitischen und Kriegsgefangenen-Angelegenheiten eine Zusam­menarbeit mit anderen Soldatenverbänden ein­zugehen, wenn sich die Gesprächspartner zu der grundsätzlich staatsbejahenden demokratischen Mallung des Verjaities der Heimkehrer beken­nen würden.

BONN. Der ehemalige Reichskanzler Dr. Brü­ning hat sich bereit erklärt, den Lehrstuhl für politische Wissenschaften an der Universität Köln zu übernehmen. Er wird sein Amt vor­aussichtlich am 1. November antreten. Bis jetzt war Brüning Professor an der Harvard-Univer­sität in Cambridge (USA).

BONN. Bundesflnanzminister Schäffer wies Berichte zurück, in denen von einemVergnü­gungs-Notopfer gesprochen wurde, das dem Bund im Jahr zwei Milliarden DM zuführen solle. Diese Berichte seien Phantastereien.

DÜSSELDORF. Der ehemalige SS-Panzer­general Kurt Meyer alsPanzer-Meyer be­kannt ist nach seiner Überführung von Ka­nada in das Gefängnis Werl eingeliefert worden. Meyer hat eine lebenslängliche Zuchthausstrafe wegen Kriegsverbrechen abzubüßen. Ein Ersu­chen der Bundesregierung, Meyer zu begnadi­gen, hat die kanadische Regierung abgelehnt.

DUISBURG. Der im Alter von 77 Jahren ver­storbene ehemalige Reichsinnenminister und langjährige Oberbürgermeister von Duisburg, einstmals Anwärter auf den Reichspräsidenten­posten, Dr Karl Jarres, wird heute in Duis­burg beigesetzt.

BERLIN. Die Mitglieder des Bundestagsaus­schusses für Auswärtige Angelegenheiten eröff- neten am Montagmittag ihre Beratungen im Schöneberger Rathaus Es ist das erstemal, daß der Ausschuß in Berlin tagt.

BRÜSSEL. Der belgische Bergbau lehnt den Schumanplan in seiner augenblicklichen Gestalt mit der Begründung ab, die Bundesrepublik würde dadurch der Hauptkohlelieferant Belgiens werden und eine völlige Vorherrschaft auf die­sem Gebiet eringen.

WIEN Zwei Tanks des Erdölfeldes von Zisters­dorf in der sowjetischen Besatzungszone Öster­reichs sind am Montagabend explodiert. 30 Feuerlöschzüge aus Niederösterreich wurden ein­gesetzt, um weitere sieben Tanks vor den Flam­men zu bewahren.

ROM. Bei der Unwetterkatastrophe in Südita­lien, Sizilien und Sardinien sind nach bisherigen Ermittlungen mehr als 100 Personen ums Leben gekommen. Riesige Schlammseen, ein grauen­volles Gewirr eingestürzter Häuser und Brüchen, Deichbrüche und nachgebende Hausfundamente kennzeichnen die betroffenen Gebiete. Besonders Kalabrien, die ärmste Provinz Italiens, ist schwer heimgesucht worden.

SAIGON. Der Stabschef des amerikanischen Heeres, General Collins, traf zu einem dreitägi­gen Besuch in Indochina ein.

TAIPEH. Die Insel Formosa wurde am Montag von einen; starken Erdbeb \i heimgesuchr, das beträchtliche Schaden verursachte. Nachrichten­verbindungen, Straßen- und Eisenbahnlinien sind an vielen Stellen unterbrochen, Hunderte ,: on Gebäuden eingestürzt. Mindestens 32 Personen wurden getötet und mehr als 100 verletzt. Ins­gesamt wurden sieben Erdstöße registriert.

NEW YORK. Der New Yorker Hafen wurde am Dienstag durch den wilden Streik der Dock­arbeiter fast völlig lahmgelegt. Der Hafen ist durch Schiffe aller Art, die auf Abfertigung warten, verstopft. Der Streik dauert schon eine Woche an, hat aber erst jetzt bedrohlichen Um­fang angenommen.

WASHINGTON. Im Dezember dieses Jahres wird die Zahl der Todesopfer bei Autounfällen in den USA eine Million erreicht haben. In den acht Kriegen und Bürgerkriegen, die die USA seit 1775 durchmachten, hat die Zahl der Gefal­lenen, Korea eingeschlossen, die Millionengrenze erst um einige tausend überstiegen.

