FREITAG, 14. SEPTEMBER 1951
NUMMER 14t
Orden und Titel noch wenig gefragt
Das Ergebnis unserer Leserumfrage / Mehr als ein Drittel für alte Auszeichnungen/Keine Sehnsucht nach Verdienstkreuz
Als wir uns nach langem Zögern an den Versuch wagten, unsere Leser aufzufordern, ihre Meinung zu einem aktuellen Thema kundzutun, rechneten wir nur mit einem schwachen Echo. Erfreulicherweise haben wir uns hier aber gründlich getäuscht. Die Anteilnahme übertraf die kühnsten Erwartungen, und was uns besonders wertvoll erscheint — nur wenige begnügten sich mit dem einfachen Ja oder Nein. Die meisten derer, die Stellung nahmen, gaben recht ausführliche Erläuterungen, die wir wegen Platzmangels nur bruchstückhaft wiedergeben können.
Es folgen anschließend Auszüge aus den Begründungen der Einsender, wobei wir bedacht waren, alle wesentlichen Argumente, die vorgebracht wurden, wiederzugeben. Weggelassen wurden nur persönliche und beleidigende Ausführungen. Zur Kennzeichnung des Einsenders haben wir jeweils den Beruf uhd das Alter aufgeführt.
Auf eine strenge Gliederung nach Ja- und Nein-Sägern haben wir verzichtet, da dies eine nochmalige Aufspaltung der Begründungen nach den einzelnen Fragen erfordert hätte.
Es ist nicht unsere Absicht, zu den Begründungen Stellung zu nehmen, so sehr sie zum Teil dazu herausfordern mögen. So überlassen wir es denn unseren Lesern, sich selbst ihr Urteil zu bilden. An Argumenten für und wider ist ja nun kein Mangel mehr. Die Red.
Weshalb eigentlich nicht?
mußte (in 99 Fällen) im wahrsten Sinne des Wortes verdient werden, denn es ging dabei letzten Endes meist um Kopf und Kragen des Betreffenden. Für einen Beamten muß es aber als selbstverständlich angesehen werden, daß er seine ganze Kraft in den Dienst des Staates stellt. Dafür erhält er ja eine entsprechende Entlohnung, und ein Spiel mit dem Leben ist damit kaum verbunden. Das Beste wird wohl sein, daß das Geld, das für die Herstellung der geplanten „Spielsachen“ notwendig ist, nutzbringender angelegt wird, und der Start zu der damit verbundenen „Radfahrerei“ um die „goldenen Pedale“ wird abgeblasen.
Archivrat, 70: Einheitsband mit entsprechenden Spangen. Gleiches Recht für alle Soldaten.
Angest., 41: Ja, wer seine Auszeichnungen als anständiger Soldat erworben hat Zu 2: Nein, da doch nur die in Frage kämen, die den deutschen Soldaten 1945 diffammiert haben. Zu 3: Ja, wenn das Geld Heimkehrern und Kriegsversehrten zugute kommt
Fr age 2
Halten Sie es für richtig, daß die Bundesrepublik eine in mehreren Klassen zn verleihende Verdienstauszeichnung (ausschließlich für Verdienste, nicht für Geldzuwendungen) einföhrf?
Die Antworten
Ja 18,1 Prozent
Nein 81,9 Prozent
Die älteren Jahrgänge waren allgemein mehr dafür als die jungen und Insbesondere sprachen sich mehr Angestellte. Beamte und Akademiker für einen Verdienstorden aus als Arbeiter. Bauern und Handwerker.
das führt. Ich bin parteilos, aber in mir kocht es, wenn ich solche Themen und Fragen höre.
Ingenieur, 50: Zu 2: Was sind Verdienste? (Wohieb!!). Zu 3: Grenzenloser Unfug!!
Maurer, 35:: Die Demokraten sollen an ihre Reden und Schriften denken, die sie von 1945 ab zur Belehrung losgelassen haben. Damals war jeder tapfere Soldat ein Kriegsverlängerer und jeder, der seine Pflicht tat und seinen Eid hielt, ein Dummkopf allerersten Ranges.
