MITTWOCH, 18. JULI 1951

NCMMERUO

Abschied von Karl Marx wohin?

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Vom materialistischen Marxismus und demokratischen Sozialismus

kw. Die Wiederbegründung der II. Inter­nationale auf der Versammlung der Sozial­demokratischen Parteien aus 34 Ländern in Frankfurt kennzeichnete eine Wandlung von größter Tragweite in der Entwicklung des sozialistischen Gedankens. DieZiele und Auf­gaben des demokratischen Sozialismus beti­telte Charta der neuen sozialistischen Inter­nationale, die nach schwierigen Kompromiß­verhandlungen einmütig gebilligt wurde, stellt den Abschied von der Lehre Karl Marx, des historischen Materialismus und des Klassen­kampfes, die rund ein Jahrhundert lang das geistige und politische Rüstzeug der Sozialde­mokratischen Parteien gewesen ist, dar. Zwar »tand die im Jahre 1923 in Hamburg wieder­begründete II. Internationale, die im ersten Weltkrieg untergegangen ist, bereits im Zei­chen einer scharfen Kampfansage gegen die III., bolschewistische Internationale, die im Zug der russischen Revolution von 1917 ent­stand. Aber die Grundlage des Zusammen­schlusses bildete, wie in der Entwicklung des 19. Jahrhunderts, neben dem Ziel,das kapi­talistische System durch ein sozialistisches zu ersetzen, derKlassenkampf als Mittel zur Ämanzipation der arbeitenden Klasse.

Davon ist in der neuen Charta nichts mehr xu verspüren. Nicht, daß die Frontstellung ge­gen den Kapitalismus aufgegeben wäre. Am Programm der Sozialisierung wird zwar, we­nigstens in beschränktem Umfange, festgehal­ten, mit dem marxistischen Dogma der zwangs­läufigenExpropriation der Expropriateure hat diese reformistische Haltung jedoch nichts mehr zu tun, die sogar anerkennt, daß die Übel des Kapitalismus vielerorts im Schwin- . den begriffen seien, und die ihr Ziel auf dem Boden der Demokratie und nicht durch den Sturz des Staates erreichen will. In dieser Ab­kehr von Karl Marx zeigt sich eine veränderte Frontstellung der sozialdemokratischen Par­teien, die sich aus der Entwicklung der letz­ten Jahrzehnte ergab, in der in den meisten Ländern die Sozialisten zu Teilhabern der Re­gierungskoalitionen geworden sind und in der «ie eine positive Einstellung zum demokrati- chen Staat haben.

Es wäre falsch, wollte man darin nur einen taktischen Wandel sehen. Dieser Wandel geht tiefer. Die Grundauffassungen des Marxismus werden verneint, indem die Charta postuliert (Punkt 13):Der Sozialismus wird sich nicht xwangsweise ergeben eine Auffassung übrigens, von der auch der bolschewistische Marxismus längst abgekommen ist, und (Punkt 11):Der demokratische Sozialismus lat eine internationale Bewegung, die keines­wegs eine starre Gleichförmigkeit der Auf­fassungen verlangt. Gleichviel ob Sozialisten ihre Überzeugung aus den Ergebnissen marxi- «tischer oder anders begründeter Analyse oder aus Religiösem oder Humanitärem ableiten, alle erstreben ein gemeinsames Ziel. Hier ist mit einem Federstrich die ganze marxistische Ideologie, der seit dem Kommunistischen Ma­nifest Millionen gläubig gefolgt sind, über Bord geworfen. Demgegenüber erscheint der bolschewistische Marxismus, der sich zu Un­recht auf Karl Marx berufe, als Instrument eines neuen Imperialismus, der überall, wo er zur Macht komme, die Freiheit vernichte.