CARACAS. Bei wiederholten Aufstands- und Attentatsversuchen in Venezuela wurden in den letzten zehn Tagen neun Personen getötet, 16 verwundet und hundert verhaftet. Die revolutio­nären Bewegungen werden der verbotenen Par­tei der demokratischen Aktion zugeschrieben.

Vorsichtige Wahlprognosen

Morgen Wahlen in Großbritannien LONDON. Der Kampf um die drei Prozent noch unentschiedenen Wähler, die den Aus­gang der morgen stattfindenden englischen Wahlen voraussichtlich entscheiden werden, entbrannte in den letzten Tagen in voller Hef­tigkeit. Beide Parteien sagten zwar ihren Sieg voraus, waren jedoch sehr zurückhaltend mit Prognosen über die Sitzzahl, was denjenigen Kreisen immer mehr recht zu geben scheint, die auf einen knappen Ausgang tippen.

Von der Konservativen Parteileitung wird mit einer Mehrheit vonmindestens 35 Sit­zen gerechnet gegenüber 100 bis 150 vor 14 Tagen. Die Labour Partei ließ durch einen Snrecher erklären, sie werde mit 30 Sitzen Mehrheit in das neue Unterhaus einziehen.

Die Labour-Regierung will vor den Wah­len keine außenpolitische Entscheidung mehr treffen, um zu vermeiden, daß bei einem Wech­sel der Regierung der Nachfolger an Ent­scheidungen gebunden ist, die er unter Um­ständen nicht billigt. Davon werden in erster Linie die persische Erdölfrage und die Ägyp­tenkrise betroffen.

Kumm er muß contra Dehler

Auch Kritik an Fette STUTTGART. Der erste Vorsitzende der Gewerkschaft öffentliche Dienste, Transport und Verkehr, Adolf Kummernuß, wandte sich auf der Delegiertenversammlung des Be­zirks Württemberg-Baden der ÖTV scharf gegen Bundesjustizminister Dr. Thomas Dehler. Die Äußerungen Dr. Dehlers stell­ten dasUnverschämteste dar, was jemals seit 1945 gegen die Deutsche Gewerkschafts­bewegung vorgebracht worden sei. Zwar habe Dehler seine Rede nicht gehalten, aber das Manuskript habe Vorgelegen. Die Bemer­kung, die Gewerkschaftsbürokratie sei das bösartigste Geschwür am Volkskörper sei eine Diffamierung von sechs Millionen deut­scher Arbeiter, die die Gewerkschaftsbürokra­tie vertrete. Als gefährliche Faktoren für den Bestand der Demokratie bezeichnete Kum­mernuß neben den restaurierten alten Wirt­schaftskräften eine gewisse nationalsozialisti­sche Ministerialbürokratie, die schlagenden studentischen Verbindungen, sowie die Sol­datenbünde.

Dem ersten Vorsitzenden des Deutschen Ge­werkschaftsbundes, Christian Fette, müsse der Vorwurf gemacht werden, daß er die Ver­treter der Soldatenbünde überhaupt empfan­gen habe. Die Remilitarisierung sei Sache der Parteien und nicht der Gewerkschaften. Die Gewerkschaften würden künftig die Abgeord­neten in den Parlamenten des Bundes, der Länder, der Kreise und der Gemeinden aufs schärfste beobachten und ihre Einstellung zur Sache der Gewerkschaften prüfen.

Stuttgart klagt

Gegen Gesetz über den Finanzausgleich STUTTGART. Die württembergisch-badische Landesregierung hat beim Bundesverfassungs­gericht beantragt, das Gesetz über den Fi­nanzausgleich der Länder als mit dem Grund­gesetz nicht vereinbar und daher nichtig zu erklären. Ferner solle das Bundesverfassungs­gericht eine einstweilige Anordnung erlassen, nach der die Leistungen Württemberg-Badens im Rahmen dieses Gesetzes bis zur endgülti­gen Entscheidung gestundet werden.

In der Begründung des Antrags wird aus­geführt, daß Württemberg-Baden bereits bei dem Finanzausgleich 1949 gegenüber anderen Ländern in unverhältnismäßig hohem Maße herangezogen worden sei. Das gleiche sei trotz wiederholter Proteste 1950 der Fall gewesen, so daß die Finanzkraft des Landes entgegen dem Sinn des Grundgesetzes ernstlich ge­schwächt sei. Es wurde darauf hingewiesen, daß der tiefere Grund für den unangemesse­nen Ausgleichin der falschen Gliederung des Bundesgebietes liege, durch die nicht nur steuerschwache, sondern geradezulebensun­fähige Länder künstlich am Leben erhalten würden.