Bürgerm. a. D„ 59: Warum soll der ehemalige deutsche Soldat, der einer der tapfersten und ausdauerndsten war, und mit der „Hitlerei“ soviel wie nichts zu tun hatte, nicht die ehrlich verdienten und verliehen bekommenen Kriegsauszeichnungen tragen dürfen, die alle anderen Soldaten bzw. Kriegsteilnehmer der Welt als selbstverständlich und mit Stolz tragen? Dieses Nichttragen hat mit Demokratie nichts zu tun und ebensowenig mit Remilitarisierung. Alles ist lediglich als schändliche Maßnahme auf die Be- aatzungsmächte zurückzuführen. Also bitte: gleiches Recht für alle, auch für uns Deutsche.
Shraßenm. I. R., 68: Die in den beiden Weltkriegen erworbenen Tapferkeitsauszeichnungen sind wohlerworbene Rechte und können von niemandem genommen werden. Mit Stolz trägt jeder diese Auszeichnungen, die die so nötige Kameradschaft und das Nationalgefühl heben. Nach dem ersten Weltkrieg wurde das Weitertragen auch nicht verboten.
Bürgerm., 35: Ob die Ehren- und Tapferkeits- •uszeichnungen, die ein Mann erworben hat, wieder getragen werden dürfen, sollte eigentlich nicht gefragt werden, haben doch die Männer
Frage 1
Sollten nach Ihrer Ansicht die reinen Tapferkeitsauszeichnungen des ersten and zweiten Weltkrieges (ohne Hakenkreuz) wieder zum Tragen freigegeben werden?
Die Antworten:
Ja
Nein
Männer: Ja
Nein
Kriegsteilnehmer: Ja
Nein
Männer unter 45: Ja
Nein
Männer über 45: Ja
Nein
37.8 Prozent 62,2 Prozent
38.9 Prozent
61.1 Prozent 38,4 Prozent 61,6 Prozent
32.8 Prozent
67.2 Prozent
44.9 Prozent 55,1 Prozent
>,1 Prozent der mit Ja Abstimmenden setzten sich dafür ein, daß die Auszeichnungen des 2. Weltkrieges mit „Hakenkreuz" getragen werden sollten. Begründung unter den Auszügen aus den Einsendungen.
in 90 Fällen von 100 die Auszeichnungen für ir-
5 endeine besondere oder mehrere Leistungen, ie über dem Durchschnitt und dem Verlangten standen, erhalten. Trägt doch der Sportsmann für besondere Leistungen sein Sportabzeichen. Nachdem uns unsere Tapferkeitsauszeichnungen «ul eine Art abgenommen worden sind, die keiner so leicht vergißt, bedürfte es eines besonders würdigen Aktes von selbiger Seite, die uns die Tapferkeitsauszeichnungen weggenommen hat. Zu 2: In der Anlage des Menschen, liegt es, sich zu schmücken. Daß natürlich ein verdienter Straßenwart nicht einen ebenso schönen 8tem tragen kann wie ein Diplomat auf seiner weißen Weste, ist selbstverständlich. Deshalb sollte schon abgestuft werden. Zu 3: Ich halte «s mit dem Gedankengut der Demokratie für vereinbar, gegen entesprechende finanzielle Zuwendungen für öffentliche Belange und Wohltätigkeit Titel und Orden zu verleihen.
Meth., 69: Nur für Auszeichnung bei Einsatz seines Lebens im Kriege.
Stud., 27: Das Tragen von Tapferkeitsauszeichnungen sollte vor allen Dingen den Kriegsversehrten gestattet werden, denn sonst werden diese Männer allzu schnell vergessen.
Kaufm., 54: Grundsätzlich ja, vor der Einführung der Neuerungen sollte man aber eine weitere Stabilisierung der Verhältnisse abwarten.
Zuerst akt. Offz., jetzt Landw., 58: Tradition braucht nicht beseitigt werden. Tüchtigkeit kann auch äußerlich durch Orden belohnt werden.
Kaufm., 36: Eine Tapferkeitsauszeichnung
Rentner, 78: Eine wahre Demokratie braucht überhaupt keine Orden und Auszeichnungen. Dadurch erzieht man keine Wahrheitsmenschen und Charaktere, sondern Lumpen.
Beeamter, 50: Mit Titel- und Ordensverleihungen wird erfahrungsgemäß derart Schwindel getrieben, daß sie nur Unzufriedenheit hervor- rufen.
Rentn., 60: Pickel und Schaufeln zum Wiederaufbau sind viel wichtiger als Ordens- und Tapferkeitsauszeichnungen.