Die Marschrichtung der II. Internationale ist also klar, Eine andere Frage freilich ist die, ob sie ihr Ziel wirksamer als früher zu ver­

wirklichen vermag. Vorerst ist wenig mehr als eine Charta da, ein Stück Papier. Wenn auch in Frankfurt Einmütigkeit über die Grund­lagen und Ziele der neuen Vereinigung er­zielt wurde, so zeigt doch die verschiedenar­tige Stellung der einzelnen sozialdemokrati­schen Parteien, zu den großen, gerade durch den Bolschewismus aufgeworfenen Problemen, wie heterogen das Gebilde der II. Internatio­nale ist. Man braucht sich nur die teilweise entgegengesetzten Auffassungen, zum Beispiel über die Frage der europäischen Einheit, der gemeinsamen Verteidigung Europas, über den Schumanplan zu vergegenwärtigen, um das zu erkennen. Papieme Erklärungen besagen, ge­rade in einer Zeit, wo es um lebenswichtige Entscheidungen geht, noch nichts, man mag sich heute auch daran erinnern, daß die II. In­ternationale schon einmal, vor 40 Jahren bei Ausbruch des ersten Weltkrieges, ein gro­ßes Debakel erlebte, als es sich zeigte, daß ihre internationale Idee keine Wirksamkeit hatte, den Krieg zu verhindern.

Kann man heute zuversichtlich sein? Die Gefahr, in der die nichtbolschewistische Welt sich befindet, erfordert ein weit größeres Maß an Zusammenarbeit als bisher, eine Zusam­menarbeit über alle Verschiedenheiten der Auffassungen hinweg.

Die II. Internationale hat zwar vom mate­rialistischen Marxismus Abschied genommen, aber damit ist die Wirksamkeit dieser Lehre

noch nicht außer Kraft gesetzt. Eine große deutsche Zeitung hat, offensichtlich in allzu optimistischer Weise, zum Frankfurter Kon­greß geschrieben, langsam aber unaufhaltsam zerbröckle diekaiserliche Stellung, die Karl Marx einst hatte. Marx bewege die kämpfe­rischen Idealisten und die Masse nicht mehr. Langsam lege sich der Staub auf seine Ge­danken, er sei in die Rumpelkammer gestellt worden. Das stimmt leider nicht einmal für den Westen, geschweige denn für den Osten. Es ist leichfertig, die Wirklichkeit so zu ver­kennen angesichts der Tatsache, daß heute fast die halbe Welt unter dem Einfluß des bolschewistischen Marxismus steht und zwar keineswegs nur machtmäßig, sondern unter dem Einfluß der Wirkungen, die von der mar­xistischen Ideologie ausgehen. Und es wäre töricht, wollte man diese Tatsache, daß eben die Ideen von Karl Marx nicht tot sind, sondern daß seine Lehre heute im Bereich der weltpolitischen Entwicklung eine bitter ernst zu nehmende Realität darstellt, verkennen.

Daher müssen aus den Erkenntnissen der Charta des demokratischen Sozialismus die praktischen Folgerungen gezogen werden. Diese Folgerungen können nur sein, daß die sozialdemokratischen Parteien der verschiede­nen Länder sich in der praktischen Zusam­menarbeit zusammenfinden, ohne Rücksicht auf nationale, wirtschaftliche und ideologische Doktrinen. Erst wenn im Bereich der prakti­schen Politik die Zusammenarbeit aller Kräfte, deren Freiheit bedroht ist, lebendig sein wird, werden die Grundsätze des demokratischen Sozialismus Aussicht auf Verwirklichung haben.

Mitbestimmungsrecht in Mailand gutgeheißen

IBFG beschließt, den Arbeitern der ärmeren Länder finanziell zu helfen

Von unserem Mailänder Korrespondenten Carlo G. Mundt

MAILAND. Das in der Bundesrepublik ein­geführte Mitbestimmungsrecht wurde in einer

Resolution des Internationalen Bundes Freier klären, erkennt man die Verschiedenheit der

Gewerkschaften auf dessen zweitem Weltkom greß begrüßt. Die deutsche Delegation hatte einen Antrag auf Untersuchungen in allen 66

Mitgliedstaaten gestellt, durch die festgestellt der Eingliederung in den Industrieprozeß ste-

werden soll, wieweit dieses Recht schon durch­gekämpft, umkämpft ist. In Wirklichkeit ha' hen die Deutschen es verstanden, die Aufmerk- dürfen, samkeit der Welt auf dieses Problem zu len­ken, das von einigen Ländern überhaupt noch nicht erfaßt worden ist. Die Franzosen spre­chen aus diesem Grunde stets vonMitver­waltung, die etwas ganz anderes ist. Der Vor­sitzende des DGB, Fette, erklärte vor deut­schen Pressevertretern noch einmal ausdrück­lich, daß das Mitbestimmungsrecht in den deutschen Betriebennicht bis zum Äußersten getrieben werden sollte. Die freie Initiative des Unternehmers werde nicht angetastet, nur verlange man von ihm, daß er bei wichtigen Entscheidungen seine Mitarbeiter in der Ar­beitnehmerschaft anrufe.

