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28. September 1951
Lang und seine Komplicen vor ihren Richtern
I>I. Strafkammer des Landgeridits Karlsruhe verhandelt über bisher größten Postscheckbetrug / Lang beteuert seine Unschuld
Bei stärkstem Publikumsandrang begann am Mittwoch vor der Großen Strafkammer des Landgerichts Karlsruhe die öffentliche Verhandlung gegen den Holzhändler und früheren Bürgermeister von Herrenalb und Wildbad, Gustav Lang, gegen dessen Vetter, den Kaufmann Willi Rieger, Karlsruhe, und den Postangestellten Erich Kölmel, Karlsruhe. Die drei Angeklagten sind beschuldigt, gemeinsam das Postscheckamt um Summen betrogen zu haben, die einmalig dastehen dürften. Die Vernehmung der Angeklagten und der Zeugen brachte an den ersten beiden Tagen einiges Licht in die dunklen und raffinierten Machenschaften, Gustav Lang jedoch betonte in flammenden Protesten seine vollkommene Unschuld. Mit in das Verfahren verwickelt ist der Rechtsanwalt und frühere Landesvorsitzende der VVN in Württemberg-Baden, August Franz Hoffmann, der zunächst die Verteidigung des bereits am 21. April 1950 inhaftierten G. Lang innegehabt hatte.
Karlsruhe. (Eig. Bericht.) Schon lange vor Beginn der Verhandlung drängen sich die Menschen vor dem Tor des stattlichen Gebäudes Stephanienstraße 1, das der Sitz des Landgerichts Karlsruhe ist. Endlich wird Einlaß gewährt, doch immer wieder müssen die Türen geschlossen werden, um den allzu großen Andrang abzuhalten. Die Angeklagten, von Polizeibeamten begleitet, haben Platz genommen, als letzter wird Gustav Lang, zeitweiliger Bürgermeister von Herrenalb und Wildbad, in den Saal geführt. Ein Blitzfeuer der anwesenden Photoreporter richtet sich auf die Anklagebank, Lang hält schützend die Hand vor sein Gesicht. Landgerichtsdirektor Schmitz läßt den Tatbestand verlesen, der sich aus den bisherigen Vernehmungen und Untersuchungen ergeben hat.
„Komplex Mühla"
Gustav Lang und Willi Rieger sind beschuldigt, im Sommer 1949 den Beschluß gefaßt zu haben, Geldbeträge auf ein fingiertes Konto zu überweisen. In dieser Absicht haben sie den Postangestellten Erich Kölmel gewonnen. Bei der Oberrheinischen Kreditbank in Offenburg und der Städtischen Sparkasse Baden- Baden hatte Willi Rieger am 22. 8. 1949 je ein Konto eröffnet, in dem er sich als Generalvertreter Ernst Mühla aus München ausgab und sich hierzu mit einer gefälschten Kennkarte auswies. Der Postangestellte Kölmel, der auf dem Postscheckamt Karlsruhe als Kontoführer tätig war, hatte dann zwei Ueberwei- sungen aus dem Verkehr gezogen, auf denen dreistellige Beträge geringer Höhe notiert waren. Diese hatte er durch Davorsetzen einer „14“ bzw. einer „15" erhöht, die Kontennummer und den Inhaber Mühla der beiden neu eröffneten Konten eingesetzt und die Ueber- weisungen dann wieder in den Verkehr gebracht.
Der Coup gelingt
Bereits am 25. August 1949 war dann Rieger alias Mühla wiederum bei diesen beiden Bankinstituten in Offenburg und Baden-Baden erschienen und hatte in Offenburg 13 100 DM, in Baden-Baden 14 000 DM abgehoben. Dieser erste Coup, der vom Gericht als „Mühla- Komplex” jzusamfnengefaßt wurde, gelang, ohne daß er größeres Aufsehen erregt und namentlich ohne daß der Initiator entdeckt worden wäre. Das Postscheckamt freilich hatte einen Verlust von 27 100 DM zu verbuchen. Die Beute wurde unter den drei Komplicen verteilt, wobei Rieger und Kölmel je 5000 DM erhalten haben wollen.
