STADT UND LAND
HEIMATAUSGABE FÜR
FREITAG, 11. MAI 1951
ÜBERPARTEILICHE TAGESZEITUNG
7. JAHRGANG / NR. 71
Schießereien in Panama
Der Präsident gibt nach
PANAMA. Schwere Streikunruhen haben in der Hauptstadt des mittelamerikanischen Staates Fanama 2 Tote und 78 Verletzte gefordert. In Panama City ruht das gesamte Wirtschaftsleben. Der Generalstreik wurde ausgerufen, nachdem Präsident A r 1 a s am Montag die aus dem Jahre 1946 stammende Verfassung außer Kraft setzte und die Verfassung von 1941 wieder für gültig erklärte. Diese Maßnahme sollte dem Parlament ermöglichen, strenge Verordnungen zur Überwindung der Wirtschaftskrise, in der sich das Land befindet, zu erlassen.
Präsident Arias hat inzwischen zugesagt, die aufgehobene Verfassung von 1946 wieder in Kraft zu setzen, um so die blutigen Zusammenstöße zu beenden.
Ganze Städte verwüstet
10 000 Obdachlose in Ei Salvador
SAN SALVADOR. Bei den gewaltigen Erdbeben, die den mittelamerikanischen Staat El Salvador in den letzten Tagen erschütterten, sind nach den neuesten Berichten mindestens 1200 Menschen ums Leben gekommen. Die Zahl der Verletzten wird auf 4000 geschätzt. Die Regierung hat für zwei Provinzen des Landes den Notstand verkündet, nachdem feststand, daß das Erdbeben mehrere 10 000 Menschen obdachlos gemacht hat. Inzwischen vermehrten sich die Anzeichen für einen gewaltigen Vulkanausbruch, der das kleine Land völlig verwüsten könnte.
Fortsetzung auf höherer Ebene
Neue Phase der Verteidigungsgespräche
BONN- Die deutsch-alliierten Verhandlungen über die Möglichkeiten eines deutschen Verteidigungsbeitrags innerhalb des atlantischen Sicherheitspakts werden in Kürze in eine neue Phase treten. Bundeskanzler Dr. Adenauer will, wie in Bonn verlautete, die Erörterungen auf höherer Ebene fortsetzen. Den Vertretern der Westmächte soll nahegelegt worden sein, die bisher geführten Sachverständigengespräche auf dem Petersberg, die im Laufe von vier Monaten achtmal stattfanden, bald abzuschließen. Bisher wurden die verschiedenen Möglichkeiten eines deutschen Verteidigungsbeitrags rein theoretisch behandelt. Bei der nächsten Zusammenkunft der Sachverständigen am 18. Mai sollen alle bisher erörterten Probleme nochmals zusammenfassend besprochen werden.
SPD: Schärfere Devisenkontrolle gegen Kapitalflucht notwendig
Zentrum fordert Auskunft über die Handelsspannen / Große Rundfunkdebatte
BONN. In der gestrigen Bundestagssitzung forderte die SPD eine schärfere Devisenkontrolle. Die bisher erreichte Höhe des Kapitalfluchtbetrages werde auf 800 Millionen DM geschätzt. Die SPD sei sich nicht darüber im klaren, ob von der Bundesregierung alles getan wurde, um die Kapitalflucht zu verhindern. Die Devisenkontrolle sei nach der Revision des Besatzungstatuts zu einem großen Teil in deutsche Hände übergegangen.
Staatssekretär Alfred Hartmann (Bundesfinanzministerium) antwortete, daß eine vierstufige Kontrolle der Devisengeschäfte bestehe. Sie beginne bei der Genehmigung der Ein- und Ausfuhrgeschäfte und ende mit der gerichtlichen Verfolgung von Devisenvergehen. Geprüft werde durch die Fachstellen als Organe der Wirtschaftsverwaltung und durch die Finanzämter. Der Prüfungsapparat sei noch im Aufbau.
Die Zentrumspartei forderte in einem Antrag Auskunft über die Höhe der Handelsspannen bei den Waren, die mit Verbrauchssteuern belegt sind. Das Zentrum will mit diesem Antrag eine Untersuchung^ darüber erreichen, ob die Handelsspannen denen in der Vorkriegszeit entsprechen oder ob sie erhöht worden sind. Der Sprecher verlangte, daß die Handelsspanne nur auf den Warenpreis, nicht aber auch auf die Steuern geschlagen werde. Ein Kilogramm Kaffee, das heute 28.90 DM koste, werde dann den Verbraucher nur 19.61 DM zu stehen kommen. Die gleiche üble Entwicklung werde bei der Einführung der Sonderumsatzsteuer eintreten. Es sei ein „kanin- chenhaftes Anwachsen“ der Preise zu befürchten, wenn diese Steuer auf breiter Basis eingeführt werde (Heiterkeit!). Die Preisstabilität müsse durch Steuerverzicht erreicht werden. Der Antrag wurde ohne Aussprache an den wirtschaftspolitischen Ausschuß verwiesen.