Ein heiterer Roman oon Franz Gößl ;

Nachsaison"

Copyright by Schwäb. Verlagsgesellschaft, Tübingen

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Hm, das grad nicht, aber in deinen Sack geht es einmal

Ich verzieht drauf! Was ich brauch, schaf­fen doch die zwei da her, schimpfte der Mar­tin und hielt dem Briefträger zwei Hände vor die Nase, denen man es allerdings ohne wei­teres glauben konnte, daß sie mehr zum Ar­beiten geeignet waren als zum Zimmeran- weisen. Dieser Anblick brachte ihn in einem eigentümlichen Zusammenhang wieder auf den Zweck seiner stürmischen Fahrt. Vielleicht wußte der Lois etwas über den Verbleib des Amerikaners. Auf seine diesbezügliche Frage lachte der Briefträger:Wenn die Augen nicht besser aufmachst, wirst belämmert sein. Alle­weil mit Verstand, Martin! Der sitzt bei euch in der Gaststube und liest ein Romanbüchl.

O ich Esel! schlug sich Martin vor den Kopf,und ich renn mir die Füß aus.

Siehst, jetzt redest schon wieder vernünf­tig, lobte der Lois. Der Martin hatte gle ! ch einen anderen Humor, da er wuße, daß der Amerikaner nicht in der Nähe seiner Lisi war.

Nachdem der alte Kralinger, innerlich über seinen ungeratenen Sohn fluchend, aber nach außen den verklärten Schein seines ganzen wirtlichen Wohlwollens ausstrahlend, die Kof­fer und Schachteln auf das Zimmer der zarten Dame geschleppt hatte, schob er ihr, die schon mit Einräumen begann, den Meldezettel hin, damit sie bekenne, wer sie sei und woher sie komme. Flott und den Wirt aus den Auger winkeln anblitzend, schmiß sie d : e Eintra­gungen hin. Als wollte er einen Hunderter stehlen, zog er das Blatt wieder fort: L ; Io Zawadil, Schauspielerin aus Wien, stand zügig

da. Rechnete man dazu von ihrem Geburts­datum bis zur Gegenwart hinauf, kam man auf ein Alter von 24 Jahren. Wenn diese Schauspielerin in solcher Jugendfrische schon tragende Rollen hatte, dann war es leicht aus­zurechnen, welche Höhe sie noch erklimmen würde. Verheiratet war sie nicht.

Am Abend lag ein zweites Gedeck auf dem Ofentisch. Herr Myera schien darüber nicht erfreut zu sein, denn seine Frage nach dem Sinn dieses neuen Aufwandes klang abwei­send. Und als die Schauspielerin erschien, ließ er die Vorstellung mit zurückhaltender Höf­lichkeit über sich ergehen.

Das Frauenzimmer sprühte vor Leben und aus den Augen sah man förmlich die Funken der Daseinslust spritzen. Sie zog auch sofort den ganzen Gästekreis in ihren Bann und der Stern des Südens, der bisher so hell am Stammtisch gestrahlt hatte, erblaßte sichtlich Sowohl der Spengler als auch der Tischler und nicht zuletzt der Wirt hingen nvt ihren Augen am herzförmig geschminkten Mund des Mäd­chens aus fernen Welten wie die Wespen an reifen Birnen. Nur der Obermoser ließ sich nicht einfangen; er hielt sich nach wie vor an den Amerikaner. Denn in diesem war sein künftiger Reichtum verankert. Auch Herr Myera selbst ging nicht aus sich heraus: man sah, sein geläutertes Wesen, das das Leben trotz so zarter Hände bemerkenswert fest an­packte, wollte mit dem flattrigen der neuen Tischgenossin nichs zu tun haben. Der Kra­linger, der nicht se ungebunden wie seine Gäste leben konnte, riß sich einige Male mit Gewalt vom Zauber der quickrgen Person los, um den Amerikaner nicht ganz vereinsamen zu lassen. Als aber Fräulein Lilo erzählte, daß sie ursprünglich Tänzerin gewesen sei und recht anschaulich davon plauderte, da wurde er Herrn Myera endgültig untreu. Auch die andern rückten so eng an Lilo heran, daß um d'e zwei Minenbesitzer ein leerer Raum ent­stand.

