SAMSTAG, 3 0. JUNI 1951

AUS DEM HEIMATGEBIET

NUMMER 100

Landratsamt auf Betriebsausflug

Wildbad.Warum in die Ferne schwei­fen, sieh, das Gute liegt so nah, wird sich sicherlich Landrat Geißler gesagt haben, als er Wildbad zum Ziel des diesjährigen Be­triebsausflugs der Beamten und Angestellten des Landratsamts Calw wählte. Und die Teil­nehmer an dem Besuch in der Bäderstadt, der am Donnerstagnachmittag durch hellen Sonnenschein gegenüber dem kühlen Wetter der Vortage besonders begünstigt war, waren überrascht von den ihnen gezeigten Schön­heiten Wildbads.

Als die Ausflugsgesellschaft nach einem Fußmarsch über Kleinenzhof Riesenstein am frühen Nachmittag nach Wildbad gelangt war, gings zunächst in den Rathaussaal, einerseits um diesen vielbesuchten Raum zu besichtigen, andererseits um sich von der An­strengung in den bequemen Ratsherrnsesseln auszuruhen. Bürgermeister Kießling begrüßte die Bediensteten der Aufsichtsbehörde und lud sie zu einer Fahrt mit der Städtischen Bergbahn auf den Sommerberg ein, wo sich nach einem kurzen Rundgang mit Besichti­gung der neuen Bauentwicklung eine nette Kaffeestunde anschloß. Hiernach wurden die Teilnehmer von Kurdirektor Bach begrüßt, der sie zunächst zum Kurkonzert des Großen Orchesters auf den Platz vor der Neuen Trinkhalle führte und mit ihnen anschließend einen Rundgang durch die Bäder machte. Seine Ausführungen fanden lebhaftes In­teresse, zumal sie einen geschichtlichen Rück­blick und die künftigen Entwicklungsmöglich­keiten umfaßten. Abends traf man sich dann im Kursaal zu einem gemütlichen Beisam­mensein mit Tanz. Man freute sich in Wild- bad über den Besuch aus der Kreisstadt Calw und die Beamten und Angestellten des Landratsamts hatten einen schönen Tag, der im wahrsten Sinne des Wortes das Nützliche mit dem Angenehmen verband.

Amt für Wiedergutmachung Nagold

Nagold. Wegen Renovierung des Hauses Marktstraße 1, in dem sich die Diensträume des Amts für Wiedergutmachung Nagold be­finden, fallen die Sprechstunden ab sofort bis einschließlich Montag, 9. Juli, aus.

Geschenksendungen aus dem Ausland

Neue Verordnung schränkt Abgabenfreiheit weiter ein

Seitdem sich die Ernährungsverhältnisse im Bundesgebiet normalisiert haben, ist auch die Zahl der Liebesgaben- und Geschenksen­dungen aus dem Ausland mehr und mehr zurückgegangen. Immerhin sind es gegen­wärtig noch rund 600 derartige Pakete (ge­genüber 5000 vor vier Jahren), die allmonat­lich beim Zollamt Calw eingehen und dort auf die Zoll- und Steuerpflichtigkeit ihres Inhalts überprüft werden.

Alle gelegentlichen oder dauernden Emp­fänger solcher Sendungen wird es nun in­teressieren, daß unter dem Datum vom 25. Ja­nuar 1951 eine neue Verordnung über die Zollbehandlung von Geschenk- und Liebes­gabensendungen aus dem Ausland erlassen worden ist, die am 27. April d. J. im BGBl. I verkündet und am 28. Mai in Kraft getreten ist. Sie bringt im wesentlichen eine weitere Einschränkung der Abgabefreiheit.

Nach dieser Verordnung dürfen in Ge­schenk- und Liebesgabensendungen nicht eingeführt werden: Tabak, Tabakerzeugnisse und Zigarettenpapier, Süßstoff, Rauschgifte und schädliche Drogen sowie eine Reihe wei­terer Waren, die bisher schon dem Einfuhr­verbot unterlagen. Werden solche Waren in den Sendungen vorgefunden, so verfallen sie der entschädigungslosen Einziehung. Das gleiche gilt für alle deutschen und ausländi­schen Zahlungsmittels samt sonstigen Vermö­genswerten und für Zündwaren.

