„Führer“ der SRP
Erinnerungen an den 20. Juli
Es soll hier nicht nachgeprüft werden, wieso eine Partei wie die SRP bei den niedersächsischen Landtagswahlen zu ihrer nicht unbeträchtlichen Stimmenzahl gekommen ist.
— Beschämend erscheint uns vor allem, daß eg eine so große Anzahl von Deutschen gibt, die sich mit ihrer Stimmabgabe auch gleichseitig zu der Person des Generalmajors a. D. Hemer bekennen, dessen verhängnisvolle Rolle im Drama des 20. Juli 1944 nur allzu bekannt ist. Remer mag damals der suggestiven Wirkung jenes Telefongespräches mit Hitler erlegen sein. Als Vertreter eines aus der HJ- Schulung herausgewachsenen Offizierstyps wollen wir ihm sogar zugestehen, daß ihm die Revolutionäre des 20. Juli als „feudale Hochverräter“ erschienen, die er mit dem Glauben des blinden Eiferers auszumerzen bestrebt war. Konnte er übersehen, was er tat, als er gegen die aufständischen Offiziere vorging und die Führer des Putsches, Klaus und Berthold von StauSenberg, ohne mit der Wimper zu zucken, miterledigte? Woher sollte «r es auch wissen, daß er gerade in diesen beiden jungen Deutschen mit das Edelste an Menschentum vernichtete, was sich einer brutalen Nazidiktatur entgegenzuwerfen versuchte. Für 'diese Elite fehlte ihm jedes Maß. Möglicherweise hatte er sogar gewisse Minderwertigkeitskomplexe und schlug deshalb um so hemmungsloser zu, als die „Stimme «eines Herrn“ den Befehl durchgebrüllt hatte.
— Vor der Geschichte ist und bleibt er einer der Henker des 20. Juli!
Hitler hat ihn dafür befördert; in wenigen Monaten war Remer General und Führer einer Division. Die Akten über seine letzten „Kriegstaten“ sind noch nicht abgeschlossen. In jedem Fall gehört Remer unverdienterweise zu denen, „die noch einmal davongekommen sind“. Aber nun erst kommt das Erstaunliche. Dieser vom Schicksal Gezeichnete, Ge- achöpf eines längst nicht mehr um die Nation, Bondern um den eigenen Kopf kämpfenden Klüngels von Parteifunktionären ist nach dem Krieg nicht still und büßt Im Gegenteil, nun geschieht das Ungeheuerliche: er hält sich für berufen, er trommelt, er gründet eine neue Partei und erklärt in aller Öffentlichkeit, daß •r auch heute im Falle einer Wiederholung nicht anders handeln würde wie an jenem blutigen 20. Juli, dessen Gelingen den Krieg ein halbes Jahr vorher beendet und Hunderttausenden von nachträglich getöteten Menschen das Leben erhalten hätte, ganz abgesehen von den schönen alten Städten wie Freiburg, Dresden und Würzburg, die vor der Verwüstung der späteren Luftangriffe verschont geblieben wären.
Remer ist heute noch stolz darauf, daß er die Revolte des 20. Juli niederschlagen durfte! Und trotzdem stimmen heute viele diesem Mann zu, wählen ihn — und wären wohl auch bereit, ihn morgen mit „Heil Remer“ zu begrüßen! Das sind bedenkliche Symptome, die darauf schließen lassen, daß viele Deutsche politisch überhaupt • nichts dazugelemt haben, sondern weiterhin nur vom „Guten" und „Heiligen“ des Nationalsozialismus schwärmen, während sie vor den Untaten dieses Regimes ihre Augen krampfhaft verschließen. Dr. A. Rieth
Herforder „Kellerschreck“ unzurechnungsfähig?
HERFORD. Der vor drei Wochen verhaftete Herforder 1 „Kellerschreck“ — der 26jährige Heimkehrer Adelhard Born — kann für ‘ seine Taten nicht 'voll verantwortlich gemacht werden, da er nach Mitteilung der Kriminalpolizei in Herford vermutlich nicht zurechnungsfähig ist. Auf Borns Konto gehen 57 Kellereinbrüche. Er stahl vom alten Opernglas bis zum unbrauchbaren Radioapparat alles, was ihm in die Finger kam. Nachher warf er die erbeuteten Sachen wieder fort oder versteckte sie sorgsam unter Büschen oder in Hausruinen.