Not.Kand., 25: Ein Krieg ist ein solch ungeheures Verbrechen an der Menschheit, daß das Stiften und Tragen von Orden die tragischste Ironie der Weltgeschichte darstellt.
Angest., 47: Nachdem der deutsche Soldat durch seine „Pflichterfüllung“ größtenteils als „Kriegsverbrecher" gestempelt wurde, braucht er auch keine Ehrenzeichen mehr.
Arzt, 70: Betrachten sie bitte als abschreckendes Beispiel ein Bild des ordengeschmückten Generalissimus Stalin! (Steht auf Wunsch zur Verfügung.)
Eiektr.-Mont., 40: Jede Erinnerung an Kriege muß aufhören. Zu 2: In der Demokratie hat jeder nur dem Volk zu dienen. Eine Auszeichnung dafür ist ein Hohn. Zu 3: Ein Wiedererstehen des Herrn Kommerzienrats von früher ist eine Beleidigung des arbeitenden Volkes.
Stud. rer. nat., 23: Weltkrieg Nr. 2 ist ein Verbrechen Hitlers und Heldentum hat keinen wert, wenn es sich zum Verbrechen mißbrauchen läßt.
Mech., 48: Ein ausreichender Reallohn wäre meiner Meinung nach die nützlichste Auszeichnung.
Vertr., 36: Ich bin dagegen. Grund: Kriege haben immer Unglück über die Völker gebracht, ob mit oder ohne Hakenkreuz. Alle Völker müßten den Nürnberger Gesetzen unterliegen.
Lehrer, 51: Keinerlei äußere Dekoration, also weder Titel noch Ordern In einem wahren Volksstaat zieren allein Charakter und Leistung. Titel und Orden bedeuten Klassifizierung der Menschen von Staats wegen.
Pfarrer, 38: Alle Fehler unserer Vergangenheit würden im Glanz der Ordensschnallen wieder verklärt aufleuchten. Die junge deutsche Demokratie sollte schlicht und viel sozialer sein, dann käme man nicht auf solche Gedanken.
Ing., 73: Selbst Inhaber verschiedener Kriegsauszeichnungen erachte ich das Tragen von Kriegsorden als eine Verherrlichung des Krieges (Mas-
Kaufm., 45: Auszeichnungen wurden aus Idealismus und Begeisterung und im Glauben an ein hohes Ziel erworben. Zu 2 und 3: Auszeichnungen erfolgen nach rein parteipolitischen und materiellen Erwägungen, die heute an Stelle von Idealen stehen.
Mechan., 52 Für Verdienste und persönlichen Einsatz (aber nicht des Geldbeutels) soll eine öffentliche Auszeichnung für jedermann sichtbar getragen werden dürfen.
Buchdrucker, 35: Eine rechtmäßig erworbene Auszeichnung ist eine Ehre, gleichgültig, welches Regime diese verliehen hat.
senmord und menschliche Verelendung), als Gegenbewegung zu den Friedensbestrebungen und als Irreführung der Jugend auf falsche Lebensbahnen. Zu 2: Nur am wirtschaftlichen Aufbau (nicht an der Zerstörung) hervorragend Beteiligte. welcher zur Hebung des allgemeinen Lebensstandards und zum dauernden Frieden führt, verdienen persönliche Auszeichnungen, die nicht durch Geld oder andere Zuwendungen erkauft werden können.
Ing., 40: Wenn die Alliierten das Tragen von Kriegsauszeichnungen freigeben, tun sie es nur, um den deutschen Landser für ihre Pläne der Remilitarisierung willfährig zu machen, nicht aber aus Achtung vor dem ehemaligen Gegner. Der deutsche Soldat ist in den Jahren 45—50 nur mit Dreck besudelt worden. Daran soll jeder denken.
Mechaniker, 35: Hoffentlich haben wir die Zeiten bald überwunden, in denen die Qualitäten der Menschen nur noch in Dienstgraden und Auszeichnungen zu erkennen sind. Es tue jeder seine Pflicht, das ist die beste Auszeichnung.
Studienrat, 53: Zu 2: Ist an sich unangebracht, aber im Staatsinteresse „mitunter nützlich“; lieber aber doch nicht.
