citung

STADT UND LAND

HEIMATBLATT FÜR

SAMSTAG, 26. MAI 1951

ÜBERPARTEILICHE TAGESZEITUNG

7. JAHRGANG/NR. 80

Bundesrat billigt Preiserhöhung für Butter und Milch

Bedenken der Ländervertretungen / Stützung der Butterpreise nicht möglich

BONN. Der Bundesrat billigte am Freitag die von der Bundesregierung vorgeschlagene Erhöhung der Butter- und Milcfapreise, wo­nach für den Kleinhandel in Zukunft ein But­terpreis von 6.34 DM je kg gilt. Dieser Preis wird durch Abschläge verändert, die sich nach der Qualität und den Ortsklassen richten. Die Milch soll je nach Fettgehalt höchstens 38 bis 42 Pfennig pro Liter kosten.

Gegen den Verordnungsentwurf der Bundes­regierung stimmten die Länder Bremen, Ham­burg, Hessen und Niedersachsen. In der De­batte betonte der Hamburger Bürgermeister Nevermann, die Landwirtschaft könne nur dann von einer solchen Preiserhöhung profi­tieren, wenn sich die Kaufkraft der breiten Masse entsprechend erhöhe. Eine einseitige Preiserhöhung vor der Rentenerhöhung würde auch der Landwirtschaft schaden.

Staatspräsident Dr. Gebhard Müller wies darauf hin, daß bei der Butter ein Überange-

Gefährlicher als Korea

Mossadeq: Kampf bis zum Ende MOSKAU. Diplomatische Vertreter der West­mächte in Moskau sehen in dem anglo-persi- schen Ölkonflikt größere Gefahren für den Frieden der Welt als im Koreakrieg. Sie sind der Ansicht, daß die Sowjetunion unter Beru­fung auf einen 30 Jahre alten sowjetisch-per­sischen Vertrag intervenieren werde, wenn britische Truppen zum Schutz der Ölinteressen Großbritanniens in Südpersien landen sollten.

Der persische Ministerpräsident Mossadeq erklärte am Freitag:Wenn die britische oder Irgendeine andere Regierung sich weiter an die frühere britisch-persische Ölgesellschaft klammert, so wird bald die ganze freie Welt am Rande des Abgrunds stehen ... Persien ret­ten, heißt der Welt den dritten Weltkrieg er­sparen. Persien werde seinen ölverstaat­lichungsplan durch einen , Kampf bis zum Ende durchsetzen. Die britisch-persische Öl­gesellschaft solle jedoch als Organisation be­stehen bleiben, damit der Strom des persischen Öls in die Welt nicht abnehme.

Großbritannien hat die persische Regierung durch ihren Botschafter Sir Francis S h e p - h e r d davon unterrichtet, daß es die Nationa­lisierungswünsche als Verhandlungsbasis an­nehme

Truman warnt vor neuem Weltkrieg

Bradley: Diplomatische Verpflichtungen übersteigen militärische Fähigkeiten

WASHINGTON. Präsident Truman er­klärte auf seiner wöchentlichen Pressekonfe­renz, er sei voller Vertrauen, daß sein Frie­densprogramm einen neuen Weltkrieg ver­hüten werde. Er warnte nachdrücklich vor einem dritten Weltkrieg, der auch die USA zu einem Schlachtfeld machen und die Zivili­sation auf den Stand des dunkelsten Zeitalters zurückversetzen würde.

Vor dem außenpolitischen und Wehraus­schuß des amerikanischen Senats erklärte der Chef des gemeinsamen Stabes der USA-Streit- kräfte, General Bradley, am Donnerstag, die Atlantikpaktmächte seien im Augenblick nicht in der Lage, einer Aggression Rußlands entgegenzutreten. Bradley meinte, die diplo­matischen Verpflichtungen Amerikas überstie­

gen gegenwärtig seine militärischen Fähigkei­ten. Ein Beispiel dafür sei die Atlantikpakt­organisation, deren zwölf Mitglieder im Au­genblick nicht in der Lage seien, einer Aggres­sion der Sowjetunion erfolgreich zu widerste­hen.

Das neue Auslandshilfsprogramm von Prä­sident Truman in Höhe von 8,5 Milliarden Dollar wird sich aller Voraussicht nach im amerikanischen Kongreß schwer durchsetzen. Es wird allerdings für möglich gehalten, daß die vor allem in republikanischen Kreisen lautgewordene Kritik bis zum Zeitpunkt der Abstimmung, wahrscheinlich Mitte des Som­mers, erheblich abflaut.

bot von jährlich etwa 50 000 t bestehe. Deshalb habe sein Kabinett Bedenken gegen die But­terpreiserhöhung. Besser wäre es, Subventio­nen an die Molkereien zu . ahlen.