„Unternehmen Katz"
Anfangs des Jahres 1950 war die Beute offensichtlich aufgebraucht, denn neue Pläne wurden gewälzt. Diesmal sollte ein ganz großes Ding gedreht werden, und man ging mit der nötigen Raffinesse ans Werk. Die Geldbeträge sollten diesmal nicht auf ein fingiertes Konto, sondern auf die Konten der Firma G e 1 a (Gebrüder Lang, Calmbach) und der Firma Scharf, Inhaber Kirsch, Wildbad, überwiesen werden. Nach Angaben und Skizzen des Postangestellten Kölmel ließ Willi Rieger zu diesem Zweck bei einer Eutinger Druckerei Formulare herstellen, die den bei der Post üblichen täuschend ähnlich waren. Da sich Rieger hierbei als Versicherungsangestellter ausgab und zugleich noch andere Drucksachen in Auftrag gab, schöpfte man bei der Druckerei keinen Verdacht. Weiter ließ sich Rieger bei einem Pforzheimer Stahlgraveur einen Stempel anfertigen, der den beim Postscheckamt üblichen genau entsprach, nur daß die Aufschrift „Postscheckamt" herausgelassen war. Auch dieser Stahlgraveur dachte sich weiter nichts dabei.
Der Wunsch: Eine halbe Million
Willi Rieger und Erich Kölmel füllten zusammen acht dieser Ueberweisungsscheine aus, wobei jeweils Summen in Höhe von 50—70 000 DM eingetragen wurden. Wenn alle diese Ueberweisungen in den Verkehr gebracht worden wären, so hätte die Betrügerei eine Gesamtsumme von rund einer halben Million umfaßt. So aber hatte Kölmel, der ohnedies den Erfolg dieses „Geschäfts" sehr skeptisch beurteilte, Bedenken. Er machte daher nur von vier Ueberweisungsscheinen Gebrauch. Auf das Konto der Gela bei der Südwestbank in Karlsruhe gingen Beträge in Höhe von 59 000 DM und 70 000 DM ab, auf das der Firma Scharf heim Postscheckamt Freiburg Beträge von 57 000 DM und 60 000 DM.
Dann aber doch „nur“ 246 000 DM
Um diese Geldüberweisungen auch nach außenhin glaubhaft zu machen, wurde ein ganzes Netz von fingierten Immobilienverkäu.en und Geschäftshandlungen gesponnen. Zu die- ?um Zweck wurde als Geschäftspartner ein Herr Max Katz, wohnhaft in Dresden, erfunden. Man hauchte dieser Figur Leben ein, in- dem man sie Telefongespräche führen und auch Geschäftsbriefe absenden ließ (die Rie- 9er und Lang gemeinsam abgefaßt hatten). Als dann die endgültige Regelung der geplanten Geschäfte die Anwesenheit des Maklers Katz ln Wildbad unumgänglich nötig machten, Wurde unglücklicherweise sein Hämorrhoiden- ; ei den, mit dem er schon seit fünf Jahren zu tun gehabt hatte, besonders akut.
Frau Katz tritt auf.
Anstelle des Patienten mußte daher seine
existierend, in einer aus Hamburg herangeholten „Dame" Fleisch und Blut gewann. Sie hatte, als ihr Rieger für die Uebernahme dieser Rolle in dem Schauspiel eine Gage von 10 bis 20 000 DM als Geschäftsbeteiligung in Aussicht stellte, den weiten Weg von der Elbestadt bis zum Schwarzwald nicht gescheut und spielte dann auch ihre Partie, angetan mit weißem Pelzmantel und Ehering, so großartig, daß selbst Herr Lang mit seiner Bewunderung nicht zurückhielt. Freilich bereitete es ihm eine gewisse Verlegenheit, seinem Geschäftsfreund Kirsch die Dame, die er ihm als tizianblonde Schönheit geschildert hatte, nun plötzlich als schwarzgelockten Typ vorstellen mußte. Er ließ sich daher von Frl. Jacobsen — so hieß Frau Katz vor ihrer geschäftlichen Verehelichung — mit einer gewissen Erleichterung darüber belehren, daß ja auch die Haarfarbe dem, Wandel der Mode unterworfen sei.