Weiter dürfen in Geschenk- und Liebes­gabensendungen u. a. nicht eingeführt wer­den: Kaffee (Ausnahmen siehe nächsten Ab­satz), Tee, Spirituosen, Weine und Schaum­weine, nicht gebrauchte Bekleidungsstücke aus oder in Verbindung mit Pelzwerk, wenn ihr Wert 800 DM übersteigt, nicht gebrauchte Lederwaren und Schuhe aus Reptilleder, Ra­diogeräte, Fotoapparate, Parfüms und kosme­tische Artikel (wenn deren Wert 1 DM für den Kubikzentimeter übersteigt), ferner bis­her nicht genannte Gegenstände, die im Bun­desgebiet einer Besteuerung besonderen Auf­wands unterliegen. Werden solche Waren trotzdem eingeführt, so sind vom Empfänger

Ein schwacher Trost: auch früher gabs Regensommer

Alte Chroniken berichten von nassen Jahren und Hungerzeiten

Wie oft standen wir schon fragend am Ba­rometer, studierten mit gemischten Gefühlen die Wettervorhersage, lauschten dem Wetter­bericht des Rundfunks? Und dann wurden wir wieder enttäuscht, weil das Wetter ganz plötz­lich entgegen unseren Erwartungen anders ausfiel. Das Wetter hat zu allen Zeiten die Menschen beschäftigt, insbesondere trifft dies zu für den Bauer, dessen Arbeit unmittelbar vom Wetter abhängt.

Aber werfen wir mal einen flüchtigen Blick in alte Chroniken, lassen wir uns von ver­gilbten Blättern erzählen vom Regenwet­ter. Eine Klosterchronik schreibt, daß es anno 1195 wochenlang ununterbrochen regnete, so daß die Feldfrüchte im Wasser ersoffen. Die Folge war eine schlimme Hungersnot. Deutschland und Oesterreich wurden am stärksten davon betroffen. Und der Jahrgang 1224 sei noch schlimmer gewesen. Vom April bis September regnete es, so daß die Bauern ihre Felder nur kümmerlich bestellen konn­ten. Es gab im Herbst eine große Mißernte. Im Sommer 1296 war es wieder so, wochen­lang Regen und nichts als Regen, dazu furcht­bare Unwetter, die die Felder zerstampften. Heimtückische Krankheiten grassierten, heißt es in einer alten Niederschrift und in den Hochwassern der Flüsse ertranken viele Men­schen. In ihrer Not wurden in Städten und Dörfern Bittprozessionen veranstaltet. Die Chronisten berichten vom Jahr 1314 ebenfalls nichts Gutes. Vom Frühjahr bis Herbst nichts als Dauerregenfälle.

Wohl einer der schlimmsten Regensommer war der von 1362. Im Juli sei es winterlich kalt gewesen, so daß die Feldfrüchte nicht gedeihen konnten. Viele Hagelunwetter wer­den erwähnt. In Ostfriesland vernichtete eine Meeressturmflut 30 Ortschaften und viele

Tausend Menschen kamen ums Leben. Der Hunger ritt wie ein Gespenst durch die deut­schen Lande und weitere Notjahre folgten. Das Schicksal schrieb mit hartem Griffel Ge­schichte. Die Chronisten berichten von weite­ren nassen Jahrgängen: 1582, 1585, 1591, dann 1616, 1683, 1690. Von schweren Wolkenbrüchen wird aus den Sommermonaten der Jahre 1610 und 1613 berichtet. Ueber Stuttgart ging im Juli 1610 ein furchtbares Hagelunwetter nie­der, ebenso über Teilen von Südwürttemberg und Südbaden. Im Sommer 1613 folgte ein Unwetter dem andern. In Nagold ertranken bei einem solchen Unwetter 20 Personen.

Aehnliche Unwetter mit Menschenverlusten ereigneten sich auch in anderen Gebieten des Schwarzwaldes, am Bodensee und in Bayern. Die Sommer 1713, 1719, 1737, 1774, 1813, 1819, 1840, 1852, 1857, 1878, 1913, 1919, 1927, 1930, 1932, 1938 u. a. m. waren ebenfalls Nassauer. Die nassen Jahrgänge der letzten 150 Jahre haben jedoch lange nicht mehr die furchtbaren Folgen ausgelöst als dies früher der Fall war, wovon die Chronisten zu be­richten wissen.