Für den Wirtschaftsausschuß des Bundesrats erklärte der Berliner Senator Klein, die vor­geschlagenen Preiserhöhungen stellten einen Bestandteil des Wirtschaftsprogramms der Bundesregierung dar. Dieses Programm könne nicht stüdeweise beraten werden. Deshalb wäre es besser, die Verordnung erst später, zusam­men mit den anderen Vorlagen des Wirt­schaftsprogramms, zu verhandeln.

Diesen Argumenten hielt der Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium, Sonnemann, entgegen, eine Stützung des Butterpreises würde jährlich 540 Millionen DM erfordern, die nicht vorhanden seien. Andererseits be­dürfe die Landwirtschaft der Mehreinnahmen aus höheren Milch- und Butterpreisen, um die Kosten für die gleichfalls erhöhten Landarbei­terlöhne decken zu können. Der Ernährungs­minister von Nordrhein-Westfalen, L ü b k e, führte die Butterschwemme vor allem darauf zurück, das aus handelspolitischen Erwägun­gen mehr Butter eingeführt würde, als abge­setzt werden könne. Auch die Verbilligung der Margarine durch Subventionen erschwere den Butterabsatz. Einzig durch erhöhte Butter- und Milchpreise könne dem Erzeuger geholfen wer­den.

Eindrucksvolle Prozessionen

Fronleichnamstag festlich begangen

FRANKFURT. Das höchste Fest der katho­lischen Kirche, das Fronleichnamsfest, wurde am Donnerstag mit farbenprächtigen Prozes­sionen in allen größeren Städten West- und Süddeutschlands unter großer Beteiligung der katholischen Bevölkerung begangen. Vor allem aus dem Rheingebiet wird über einen ein­drucksvollen Verlauf der Feiern berichtet. An den Bischofssitzen sah man neben den hohen kirchlichen Würdenträgern auch führende Per­sönlichkeiten des öffentlichen Lebens in den Prozessionen. In der Bundeshauptstadt wurde die Fronleichnahmsprozession zum erstenmal nach dem Kriege wieder durch Böllerschüsse angekündigt. Mitglieder der Bundesregierung, des Bundesrats, des Bundestags und des Diplomatenkorps nahmen an dem fünf Kilo­meter langen Zug teil.

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Wer irird Bundespräsident in Österreich: der Landeshauptmann von Oberösterreich, Dr. Heinrich Gleißner, Kandidat der Volkspartei (rechts) oder der Bürgermeister von Wien, Theodor Kör­ner, der Kandidat der Sozialisten? Die Entscheidung fällt bei der Stichwahl am Sonntag

Demokratie im Verborgenen

Von Ernst Müller

Wir wollen ehrlich sein: Eine übergroße Mehrheit von Menschen wußte keine Antwort, als sie gefragt wurden, warum an öffentlichen Gebäuden am Mittwochschwarz-rot-gold geflaggt worden ist. Wir sollten daran erinnert werden, daß vor zwei Jahren sich die Bundes­republik mit einem 146 Artikel umfassenden Grundgesetz konstituiert hatte. Wahrlich der Staat weiß seine wichtigen Gedenktage recht wenig populär zu machen. Wir halten das für einen Fehler. Das bißchen, was man im Rund­funk am Vorabend darüber hörte und die un­genügende Benachrichtigung der Presse zeugen davon, daß es höheren Orts an Eifer fehlte, dem Volk eine Chance zu geben, sich darüber zu besinnen, wo wir eigentlich stehen, seitdem wir eine vorläufige Verfassung haben im Rah­meneines republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates, wie es in Artikel 28 heißt.

Nichts ist wichtiger für den Bürger, der in seinen eigenen Sorgen zu ersticken droht, als daß er sich übt im Erkennen der Dinge, die ihn als Mitglied einer Allgemeinheit, eines Staates angehen.