Der goldene Westen lockt Gedachter Herr Katz war angeblich beseelt von der Absicht, sich aus der Ostzone in den
„goldenen Westen" abzusetzen. Um sich aber zunächst eine geschäftliche Basis zu schaffen, interessierte er sich für Käufe aller Art. Von Gustav Lang übernahm er dessen Filialbetrieb in Karlsruhe sowie einen Lastzug, von Herrn Kirsch dessen Villa „Beigschlößchen" in Wildbad. Herr Kirsch hatte tatsächlich, Herr Lang angeblich an die Echtheit des Handels geglaubt. So war allerseits die Freude groß, als am 20. April 1950 auf dem Konto Lang 129 000 DM, auf dem Konto Kirsch 117 000 DM einliefen. Lang wußte, daß es nun schnell zu handeln galt, denn es war unausbleiblich, daß das Postscheckamt früher oder später den ganzen Schwindel aufdeckte. Zwei Versuche, Beträge beim Postscheckamt Freiburg abzuheben, schlugen allerdings fehl, da man dort stutzig geworden war und behauptete, nicht so hohe Summen Bargeld in der Kasse zu haben. Dagegen gelang das Manöver bei der Südwestbank Karlsruhe, wo Lang einen Betrag von 32 000 DM ausbezahlt erhielt. Er übergab sie seinem Schwiegervater zur sicheren Verwahrung. Der Schalterbeamte jedoch, der ihm den Betrag ausbezahlt hatte, wurde noch am gleichen Tag darüber belehrt, daß hier ein Schwindelmanöver im Gang sei. Als daher am nächsten Tag Karl Lang, der vor einem Vierteljahr aus der „Gela" ausgeschiedene Bruder Gustav Längs, am Schalter erschien, um einen Scheck seines Bruders auf weitere 18 000 DM einzulösen, wurde ihm die Auszahlung verweigert. Die Kriminalpolizei griff zu und nahm ihn ebenso wie seinen vor dem Bankhaus wartenden Bruder fest.
„Das hat mich zum Teufel gemacht! u
Frau
einspringen, die, da ja ebenfalls nicht
Nach Verlesung des bereits ermittelten Tatbestandes richtete der Vorsitzende die Frage an die Angeklagten, ob sie sich im Sinne der Anklage für schuldig erklärten. Der 33jährige Willi Friedrich Rieger, Kaufmann in Karlsruhe, nicht vorbestraft, seit 27. 9. 1950 in Untersuchungshaft, bekennt sich schuldig unter der Beifügung, daß er alles nur auf Anstiftung von Gustav Lang unternommen habe. Der 42jährige Erich Theodor Kölmel, Postangestellter in Karlsruhe, ebenfalls nicht vorbestraft, seit 8. 10. 1950 in Untersuchungshaft, bekennt sich ohne Einschränkung für schuldig. Als die gleiche Frage an den 39jährigen Gustav Theodor Lang, Wohnsitz Wildbad, nicht vorbestraft, gestellt wird, erklärt dieser im Brustton der Ueber- zeugung: „Ich bin vollkommen unschuldig!" (Allgemeines Gelächter beim Publikum.) Als ihm der Vorsitzende daraufhin vorhält, daß ja alles bei seinem Konto endige, ruft er in flammender Empörung aus: „Das ist das Verdienst der Kriminalpolizei und der Staatsanwaltschaft. — Ich kann Ihnen ganz klar versichern, daß in der ersten halben Stunde nach meiner Verhaftung die Sachlage ganz klar gewesen und das Geld auf dem Tisch gelegen wäre, wenn man mich anständig behandelt hätte und nicht wie einen ganz großen Verbrecher, einen pöbelhaften kommunistischen Untermenschen!". Lang versucht, der Sache eine Wendung ins Politische zu geben, indem er der Staatsanwaltschaft und der Kriminalpolizei sowie der Presse vorwirft, sie alle hätten diese Gelegenheit ,ausnützen wollen, um ihm aufgrund seiner politischen Vergangenheit einen Sensationsprozeß zu machen. Wenn er sich seit dem Tag seiner Verhaftung wie ein Verbrecher benommen habe, wenn er sich übel gegenüber dem Herrn Oberstaatsanwalt aufgeführt habe, so sei das alles auf seine damalige Empörung zurückzuführen. „Man wollte doch die Sensation, das hat mich zum Teufel gemacht! Ich kenne das Spiel!".
Auch Rechtsanwalt Hoffmann, auf dessen Rolle wir nach seiner Vernehmung noch zurückkommen werden, bekennt sich nicht schuldig in sämtlichen Punkten der Anklage mit der einen Einschränkung, daß er die Absicht gehabt habe, Steuerhinterziehung zu begehen.
