Die Sefefiunbe

ßampf um ein ßinö

Von Josef Kamp

An einem schwülen Sonntagnachmittag im hohen Sommer trat der Müller Link zu Anna Karena ins Haus und hielt um ihre Hand an.

Anna Karena erschrak. Sie war arm! Und nicht nur das! Man hatte ihr damals, als al­les zusammenbrach und die rote Flut aus dem Osten ihre schlesische Heimat über­schwemmte. in einer furchtbaren, von Tod und Gefahr umwitterten Stunde, erbarmungslos Gewalt angetan und Monate später nach der Vertreibung hatte sie hier dann ein Mädchen geboren. Und moche man auch an ihre Schuld­losigkeit glauben, so hatte sie doch unter dem Verhängnis zu leiden, denn häufig ge­nug traf sei ein Blick über die Schulter.

Nun aber stand der Müller Link vor ihr und wollte ihr Jawort!

Du mußt wissen, Anna begann er seine Erklärung,ich kann Mädchen genug krie­gen, aber ich will sie nicht, ich will eben nur dich. Weil ich dich gern hab.

Link hatte mit dem Dorf eigentlich wenig Verkehr. Woher das kam, ließ sich schwer sagen. Er war anders als die anderen in seiner schweigsamen Art und hatte in man­chem seine eigenen Ansichten. Vielleicht war es das. Trotzdem standen ihm Mädchen ge­nug zur Wahl und andere als Anna Karena, denn er war tüchtig und strebsam und führte eine saubere, geordnete Wirtschaft.

Als Anna Karena sich von ihrem ersten Schreck erholt hatte, sagte sie abwehrend: Ach, Link, nein! Was werden die Leute sagen! Ich habe ja nichts als das Zeug am Leibe! Und dann das andere! Du weißt doch!

Ja, ich weiß alles, gab Link zurück,und ich habe mir alles auch wohlüberlegt. Was den Mammon betrifft kein Wort darüber! Das andere freilich da muß ich eine Be­dingung stellen.

Und welche? forschte Anna Karena ängst­lich

Dein Kind mußt du fortgeben!

Anna Karena machte angstvolle Augen. Mein Kind? Meine Ulla?

Ja!" nickte Link.Dein Kind mußt du lassen, das ist meine einzige Bedingung da­bei.

Wo soll es denn bleiben? rief Anna Karena.

Ich kenne ein älteres Ehepaar, es sind gute, warmherzige Menschen. Sie sind ohne Nach­kommen und suchen ein Kind.

Und wer sind diese Leute?

Danach darfst du nicht fragen, Anna Ka­rena. Nimmst du meinen Antrag an, so mußt du vorbehaltlos verzichten. Halb und halb, das geht nicht. Es ist meine Bedingung, und auch jenes Ehepaar will nur ein Kind, des­sen Mutter unbekannt bleibt.

Anna Karena geriet in eine maßlose Ab­wehr.Nein o nein! rief sie mit vorge­streckten Händen.Das kann ich nicht! Das ist zuviel verlangt!

Dann sank sie, als Link sich ganz ruhig verhielt, auf einen Stuhl und stürtzte brütend den Kopf in die. Hand.

Überlege meinen Vorschlag in Ruhe, Anna Karena, sagte jener, als sie schweigend so saß,ich komme noch mal wieder, um dei­nen Entschluß zu hören.

Dann ging er.

Und nun saß Anna Karena allein, und furchtbar stürmten die Gedanken auf sie ein. Sie trug wahrhaftig ihr Leben nicht leicht! Es war eben verpfuscht, ihr Leben, seit da­mals! Daran konnte auch ihre Schuldlosig­keit wenig mehr ändern.

Nun aber begehrte Link sie zur Frau! Der achtbare Link! Nur das eine Opfer mußte sie bringen ihr Kind! Die ewige Erinnerung einer furchtbaren Stunde!

War es da nicht für sie beide am besten, wenn sie Links Vorschlag annahm? Würde nicht auch das Kind von einem Makel ge­reinigt, der sich sonst in seinem Leben nie auslöschen ließ? Je länger sie so dachte, um so nachhaltiger festigte sich die Meinung in ihr, sie könnte nicht nur, sondern sie

müßte sogar, zu ihrer beider Glück, das Op­fer bringen.