Die Stoßkraft der Gewerkschaften hat we­sentlich zugenommen, und das nicht nur in Deutschland. Fette lobte die Tatsache, daß

Staates gegenüberstand, in dem nur verlangt wurde,die Armut zum Feind Nr. 1 zu er-

Lage. Das Schwergewicht der Arbeit des IBFG wird sich immer mehr nach Südamerika, Af­rika, Asien verlagern, weil dort Millionen vor

hen, und in keinem Fall in die Hände der kommunistisch-nationalistischen Allianz fallen

Bonn macht Ferien

Bundeskabinett im Urlaub BONN. In den Bonner Ministerien werden in diesen Tagen die Urlaubskoffer gepackt, nachdem der Bundestag mit den Parlaments­ferien den Anfang gemacht hat. Bundeskanz­ler Adenauer verließ am Dienstagmorgen

Im Europa-Semi-Finale um den Davis-Pokal in München siegte das deutsche Paar Gottfried von Gramm/Rolf Göpfert gegen das italienische Meisterdoppel Gianni Cucelli/Marcello del Bello, das als das zweitbeste europäische Paar gilt. Diesseits des Netzes v. Gramm (rechts) und Göp­fert, jenseits Cucelli (links) und del Bello.

Bonn im Wagen und begab sich mit seiner Tochter und einem kleinen Arbeitsstab nach dem Bürgenstock in die Schweiz.

Bundesernährungsminister Niklas bleibt als einziger Minister auch in seinem Urlaub im Fach: er sorgt auf seinem Hof in Oberbay­ern praktisch für die Ernährung der Bevölke­rung. Ende der Woche werden Finanzminister Schäffer und Minister Kaiser in Urlaub gehen. Schäffer wird seine Sorgen um den Bundeshaushalt in den oberbayerischen Ber­gen zu vergessen suchen, Arbeitsminister Storch fährt in der kommenden Woche in den Schwarzwald. In Süddeutschland weilt auch Innenminister Lehr.

Bundeswirtschaftsminister Erhard, der in der vergangenen Woche aus Amerika zu­rückgekehrt ist, hat noch keine Urlaubspläne. Flüchtlingsminister Lukaschek wird sich in Bad Gastein erholen und später an einer internationalen Tagung von Lungenheilstät­ten in Davos teilnehmen. Vizekanzler Blü­cher vertritt den Bundeskanzler in Bonn und kann vorerst nicht an Urlaub denken.

Der Vorsitzende der SPD, Dr. Schuma­cher, verlebt einen dreiwöchigen Erholungs­aufenthalt in St. Wolfgang im Salzkammergut.

Stalins Tochter verheiratet

Feierlichkeiten sollen 900 000 Dollar gekostet haben

ten eine Einheit erreicht wurde, obwohl die einzelnen Länder, in denen bisher 52,6 Mil­lionen Arbeiter erfaßt sind, unter wesentlich verschiedenen Bedingungen leben. Es stellte sich sehr bald heraus, daß die sogen, exkolo­nialen Völker unter dem Mangel an Brot, Frei­heit und jeglicher Demokratie zu leiden ha­ben. Die Gewerkschaftsarbeit in Asien leidet u. a. unter der Tatsache, daß man infolge Demokratie-Mangel zurzeit in Schwierigkeiten ist, Regionalbüros zu errichten. Man beschloß, daß die finanziell besser gestellten Gewerk­schaften den Organisationen der ärmeren Län­der helfen sollen. Das finanzielle Opfer leistet also auch der Arbeiter des Ruhrgebietes, denn in Indien herrschen heute Zustände, wie sie niemals nach dem Kriege in Europa zu finden waren, um nur das Wort eines indischen ""~ * " Vertreters zu zitieren. Wenn man hört, daß

Adenauer:Ich komme Ihnen keinen Schritt dem deutschen Antrag über das Mitbestim- «ntgegen ich bestehe auf meinen Forderungen! mungsrecht der eines mittelamerikanischen