Oeffentlich oder nicht
Zu einer überraschenden Wendung kommt es, als Oberstaatsanwalt Nerz den Antrag stellt, die Oeffentlichkeit während der Vernehmung von Rieger, Kölmel und Lang auszuschließen, da Gegenstand der Anklage zwei raffiniert ausgeführte Fälschungen seien, bei denen Einrichtungen unseres Postscheckverkehrs ausgenützt worden sind. Der Postscheckverkehr aber ist aufgebaut auf dem Gebot der Schnelligkeit Es bestehe Gefahr, daß interne Einrichtungen des Postscheckwesens der Oeffentlichkeit bekannt würden. Nach kurzer Beratung faßte das Gericht den Beschluß, daß die Oeffentlichkeit lediglich bei den Teilen der Verhandlung ausgeschlossen werden soll, wo interne postalische Einrichtungen zur Sprache kommen.
Ist Lang der Drahtzieher?
Die drei Angeklagten Rieger, Kölmel und Lang werden nun zunächst zum Komplex „Ernst Mühla", dann zum „Unternehmen Katz" vernommen. Rieger schildert sehr offenherzig alle Vorgänge bis ins Detail. Lebhaft und beredt, mit lässigen Gesten das Gesagte begleitend, stellt er die ganzen Vorgänge aus der Perspektive eines von Lang mißbrauchten, aber an sich ganz harmlosen, naiv unschuldigen Werkzeugs dar. Seine Taktik ist offensichtlich die, durch gespielte Ehrlichkeit und reumütige Geständnisse möglichst viel Schuld auf Lang als den Drahtzieher abzuwälzen, der sich selbst jedoch immer im Hintergrund hielt und es ängstlich vermied, sich mit Rieger zusammen sehen zu lassen.
Kippensammlung als Armutszeugnis
Von wesentlich einfacherer Gemütsart und geringerer Intelligenz ist der Postangestellte Erich Kölmel, dessen Aussagen sich größtenteils mit denen von Rieger decken. Freilich hatte er nur soweit Einblick in die ganzen Dinge, als seine Hilfe in posttechnischer Hinsicht gebraucht wurde. In einer Hinsicht je
doch differieren die Aussagen der beiden Angeklagten völlig: Rieger behauptet nämlich, von dem Betrag von 5000 DM, die ihm von dem Verteidiger Hoffmann im Auftrag des bereits inhaftierten Lang ausgehändigt worden waren, die Hälfte an Kölmel abgegeben zu haben. Kölmel will jedoch nichts von dieser Summe erhalten haben, und sein Verteidiger unterstreicht diese Behauptung durch einen sehr drastischen Hinweis: Sein Mandant hatte bei seiner Verhaftung, zwei Wochen nach der angeblichen Aushändigung von 2500 DM, keinen roten Pfennig in der Tasche, dagegen eine ganze Sammlung von Zigarettenkippen, die er sich soeben zusammengelesen hatte.
Wenn Brillanten funkeln
Ganz das Gegenteil der Taktik Riegers ist die von Gustav Lang. Er stellt die personifizierte Unschuld dar, die von dem abgefeimten Rieger, seinem Vetter, hereingelegt wurde. Die Aufführung seiner Lebensdaten ergibt folgendes Bild: Am 2. 10. 1912 in Linkenheim geboren, besuchte er die Volksschule in Bulach bis zur 8. Klasse, absolvierte eine Feinmechanikerlehre und arbeitete dann in Westfalen und dem Rheinland. Im Jahre 1937 übernahm er als Teilhaber eine Großtankstelle in Herrenalb. Von 1940—1945 Soldat, befand er sich beim Einmarsch der Alliierten bereits zu Hause in Herrenalb und wurde dann von der Besatzungsmacht mit dem Bürgermeisterposten in Herrenalb betraut. Im Dezember 1945 wurde er auf Weisung der Kreisbehörde als Bürgermeister nach Wildbad berufen. Als im Dezember 1946
Bürgermeisterwahlen ausgeschrieben wurden kandidierte Lang jedoch nicht mehr, da „er sich wieder der freien Wirtschaft zuwenden wollte". Mit seinem Bruder zusammen machte er dann die Holzhandlung und Transportunternehmen Gela in Calmbach mit einer Filiale in Karlsruhe auf. Im November 1948 erwarb er seine Villa in Wildbad um den Betrag von 30 000 DM, nachdem er — wie er vor Gericht angab — das Geld dazu durch den Verkauf von Familienschmucksachen aufgebracht hatte. Als der Gerichtsvorsitzende leise zweifelnd daran erinnerte, daß Längs Vater Stellwerksbeamter gewesen sei, wies Gustav Lang mit Nachdruck auf seine Leidenschaft hin, edle Steine zu sammeln und sich am Funkeln der Brillanten unter der Lupe zu erfreuen.