Am Mittwoch stand die Neuordnung des deutschen Rundfunkwesens im Mittelpunkt der Debatte. Anlaß war ein DP-Antrag auf Vorlage eines Bundesrundfunkgesetzes. Bundesinnenminister Robert Lehr erklärte dazu, daß die Verabschiedung eines Rundfunkgesetzes von der vollen deutschen Funkhoheit abhängig sei. In Kürze würden bei den Alliierten Schritte unternommen, um der Bundesregierung die Ermächtigung zum Abschluß
20 Prozent mehr für Bundesbedienstete
Länder werden Bund folgen / Besoldungsreform bis zum Herbst
BONN. Das Bundeskabinett hat beschlossen, die Gehälter und Löhne der Bundesbediensteten, einschließlich der von Bahn und Post, um 20 Prozent zu erhöhen. Vizekanzler Blücher erklärte, die Erhöhung sei in Anbetracht der bisherigen Unterbezahlung im öffentlichen Dienst notwendig geworden. Infolge des Vorprellens verschiedener Länder, wie Nordrhein-Westfalen, habe der Bund nicht länger zögern können. Die 20prozentige Aufbesserung betrifft auch die Pensionen. Bis spätestens zum Herbst sollen in einer umfassenden Besoldungsreform Löhne. Gehälter und Pensionen vollständig neu geregelt werden. Da der Bund mit seinen Besoldungsmaßnahmen die Richtschnur auch für die Länder gibt, wird als sicher angenommen, daß die Länder und Gemeinden ebenfalls sämtliche Bezüge entsprechend aufbessern.
Der deutsche Beamtenbund hat den Kabinettsbeschluß, die Gehälter der Bundesbediensteten um 20 Prozent zu erhöhen, als nicht „befriedigend“ bezeichnet Der „Kampf um eine gerechte Anpassung“ werde fortgesetzt. Die Gewerkschaft für öffentliche Dienste, Transport und Verkehr wies darauf hin, daß bei einem Scheitern der Lohnverhandlungen rund 1% Millionen Angestellte und Arbeiter des öffentlichen Dienstes eine Urabstimmung über einen Streik abhalten werden.
internationaler Rundfunkverträge zu geben. Das kommende Bundesrundfunkgesetz solle in Zusammenarbeit mit den Ländern und Rundfunkanstalten zustande kommen, es sei jedoch eine äußerst umstrittene Rechtsfrage, ob und inwieweit der Bund ordnend in die Rundfunkanstalten eingreifen werde. In der Begründung des Antrages hatte der Sprecher der deutschen Partei den Generaldirektor Grimme vom Nord westdeutschen Rundfunk beschuldigt, Bespitzelungen über die Parteizugehörigkeit seiner Angestellten veranlaßt zu haben. Ein Detektivbüro habe hierfür 15 000 DM aus den Hörergeldem erhalten. Im NWDR habe sich die SPD festgesetzt.
Der SPD-Abgeordnete Otto Heinrich Greve forderte auf der Mittwochsitzung den Rücktritt von Bundesjustizminister Thomas Dehler. Es wurden Dehler Äußerungen gegen die Sozialdemokratie und die Gewerkschaften im Zusammenhang mit der Diskussion für das Mitbestimmungsrecht vorgeworfen. Für die Bundesregierung erklärte dazu der Innenminister, die Interpellation gebe die Äußerungen Dehlers nur teilweise richtig wieder. Die Bundesregierung könne aus diesen Gründen keine Stellung nehmen.
Der Bundestagspräsident berief die nächste Sitzung auf Montag, 21. Mai, ein.
Der österreichische Thronprälendent und die Prinzessin Regina von Saihsen-Meiningen im vollen Hochzeitsstaat. Sie wurden am Donnerstag in Nancy getraut. (S. a. an anderer Stelle dieser Ausgabe.)
Bemerkungen zum Tage
auf deutschem Boden besuchen. Morrison rechnet damit, anschließend nach Wien weiterfahren „zu können“, um dem dortigen britischen Hohen Kommissar einen Besuch abzustatten.