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Erlebte Bodenseelandschaft
Gustav Schwab zeigt in seinem klassischen Bodenseebuch 1826 dem Wanderer die Bodenseelandschaft zunächst aus der Ferne: Das fruchtbare, bäum- und wiesenreiche Salemer Tal leuchtet aus der Tiefe wie eine fruchtvolle Schale, überquellend und heraufbrandend zu den Gärten und dem lichtdurchfluteten Rittersaal des Heiligenbergs, und vom Twiel aus sieht er „Das Land der Alemannen mit seiner Berge Schnee, mit seinem blauen Auge, dem klaren Bodensee“. Hundert Jahre früher schon faßt der Zürcher Jakob Bodmer die Schau auf den See in die Worte: „Der gewaltige Bodan reißt mein Aug zu sich nieder. Unüberschau- lich und heiter glänzt er, ein herrlicher Spiegel, in der Feme sehen sich die lachenden Ufer mit Wäldern, Schlössern, Türmen und Städten...“ In Briefen und Tagebüchern, in Almanachen, in Berichten, in Monats- und Wochenblättern gaben die Reisenden vergangener Jahrzehnte aus dem flachen Norden Deutschlands, aus Hamburg, Berlin, Hannover und Göttingen ihrer Freude Ausdruck, die sie beim Anblick des Bodensees und der Schneeberge erfüllte: „Sie glänzten in der Feme wie Silberwolken“, schrieb 1750 Klopstock in Meß- kirch in sein Tagebuch.
Das Landschaftserlebnis beschränkte sich aber am Bodensee in der Regel auf die Schau vom Ufer aus. Nur wenn der Reiseweg es erforderte, vertraute man sich einem Schiffe an. F. Stolberg bemerkte 1791: „Von Meersburg ließen wir uns über den See nach Konstanz rudern. Wir brachten drei angenehme Stunden auf der Überfahrt zu. Ich möchte dir gern einen Begriff von der Schönheit des Bodensees geben. Seine Größe, der hellgrüne Glanz seiner durchsichtigen Wellen und die Mannigfaltigkeit seiner Ufer geben ihm Schönheiten, welche man selten in der Natur so vereinigt findet“ und Hebel schrieb 1805 von einer Fahrt nach der Mainau: „Keine Feder beschreibt die Herrlichkeit dieser Wasser
fläche und ihrer Ufer, wie sie uns im feierlichen Schimmer der Morgensonne umgab. Wir lebten im Zauber einer anderen Welt.“
Nicht immer gefahrlos waren ehedem die Fahrten über den See. Die kleinen Schiffe hatten oft schwer mit Sturm und Wellen zu kämpfen. So rief Graf Platen 1816, von Ror- schach nach Lindau überfahrend: „Schwelle die Segel, günstiger Wind! Trage mein Schiff an das Ufer der Ferne! Schwelle die Segel, günstiger Wind, daß ich den Boden, den heimischen, schaue.“ Mit der Einführung der Dampfschiffahrt begann dann eine neue Epoche der Bodenseercisen. Im Jahre 1839 fuhr die schwäbische Schriftstellerin Ottilie Wildermuth auf ihrer Hochzeitsreise über den See: „Wir waren, von Rorschach ab nach Konstanz, die einzigen Passagiere an Bord des Wilhelm... Wir standen am Rand des Schiffes. Ich ließ meinen grünen Schleier weit hinauswehen und glaubte midi in eine Märchenwelt versetzt.“
Die Beschwernisse der einstigen Ruder- und Segelfahrt und die Umständlichkeit der ersten Dampfboote werden dem heutigen Reisenden kaum mehr bewußt. Man fährt im hohen Sommer in bequemer Sicherheit in die weite Fläche hinaus, die die Sonne in leuch- tendem Glanz überstrahlt. Die fruchtbaren, reichbesiedelten Ufer überraschen immer wieder in ihrer Mannigfaltigkeit und Anmut. In überragender Majestät wächst der Säntis aus den grünen Hügeln des Thurgaus wie eine riesenhafte starre Steinwand, und über die ferne, opalen Wölbung des Sees ragen die weißen Firne Vorarlbergs. Ein köstlich Gefühl durchströmt die Seele, das sich im Dahingleiten erhöht und sich erfüllt im wunschlosen, beglückenden Erfassen der Schönheit der Heimat am Bodensee. O. W.
Der bekannte Buchverleger Walter H ä d e de e beging in Weil der Stadt, wo er nach seiner Aus- bombung von Stuttgart aus Unterkunft gefunden hat. seinen 65. Geburtstag.