Ueber die Wetterlage der folgenden Som­mermonate kann noch keine zuverlässige Voraussage getroffen werden. Gewiß, der Juni war naß, die Sonne war an den meisten Ta­gen durch die großen Wolkenbänke in die Defensive gedrängt, und schien sie schon einige Stunden, so war es gleich hochsom­merlich schwül, was dann wieder zu Gewit­terbildungen führte. Dem Brachmonat Juni können wir deshalb keinen besonders freu­digen Abgesang geben. Hoffen wir, daß der Juli sich mehr von der sonnigen Seite zeigt und das nachholt, was sein Vorgänger ver­säumt hat. -oho-

die üblichen Eingangsabgaben zu entrichten.

Hinsichtlich des Kaffees gilt folgende Ausnahmeregelung: In Geschenk- und Liebes­gabensendungen beigepackter Roh- oder Röst­kaffee bis zu einer monatlichen Höchstmenge von 500 g bleibt zoll- und steuerfrei. Für die darüber hinausgehenden Mengen müssen die vorgesehenen Abgaben entrichtet werden. Zu beachten wäre hierbei noch die Einschrän­kung, daß das zugelassene Pfund Kaffee einer Sendung beigepackt sein muß.

Für die nachfolgenden Waren ist eine mo­natliche Höchstmengenbeschrän­kung vorgesehen: Lebensmittel 15 kg,'Kaf­fee 0,5 kg, Kakaopulver 1 kg, Schokolade 1 kg, wobei die drei letztgenannten Mengen unter die Höchstgewichtsbegrenzung für Lebens­mittel (15 kg je Monat) einzurechnen sind. Diese Waren müssen wiederum den Sendun­gen beigepackt sein und dürfen wert­mäßig nicht mehr als zwei Drittel des ganzen Paketinhalts ausmachen, dem Gewicht nach müssen sie unter 50 Prozent des Gesamtge­wichts liegen.

Das bedeutet in der Praxis, daß reine Kaf­fee-, Kakao- oder Schokoladensendungen vom ersten Gramm an voll verzollt und ver­steuert werden müssen, mithin also keine Freigrenze haben. Die Abgabesätze betragen bei Kaffee und Tee derzeit:

1 kg Rohkaffee Zoll 1,60, Steuer 10 DM

1 kg Röstkaffee Zoll 3,00, Steuer 13 DM

1 kg Tee Zoll 5,00, Steuer 15 DM

Kaffeeauszüge (Nescafe usw.) sind ebenfalls ihrem gesamten Gewicht nach zoll- und steuerpflichtig. Hier betragen die Sätze das Doppelte bis Dreieinhalbfache der Kaffee­steuer, beispielsweise bei Nescafe 26 DM, bei Instantcoffee 32,50 DM und bei Bordencoffee 46,80 DM je kg.

Es sei schließlich bei dieser Gelegenheit er­neut darauf hingewiesen, daß die in Ge­schenk- und Liebesgabensendungen eingehen­den Waren nur unter der Voraussetzung ab­gabenfrei bleiben, daß sienach Art und Menge dem angemessenen Bedarf des End­empfängers und seiner Haushaltsangehörigen entsprechen. Weiter heißt es in der Verord­nung:Wer solche Waren entgeltlich (also gegen Bezahlung, d. Red.) an andere abgibt oder erwirbt, haftet für die Eingangsabgabe. Entgeltliche Abgabe ist auch die Abgabe im Tauschhandel. Die gelegentliche, unentgelt­liche Weitergabe abgabefrei gelassener Wa­ren an Verwandte, nahe Bekannte oder Hilfs­bedürftige ist erlaubt.