Der Saubere und der Teufel Als der Vorsitzende Gustav Lang auffoi- derte, über die Ereignisse zu berichten, bestrei tet er jegliche Beteiligung am „Komplex Mühla". Beim „Unternehmen Katz" jedoch sei er als Gutgläubiger von seinem niederträchtigen Vetter auf übelste Weise mißbraucht und hinters Licht geführt worden. Lang bringt das Kunststück zuwege, eine dreiviertel. Stunde lang zu erzählen, ohne Wesentliches zur Sache selbst auszusagen. Auch als der Vorsitzende ihn energisch auffordert, sich zur Sache zu äußern und sein „Geschwafel" zu unterlassen, erreicht er damit nur einen neuen Temperamentsausbruch Längs. Auf seine Brust schlagend ruft er mit Emphase aus: „Ich bin ein pöbelhafter Mensch, ich wehre mich ja gar nicht, aber ich weiß, sauber, nur sauber, ich bin hierdrin sauber, und das ist für mich das Wichtigste!" Seinen Vetter Rieger bezeichnete er als einen „Teufel in Person", der ihm als dem Wohlhabenderen schon immer neidisch und mißgünstig gewesen sei, daher die Gelegenheit re- nützt habe, ihn hereinzulegen.
Der ersehnte „große Schlag"
Das Verhör der Zeugen bringt im Wesentlichen eine Bestätigung dessen, was als Tatbestand bekanntgegeben war. Die verschiedenen Bankangestellten sagen klar und eindeutig über die Machenschaften Riegers und Längs aus. Eine Charakteristik des Angeklagten Lang gibt der Schriftsteller Hans Vogts, Wildbad, ab, der den vielseitigen Lang als Teilhaber des Pan-Verlags näher kennengelernt hatte. Lang habe immer wieder angeregt, dem schwer um seine Existenz ringenden Verlag durch die Herausgabe von Liebes- und Kriminalromanen neue Impulse zu geben. Auch Gerd Oppenheimer, Wildbad, sagt aus, daß Lang immer vorgeschwebt habe, einen „großen Schlag" zu tun und sich damit gesund zu machen. Er konnte allerdings nicht sagen, ob dieser häufig gehörte Ausspruch nur für Verlagsdinge gegolten, oder sich etwa auch auf „Große Schläge" auf weniger seriösem Gebiet bezogen habe.
Jagdhorn oder Posthorn?
Zu einiger Erheiterung der Gemüter trugelk die Aussagen des Stahlgraveurs Hugo Zeller, Pforzheim, bei, bei dem Rieger den erforderlichen Poststempel in Auftrag gegeben hatte. Rieger hatte ihm vorgeschwindelt, er brauche einen derartigen Stempel für Drucksachen einer Frankfurter Jagdgesellschaft, und das Horn in seiner Mitte stelle ein Jagdhorn dar. Rieger sei nicht mehr von der Stelle gewichen, bis die Arbeit ausgeführt gewesen sei. Auf den Verdacht, daß es sich nicht um ein Jagdhorn, sondern um das Horn der Bundespost handeln könne, sei er nicht gekommen.
(Ueber den weiteren Prozeßverlauf berichten wir in der morgigen Ausgabe.)
„Kirche auf neuen Wegen“
Ein Einblick in die Arbeit der Evang. Akademie Baden in Herrenalb
Wer aus Herrenalb in Richtung Dobel hinauswandert, der kommt unweit der katholischen Kirche an dem Haus „Charlottenruhe'' vorbei. Hier ist der Sitz der Evang. Akademie Baden, hier sind im Laufe der letzten Monate eine ganze Reihe bedeutsamer Tagungen durchgeführt, eine Reihe beachtlicher Referate gehalten worden. Im Verlauf der letzten derartigen Tagung, eines „Wochenendes für Journalisten und Verleger", gab der Leiter -der Evang. Akademie Baden, Oberkirchenrat Dr. Heidland, Karlsruhe, wertvollen Aufschluß über die Arbeit dieser Institution:
Unsere Zeit hat nicht nur die Menschen gegenüber Gott, sie hat sie auch unter sich selbst entfremdet. Die Evang. Akademie sieht nun ihre wesentliche Aufgabe darin, die Menschen zur Begegnung miteinander zu führen und sie darüber hinaus zu einer Neuorientierung ihres Lebens in Richtung auf den Mittelpunkt, auf Gott und seine Sachwalterin, die Kirche, anzuregen. Oft genug ist dabei die Themenstellung zunächst rein weltlicher Natur, das Ergebnis der Tagungen und Diskussionen ist nicht von vornherein zu erkennen; doch hat sich bis jetzt stets gezeigt, daß es kaum eine menschliche Frage gibt, die nicht letztlich in Beziehung zu Gott zu setzen ist, die nicht in ihren tiefsten Zusammenhängen in den Bereich des Glaubens führt.