Das war der gegebene Augenblick für den Amerikaner, um dem Obermoser zuzuraunen; Stellen Sie sich vor, jetzt hat man mir schon wieder Minen angeboten, für die ich mir recht­zeitig das Vorkaufsrecht gesichert habe.

Ist das ein Glück! Etwas anderes brachte der Obermoser nicht heraus.Kann jeder haben._ warf Herr Myera das Wort leicht hin wie einem Hund den abgenagten Knochen, nur zufassen muß man können.

Und richtig fuhr der Obermoser darauf los: Können Sie, Herr Myera...? Da der erste Kauf so glänzend gelungen war, wie er ja selbst aus dem Telegramm ersehen hatte, wäre es unverzeihlich gewesen, nicht zuzu­greifen.

Der Amerikaner schien nicht recht her­hören zu wollen.Es sind die besten seit langer Zeit, Sie verstehen ...

Der Obermoser verstand. Es fand seinen Niederschlag in den vorwurfsvollen Worten: So gehts unsereinem. Wenn man zugreifen möchte, ist nichts da.

So dürfen Sie das nicht auffassen. Aber hier neben der quakenden Ente kann man so etwas ja nicht verhandeln. Ich suche Sie die­ser Tage einmal auf. Es hat keine Eile diesmal, denn die Minen sind mir sicher.

War Herr Myera im großen und ganzen ein stiller und ruhiger Gast, wie es den sanft wär­menden Strahlen der Herbstsonne entsprach, so glich die Schauspielerin eher einem hitze­flirrenden Sommertag, am dem es überall summte, lockte und zwitscherte. Sie war nicht imstande, auch nur zehn Schritte über den Gang zu gehen, ohne ein Liedlein zu träl­lern oder gar zu pfeifen, ganz gleich, ob es bei Tag oder Nacht war. Das war für einen Men­schen, der seine Nerven in Ordnung bringen wollte, begreiflicherweise nicht angenehm und oft zuckte Herr Myera fahrig zusammen, wenn unvermutet derLiebe Augustin oderPüpp- chen, der Augenstern, aus den gespitzten Lip­pen Li los auf ihn zusprang. Man konnte da­

her auch nicht verlangen, daß er bei den ge­meinsamen Mahlzeiten sie angirrte. Wo noch dazu ja sein Herz für Lisi wärmer schlug als ein gutgeheizter Ofen. Daraus machte er dem Obermoser gegenüber kein Geheimnis. Der saß übrigens auf Nadeln, denn von den neuen Minen war nie mehr die Rede Auch Fräulein Lilo hatte es bald aufgege­ben, dem Amerikaner ihre Fangstricke zuzu­werfen, da er nicht darnach griff. Ihre Unter­haltung plätscherte sachte dahin und versik- kerte nur zu oft ganz in den Genüssen, die die Wirtin auftischte. Daß sie in ihrem Eifer nicht erlahmte, dafür sorgte der Kralinger. Soviel er nur konnte, tänzelte er um Lilo und erkundigte sich dauernd nach ihren Wünschen. Für den Wirtssohn war trotz des tiefen Son­nenstandes eine heiße Zeit angebrochen. Es gelang ihm nicht ein einziges Mal, ungescho­ren an Lilo vorbeizukommen. Bald wollte sie wissen, wie die oder jene Bergspitze heiße, und wenn er auch jedesmal eine andere Be­zeichnung dafür erfand, so wurde sie doch nicht müde, immer wieder darnach zu fragen, dann zeigte sie brennendes Interesse für einen Vorgang im Dorfe, ein anderes Mal wieder mußte

sie unbedingt erfahren, wie man sich in dieser Einsamkeit die langen Winterabende vertreibe. Kurz und gut, der Martin hatte es ihr einfach angetan und es mußte höchst betrüblich fj sie sein, daß er so ganz und gar nicht herwärts schaute. Er blieb kalt wie ein Eisblockun wenn ihre Lippen noch so leuchtend lockten, er ging achtlos daran vorüber. Und nicht nur das, er bemühte sich öfters nicht einmal es zu verbergen, daß er innerlich kochte vor Unge duld loszukommen. Das war besonders der Fall, wenn er hinter dem Amerikaner herhet­zen wollte, um ihn ja nicht der Lisi zu nan kommen zu lassen. Und gerade dann fan. s * kein Ende mit ihrem langweiligenHerr _Ma " tin hin undHerr Martin her, daß er sie a liebsten mit einem kräftigen Satz stehen 8 lassen hätte. Die Schauspielerin kränkte o. nicht im mindesten. (Fortsetzung £°isv