Installateur, 28: Für sich spricht schon die Tatsache, daß solche Fragen der Öffentlichkeit vorgelegt werden können sechs Jahre nach Beendigung des zweiten Weltkrieges. Man braucht kein Kommunist zu sein, um zu sehen, wohin
Werkmstr., 42: Warum ohne Hakenkreuz? Uraltes Zeichen und nicht nur in Europa bekannt. Dann müßten die Auszeichnungen des ersten Weltkrieges auch ohne Krone getragen werden. Das 2. und 3. Reich sind ja nicht einfach aus der Geschichte auszustreichen. Machen Sie sich keine Sorgen: Es kommt alles wieder, nur mit anderen Vorzeichen.
Angest., 26: Die Tapferkeitsauszeichnungen wurden mit dem Hakenkreuz verliehen. Etwas anderes wäre Urkundenfälschung. Zu 2: Ja, aber nur in einer Klasse.
Beamt., 36: Der Ansicht, man könne eine erworbene Tapferkeitsauszeichnung nach einer Korrektur derselben freigeben, muß widersprochen werden. Ich habe sie mit Hakenkreuz erworben; falls dieses unerwünscht ist, soll auch die Freigabe aller sonstigen Auszeichnungen unterbleiben
Maler, 39: Nein, auf keinen Fall bin ich für eine Wiedereinführung von Orden und Ehrenzeichen. Erst recht nicht für das Tragen der Kriegsauszeichnungen. Was brauchen wir diesen Plunder, der den Menschen dumm und eingebildet macht. So fängt es an, und wie geht es dann weiter? Wir sind dann bald wieder soweit.
Frage 3
Halten Sie es mit dem Gedankengut der Demokratie für vereinbar, daß der Staat gegen entsprechende finanzielle Zuwendungen für öffentliche Belange oder wohltätige Zwecke Titel oder Orden verleiht?
Die Antworten
Ja. 9,9 Prozent
Nein 90,1 Prozent
Am stärksten war die Ablehnung bei Arbeitern, Handwerkern und Landwirten.
Feinmech., 44: Uns begegnen auf Schritt und Tritt noch Kreuze genug vom letzten Krieg.
Hausfr., 61: Zu 2: Anständiges Handeln ist selbstverständlich. Orden oder Ehrenzeichen dafür anzunehmen, nimmt der Tat den Wert. Zu 3: Wer Geld übrig hat, soll es für die Allgemeinheit wirksam machen ohne Getue oder Gegenleistung.
Kaufm,, 40: Wer längere Zeit Soldat gewesen ist, weiß, was es mit den sog. Tapferkeitsauszeichnungen auf sich hat. Jede Einheit bekam ein bestimmtes Kontingent zugewiesen. Bei den Stäben blieb der größte Teil hängen.
Kaufm., 36: Nachdem man mir die höchsten Tapferkeitsauszeichnungen vom Leibe riß, mich dafür schlug, diejenigen, die sie mir verliehen, auf gehängt wurden, muß ich jedes Tragen von Auszeichnungen ablehnen. Ich würde mir auch keine mehr verdienen. Für diese Leute jetzt überhaupt nicht.
Maurer, 70: Wenn man 70 Jahre alt ist, wäre es angebracht, daß man auch bloß zehn Mark bekäme im Monat (4V» Jahre im Krieg, im ganzen 6*/i Jahre Soldat).
Pens., 81: Zu 2: Der Staat soll seine Beamten anständig bezahlen. Das ist wichtiger.
(ich lege keinen Wert auf das Hakenkreuz, sondern nur auf die Vollständigkeit gemäß dem Original).
Univ.-Prof., 78: Selbstverständlich mit Hakenkreuz. Begründung: Das Hakenkreuz ist ein uraltes Sinnbild, das schon in der Steinzeit auf- tritt und von SpaiJen bis China verbreitet ist. Dieses Sinnbild haben die Nazibonzen gestohlen, indem sie es zu Ihrem Parteiabzeichen machten. Wenn man das Hakenkreuz, das von Rechts wegen mit dem Nazitum nicht das Geringste zu tun hat, jetzt verfolgt und verbietet, so erkennt man damit an, daß dieser Diebstahl maßgebend und das Hakenkreuz rechtmäßiger Besitz der Nazis sei. Als Sonnensinnbild ist das Hakenkreuz ein Wachstumszeichen und ein Friedenszeichen. Man lasse daher das Hakenkreuz auf den Orden stehen und gebe ihm seinen alten Sinn wieder^
Auf keinen Fall!
Nur mit Hakenkreuz
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