Nur zu bekannt ist es auch an den Sitzen der Regierungen von Bund und Ländern, daß schon in den Parteien selbst immer stärker und unverfrorener Stimmen laut werden, die das Grundgesetz selbst angreifen, mit diesen und jenen Formulierungen nicht einverstan­den sind und daß sich bereits zwei große feind­liche Fronten, die eine steht links, die andere rechts, gebildet haben, die für den Blickwin­kel des treuen Staatsbürgers nach Artikel 21 verfassungswidrige Ziele verfolgen und den Bestand der Bundesrepublik gefährden. Soll es dem deutschen Volke wieder so ergehen, wie es der Weimarer Republik ergangen ist: Bevor die Mehrzahl der Bürger überhaupt wußte, in welchem Staat sie lebten, war dieser Staat bereits im Innersten ausgehöhlt, von sei­nen Feinden desavouiert, von Unzufriedenen

Freiheit Mangelware

Lehr: Starke ausländische Garnison

DÜSSELDORF. Bundesinnenminister Dr. Lehr erklärte in Düsseldorf, die Bundesrepu­blik werde noch in diesem Jahr eine stärkere ausländische Garnison erhalten, als Deutsch­land in kaiserlichen Zeiten Truppen aufwies. Der Bereitschaftspolizei werde vor allem die Aufgabe zufallen, der ausländischen Garnison den Rücken freizuhalten und für innere Ord­nung zu sorgen. Die Bundesregierung sei über die Sabotagevorbereitungen linksradikaler Kreise genau informiert. Monatlich würden Tausende hochbezahlter Agenten aus dem Osten ln die Bundesrepublik geschleust.

Lehr stellte fest:Wer der Herr Westeuro­pas ist, ist der Herr der Welt; denn sein Po­tential an Rohstoffen, Produktionsstätten und Intelligenz gibt dem, der es besitzt, die Über­macht. Diese Tatsache verleihe Deutschland als Verbündetem des Westens eine weit grö­ßere Bedeutung, als dies die Alliierten 1945 begriffen hätten. Sie reize aber auch die Be­gehrlichkeit des Angreifers und berge die Ge­fahr,daß der jetzige Besitzer, wenn er es aufgeben müßte, vorher das gesamte Poten­tial zerstören würde. Freiheit sei gegenwärtig >n der ganzen Welt Mangelware und Mangel­ware sei stets teuer.

Hinrichtungen erneut aufgeschoben

In letzter Minute / Bilanz der Kriegsverbrecher-Prozesse

WASHINGTON. Das amerikanische Außen­ministerium hat am Donnerstagabend einen Aufschub der Vollstreckung der Todesurteile an den sieben Landsberghäftlingen um fünf Tage angeordnet. Der amerikanische Hohe Kommissar McCloy wurde zwei Stunden vor dem zur Urteilsvollstreckung angesetzten Ter­min hiervon verständigt.

Das Staatsdepartment hat damit einer einst­weiligen Verfügung Folge geleistet, die von dem Gericht desDistrikt of Columbia erlas­sen worden war. In der Verfügung ist der Aufschub der Hinrichtungen bis zum 29. Mai 16.00 Uhr Mitteleuropäischer Zeit angeordnet. Sie erfolgte auf Vorstellung des amerikani­schen Anwalts der sieben Häftlinge Warren M a g e e , der bei dem Bezirksgericht Zivil­klage mit der Begründung erhoben hat, die Hinrichtung seiner Klienten sei ungesetzlich, da die Verfassung der deutschen Bundesrepu­blik die Todesstrafe verbiete und die USA die deutsche Verfassung anerkannt hätten. Das Gericht wird Anfang nächster Woche die Ar­gumente der Verteidiger hören.

Der amerikanische Verteidiger von Oswald Pohl, Frederik Wiehl, führte aus:Jetzt glaube ich, haben wirs geschafft. Ich glaube nicht, daß man die Männer jetzt noch hängt.

Die sieben Todeskandidaten sind auch nach dem angeordneten Aufschub der Hinrichtun­gen in den Todeszellen im Keller des Lands­berger Gefängnisses verblieben. Die Alarmbe­reitschaft der Constabulary-Einheiten, der Flugplatzbesatzung und der polnischen Wach­mannschaften wurde am Freitag wieder auf­gehoben.