„Birnbaum und Hollerstauden“
Ein neues Stück von Josef Maria Lutz
Josef Maria Lutz ist vor allem durch seinen „Brandner-Kaspar“ in ganz Deutschland bekannt geworden. Jetzt wurde von ihm im Münchner Volkstheater ein neues Volksstück „Birnbaum und Hollerstauden“ mit großem Erfolg uraufge- führt. Lutz schöpft dabei, wie der Amerikaner Osbom in „Der Tod im Apfelbaum“, aus alten Sagen- und Märchenmotiven. Sein Schmied hat, weil er dem auf Erden wandelnden heiligen Petrus den Esel für ein Vergeltsgott beschlagen, drei Wünsche frei. Er kann deshalb auch den Tod einen ganz schlimmen Winter lang auf den Apfelbaum bannen und mit ihm für sich einen Nichtangriffspakt abschließen. Lutz rührt hier an die letzten Dinge. Sie werden aber bei ihm mit der unbekümmerten Vereinfachung des Märchens behandelt. Die heilige Mutter Gottes selber erlöst zuletzt den Schmied von seinem überlangen Leben. In der von Olf Fischer locker inszenierten Aufführung mit der gleichfalls recht unbekümmerten Musik von Kurt Brüggemann entfaltete sich drastisch die bayerische Spiel- und Lebensfreude, sie überspielte temperamentvoll alle Plötzlichkeiten der Handlungsführung. Die eindringlichsten Gestalten waren der alte Müller, der am Ende doch so schwer aus der Welt geht, von Wastl Witt, diesem urtümlichen Volksschauspieler, und der skurrile Tod von Konstantin Delcroix. H. D.
Für den Bücherfreund
Eine Geschichte der deutschen Fliegerei
Werner Baumbach, „Zu spät?" Aufstieg und Untergang der deutschen Luftwaffe. Richard Pflaum Verlag, München, S28 S.. mit 25 Bildtafeln und 12 Karten. 12.68 DM.
Es ist nicht leicht, über Baumbachs Buch zu einem wirklich gerechten Urteil zu kommen angesichts der Tatsache, daß in den beiden letzten Jahren schon mehr an Memoirenliteratur der jüngsten Vergangenheit erschienen ist, als gut sein kann. Auf der anderen Seite ist ein echtes Bedürfnis nach Aufhellung des deutschen Dramas bis zur bedingungslosen Kapitulation vorhanden. Diese Aufhellung aber kann in einem bestimmten Betracht nur die Größen des unter
gegangenen Dritten Reiches geben. Emigrantenbücher sind jedenfalls kein Ersatz und für eine kühle historische Beschreibung ist die Zeit noch nicht reif. So müßte man Werner Baumbachs Gesamtdarstellung der Geschichte der deutschen Fliegerei seit dem ersten Weltkrieg als wichtigen Beitrag zur Wahrheitsfindung uneingeschränkt begrüßen, wenn man sieh von der Furcht einer durch derartige Arbeiten geförderten gefährlichen Heroisierung freimachen könnte. Immerhin wird man soviel sagen dürfen: Das Buch ist gewandt geschrieben.
In der Schau des Arztes
Eustace Chester. Liebe ohne Furcht. Psychologie und Praxis der Liebe. Hans E. Günther Verlag in Stuttgart, 303 S. 11.80 DM.
Der Arzt und Psychologe C h e s s e r schneidet mit seinem Buch jenen Bereich des menschlichen Lebens an, über dessen Wichtigkeit in moralischer und sozialer Hinsicht man sich ebenso einig ist wie über das Tabu, das man darüber ausgesprochen hat. Indessen ist es nicht einzusehen, warum nicht mit behutsamer Feder die Erfahrungen eines Arztes den Suchenden zugänglich gemacht und dadurch manches Urteil vermieden werden sollte. Chesser scheint dieses Unterfangen gelungen zu sein, er bietet viel Wissenswertes, ohne, je in das Schlüpfrige abzugleiten.
Der von K. H. Bischoff (Veit Bürkle) und der Stadtverwaltung Blaubeuren im Januar aufgegriffene Gedanke der Abhaltung eines Dichtertreffens am 19./21. Mai hat in den beteiligten Kreisen lebhafte Zustimmung gefunden. Der erst Ende April gegründete Süddeutsche Schriftstellerverband in Stuttgart hat nun kurz vor dem geplanten Treffen angeregt, die Veranstaltung auf Herbst zu verschieben, um Gelegenheit zu bekommen, sich ln che Durchführung des Treffens einzuschalten.
Die badische Landesregierung hat dem Justitiar des Südwestfunks, Dr. Karl H ä n s e 1, auf Grund seiner Verdienste als Schriftsteller und Jurist den Titel Professor verliehen. Karl Hän- sels juristische Lebensarbeit ist aufs engste mit der Entwicklung des deutschen Urheberrechtes verbunden.