So saß sie lange in irrendem Grübeln. Sie achtete nicht, daß draußen ein Wetter im An­zuge war. Erst als fast plötzlich eine dro­hende Dunkelheit die Stube verhüllte, sah sie verstört auf. Eine brütende Angst um­klammerte ihr Herz, als sie einen Blick durch das Fenster warf. Unheimlich finster stand der Himmel über dem Tal. Und nun brach der Regen in Strömen nieder. Hagel mischte sich dazwischen. Es rauschte und zischte, als sei eine Sündflut im Anbruch. Die Scheiben zersprangen von den schlagenden Schloßen, noch nie war so ein Wolkenbruch über das Tal niedergegangen. Wie reißende Ströme stürzten die Bäche von den Berghängen nie­der. Anna Karena begann heimlich zu beten.

Plötzlich sprang sie auf. Herrgott das Mädchen! Ulla ihr Kind! Sie war am Mit­tag gegangen, um Blumen zu pflücken und

würde! Nein! würde sie sagen: Das Kind kann ich nicht fortgeben!

Schon wollte er kehrtmachen, die Schleu­sen zu schließen. Er durfte das wagen, er wußte sich von keinem bei diesem Vorgang beobachtet.

Doch dann rief wieder die Stimme, und eine unsichtbare Hand schien ihn plötzlich zu halten. Gleichzeitig war es ihm, als riefe nicht mehr eine Stimme von drüben, sondern eine Stimme aus ewigen Fernen. Groß und ge­waltig! Kain wo ist dein Bruder Abel! glaubte er deutlich diese Stimme zu hören.

Er zog hastig den Rock aus, entblößte die Füße und watete ins Wasser. Stellenweise mußte er sich schwimmend behelfen.

Nach wenigen Minuten hielt er das wei­nende Kind in den Armen, und es barg sich wie ein zitterndes Vögelchen an ihn. Eine eigene Wärme durchströmte sein Blut, und ein sonderbares Gefühl bemächtigte sich sei­ner, ein Gefühl von Glück, wie er es noch nie in seinem Leben empfunden.

So trug er die Last auf seinen Armen ins Dorf.

Kleine Erdkunde der Frauen 1

Gut gefrühstückt spürt man den ganzen Tag, gut geschlachtet das ganze Jahr, gut ge­heiratet das ganze Leben. DEUTSCH

*

Die meisten Frauen lachen nicht des La­chens wegen, sondern weil sie schöne Zähne haben. ÖSTERREICHISCH

Jn der einen Hand die Nadel, in der an­deren den Besen das ist eine gute Frau.

SCHWEIZERISCH

*

Jede Frau wünscht sich einen Casanova zum Mann nur soll er ihr allein gehören.

ITALIENISCH

*

Wenige Frauen haben Grundsätze. Die meisten werden nur von ihren Herzen ge­leitet, und ihre Tugend hängt lediglich von der Gesinnung ihrer Liebhaber ab.

SPANISCH

Eine Frau, die kein Geheimnis vor ihrem Mann hat, kennt entweder kein Geheimnis oder keinen Mann. IRISCH

Die gefährlichsten Frauen sind die Ge­fühlsanbeterinnen. Sie bringen als gefähr­liches Mitgift eine ewige Unruhe in die Ehe ein. ENGLISCH

*

Man bringt eine Liebschaft dadurch am sichersten um, daß man nicht den Mut fin­det, sie zu beenden. DÄNISCH

Die Frauen gleichen alle der Stammut­ter Eva: Was ihnen gewährt ist, verliert an Reiz! Immerzu lockt die Schlange sie zum geheimnisvollen Baum. Ohne die verbotene Frucht gäbe es für sie kein Paradies.

RUSSISCH

*

Eine Frau benötiet drei Gatten: Einen, der für sie sorgt, einen zweiten, der sie liebt, und einen dritten, der sie verprügelt.

BULGARISCH

Manche Frauen warten auf die Liebe wie jener Storch, der verhungerte, weil er auf das Verdunsten des Meeres wartete, um ge­trocknete Fische verspeisen zu können.

ARABISCH

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sie war nicht zurück! Die Wiesen im Tal muß­ten hoch überschwemmt sein! Eine unheim­liche Sorge trieb Anna Karena nach draußen. Sie sank bis zu den Knien ins reißende Was­ser und vermochte sich nur mühsam aufrecht zu halten. Durch Höfe und Gärten suchte und rief sie nach ihrem Kind. Das Herz wollte ihr springen in Sorgen und Ängsten, eine furcht­bare Ahnung folterte sie.

Schon hatte der Regen sich gelegt, als sie noch immer im Ungewissen umherlief.

Zur selben Zeit aber schritt auch schon der Müller Link durch seine Felder, um nach Schäden zu sehen und vorbeugend zu han­deln.