Gespräch über Besatjungsk osten
BONN. Bundeskanzler Adenauer forderte in einer dreistündigen Besprechung mit den alliierten Hohen Kommissaren auf dem Petersberg eine Senkung der Besatzungskosten. Der Kanzler verlangte, daß sowohl die Höhe der Besatzungskosten als auch die Art der deutschen Zahlungen überprüft werde. Die Hohen Kommissare haben Dr. Adenauer eine Prüfung durch ihre Finanzberater zugesagt. Nach den deutschen Feststellungen belaufen sich die Besatzungskosten, einschließlich der Gelder für Kasernenbauten und andere indirekte Besatzungsausgaben, auf 9,3 Milliarden DM. Die deutschen Pläne sehen eine Aufteilung der Kosten in Zivil- und Sicherheitskosten vor.
Fehlanpassung
jk. „Die soziale Wirtschaftspolitik der Bundesregierung weiterhin der Entwicklung an- zupassen“, sollen die vom Bundeskabinett verabschiedeten Wirtschaftsgesetze dienen. Insgesamt bilden sie den sogenannten Wirtschaftsplan. Er enthält: Teuerungszulagen an die Sozial- und Arbeitslosenfürsorgempfänger, Selbsthilfe der Wirtschaft, Abgabe von 1 DM pro Tonne abgesetzter Kohle für den Bau von Bergarbeiterwohnungen, Sonderumsatzsteuer auf Güter des gehobenen Bedarfs, Erhöhung der Agrarpreise und Erhöhung der Beamtengehälter um 20 Prozent auf die Grundbezüge. Läßt sich diese Reihe der nach den verschiedenartigsten Richtungen wirkenden Maßnahmen wirklich unter dem Begriff „Anpassung“ zusammenfassen? Heute noch, da seit den Beratungen dieses Wirtschaftsprogramms Monate ins Land gegangen sind?
Einer kritischen Überprüfung hält diese Behauptung nicht stand. Daß vor allem die Unterstützungssätze, aber auch die Beamtengehälter einschließlich der Pensionen erhöht werden müssen, nachdem das Lohn-Preisgefüge nun einmal in Bewegung geraten war, unterliegt keinem Zweifel. Zur dringend notwendigen Steigerung der Agrarproduktion müssen andererseits gewisse Preissteigerungen landwirtschaftlicher Produkte in Kauf genommen werden, und der Bau von Bergarbeiterwohnungen ist, abgesehen von der selbstverständlichen sozialen Verpflichtung, ebenfalls eine wirtschaftspolitische Notwendigkeit.
Aber die Sonderumsatzsteuer! Sie soll (wird uns gewissermaßen zum Trost gesagt) 33’/j Prozent des Herstellerpreises nicht übersteigen. Kann man so etwas noch ernst nehmen? Und wie denken sich die Herren in Bonn so etwas? Da hat man vor Monaten ein solches Konzept geschaffen — leider muß man sagen —, aber immerhin gab es damals noch weithin starke Kaufkraft. Unterdessen hat sich das aber wesentlich geändert: die Kaufkraft
Die Gefahr des „Flüchtlingsdrucks“
Lukaschek in Straßburg / Semler schildert Wirtschaftslage
Adenauer gegen SRP
Morrison als Gast erwartet
MÜNCHEN. „Die Agitation der rechtsradikalen Kräfte in der Bundesrepublik würde keine wesentlichen Erfolge erzielen, wenn die Opposition im Bundestag nicht die Geschäfte des Rechtsradikalismus besorgen würde“, erklärte Bundeskanzler Adenauer in einer Ansprache über den Bayerischen Rundfunk. Anders als die Weimarer Republik wolle die Bundesrepublik den Gegnern der Freiheit nicht die Freiheit gewähren, wieder ein Chaos heraufzubeschwören. Wer heute in Niedersachsen hinter den extremen Rechtsparteien stehe, sollte sich darüber klar werden, daß er lm Grunde gegen diejenigen positiven Kräfte ankämpft, die ihm ohne große Phrasen, aber ln harter Arbeit die Existenz überhaupt ermöglichen.
Der britische Außenminister Herbert Morrison wird den Bundeskanzler am 20. Mai
STRA SSBURG. Bundesflüchtlingsmini ster Dr. Hans Lukaschek erklärte, solange es in Europa Millionen von Flüchtlingen oder eine millionenfache Überbevölkerung gebe, sei die europäische Verteidigung geschwächt. Der Minister nahm zu führenden Persönlichkeiten des Europarats Fühlung auf und wies sie darauf hin, daß in einem in Kürze von Sachverständigen der amerikanischen Marshallplanverwaltung veröffentlichten Bericht geschätzt werde, daß das Problem der 9 Millionen Flüchtlinge in der Bundesrepu- publik binnen 6 Jahren mit einem Kostenaufwand von 12,5 Milliarden DM gelöst werden könne. Die Bundesrepublik, so sagte Lukaschek, werde zweifellos einen großen Teil dieser Summe aufbringen. Bezüglich des Restes regte der Minister an, daß sich der Europarat um eine Anleihe bei der Weltbank bemühen solle, die ausschließlich zur Bewältigung des Flüchtlingsproblems verwendet werden müßte.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Dr. Joh. Semler schilderte in der Beratenden Ver
sammlung des Europarats die wirtschaftliche Situation der deutschen Bundesrepublik. Der starke Aufschwung, den die deutsche verarbeitende Industrie in den letzten zwei Jahren genommen habe, dürfe nicht zu der Annahme verleiten, daß die deutsche Wirtschaft sich schon wieder in dem Stadium einer gesicherten inneren Stabilität befindet. Die Koreakrise habe die Entwicklung gestört. Wenn im deutschen Produktionsprozeß Schwierigkeiten auftreten, so liege das in erster Linie an der schwierigen Kohlensituation.