In seinem am Donnerstag veröffentlichten Vierteljahresbericht gab der amerikanische Hohe Kommissar McCloy einen Überblick über die seit 1945 abgewickelten Gerichtsverfahren wegen Kriegsverbrechen. Danach wurden ins­gesamt 1621 Urteile gefällt, davon waren 275 Todesurteile und 202 lebenslängliche Haftstra­fen. In 371 Fällen erfolgte Freispruch oder wurden die Verurteilten inzwischen begnadigt oder entlassen. Auf Grund des Kontrollrats- gesetzes Nr. 10 sind aus dem amerikanischen Besatzungsgebiet 4429 der Kriegsverbrechen Verdächtigte an 14 ausländische Staaten aus­geliefert worden, davon 1573 an Frankreich, 1367 an Polen, 748 an Großbritannien, 329 an an die Sowjetunion, 23 an Österreich, 3 an die Tschechoslowakei, 53 an Jugoslawien, 34 Griechenland und 2 an Italien. Der Rest ver­teilt sich auf Belgien, Dänemark, Norwegen, Luxemburg und die Niederlande.

in schlimmer Gleichgültigkeit verlassen.

Wir wissen wohl, Gesinnungen lassen sich nicht mit Verfassungen organisieren, sie sind da, freundlich oder feindlich. Die staatsbürger­liche Erziehung müßte gerade da am inten­sivsten einsetzen, wo sich unvermeidbare Spannungen zwischen gewählter Regierung und gewissen Interessenschichten des Volkes ergeben.

In Artikel 5 heißt es:Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort und Schrift und Bild frei zu äußern... Wir möchten nur ein Bei­spiel von vielen, die zu nennen wären, anführen für das, was sich gewisse Leute unter freier Meinungsäußerung denken. Der Schriftsteller Ernst von Salomon, einstiges Mitglied der Or­ganisation Consul und der Brigade Ehrhardt, schrieb soeben einen dicken WälzerDer Frage­bogen, der beziehungsvoll einen schwarz­weiß-roten Einband hat. Das Buch ist von A bis Z eine einige Satire auf die Ideale vonSchwarz-Rot-Gold, mit politischem Ex­plosivstoff gegen jede Art von Demokratie ge­laden und der Verfasser besitzt die Frechheit, zu sagen:Was Demokratie ist, weiß ich nicht und habe auch noch niemanden gefun­den, der es mir einleuchtend zu erklären wußte. Die SA- und Bombenschmeißer-Ge- sinnung marschiert. So ist es. Und ;on links her erfolgen dieselben Angriffe aüf den Staat. Selbst in unserem friedlichen Württemberg versuchen die Kommunisten Flugblätter gegen die Remilitarisierung geschickt mit den demo­kratischen Zeitungen in die Familien zu schmuggeln und Verwirrung anzustiften. Über­all ist die Taktik der Wühler am Werk.

Wir wären schlechte Demokraten, wollten wir angesichts dieser sich ausbreitenden Ge­sinnungen nach der starken Hand des Staates rufen. Wir wollen damit lediglich anzeigen, wie schlecht fundiert die staatsbürgerliche Gesin­nung in unserem Volke ist. Nach zwei Jahren politischem Leben in der Verfassung ist die Verfassung bereits in die Defensive gedrängt, wo sie doch offensiv sein müßte. Nicht die Angst, wie immer behauptet wird, damit die Angst sich wie eine Krankheit ausbreitet, viel­mehr die Gleichgültigkeit der Bürger ist es, die wir, jeder von uns, bekämpfen müssen. Es ist einfach ein Zeichen geringen politischen Denkens in unserem Volke, daß wir heute Ar­gumente ins Feld führen gegen die Verfassung, daß wir im Ringen um die Remilitarisierung auf Artikel 4, Absatz 3 verweisen (Niemand darf zum Kriegsdienst gezwungen werden), um der Bundesregierung die so komplizierten Ver­handlungen mit den Hochkommissaren zu er­schweren, den Frieden zu erhalten. Oder wenn wir uns von der Froschperspektive eines Länd- chenstandpunktes aus der Handlungsweise unserer gewählten württembergisch-hohenzol- lerischen Regierung in Bonn widersetzen und einem schädlichen Partikularismus huldigen.

Denket doch einmal darüber nach, was kom­men würde, wenn Rechts oder Links Einfluß auf das Regieren bekäme? In zwei Minuten wäret ihr mit euch einig, daß vor der größe­ren Gefahr das kleinere Übel schweigen muß. Wir haben uns damit abzufinden, daß wir eine mittelbare Demokratie haben mit einer ver­hältnismäßig starken Spitze im Kanzler. Mit der Schweizer unmittelbaren Demokratie zu liebäugeln, ist heute sinnlos. Dazu ist unsere Lage zu ernst und der Totalitätsanspruch von Rechts und Links in zu bedrohlicher Nähe. Wir verlören den einzigen Schutz, den wir heute haben: die Verfassung, der wir Treue geloben