Am 15. Juli Fuchsjagd des MSC. Calw

Der Motorsportclub Calw im ADAC, ver­anstaltet am 15. Juli eine Schwarzwald- Fuchsjagd, die über 100 km guter Bundes­straßen (also keine Wald- und Wiesenwege) führt. Nennberechtigt sind alle Motorsportler, auch die Nichtmitglieder des ADAC. Beson­ders herzlich eingeladen sind die Mitglieder der verschiedenen Motorsportclubs. Es wird in folgenden sechs Klassen gefahren: Kraft­räder bis 125 ccm, bis 200 ccm, bis 250 ccm, bis 350 ccm und bis 500 ccm, Pkw sämtlicher Klassen. Meldungen sind schriftlich beim MSC. Calw oder mündlich am Starttag bis spätestens 12 Uhr im Stadtbüro am Markt­platz (Ratsstüble) abzugeben. Der Start be­ginnt nach Klasseneinteilung um 13.30 Uhr auf dem Calwer Marktplatz in kurzen Zeit­abständen. In jeder Klasse werden fünf Ehrenpreise mit Diplomen verliehen, außer­dem erhält jeder Teilnehmer eine Plakette. Nach der Preisverteilung findet in der Stadt­halle ein gemütliches Beisammensein mit Tanzunterhaltung statt. Nähere Einzelhei­ten sind durch den Vorsitzenden des MSC. Calw, Schäberle, Marktplatz 11, Tel. 744, zu erfahren, wohin auch die Anmeldungen zu richten sind.

Neues Bezirksnotariat Ebhausen

Ebhausen. Durch Verordnung des Ju­stizministeriums Tübingen vom 20. Juni 1951 wurde mit Wirkung vom 1. August das Be­zirksnotariat Ebhausen mit dem Sitz in Eb­hausen neu eröffnet. Zu diesem neuen No­tariatsbezirk sind von den Notariatsbezirken Nagold, Altensteig und Bad Teinach folgende Gemeinden zusammengefaßt worden: Ebhau­sen, Aichelberg, Aichhalden, Ebershardt, Gau­genwald, Hornberg, Mindersbach, Walddorf, Wart und Wenden. Durch diese Neueinrich­tung haben die betreffenden Gemeinden einen kürzeren Weg zu ihrem Bezirksnotariat.

Ausbildung zum SdiieBmeister

Nagold. Die Steinbruch-Berufsgenossen­schaft Karlsruhe veranstaltete am Dienstag und Mittwoch in Nagold einen Sprenglehr- gang zur Ausbildung von Schießmeistern und zur Fortbildung der bereits im Beruf tätigen. Der Kurs wurde von Reg.-Baumeister a. D. Spöhr geleitet und unter Mitwirkung des Ge­werbeaufsichtsamtes sowie der Sprengstoff­gesellschaft durchgeführt. Die 30 Teilnehmer aus der Steinindustrie und dem Tiefbau­gewerbe wurden theoretisch und praktisch eingehend unterwiesen. Zum Abschluß wurde vom Gewerbeaufsichtsamt die Prüfung abge­nommen und eine Bescheinigung über die bestandene Prüfung erteilt.

Arbeitsamt Nagold im neuen Heim

Einweihung des Neubaues Gegen Zentralisierung der Geldmittel

Nagold. Am Dienstag fand in Anwesen­heit eines kleinen Kreises geladener Gäste und einiger Angestellter des Amts die feier­liche Einweihung des neuen Arbeitsamts­gebäudes in der Bahnhofstraße statt. Ober­regierungsrat Dr. Wildermuth, der Leiter des Arbeitsamts, schilderte den wechselvollen Weg vom Arbeitsnachweis bis zur heutigen Orga­nisation der Arbeitsverwaltung. Er gab einen kurzen Ueberblick über die Entwicklung des Arbeitsamts Nagold und über die Struktur des Bezirks, die eine glückliche Mischung der Wirtschaftszweige und Betriebsarten dar­stellt. Mit seinem Dank für den schönen Neu­bau gab er der Hoffnung Ausdruck, daß die Menschen, die in diesen neuen Räumen ar­beiten, den Dienst am Nächsten nie vergessen möchten, sonst sei auch der schönste Neubau wertlos.

Regierungsdirektor Dr. Geisel vom Landes­arbeitsamt Tübingen übergab als Vertreter der Bauherrschaft diesen fünften innerhalb des letzten halben Jahres fertiggestellten Neubau (Reutlingen, Friedrichshafen, Freu­denstadt, Tübingen, Nagold), dem in Kürze noch weitere zwei folgen werden, dem Haus­herrn und dankte allen Mitarbeitern, ganz besonders Präsident Dr. Heinz vom Landes­arbeitsamt Stuttgart, der das Baubüro zur

Verfügung gestellt hatte. Präsident Dr. Hein* wies auf die Schlichtheit der Formen, die klaren, geordneten Grundrißverhältnisse und die gediegene schwäbische Werkmannsarbeit hin, die bei der Bauausführung maßgebend waren. In seinen weiteren Ausführungen gab er einen interessanten Einblick in die gegen­wärtigen Auseinandersetzungen wegen der Errichtung einer Bundesanstalt für Arbeits­vermittlung und Arbeitslosenversicherung, die am 1. Oktober in Koblenz (nicht Stutt­gart) ihre Tätigkeit aufnehmen soll.