Der holländische Außenminister S t i k k e r stellte gestern in seinem Schlußwort hauptsächlich folgende Forderungen auf: Die Produktion der Grundstoffe (Kohle, Stahl und Schwefel) soll gesteigert werden; die Verwendung knapper Rohstoffe muß auf die dringendsten Zwecke beschränkt werden; der internationale Handel soll erweitert werden, Defizitländer sollen ihre Exporte steigern und ihre Importe nach Möglichkeit einschränken, Länder mit Guthaben sollen ihre Liberalisierung erweitern.
reserven sind erschöpft und es zeichnet sich bereits eine Absatzkrise ab, die dem Beschäftigungsstand auf die Dauer gefährlich werden könnte. Käme nun wirklich noch die Sonderumsatzsteuer hinzu, dann ließe sich die Entwicklung des Arbeitsmarktes überhaupt nicht mehr absehen. Der schon an sich fragwürdige Charakter einer solchen Steuer erhält dadurch weitere bedenkliche Akzente, daß ihre Verwirklichung der Konjunkturentwicklung nachhinken würde. Und deshalb vermögen wir hier keine Anpassung, sondern nur eine Fehlanpassung zu sehen.
Nur ein Eingang
hb. Fast einstimmig — die Ostblockstaaten haben inzwischen ihre Zustimmung widerrufen — hat der zurzeit in Wien tagende olympische Kongreß die Bundesrepublik wieder in das Internationale Olympische Komitee aufgenommen. Damit darf die deutsche Sportjugend, wenn 1952 zu den Sommerspielen in Helsinki (ob auch eine Einladung zu den Winterspielen in Oslo erfolgen wird, ist noch fraglich) der Ruf an die „Jugend der Welt" ergeht, an den Wettkämpfen um den olympischen Lorbeer teilnehmen, wenn . . ., ja wenn sich die ganze deutsche Jugend in einem Nationalen Olympischen Komitee (NOK) zusammenfindet. Diese in Wien gefundene Antwort mutet fast salomonisch an: Der durch die westliche Pforte Einlaßbegehrende darf die olympische Halle nur gemeinsam mit seinem östlichen Bruder betreten, womit sich die Ostzonenrepräsentanten bereitwillig einverstanden erklärt haben. Denn: In solcher Halle gibt es keine verschiedenen Eingänge, keine Schranken, die Ost und West, demokratisch von volksdemokratisch trennen. Die olympische Idee, die nur ein gleiches Recht für alle kennt, hätte sonst darin keinen Platz mehr. Aber: Kein deutscher Sportler, gleich ob er einen volksdemokratischen Diskus schleudert oder ob er mit einem Tennisball „made in USA“ spielt, hat die Bildung zweier verschieden gefärbter deutscher NOKs gewollt. Daß es soweit gekommen ist, darauf hatte er kaum einen Einfluß. Es wäre darum fast zu schön, um wahr zu sein, sollte es der deutschen Sportjugend — trotz Bonner Bedenken — gelingen, einen gut Teil von den Barrieren aus dem Wege zu räumen, die von Nationen mit errichtet worden sind, deren olympische Vertreter jetzt in Wien mahnend mit dem Finger darauf zeigen. _
„Gefahr in der Schwäche“
Volksbefragung über Remilitarisierung
BERLIN. Die Volkskammer der Sowjetzone hat am Mittwoch beschlossen, ln der Sowjetzonenrepublik vom 3. bis 5. Juni eine Volksbefragung über die Remilitarisierung zu ver- snstsltsn
Der regierende Berliner Bürgermeister Ernst Reuter wandte sich am gleichen Tag gegen die zögernde Politik des Westens und forderte eine eindeutige Haltung gegenüber der Gefahr aus dem Osten. Reuter sagte: „Die größte Gefahr für die freie Welt liegt nicht in der Stärke des Ostens, sondern in der Schwäche des Westens“. Er sei überzeugt, daß die Sowjetunion keinen Krieg beginnen werde, wenn sie sähe, daß der Westen immer stärker werde.