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Ri. 289
Gegründet 1826
Freitag, den 10. Dezember 1928
Fernsprecher Rr. 29
1VV. Jahrgang
TagesfPiegeZ
Die preußische Regierung wird gegen da» Jugendschutz Gesetz keinen Einspruch erheben, dagegen versuchen, iw Reichsrat Aenderungen in den Ausführungsbestimmmiger durchzusehen.
Strcsemann hatte eine vertrauliche Unterredung mii Driand.
Der Pariser Botschafter rat soll schon wieder neue ..Der sehlungen" Deutschlands sestgestellt haben. — Man möchte lachen, wenn das Komödienspiel nicht gar so traurig und beschämend wäre.
Ueber die von Frankreich und Polen geforderte Nieder- rsitzung der Unkerhaltungsbauten der Festungswerke in Königsberg sowie über die Ausfuhr von Kriegsmaterial und HalbsabriLctten ist im Vöikerbundsrat keine Einigung erziel« worden. Der Streit soll in Paris (Vokschasterrat?) weiter behandelt werden.
Der Völkerbundsrat hat die Weltwirtschafiskonseren; aus 4. Mai 1827 noch Genf einberufen.
Das englische Unterhaus hat einen Mihtrauensantrag Mac Donalds (Arbeiterpartei) gegen die Regierung mit 339 gegen 131 Stimmen abgelehnt. Die Liberalen enthielten sich der Stimme.
Bei Rudenib (Marokko) wurde ein französischer Militär- transpork von Risleutcn überfallen und ausgeplündert. Der Führer des Lastautos, zwei französische Soldaten und 10 eingeborene Begleiter wurden niedergemacht.
Reuter berichtet von den Kämpfen in China, die Stratzen in Siansu seien mit Leichen bedeckt. Die Soldaten nehmen den Bewohnern der Stadt alle Vorräte weg. Es ist unmöglich. Lebensmittel zu kaufen. Menfchenfleifch wird zum Kauf angeboren. Alle Hunde sind verschwunden. Die Soldaten nähren sich von Pferdefleisch, Hirse, Rinden und Abfall.
Arbeitsschutz und Arbeitszeit
Der Regierungsentwurf eines Arbeiterschutzgesetzes, der soeben veröffentlicht worden ist, stellt einen bedeutsamen Schritt auf dem Weg zu dem geplanten neuen Arbeitsgesetzbuch dar; neben dem Arbeitsgerichtsgesetz und der Arbeitslosenversicherung wird er wohl noch lange im Mittelpunkt des sozialpolitischen Interesses stehen, da seine end- giötige Verabschiedung kaum vor Jahresfrist zu erwarten sein dürste. Von dem Arbeitsvertragsrecht, das die gegenseitigen p r i v a t re chtl i che n Beziehungen der Arbeitgeber .und Arbeitnehmer regelt, unterscheidet sich das Ar- deitsschutzgesetz dadurch, daß es dem Unternehmer eine einseitige öffentlichrechtliche Pflicht gegenüber der Staatsgewalt zur Durchführung bestimmter sozialer Maßregeln auferlegr. Während also eine Verfehlung aus dem Arbeitsvertrag von den unmittelbar beteiligten Parteien im arbeitsgerichtlichen Verfahren verfolgt werden muß, obliegt die Beaufsichtigung des Arbeitsschutzgesetzes staatlichen Behörden und dem Strafrichter. Das neue Gesetz enthält daher nur Bindungen für den Arbeitgeber; es bestimmt lediglich die Höchstgrenze der zulässigen Arbeitszeit und überläßt es dem Arbeitsoertrag, zu entscheiden, wie weit der einzelne Arbeitnehmer zur Leistung dieser Arbeit tatsächlich verpflichtet ist.
Der Entwurf umfaßt den Schutz gegen Betriebsgefahren, die allgemeine Arbeitszeitregelung einschließlich eines erhöhten Schutzes für Jugendliche und Frauen, das Nacht- backverbot, sowie Bestimmungen über die Sonntagsruhe, den Ladenschluß und die Arbeitsaufsicht. Allerdings läßt das Gesetz zumeist aus technischen Gründen mehrere Sondergebiete, wie die Land- und Forstwirtschaft, die Schiffahrt, Heimarbeit und Hauswirtschaft u. a. .zunächst unberücksichtigt, um sie später besonderen Gesetzen zu unterstellen.