Plötzlich hörte er fern den Ruf eines Kin­des, das in Not zu sein schien. Er folgte der Richtung, und dann lief ein Grauen ihm kalt über den Rücken. Hinter einer Wiese in ei­nem Heiligenhäuschen kauerte hilflos ein schmächtiges Kind. Das Kind war die Toch­ter von Anna Karena! Es hatte sich auf die Fensterbrüstung geflüchtet, weil die Kapelle vom Wasser umspült wurde. Und immer noch befand sich das Wasser im Schwellen, ge­speist von den niederschäumenden Bächen der Berge. Eine Viertelstunde noch, höchstens eine halbe dann mußte die Kapelle unter­getaucht sein. Ja, es ging wohl noch schneller, wenn er nachhalf: wenn er die Schleusen am Mühlenwehr schloß! Was geschah dann mit dem Kind ...?

Link stand starr bei diesem Gedanken. Er haßte doch eigentlich dieses Kind?! Er ahnte ja doch, daß Anna Karena nicht einwilligen

Am Eingang des Dorfes aber traf er mit Anna Karena zusammen. Ihr Blick ging in die Irre vor Angst und Erschöpfung.

Dann gewahrte sie das Kind auf den Ar­men des Müllers, und eine tiefe Erschütterung riß sie fast nieder.

Link aber fing sie auf und sagte mit einer fremden, ganz rauhen Stimme:Anna Ka­rena es gehört nun uns beiden! Du hast ihm das Leben gegeben ich habe ihm das Leben erhalten, es soll alles Glück nun auch ganz mit uns teilen!

Sommermuse,

Der Kuckuck läutet fröhlich Den jungen Morgen ein;

Die Lerche jauchzt so selig,

Zu Tale sinkt allmählich Der Sonne holder Schein.

Ihr warmes Leuchten dringet Tief in des Herzens Grund,

Bis daß es jubelnd klinget,

Vor Glück und Freude springet Zur morgenfrischen Stund.

Das ist ein zärtlich Schreiten Im schwellend grünen Moos;

Die Morgenglocken läuten,

Und die Gedanken gleiten In meiner Muse Schoß.

HELMUT BETTMANN

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Von Ferdinand Silbereisen

Von dem kürzlich verstorbenen Bischof von Trure, einem der bekanntesten Kirchenfürsten Englands, erzählt das LondonerMagazine fol­gende köstliche Anekdote:

Der Bischof war in seinen jungen Jahren ein eifriger Nimrod vor dem Herrn. Eines schönen Tages traf er, das Jagdgewehr über die Schul­ter gehängt und den Wald durchstreifend, eines seiner Pfarrkinder.

Er ließ sich in ein kurzes Gespräch mit dem Mann aus dem Volke ein, verabschiedete sich dann von ihm leutselig und bemerkte noch, be­reits im Fortgehen begriffen, mit aufmuntern­dem freundlichen Lächeln:Ich hoffe, mein Be­ster, daß Sie regelmäßig in Ihrer Hausbibel le­sen.

Ich lese recht fleißig in meiner Bibel. Herr Bischof, aber ich habe, offen gestanden, noch keine Stelle darin gefunden, in welcher die Rede davon wäre, daß die Apostel unseres Herrn auf die Jagd gingen, erwiderte der Wackere mit boshaftem befriedigtem Grinsen, daß er seinen Seelenhirten eins auswischen konnte.

Da haben Sie ganz recht, entgegnete der nachmalige Bischof schlagfertig,die Jagd war in Palästina sehr schlecht, um so mehr Erfolg hatten aber die Apostel mit dem Fischfang.

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Ein biederer Wachtmeister stellt einen Radfahrer, der unvorschriftsmäßig den Fahr­damm passiert. Er zückt sein Buch:

Wie heißen Sie?

Pzschrotzk, Herr Wachtmeister.

Den Nachnamen meine ich!

Der Verkehrssünder nickt heftig:Pzsch­rotzk, Herr Wachtmeister! Pzschrotzk! Grimmig zuckte der Bleistift in der Hand des Beamten:Und zu Deutsch? Wie?? Pzschrotzk! Pzschrotzk!

Daraufhin klappt der biedere Ordnungs­hüter das Rapportbuch hörbar zu, zieht sei­nen Uniformrock energisch straff und sagt streng:

,.Alsdann fahren Sie in Zukunft vorschrifts­mäßig, verstanden!" und schreitet wuchtig davon. G. B.

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Eine heitere Geschichte aus dem hohen Norden / Von A. v. Foelkersam

Wer noch nie schlechter Laune war den ersten Stein auf mich.