LONDON. Stalins Lieblingstochter Swet- lana soll nach zweiwöchigen rauschenden

_ _ _ Festlichkeiten in Moskau mit Michael Kaga-

hier in Maüand"in allen wesentlichen Punk- nowitsch, einem Sohn des Politbüro-Mitglie­

des Lazar Kaganowitschj am 3. Juli verheira­tet worden sein, berichten Londoner und ita­lienische Zeitungen. Stalin habe sich ur­sprünglich der Hochzeit widersetzt, da er ei­nen bedeutenden Staatsmann oder einen füh­renden Offizier als Schwiegersohn vorgezo­gen hätte. Doch schließlich habe er klein bei­gegeben. Die 27jährige Swetlana war schon einmal verheiratet. Im Jahre 1945 wurde in Moskau bekanntgegeben, daß sie ein Kind ge­boren habe. Aus den Zeitungsmeldungen ging nicht hervor, was aus ihrem ersten Mann ge­worden ist.

Die Sowjets behaupten, die zweiwöchigen Hochzeitsfeiemhätten jede Nachkriegshochzeit im Westen an Glanz übertroffen Roter Krim­wein, süßer armenischer Pfirsiseh-Brannt- wein und Wodka seien Tag und Nacht für die Tausende von Gästen aus den höchsten Kreisen der Partei im Kreml geflossen. Swet­lana habe ein Silberlame-Kleid mit kostbaren vielfarbigen kaukasischen Edelsteinen und

Goldperlen getragen, dessen Schleppe fast 20 Meter lang gewesen sei und das 280 000 Dollar gekostet habe.

Eigens aus Georgien und anderen kaukasi­schen Republiken geholte Orchester hätten je­weils bis Tagesanbruch den Gästen aufge­spielt, ühd die Ballerinen aus dem Bolschoi- Theater hätten unermüdlich in den hellen Sommernächten getanzt. Die Erfrischungen und Speisen wurden auf zaristischem goldenen Gedeck serviert.

Zum ersten Male seit vielen Monaten seien sämtliche 15 Politbüromitglieder in Moskau versammelt gewesen ein mitten im russi­schen Sommer einmaliger Vorgang. Diploma­ten aus den östlichen und westlichen Län­dern seien nicht eingeladen gewesen, da die Hochzeit offiziell als Privatangelegenheit an­gesehen wird.

Die Moskauer Hochzeitsfeierlichkeiten hät­ten rund 900 000 Dollar gekostet, doch sei nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Gästen 160 bei der Zeremonie selbst dabeige­wesen. Das Brautpaar soll sich jetzt auf einer Hochzeitsreise durch Rumänien, Bulgarien, Ungarn und die Tschechoslowakei befinden.

Später Ruhm Arnold Sdiönbergs

Internationale Musik in Darmstadt und Frankfurt

Die diesjährigen Internationalen Ferienkurse für Neue Musik in Darmstadt begannen mit einer großen Enttäuschung: Arnold Schönberg, der als Komponist, Theoretiker und Pädagoge hochverehrte Begründer der Zwölftonmusik, hatte »eine Zusage, ein Kompositionsseminar in Darm- tadt zu leiten, aus gesundheitlichen Gründen zu­rückgezogen. Dennoch blieb er der Held dieser Tagung, vor allem, weil die Welturaufführung der Hauptszene seiner neuen OperMoses und Aaron unter de r hervorragenden Leitung von Hermann Scherchen das größte musikalische Ereignis war. Nachdem die nur konzertmäßig aufgeführte SzeneDer Kampf um das goldene Kalb zweimal hintereinander gespielt worden war, stand das Publikum noch ungefähr zwanzig Minuten unaufhörlich klatschend im Saal.

Schönberg, der nie Konzessionen um des Er­folges willen gemacht hat und auch durch Auf­führungen seiner Werke, die in früheren Jahren oft mit Saalkämpfen und im Polizeirevier ende­ten, nie von dem als richtig erkannten Weg ab- Sebracht werden konnte, hat nun endlich auch den Widerhall breiterer Hörerschichten gefun­den. Schade, daß er der Aufführung nicht bei­wohnen konnte! Neun Tage danach, am 13. Juli, ist er in Los Angeles, beinahe 77 Jahre alt, gestorben.