Der sachliche Geltungsbereich des Gesetzes erstreckt sich auf alle Betriebe ohne Rücksicht aus ihre Größe, der persönliche Geltungsbereich auf sämtliche Arbeitnehmer mit Ausnahme von leitenden, höheren oder mit Vertrauensposten bekleideten Persönlichkeiten. In Uebereinstimmung mit dom Washingtoner Arbeitszeitabkommen werden jedoch Familienbetriebe nicht erfaßt. Der Abschnitt über den Schutz gegen Betriebsgefahren übernimmt im wesentlichen die bewährten Vorschriften aus der Gewerbeordnung, besonders der Novelle von 1891, die bisher als das „Arbeitsschutzgesetz" gelten konnte. Eine Neuerung wird dabei durch den „M a s ch i n e n schu tz" eingeführt Sind heute die Arbeitgeber zur Anbringung bestimmter Schutzvorrichtungen an Maschinen verpflichtet, so soll in Zukunft sAan auf den Hersteller der Maschinen ein Zwang zur Mlt ieferung der gesetzlichen Schutzteile ausgeübt werden. Daher befürchten die Maschinenfabrikanten eine starke Hemmung ihrer Konstruktionsfreiheit und eine neue Belastung ihres Gewerbes? Ob die Wirtschaft sich damit abfinden wird, daß die vom Reichsarbeitsminister zu erlassenden Vorschriften nur im Einvernehmen mit dem Reichswirtschaftsmini- stenum, dem Reicksrat und den beteiligten Interessenten getroff^i werden können, jst zweifelhaft. Die Besorgnis vor einer Erschwerung des internationalen Wettbewerbs sucht der Enttvurf dadurch zu zerstreuen, daß er die Produktionsvorschriften nur auf den Jnlandsoerkehr beschränken will.
> Der wichtigste Teil des Entwurfs liegt in der Neu-
Der Roalitionsstreit
Berlin, 9. Dez. Die Rede des Abg. Schal z (D. Volksp.) in Insterburg, in der er sich für den Eintritt der Deutsch- nationalen in die Regierungskoalition und gegen die Verbindung mit der Sozialdemokratie aussprach, hat die sozialdemokratische Fraktion veranlaßt, durch .zwei Vertreter beim Reichskanzler Dr. Marx Beschwerde zu führen und mit schärfster Opposition gegen die Reichsregierung zu drohen. Der Reichskanzler beries darauf einen Kabinettsrat, in dem der Vorgang eingehend besprochen wurde. Nach der V.Z. hat Dr. Marr der Deutschen Velkepartei erklärt, e r (Marx) u n d d a s Z e n t r u m seien fürdie Aufnahme der Deutschnatio aalen in die Koalition nicht zu haben; es würde schwere innerpolitische Verwicklungen geben, wenn die Sozialdemokratie in eine Kampfstellung gegen das Kabinett gedrängt würde. In der Deutschen Volkspartei will man, wie das Blatt erfährt, die Entscheidung in dem Streit erst herbeiführen, wenn Dr. Stresemcmn in nächster Wache aus Genf zurückgekehrt sein wird.
Aus dem Reichstag
Berlin, 9. Dez. Dem Reichstag ist ein Gesetzentwurf zur Regelung des Verkehrs mit Milch zugegangen, der Geld- und Gefängnisstrafen bei Uebertretungen der aus- gesxrochenen Anordnungen vorsieht.
Mitglieder der Deutschnationalen Volkspartei haben im Reichstag einen Antrag eingebrachr, der die Reichsregierung ersucht, für das Jahr 1927 den Bienenzüchtern für jedes Bienenvolk 10 Kilogramm Zucker zur Bienenfütterung von der Zuckersteucr frei zu lassen.
In einer Großen Anfrage wendet sich die deurschuationale Fraktion gegen die starke Vermehrung der Eigenbe-
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me in den und ihre ständig wachsende Ausdehnung auf weitere Erwerbszweige, die zu einer großen Gefahr für Handwerk und Einzelhandel geworden sind.