Man hat mich gelehrt, daß schlechte Laune ein Zeichen von mangelhafter Erziehung sei. Der wohlerzogene Mensch hat keine schlechte Laune zu haben. Die Leute haben gut reden.

Zur schlechten Laune gehören mindestens immer zwei, einer, der sie hat, und einer, an dem er sie ausläßt. Natürlich kann man sie auch an mehrere richten.

Der Mann auf der einsamen Insel ist da­her in einer unangenehmen Lage, er merkt

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Lebensweisheiten

Niemand übt ein Handwerk aus, das er nicht gelernt hat, und sei es das niedrigste; aber jeder­mann glaubt sich vorausbestimmt für das schwer­ster aller Handwerke die Menschen zu re­gieren. Sokrates

Ein Politiker denkt bis zur nächsten Wahl, ein Staatsmann bis zur nächsten Generation.

James Freeman Clarke

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Von Walter Foitzick werfe

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überhaupt nicht, wenn er schlechter Laune ist. Oder wie sollte er plötzlich losfahren: Zum Donnerwetter, wo sind denn wieder meine Hausschuhe? Und die Hosen sind auch nicht ausgebürstet, und ich hab schon hun­dertmal gesagt, ich will nicht, daß meine Briefmarken auf dem Schreibtisch verbraucht werden. Wenn ich mal schreiben will, ist nie eine da; aber darum kümmert sich natürlich

niemand, und außerdem ist es wieder ver­gessen worden, das Salz auf den Frühstücks­tisch zu stellen.

Die geeignetste Zeit für schlechte Laune ist der frühe Vormittag. Solange Sie alleine sind, geht es Ihnen wie dem Manne auf der ein­samen Insel, es fehlt der Partner für schlechte Laune. Haben Sie einen Haushalt, eine Frau, Kinder, eine Zugeherin oder eine Zimmer­vermieterin, wird sich das Objekt mit Leich­tigkeit einstellen. Stellt es sich nicht von selbst ein, werden Sie es suchen.

Schließlich gibt es ja noch Mitfahrende in der Straßenbahn. Ha, was sind die Verkehrs­mittel für prächtige Orte, um die schlechte Laune an den Mann zu bringen! Wenn aber durchaus niemand zu finden ist, gehen Sie einfach in ein Postamt, stellen sich am besten an einen falschen Schalter und versuchen eine Briefmarke zu kaufen. Sie sollen mal sehen, wie das auf Sie wirkt. An solchen Tagen ist der Verkehr mit Behörden oder anderen Vorgesetzten höchst befreiend, aber gefährlich. Nur ganz Geübte sollen sich auf dieses Gebiet begeben.

Ich wüßte übrigens einen neuen Beruf: Der Mann, der jeden Morgen die schlechte Laune des Hausherrn entgegennimmt. Er kommt wie der Briefträger oder der Masseur, womöglich etwas unpünktlich. Der bekommt seinen Krach und konzentriert auf sich all das, was sonst auf Familienmitglieder und Büroange­stellte niedergehen würde.

Erlöst und heiter verläßt das Familien­oberhaupt die Wohnung.

Heute wird er mich küssen, dachte Agneta. Heute werde ich dafür sorgen, daß nichts da­zwischenkommt. Sie sah in die Ecke zum Bett hinüber, in dem die kleine Gestalt ihrer Schwester lag. Jetzt schläft Britta wie ein Murmeltier, dachte Agneta, aber am Abend ist sie nicht ins Bett zu kriegen, treibt sich überall umher und stört einen immer. Mama sollte mehr auf sie aufpassen als auf Nils und mich. Wenn das Gör uns letzten Sams­tag nicht aufgestöbert hätte, als wir hinter der Scheune auf der Klippe saßen, hätte er mich sicher geküßt... Agneta hob den Kopf. Das Meer lag blau und still hinter den Klip­pen. Am Nachmittag wollte sie mit Nils hin­ausrudern nach Norrholmen, einer Insel, die wie ein grüner Kegel aus dem weiten Wasser ragte. Nils trug ein buntkariertes Hemd, See­mannshosen und ein großes finnisches Messer im Gurt. Agneta fand, daß er wunderschöne blaue Augen hatte und wie ein richtiger See­mann aussah, viel echter als die Fischer hier in den Schären, obwohl er wie sie selbst aus der Stadt war. Sie wollte heute den hell­blauen Strandanzug anziehen und ihren gro­ßen Basthut mitnehmen, in dem Nils sie fotografieren solte...