Als besonders reizvoll hat es sich erwiesen, in solchen „Begegnungen" Menschen zusammenzuführen, die im täglichen Leben für gewöhnlich nicht Zusammenkommen, deren gegenseitiges Verständnis aber von großer Bedeutung wäre. So fand beispielsweise eine Begegnung zwischen Seelsorgern und Psychotherapeuten statt, eine andere zwischen Theologiestudenten und Jungarbeitern, geplant sind Begegnungen zwischen Aerzten und Krankenkassenvorständen, Religions-, Deutsch- und Geschichtslehrern, Technikern und Naturwissenschaftlern. Ein anderes Mal setzten sich Landesbischof, Landesjugendführer, Gewerkschaftsjugendführer, der Leiter einer Lehrlingswerkstatt und ein Handelskammervorsitzender zusammen an einen Tisch. Es gibt fast keinen Berufsstand, der nicht schon einmal im Vortragsraum der Evangelischen Akademie vertreten war, kaum eine Lebensfrage, die nicht schon in irgend einer Form angeschnitten wurde. Es liegt an der Art der ganzen Institution, daß die Erfolge ihrer Arbeit nicht sofort klar zutage treten, sondern daß sie eine
Tiefen- und Fernwirkung besitzt, die hinausstrahlt in alle Bereiche des Lebens.
Oft werden bei den Tagungen selbst Anregungen gegeben und Fragen aufgeworfen, die zur Wahl neuer Themen und neuer Gesprächspartner führen. Immer wieder stellt sich heraus, daß der moderne Mensch die Frage nach Gott nicht vergessen hat, daß sie vielmehr überdeckt ist durch die Bedrängnis des täglichen Lebens. So will die Evangelische Akademie auf ihre Weise den Gemeindeglie- dern helfen, auch im Werktag Christen zu sein, ihnen eine „Zurüstung für den Alltag" mit auf den Weg zu geben.
Am Schluß seiner Ausführungen teilte Oberkirchenrat Dr. Heidland noch mit, daß die Entfaltung der Akademiearbeit auch eine baldige räumliche Vergrößerung notwendig mache. Es sei geplant, das Gebäude „Charlottenruhe" auf das Doppelte seines jetzigen Umfangs zu vergrößern und dabei einen Vortragsraum und zusätzliche Uebernachtungs- zimmer zu schaffen. Die Pläne für diese Erweiterung sind bereits ausgearbeitet, demnächst soll ein Antrag an den Landtag um eine finanzielle Unterstützung gerichtet werden.
Aus der Goldstadt
Samstag wird die Nordstadtbrücke eingeweiht
Pforzheim. Der 29. September 1951 ist, so heißt es in einem Aufruf von Oberbürgermeister Dr. Brandenburg, ein Festtag für die Pforzheimer. In Anwesenheit von Ministerpräsident Dr. Reinhold Maier und zahlreicher anderer Ehrengäste wird die neue Nordstadtbrücke eingeweiht und die neue Obuslinie in Betrieb genommen. Die Nordstadtbrücke wurde an jenem unheilvollen Abend des 23. Februar 1945 durch Fliegerbomben zerstört, die Nordstadt verlor ein wichtiges Verbindungsglied, das sich insbesondere im Straßenbahnverkehr bemerkbar machte. Mit dem Wiederaufbau der Nordstadtbrücke wurde etwa vor Jahresfrist begonnen und nun kann sie im Rahmen einer Feier dem Verkehr übergeben werden.
Die Brückenweihe findet am Samstag, 29. September, 10.30 Uhr, an der Ostseite des Bahnhofplatzes statt. Bürgermeister Dr. König, der städtische Baudezernent. Oberbürgermeister Dr. Brandenburg, Ministerpräsident Dr. Maier, werden Ansprachen halten. Die Stadt- Feuerwchrkapelle, die Sängerabteilung der Straßenbahner und ein Schülerchor der Nordstadtschule umrahmen mit ihren Vorträgen die Brücken weihe-Feier.