Die hohenzollern Abfindung Benin. 9. Dez. Wie verlautet, ist zwischen Preußen und dem Hohenzotterubaus eine Abrede dahin getroffen, daß die im Auseinanderfetzungsvertrag aufgeführten Kunstwerke bis zu ihrem Ankauf durch die preußische Staatsregierung den staatlichen Museen und den Schloßverwal- tungen zur Verfügung stehen. In welchem Umfang Preußen die Kunstwerke kaufen wird, ist noch Gegenstand der Verhandlungen. Der Wert dieser Kunstgegenstände wird aus drei Millionen Mark geschätzt. Zu den Kunstwerken gehören u. a. Gemälde von Watteau, Franz Krüger und Menzel sowie eine Anzahl Gobelins, einige Büsten und Ausgrabungen. Die preußischen Kronin signier, werden voraussichtlich nach dem 1. April 1927 im Hohenzollern- Museum ausgestellt werden. Die Uebergabe der Grundstücke und Förstereien aus der Herrschaft Flatow-Krojanke, die dem Land Preußen zufallen, ist etwa für Ende Februar 1927 zu erwarten. Die erste Rate von 5 Millionen Mark, die nach Genehmigung des Auseinandersetzungsvertrags an 0as Hohenzollernhaus gezahlt wurde, ist dazu benutzt worden, um finanzielle Verpflichtungen abzudecken. Das Hohenzollernhaus soll erneut mit finanzielle» Schwierigkeiten zu kämpfen haben, so daß voraussichtlich auch ein erheblicher Teil der zweiten Z-Millionen-Rate, die am 1. Februar 1927 gezahlt werden soll, ebenfalls zur Abdeckung der finanziellen Verpflichtungen benutzt werden muß. Nachfolger des Geheimrats v. Berg dürfte der Geh. Oberregierungsrat Zier sch werden, der an den Auseinandersetzungsverhand- lungen stark beteiligt war.
regelung der Arbeitszeit, die sich auf dem Grund, satz des Achtstundentags aufbaut. Die geltende Arbeitszeit- Verordnung von 1928 hat den Landesbehörden weitgehende Ausnahmebefugnisse und vor allem der tariflichen Vereinbarung eine große Bewegungsfreiheit gegeben, die nun nach dem neuen Gesetz erheb'ich eingeengt werden soll. Der Entwurf steht auf dem Standpunkt, daß die freie Einscnei- -oung der Tarifvertragspartei mit dem öffentlich-rechtlichen Charakter des Arbeitsschutzes schwer zu vereinbaren sei. An dieser Stelle wird ohne Zweifel eine gründliche Kritik einzusetzen haben. Ein Gesetz nürd stets schemauickie Gesichtspunkte in den Vordergrund stellen und den überaus verschiedenen, individuellen Verhältnissen des Wirtschaftslebens nur wenig Rechnung tragen können. Der Grundsatz muß daber durch d>e den unmittelbar beteiligten Kreise» gegebene Möglichkeit, sich besonders gelaäerten Bedürfnissen anzupassen, ergänzt und gelockert werden.
Der Grundsatz des Achtstundentags muß zablreicke A u s- nahm es alle zulassen, wie ja auch das Washingtoner Abkommen keineswegs ein starres Schema vorschreibt. Zunächst ist eine andere Verteilung der acht- oder acht- undvierziastündigen Arbeitszeit innerhalb bestimmter Zeiträume möglich: so wenn an einzelnen Tagen der Woche mehrere Arbeitsstunden fortgefallen sind, durch Schichtwechsel oder aus wirtschaftlichen Gründen weniger als sechs Wochentags gearbeitet wir- oder iiffolge außergewöhnlicher Ereignisse und Festtagen ein Arbeitsausfall zu verzeichnen ist. Ebenso darf sich in Saisongewerbcn die Arbeitszeit nach den d°")»deren Bedürfnissen des Gewerbes verteilen. Die Zulässigkeit der Ausnahmen hängt von einer Vereinbarung der beteiligten, in besonders wichtigen Fällen stets von einem Tarifvertrag ab.
Wird nach den eben erwäbnten Vorschrift», der durchschnittliche Achtstundentag, bei durchgehenden Schichtwechselbetrieden die 46 Stundenwoche, eingehakten, so ist eine tatsächliche Verlängerung der Arbeitszeit in weiteren Paragraphen zugclassen. Zunächst kann von einzelnen Arbeitnehmern eines Betriebs eine Mehrarbeit bis zu zwei Stunden verlangt werden, wem, Borberei- tungs- und Ergänzungsarbeiten (z. B. Bedienung von Kraft- und Beleuchtungsanlagen, Vorbereitung von Hilfsstoffen, Reinigung von Betriebsräumen u. dgl.) erst die volle Ausnutzung der Normalarbeitszeit durch die Gesamtbelegschaft ermöglichen. Jst eine Arbeit ihrem Wesen nach durch häufige und größere Unterbrechungen erleichtert, der Tatbestand der ,.A rb e i t s b e r e i tsch a ft" also gegeben, so kann ebenfalls die Arbeitszeit ousoedehnt werden, ledoch nicht über eine zwölfftündigc Schichtdauer hinaus. Da die Arbeitsgemeinschaft in den verschiedenen Berufen und Gewerbezweigen sehr verschieden ist, ermächtiot das Gesetz den Arbeitsminister, auf dem Verordnungswea Eimel- regelungen vormn-hmen. Arbeitszeitverlängerun» bst die gesamte Belegschaft bis zu .zwei Stunden täglich und sechzig Stunden jährlich läßt der Entwurf bei Borliegen eines dringenden Bedarfs zu; darüber hinaus können durch Tarifvertrag oder behördliche Genehmigung noch weitere 260 Jahresstunden geleistet werden, so daß die Höchstgrenze der Mehrarbeit jährlich in 300 Stunden, d. h. am Tage in neun Stunden, liegt, in denen natürlich die Pausen nicht enthalten sind. Dem WaWngtvner Abkommen entsprechend wird diese Mehrarbeit mit einem Lohnzu- schlag von ungefähr 25 Prozent belegt. Schließlich sind noch Ausnahmen für außergewöhnliche Fälle, zur Besei- fiauna eines Notstands, zur Beendigung unaufschiebbarer
Arbeiten oder .zur Verhütung des Verderbs von Rohstoffen vorgesehen.