Er verwahrte sich entschieden gegen die bei den Verhandlungen zutage getretenen Be­strebungen, nicht nur die Verwaltung, son­dern auch die angesammelten Geldmittel zu zentralisieren. Württemberg bringe immerhin alsBrautgabe Milliarde in die neue Bun­desanstalt ein und wünsche, bei der Anlage dieser Kapitalien ein Wort mitsprechen zu können. Für das Wiedererstehen des Landes­arbeitsamts Südwestdeutschland, das in glücklicher Weise den Südweststaat vorweg­genommen habe, setzte sich Dr. Heinz mit Nachdruck ein. Er schloß mit dem Dank an Regierungsdirektor Dr. Geisel und Ober­regierungsrat Dr. Wildermuth und wünschte den Bewohnern des neuen Amtes Gottes Segen.

Berufsberatung durdi die Zeitung

Wer will gute Kuchen backen?

Ein heikles Kapitel bilden dieLebens­mittelberufe. Die Gründe, die heute in wei­ten Kreisen der Eltern und Jugendlichen zur Ablehnung einer solchen Lehrstelle führen, sind mannigfacher Art. Man darf nicht über­sehen, daß diese Berufe eben aus der Mode gekommen sind, weil sie den jungen Men­schen nicht so sehr mit den technischen Neuerungen vertraut machen, obwohl auch hier natürlich die Technik ihren Einzug ge­halten hat. Neben anderen Argumenten wie Arbeitszeit u. a. mag es auch die Tatsache sein, daß diese Lehrstellen meist mit Kost und Wohnung verbunden sind, so daß der Lehrjunge dauernd unter der Kontrolle des Meisters steht und ihm auch außer der Ar­beitszeit zur Verfügung stehen kann. Oft wird auch geltend gemacht, daß die Aussichten für eine spätere Selbständigmachung sehr gering seien, da die Berufe vielfach übersetzt sind; es fängt meist schon damit an, daß die Ge­sellenplätze im Vergleich zu den Lehrstellen sehr dünn gesät sind. Aber wenn man das Für und Wider abwägt, so kommt man doch zu dem Schluß, daß auch in den Lebensmit­telberufen sich der Tüchtige durchsetzt.

In unserem Bezirk zählen dazu vor allem die Müller, Bäcker, Konditoren und Metzger. Gute Lehrstellen gibt es ausreichend, so daß man am besten den Rat des Berufsberaters einholt, der seine langjährigen Erfahrungen besitzt.

Kaum ein Beruf hat im deutschen Volk eine so poetische Verklärung gefunden wie der des

Müllers. Wer kennt nicht Märchen und Volkslieder, in denen die Romantik der ge­heimnisvoll klappernden Wassermühle ihren Ausdruck findet? Die fortschreitende Technik hat jahrhundertealte Methoden verdrängt; Wasserräder und Rutenkreuze erhielten Kon­kurrenten in Dampfmaschinen und Turbinen, Mühlsteine wurden durch Walzenmühlen ver­drängt. Der junge Mann, der Müller werden will, muß von rascher Auffassungsgabe, ge­sund und kräftig sein. Veranlagung zu Asthma oder Hautkrankheiten verbieten von vornherein diesen Beruf Der Müller muß überall zupacken können und darf auch vor einer schweren und schmutzigen Arbeit nicht zurückschrecken. Zum Lernen eignet sich am besten die Mittel- und Kleinmühle, wo er mit allen Arbeiten vertraut wird. So lernt er, was ein Mahlgang, ein Walzenstuhl, ein Plansich­ter ist, er versteht die Getreidesorten und Mahlprodukte zu bewerten und vom dauern­den Drehen der Räder, Riemen und Walzen geht ihm der Spruch:Rast ich, so rost ich in Fleisch und Blut über. Er kann später auf der Südd. Müllerschule in Nürnberg seine Kenntnisse erweitern und hat, wenn er die Stelle eines Walzenführers, Grießputzers oder Lagerhalters versehen hat, die Möglichkeit, als Obermüller oder Betriebsleiter eine sei­nem Können entsprechende Stellung einzu­nehmen.