Seine Wirkung und sein Einfluß sind heute ®och nicht abzugrenzen, aber man kann doch «hon deutlich bemerken, daß die ganze junge Generation, von deren Vertretern dreiundzwanzig durch Aufführungen von Kammermusik und Orchesterwerken geehrt wurden, sich viel mehr *n seinem Stil und dem seiner genialen Schüler üftd Freunde Alban Berg und Anton von We­hem schule als etwa an dem Neoklassizismus trawinskys und Hindemiths.

Bei vielen Kompositionen sowohl der jungen Generation als auch der vierzig meist älteren Komponisten, deren Werke anläßlich des mit den Darmstädter Kursen in Zusammenhang stehen­den Musikfestes in Frankfurt zur Aufführung gelangen, hatte man den Eindruck, daß die Kom­ponisten nur die Zwölftonmusik und die raffi­nierte OrrhpstHP-'rvi onn Schönberg übernom­men ha-.an, n chl aber seine genialen Einfälle

und seine formale Gestaltungskraft Rühmliche Ausnahmen bildeten unter anderemDas Hohe Lied von Stanislaus Skrowaczewski, die KantateUlysses von Matays Seiber nach Worten von James Joyoe und vor allemDer Gefangene von Luigi Dallapiccola, drei Werke, die in den Hörern keinen Augenblick den unbehaglichen Eindruck entstehen ließen, die Komponisten wüßten eigentlich nicht, was sie zu sagen hätten. Zwei französische Werke, von denen man viel erwartet hatte, enttäuschten sehr: die nur als Experiment interessanten, im Grunde in­haltlosen und kitschigenCinq Rechants von Olivler Messiaen und das Bläserquintett von Jean F r a n $ a i x, ein oberflächliches Unterhal­tungsstück, das auf einer Tagung, auf der ernste moderne Musik gepflegt werden sollte, gänzlich unangebracht war.

Neben den Konzerten waren es Instrumental- und Kompositionskurse, Vorträge und Diskus­sionen, die eine große Anzahl an Neuer Musik Interessierter in diesen Wochen nach Darmstadt und Frankfurt zogen. Den Klavierkurs leitete der englische Pianist Peter Stadien, dessen schö­ner voller Ton ihn besonders gut befähigt, Schön­berg zu interpretieren, den Violinkurs der mittler­weile auch in Deutschland berühmt gewordene Tlbor V a r g a, der, obgleich noch nicht dreißig Jahre alt, einer der ganz wenigen Geiger ist, die sowohl Bach, Mozart und Beethoven als auch Schönberg, Bartök und Berg spielen können.

Unter den vielen Vorträgen, die von Musikern und Theoretikern aus fünf Erdteilen in zum Teil äußerst stockendem Deutsch gehalten wurden, seien die des heute in Frankfurt lebenden Sozio­logen, Philosophen und Musikers Theodor W. Adorno besonders hervorgehoben. Es sei nicht verschwiegen, daß auch geschmack- und sinnlose Experimente in Darmstadt vorgeführt wurden, so z. B. Werke von Pierre Schaeffer und Pierre Henry, sogenanntekonkrete Mu­sik, Geräuschmontagen aus Instrumentalmusik, menschlichen und tierischen Stämmen. Auto­zusammenstößen, Sirenen und anderem. Die Titel der StückeDas wohltemperierte Mikrophon" undSymphonie Erotika sprechen für sich! Aber trotz solcher bald wieder vergessener Auswüchse sind die Darmstädter Ferienkurse für jeden Teil­nehmer ein künstlerisches Erlebnis gewesen

R.-A B

Götz auf der Götzenburg

Festspiele in Jagsthausen

Wer nur das industrielle Württemberg des Nek- kar- und Filstales und des Albvorlandes kennt, den vom Fremdenverkehr überschwemmten Schwarzwald oder den Süden bis zum Bodensee hinunter, der findet im württembergischen Nor­den, im Kochertal und im idyllischen Tal der Jagst zwischen Möckmühl und Schöntal eine Landschaft, ln der die Zeit stillgestanden zu sein scheint. Der Verkehr hat diese vom Bimmeln eines gemächlich prustenden Schmalspurbähnleins ab und an durchzogene sanfte Hügellandschaft vergessen. Hier liegt in einer Windung des Flüß­chens, nicht weit vom Dorfe Berlichtngen, das Schloß Jagsthausen, auf dem der Reichsritter Götz von Berlichingen seinLeben in Freiheit" führte. Seit vergangenen Samstag und bis zum 20. August finden wieder die Götz-Festspiele statt. Der Burgherr, Wolf Götz von Berlichingen, hat seinen gepflegten Herrensitz zum Nutzen des notleidenden Jagsttales und des Jagsthausener Fremdenverkehrsvereins und seiner romanti­schen Burggaststätte als Naturkulisse hergegeben.