Besonders verwickelt und unübersichtlich war bisher der Frauen- und Jugendlichenschutz, der nunmehr einheitlich geformt wird. Der Entwurf sieht dabei eine Erhöhung des Schutzalters der Jugendlichen von 16 bis 18 Jahre vor, dehnt den Mutterschutz auf Kleinbetriebe und weibliche krankenversichertc Angestellte aus und verschärft auch sonst noch manche geltende Bestimmung. Das Nacht- backverbot ist mit der Abänderung übernommen, Laß als Nachtarbeit von 9 Uhr abends bis 5 Uhr morgens gilt, und daß für zweischichtige Betriebe die Betriebsruhe etwas verkürzt werden kann. Auf dem Gebiete der Sonntagsruhe und des Ladenschlusses geht der Entwurf von dem herrschenden Rechtszustand aus, kommt jedoch Äen Bedürfnissen auf dem Land nach vorübergehend späterem Ge- schästsschluß, wie auch den Angcstelltenwünschen nach einem früheren Ladenschluß, entgegen. Der Geltungsbereich der Sonntagsruhe wird wesentlich erweitert, die Anrechnung von Sonntags- auf die Wochenarbeits,zeit geregelt und die einzelnen Ausnahmemögllchkeiten werden unter Neuordnung der behördlichen Befugnisse schärfer begrenzt.
Schließlich ist noch zu erwähnen, daß mit Rücksicht auf ihr erweitertes Arbeitsgebiet — die Durchführung des gesamten Arbeitsschutzgesetzes — die Gewerbeaufsicktsbehörden in Arbeitsaufsichtsä in ter umgewandelt werden, wobei jedoch eine Bermebrung des Berwaltungsapparates vermieden werden soll. Diese Aemter bleiben wie bisher L a n d e s st e l l e n und werden von den Landesregierungen errichtet und besetzt. Ebenso bleibt die Möglichkeit offen, für einzelne Gewerbezweige, wie z. B. den Bergbau oder den Hastnverkehr, besondere Auffichtsämter einzurichten. Der Reichsarbeitsminister, oder mit seine? Zustimmung die oberste Laudesbebörde, erhalten das Recht, das Inkrafttreten des Gesetzes für einzelne besonders notleidende Gewerbe,z>v" me etwas hinauszuschieben; ebenso kann die Regierung Gesetz vorübergehend außer Kraft setzen, wenn Krieg o .r allgemeine wirtschaftliche Krisen die Laiid'ssick.erheit gefährde» und die Lebensmöglich-keiten des Volks bedrohe».
Neuestes vom Tage
Die Reichsausgaben betrage» in Millionen Reichsmark: Steuerüberweisunoen an die Länder . 2357,3
Reparationszahlungen 600,3
Innere Kriegslasten. 263.8
Allgemeine Pensionsfonds
a) Zioilpenstonen .... 895
b) Militärpensionen . . . 244,7
e) Kriegsbeschädigtenrenken 1223,0 . . 1557,2
Sämtliche Verwaltungsausgaben für Heer
»nd Marine.500Z
Besoldung für Reichsbeamte .... 526,8
Die Ausweisung de» Generaldirektors Schulz au» Polen verhindert
Leukhen, 9. Dez. Gegen die Ausweisung des Generaldirektors Schulz von der Gräflich Henckei-Donnersmarckschen Verwaltung aus Polen haben, wie die Blätter erfahren, die deutschen amtlichen Stellen sofort beim Präsidenten Ealonder
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