Die Anforderungen, die an einen Lehrling im Bäckerei- und Konditoreibe­trieb gestellt werden, können gemeinsam

behandelt werden. Als erstes ist die unbe­dingte Sauberkeit an Körper und Kleidung zu nennen. Die körperliche Befähigung ist hier ganz besonders gründlich zu prüfen; manche Innungen verlangen vor der Einstel­lung eine ärztliche Untersuchung. Bruchan­lagen, Schweißbildung, Anlage zu Krampf­adern, zu Hautausschlägen, Neigung zu Er­kältungen und Rheumatismus verbieten die Wahl dieser Berufe. Hat auch der Bäcker die schwere Arbeit des Teigknetens größtenteils der Knetmaschine überwiesen, so ist seine Arbeit doch durchweg mit körperlichen An­strengungen verbunden. Ebensowenig darf man die Arbeit des Konditors für leicht hal­ten, es sei nur an das Schlagen von Sahne, Eiweiß und Massen erinnert, eine Arbeit, die zwar keine Riesenkraft, dafür aber Ausdauer erfordert. Ein gesundes Auge, Formen- und Farbensinn, eine gute Rechenfertigkeit als unbedingte Voraussetzung für die Kalkulation gehören weiter zu den wünschenswerten Be­dingungen.

Trotzdem läßt die Auswahl des Lehrlings­materials noch zu wünschen übrig, besonders wenn man eben absolut einen Lehrling be­nötigt. Selbst ehemalige Schüler von Hilfs­schulen wurden schon eingestellt, und man sucht es damit zu entschuldigen, daß sie doch noch recht brauchbare technische Arbeiter werden können. Unbestritten aber niemals brauchbare Bäcker oder Konditoren, denn diese Betriebe werden in der Mehrzahl als Kleinbetriebe geführt, wo jeder Gehilfe im­stande sein muß, alle Arbeiten selbständig zu verrichten.

Der Beruf des Metzgers ist schwer und

erfordert Gesundheit, Kraft, Gewandtheit, Sauberkeit und Ehrlichkeit. Aehnlich wie bei den schon besprochenen Berufen muß der Junge, der eine Metzgerlehrstelle antritt, seine körperliche und gesundheitliche Ver­fassung genau kennen, sonst kann es leicht zu vorzeitigem Abbruch der Lehre kommen. Aber auch eine Menge geistiger Regsamkeit und Gewandtheit sind erforderlich, wenn man es als Metzger zu etwas bringen will. Die Schulzeugnisse müssen ordentliche theoreti­sche Kenntnisse nachweisen. Der Metzger­beruf verlangt, so merkwürdig das auf den ersten Blick erscheinen mag, ein hohes Ver­antwortungsgefühl gegenüber Menschen und Tieren; seelisch stumpfe und brutale Naturen eignen sich nicht. Die Lehrzeit dauert, wie in den anderen Berufen, 3 Jahre. Nach einer mehrjährigen Gesellenzeit, die möglichst in mehreren Betrieben verbracht werden sollte, kann die Meisterprüfung abgelegt werden. Meisterschulen und -kurse bereiten darauf vor. Daß es auch heute noch einem tüchtigen Handwerker, der nicht Meistersohn ist, ge­lingt, selbständig zu werden, ist ein Beweis dafür, daß das Handwerk jedem ein Fort­kommen ermöglicht, der gut veranlagt und strebsam ist.

Es wäre, um dies abschließend zu betonen, grundfalsch, wenn Eltern und Jugendliche nur aus Verlegenheit sich für einen Lebens­mittelberuf entschließen wollten, oder wenn gar die Meinung den Ausschlag geben sollte: zu einem solchen Beruf reicht es immer noch. Nein, auch diese Handwerksberufe sind viel­seitig und verlangen deshalb eine genau so sorgfältige Ueberlegung und Auswahl wie alle andern.