In der gegenüber dem Vorjahr elastischeren Inszenierung des Intendanten Hans Meißner, mit Hermann Schömberg als Götz und Lotte Brackebusch als Elisabeth und den Nach­fahren der Götzschen Bauern als Komparserie, wirkt das Stück in der historischen Umgebung ungeheuer lebendig. Die Aktualitäten des Dra­mas aus der Wendezeit vom Mittelalter zur Mo­derne, der Kampf des Individualisten Götz gegen das übermächtige Kollektiv ohne Treu und Glau­ben sind betont. Eine ausgezeichnete Beleuchtung nützt alle räumlichen Effekte, die der Burghof, die gotischen Fenster, die Räume und der Nacht­himmel bieten. So wird der Goethesche Götz, den eine Saalbühne kaum ohne Streichungen bringen kann, in Jagsthausen zu einem von den Zuschauern, unter ihnen Landeskommissar General Gross und Kultminister Schenkel, herzlich anerkannten Erfolg. hr.

Der Verband der deutschen Kritiker hat am Montag in Berlin über die Preisverteilung für das Jahr 1950/51 Beschluß gefaßt. Den Literatur­preis erhielt Martin Kessel, von dem die Kri­tiker feststellten, daß seinedichterisch ordnende

Kraft zu den bedeutendsten Aussagen zu rech­nen sei. Der Musikpreis fällt an Elisabeth G r ü m m e r, für die Interpredation der Gräfin inFigaros Hochzeit, des Oktavian imRosen­kavalier und der Sopranpartien in den Re­quiems von Mozart und Verdi. In der Abteilung Bildende Kunst wird der Preis an Karl Schmidt-Rottluff vergeben. Den Theater­preis erhält Maria Becker alsstärkste Kraft im Stil der neuesten Sachlichkeit. Der Tanz­preis geht an Dore H o y 1 e r. Den Filmpreis erhält Peter T e w a s für seinen Kulturfilm Herbstgedanken.

Willy D r ö m e r, Inhaber der 1946 lizenzierten Drömerschen Verlagsanstalt, München, feiert das fünfjährige Bestehen seines Unternehmens. Er mußte nach den nahezu totalen Kriegsver­lusten aus dem Nichts aufbauen, wobei er sich allerdings die Erfahrungen seines 1989 verstor­benen Vaters, des Initiators der bekannten Knaur-Bücher und Inhabers des Th. Knaur Nachf. Verlages, der in diesem Jahre sein 50jähriges Jubiläum begeht, zunutze machen konnte. Schon Weihnachten 1948 belieferte Drömer den Markt, dann setzte er mit den Großauflagen sei­ner preiswerten Knaur-Bücher wieder ein. Die Produktion des Verlages, die ständig stieg, be­trägt bisher schon wieder 1,5 Millionen Bücher.

Für den Bücherfreund

Alfred und Lotte Brauchte: Große Liebe

zu kleinen Pferden. Karl F. Haug Verlag,

Saulgau (Württ.). 163 s.

Kinder und Pferde sind doch das Herzstück unseres Glückes, so heißt es im Vorwort der Großen Liebe zu kleinen Pferden! Das Buch ist sowohl für diejenigen, die sich für die ersteren entscheiden, aber noch mehr für jene, die die letzteren bevorzugen, geschrieben, ohne pein­lichen Überschwang mit einer erfrischenden Na­türlichkeit. Zwei, um im Jargon zu bleiben, voll­blütige Menschen mit guter Kau-, Knie- und Herzaktion wer letztere termlni technici nicht versteht, wird durch das Buch belehrt berich­ten über ihre Erfahrungen mit kleinen Pferden. Mögen die Bosmiaken, Haflinger, Huzulen, Pan- jes, Togo-, Burma-Ponys und wie sie alle noch heißen, das Herz der Leser gewinnen. wk.