Am Nachmittag ruderten sie los. Bald tauchte die Insel vor ihnen auf. Sie legten in einer kleinen Bucht an und stiegen hinauf zum Waldrande. Auf der Insel schien niemand zu wohnen; sie sahen kein Haus, hörten keine Stimmen. Sie setzten sich auf eine Anhöhe am Waldsaum. Vor ihnen lag das Meer. Ag­neta sah rasch zu ihrem Kavalier hinüber. Der Junge saß, die Arme um die Knie ge­schlungen, neben ihr. Es war wunderbar, mit ihm auf der Insel zu sein. Jetzt rückte er ein wenig näher.Ist es nicht schön hier? Ja, wunderschön! Agneta lächelte ihn an.Ein Segelboot! Nils zeigte aufs Meer. Wo?Dort! Der Junge beugte sich zu ihr hinüber. Er legte vorsichtig den Arm um ihre Schulter und wies auf ein kleines weißes Drei­eck zwischen den Schären.Ich sehe nichts ...

Nils zog sie noch etwas näher zu sich her­an. Jetzt! dachte Agneta. Jetzt wird er mich gleich küssen. Sie lehnte sich kaum merklich zurück. Sie sah, wie sein Gesicht sich lang­sam dem ihren näherte. Sie schloß rasch die Augen. Nun kann keine Britta aus den Bü­schen herausfahren, dachte sie befriedigt. Sie wartete ein wenig und blinzölte dann vor­sichtig.

Nils blaue Augen im runden Gesicht waren weit aufgerissen. Er starrte an ihr vorüber, ins Gebüsch.Was ist...?Dort! stieß er hervor.Wer? Agneta hatte das Gefühl, daß nicht nur die Mutter und Britta, sondern

die gesamten Sommergäste hinter ihr stan­den. Sie stieß Nils zurück und sah, drei Schritte hinter sich im Gebüsch einen rie­sigen braunen Kopf mit Hörnern.

Ein Stier!" Nils setzte bereits in großen Sprüngen über die Klippen. Agneta sah noch sekundenlang den braunen Kopf über dem Haselstrauch, ein Paar Augen, die sie anstarr­ten, dann stürzte sie über den Fotoapparat und Basthut hinweg zum Waldrande. Sie rannte am Waldsaum entlang, einen Abhang hinunter. Vor ihr lag eine Wiese, und hinter sich hörte sie den Stier mit schweren Sprün­gen ihr nachsetzen, hörte sein Schnauben und Brüllen. Sie rief, und Nils Stimme ant­wortete aus weiter Feme. Sie kletterte auf eine Klippe, rutschte ab, kletterte weiter. Dann stand sie oben. Es war alles still, sie hörte nur ihr Herz hämmern. Sie schlich vorsichtig weiter und bog die Zweige eines dichten Gestrüpps auseinander vor ihr stand der Stier!...

Agneta ruderte am Ufer entlang. Sie hatte vom Stier nichts mehr gesehen und gehört, seit sie zum zweitenmal davongestürzt war. Jetzt, wo sie in Sicherheit war, kam die Em­pörung über ihren Kavalier nach. Davonge­rannt war er und hatte sie im Stich ge­lassen, als der Stier aus dem Gebüsch her­vorbrach. Ihr neuer Hut war sicher zer­trampelt. Was sollte sie der Mutter sagen! Und geküßt hatte er sie auch nicht! Sie hatte sich heiser gerufen nach ihm; wie lange sollte sie noch auf ihn warten...

Agneta! Nils stand auf einer Klippe und winkte mit dem Basthut.Der Stier hat mich die ganze Zeit belagert. Ich mußte mich auf einen Baum retten. Er stand fünf Schritt von mir.Das ist nicht wahr! Er hat mich die ganze Zeit verfolgt! Zwei Stunden bin ich gelaufen. Nils kletterte ins Boot.Ich ging noch einmal zurück, der Stier war hinter mir her, aber ich habe deinen Hut und den Foto­apparat gerettet. Agneta wollte gerade etwas Spöttisches erwidern, als Nils erschrocken ausrief:Da ist er wieder! Und er zeigte auf die Wiese am Wasser. Im hohen Grase stand der Stier. Er senkte den Kopf und brüllte. Aus dem Walde trat eine kleine alte Frau. Sie trug einen Schemel und einen Milcheimer. Sie ging auf den Stier zu, der ihr den Kopf zuwandte und laut muhte. Komm, Blenda! Die Alte stellte den Sche­mel ins Gras, setzte sich und begann zu melken.

Nils ruderte eüig und wortlos von der In­sel fort. Agneta starrte an seiner Schulter vorbei ins Abendrot.